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Psychologie

Depressionen bei Kindern: Wenn die jugendliche Seele streikt

Veröffentlicht am:13.01.2022

6 Minuten Lesedauer

Depressionen treten nicht nur im Erwachsenenalter auf. Auch Kinder und Jugendliche können daran erkranken, allerdings macht sich bei ihnen eine Depression oft anders bemerkbar. Erfahren Sie, worauf Eltern achten müssen und was sie tun können.

Depression: Kind mit psychischer Erkrankung guckt traurig aus dem Fenster.

© iStock / ipolonina

Wie äußert sich eine Depression bei Kindern?

Fast alle Kinder und Jugendlichen sind mal „nicht gut drauf“. Wichtig zu wissen ist: Die Symptome bei einer kindlichen oder jugendlichen Depression können sich von den Symptomen bei Erwachsenen unterscheiden. Zudem können die Beschwerden je nach Altersklasse variieren.

  • Kleinkinder: Bei den Jüngsten sind Depressionen selten und schwierig zu erkennen. Das liegt auch daran, dass kleinere Kinder Gefühle noch nicht gut zuordnen oder benennen können. Hinweise darauf können meistens körperliche Symptome wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen oder Bauchschmerzen sein. Depressive Kleinkinder schreien und weinen zunächst viel. Weitere Anzeichen können auch extreme Anhänglichkeit oder exzessives Daumenlutschen sein. Einige wirken passiv und desinteressiert.
  • Vorschulkinder: Auch bei Klein- und Vorschulkindern können anhaltende körperliche Symptome wie Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Aggressivität auf eine Depression hinweisen. Verhaltensänderungen können auch ein Hinweis sein.
  • Schulalter: Mögliche Anzeichen für eine Depression bei Schulkindern sind scheinbar grundlose Traurigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche, Schuldgefühle und Versagensängste. Viele betroffene Kinder verlieren ihr Interesse an Freizeitaktivitäten und ziehen sich zurück.
  • Pubertäts- und Teenageralter: Bei Jugendlichen sind Stimmungsschwankungen durch Hormone normal. Daher sind diese oft nur schwer von den Symptomen einer Depression zu unterscheiden. Mögliche Anzeichen für eine Depression in der Pubertät sind andauernde Ein- und Durchschlafstörungen, