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Arbeitgebermagazin

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Die kleinen Unterschiede

Veröffentlicht am:17.07.2025

5 Minuten Lesedauer

Gesundheitliche Bedürfnisse unterscheiden sich je nach Geschlecht. Passende Betriebliche Gesundheitsförderung kann dabei helfen, allen die richtigen Anregungen zu geben.

Splitscreen: Ein Mann beim Schwimmen, eine Frau auf der Yoga-Matte

© AOK

Gendermedizin und BGF

Prof. Dr. Katrin Winkler, pädagogische Psychologin an der Hochschule Kempten
Prof. Dr. Katrin Winkler, pädagogische Psychologin an der Hochschule Kempten

Das Robert Koch-Institut hat festgestellt: Bisher nutzen Frauen häufiger als Männer Angebote, Beratungen und Informationen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), beispielsweise zu Rückengesundheit, Ernährung und Stressbewältigung. Um alle Beschäftigten mit Maßnahmen zu erreichen, kann es helfen, diese an den Bedürfnissen der Geschlechter auszurichten.

Was sich hinter geschlechtsspezifischer BGF konkret verbirgt, beschreibt Prof. Dr. Katrin Winkler, pädagogische Psychologin an der Hochschule Kempten: „Geschlechtsspezifische BGF umfasst maßgeschneiderte Maßnahmen und Programme, die den Einfluss von Geschlecht auf die Gesundheit berücksichtigen und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz fördern.“ Dazu gehört, individuelle Gesundheitsbedürfnisse, beispielsweise durch hormonelle Veränderungen, zu erkennen und die Arbeitsumgebung und -prozesse laufend zu überprüfen.

Lebensphase erfassen

Eine wichtige Voraussetzung für geschlechtsspezifische BGF-Maßnahmen ist, die Lebenssituation oder Lebensphase einer Person zu erfassen: von der familiären und beruflichen bis zur finanziellen Lage.

Geschlechter werden nicht nur biologisch, sondern auch kulturell und sozial geprägt. Denn je nach Geschlechtsidentität unterscheidet sich häufig, wie individuelle Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen durch soziale Umstände beeinflusst werden und umgekehrt.

Unterschiedliche Körpererfahrungen

  • Häufige gesundheitliche Probleme bei Frauen

    Frauen sind laut Winkler vermehrt von gesundheitlichen Problemen betroffen, die nicht immer in Statistiken erfasst werden, zum Beispiel Venenleiden oder Thrombosen durch sitzende Tätigkeiten oder langes Stehen. Aufgrund ihrer körperlichen Konstitution klagen Frauen oftmals über Verspannungen und Erkrankungen im Bereich der oberen Wirbelsäule, des Nackens und der Schultern. Außerdem seien sie häufiger sexueller Belästigung und Mobbing ausgesetzt. Auch Wechseljahresbeschwerden können ihr Wohlbefinden und ihre Arbeitsleistung beeinträchtigen.

    Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kritisiert zudem Lohnunterschiede aufgrund einer systematischen Unterbewertung der physischen und psychischen Herausforderungen „typischer Frauenberufe“. Dazu gehören unter anderem Bürotätigkeiten, Erziehung, Hauswirtschaft und Reinigung sowie Gesundheitsberufe.

  • Häufige Erkrankungen bei Männern

    Männer wiederum erleiden in der Regel häufiger Verletzungen durch Arbeitsunfälle und neigen vermehrt zu allgemeinen Rückenbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das kann mit ihrer Berufswahl ebenso zusammenhängen wie mit ihrem Verhalten.

    „Psychische Erkrankungen hingegen werden bei Frauen öfter diagnostiziert“, sagt Katrin Winkler. Bei Männern sind die Symptome häufig andere, etwa Alkoholmissbrauch oder erhöhte Aggressivität.

Psychische Erkrankungen

Das Thema mentale Gesundheit greift auch der WIdO-Fehlzeiten-Report 2024 auf. Die Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigt besonders lange Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen. Besonders betroffen sind kontaktintensive Berufe in Erziehung, Unterricht oder Pflege, die vermehrt von Frauen ausgeführt werden. Wie können sich Arbeitgeber dem Thema nähern?

  • Zu Beginn: Ursachenanalyse

    Sarah Siefen, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Betriebliches Gesundheitsmanagement e.V. (BBGM), empfiehlt zunächst eine Ursachenanalyse.

    In der Analysephase werden Faktoren identifiziert, die Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten habe: „Die richtige Weichenstellung beginnt mit offener Kommunikation und Einbindung, zum Beispiel im Mitarbeitendengespräch, bei Befragungen oder in kleinen Workshops. Aus den Ergebnissen können Arbeitgeber Themenschwerpunkte ableiten.

