AOK Bremen/Bremerhaven
Hilfe bei häuslicher Gewalt
Veröffentlicht am:15.10.2025
4 Minuten Lesedauer
In den Gewaltschutzambulanzen in Bremen und Bremerhaven können sich Opfer von häuslicher Gewalt ihre Verletzungen dokumentieren lassen. Das ist wichtig, sollten sie später Anzeige erstatten.

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Gewalt - meistens nicht zum ersten Mal
Die Verletzungen, die Dr. Saskia Etzold täglich zu sehen bekommt, reichen von blauen Flecken über gebrochene Nasen, Kratz- sowie Bisswunden und Verbrennungen bis hin zu Würgemalen. In den meisten Fällen sind es von ihren Partnern attackierte Frauen, die zu der Rechtsmedizinerin in die Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen-Mitte kommen. „Sie wurden getreten, geschlagen, gepackt, gestoßen, gewürgt“, sagt die Leiterin der Einrichtung. Und das meistens nicht zum ersten Mal. „Nicht wenige haben aus Scham noch nie darüber gesprochen“, berichtet sie. Den Weg in die Gewaltschutzambulanz fänden die Frauen oftmals erst dann, wenn sich die häuslichen Gewalttaten gesteigert oder die Betroffenen sogar um ihr Leben gefürchtet hätten.
„Wir unterliegen der Schweigepflicht“
Eingerichtet wurde die Gewaltschutzambulanz Bremen im April 2024, um vor allem Frauen besser vor Gewalt zu schützen. Seitdem wurden allein bis 1. Oktober 2025 mehr als 400 Menschen untersucht. „Wir dokumentieren die Verletzungen schriftlich und fotografisch, um sie so für ein mögliches Gerichtsverfahren zu sichern“, sagt Dr. Etzold. Das Angebot ist für die Betroffenen kostenlos und kann auch ohne eine Anzeigenerstattung genutzt werden. Alle Informationen werden vertraulich behandelt. „Wir unterliegen der Schweigepflicht“, betont Dr. Etzold. Das sei für manche Frauen durchaus wichtig, um offen und ehrlich sprechen zu können.
Auch Sexualdelikte werden dokumentiert. „In solchen Fällen ist es aber wichtig, schnell zu sein. Die DNA-Spuren müssen innerhalb von 72 Stunden gesichert werden.“ Daher werden diese Art von Übergriffen häufiger in den durchgehend geöffneten Notaufnahmen der Kliniken Bremen-Mitte, Bremen-Nord und Bremerhaven-Reinkenheide dokumentiert, die eng mit der Gewaltschutzambulanz zusammenarbeiten. Für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder kooperieren Saskia Etzold und ihr Team mit dem Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess im Klinikum Bremen-Mitte.
Die Fotografien und Schriftstücke sowie DNA-Spuren werden bis zu zehn Jahren aufbewahrt. So haben die Betroffenen die Möglichkeit, auch erst zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige zu erstatten, wenn sie sich nicht sofort entscheiden wollen. Finanziert wird die Gewaltschutzambulanz von der Bremer Gesundheitssenatorin. Zudem können die Fälle anonymisiert mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. „Deswegen brauchen wir die Krankenversicherungskarten von den Betroffenen. Die persönlichen Daten werden aber nicht an die Krankenkassen übermittelt“, betont die Rechtsmedizinerin.
„Viele stehen unter Schock“
Bei nicht wenigen Gewaltbetroffenen führt der erste Weg zunächst in die Notaufnahme. Stellt sich dort heraus, dass die Verletzungen vom Partner oder Ex-Partner zugefügt wurden, werden die Patientinnen zur Gewaltschutzambulanz weitergeleitet. „Viele Opfer stehen noch unter Schock“, sagt Dr. Etzold. Deshalb werde versucht, eine möglichst angenehme Atmosphäre zu schaffen. Zur Ausstattung der Gewaltschutzambulanz gehören Getränke, Süßigkeiten, um die Nerven zu beruhigen – und auch eine Box mit Papiertaschentüchern darf nicht fehlen. „Wir stellen viele Fragen, zum Beispiel, ob es der erste Übergriff war. Einige erfahren dann oft zum ersten Mal, dass sich jemand für sie interessiert. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass man ihnen zuhört“, sagt Dr. Etzold.
Bei der Dokumentation allein bleibt es nicht. Von Etzolds Kollegin und Case-Managerin Ramona Rohlwing bekommen die Betroffenen im Anschluss ein Beratungsgespräch angeboten. Dort erfahren sie von den vielfältigen Hilfsangeboten, die sie nutzen können. Das Team arbeitet eng mit Beratungsstellen, Frauenhäusern, den Gerichten und auch der Polizei zusammen. „Die Frauen werden aufgeklärt, welche Optionen sie haben, außerdem bieten wir ihnen an, für sie gleich Termine bei Hilfeeinrichtungen zu vereinbaren.“ Auch Menschen mit wenig Deutschkenntnissen kann das Team helfen, denn ihm steht ein telefonischer Dolmetscherdienst mit rund 40 Sprachen zur Verfügung.
Auch Männer erfahren Partnerschaftsgewalt
Meist sind es Frauen im Alter von Mitte 30, die in die Gewaltschutzambulanz kommen. Doch Dr. Etzold hat auch teilweise mit älteren Patientinnen zu tun. „Wir hatten Fälle, da ist der körperlich überlegene Mann wegen einer schweren Alzheimer-Erkrankung aggressiv geworden.“ Dann wird auf Wunsch der Betroffenen gemeinsam überlegt, wie die nächsten Schritte aussehen können.
Aber es kommen auch Männer in die Gewaltschutzambulanz, im ersten Jahr waren 12,5 Prozent der Hilfesuchenden männlich. Dabei ist es unerheblich ob sie eine Beziehung zu einer Frau oder einem Mann haben, „in allen Konstellationen, in denen es Partnerschaft gibt, gibt es auch Gewalt“, weiß Saskia Etzold. Bei männlichen Opfern sei die Scham oft noch größer als bei weiblichen. „Sie haben die Sorge, dass man ihnen nicht glaubt.“
Kontakt zu den Gewaltschutzambulanzen
Die Gewaltschutzambulanz befindet sich im Klinikum Bremen-Mitte. Es ist notwendig, vor dem Besuch einen Termin zu vereinbaren. Den bekommen Sie telefonisch montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr unter 0421 497 73920 oder per E-Mail unter gewaltschutzambulanz@gesundheitnord.de.
Nur nach sexualisierter Gewalt können sich Betroffene auch ohne Termin untersuchen lassen. Wer im Krankenhaus liegt oder im Frauenhaus Schutz gesucht hat, kann den mobilen Dienst der Gewaltschutzambulanz in Anspruch nehmen.
In Bremerhaven kann die Gewaltschutzambulanz am Klinikum Reinkenheide aufgesucht werden. Für die Terminvergabe rufen Sie montags bis freitags zwischen 9.00 Uhr und 14.00 Uhr an unter 0471 299-3309 oder schicken eine E-Mail an gewaltschutzambulanz@klinikum-bremerhaven.de.
Weitere Informationen gibt es hier.