    Hätten Arbeitgeber die erste Hürde genommen, Beschäftigte für BGF zu öffnen oder gar zu begeistern, könnten sie im Kleinen mit der Planung beginnen.

  • Unterstützung durch die AOK

    Die Fachleute der AOK unterstützen Firmen dabei auch mit gezielten Angeboten, die sich aus einer Eingangsanalyse ableiten lassen.

    Als wichtigen Baustein bezeichnet Katrin Winkler dabei die Berücksichtigung gendersensibler Sprache in der Kommunikation, um alle Geschlechter gezielt anzusprechen.

Vorsorgemuffel auf die Matte

Männer auf Yoga-Matten

© AOK gu 3_25

Männer sind grundsätzlich weniger offen für Gesundheitsvorsorge.
Dr. Sarah Siefen, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BBGM
Dr. Sarah Siefen, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BBGM

Konkrete Anreize oder Ideen können beispielsweise Gesundheitstage geben, die entweder einen Überblick über die verschiedenen BGF-Möglichkeiten verschaffen oder aber bereits themenspezifisch ausgerichtet sind, wenn sich beispielsweise in Vorgesprächen besondere Bedürfnisse herauskristallisiert haben. Auf dieser Basis lassen sich eigene BGF-Strukturen im Unternehmen etablieren.

So sind insbesondere berufstätige Mütter häufig an praktischen Ernährungstipps interessiert, die sich flexibel umsetzen lassen.  „Bei der Frage, was in die Brotdose kommt, muss es oft schnell gehen“, weiß Siefen. Das Immunsystem profitiere von gesundem Essen und Trinken. „Davon fühlen sich viele Frauen angesprochen. Überhaupt nehmen sie eher feine, sensible Angebote an“, fährt sie fort.  Dazu gehörten Entspannungs- und Yogakurse bis hin zu Informationen zum Umgang mit emotionalen Belastungen. Grundsätzlich sind Frauen offener für Gesundheitsvorsorge.

Um auch Männer abzuholen, die gemeinhin als „Vorsorgemuffel“ gelten, können Unternehmen beispielsweise niedrigschwellige Möglichkeiten zur Erfassung von Vitalwertenbereitstellen: vom Blutdruck über Körperfett bis zum Puls beim Strampeln auf dem Ergometer. „Daran kann man grob ablesen, wo erste Probleme liegen“, sagt Sarah Siefen, „und in der anschließenden Beratung geschlechtsspezifische Maßnahmen vorschlagen und gemeinsam entwickeln.“

Vorsorge ist wichtig

Die Testergebnisse könnten Männer außerdem anregen, ebenso wie ihre Kolleginnen regelmäßig Check-up- oder Screening-Angebote der Krankenkasse wahrzunehmen. So gaben 64,3 Prozent der Frauen und 46,5 Prozent der Männer 2023 in einer AOK-Umfrage an, regelmäßig zu Krebsvorsorgeuntersuchungen zu gehen.

Machen Arbeitgeber darauf aufmerksam oder bieten arbeitsfreie Zeit für diese Termine an, können sie schonviel für die Gesundheitsförderung im Betrieb erreichen. Und für ihre eigene, sofern sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen: So fördern sie die Früherkennung möglicher Erkrankungen und bringen ihren Beschäftigten gleichzeitig Wertschätzung entgegen. Gesten, die bereits beim Recruiting gut ankommen.

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Effizient und wirtschaftlich

Die Umsetzung konkreter BGF-Maßnahmen unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten kann viele Facetten haben: Vielleicht benötigen Frauen, die neben dem Beruf Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, zeitlich flexible Online-Stressbewältigungsprogramme, während Männer mentale Überlastung bevorzugt durch Bewegungsangebote abbauen.

Besuchen Frauen eher Rückentrainings- oder Yogakurse, um Verspannungen zu lösen, sind für Männer möglicherweise Ausdauersportarten oder eine bezuschusste Mitgliedschaft im Fitnessstudio besser geeignet, um ihren Herz-Kreislauf-Problemen entgegenzuwirken.

Wichtig ist außerdem:

  • Auch wenn es Verhaltensweisen und Bedingungen gibt, die häufiger bei dem einen oder anderen Geschlecht vorkommen, sind individuelle Bedürfnisse dennoch sehr unterschiedlich.
  • Die eine gemeinsame BGF-Maßnahme für alle ist in der Regel weniger effektiv.

Eine geschlechtsspezifisch ausgerichtete Gesundheitsförderung hat insofern Vorteile für alle. Katrin Winkler beobachtet, dass viele Unternehmen bei diesem Thema noch sehr am Anfang stehen, äußert sich aber optimistisch: „Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Gesundheitsförderung überhaupt erst einmal geschlechtsspezifisch zu thematisieren. Aber es gewinnt auf jeden Fall an Fahrt.“

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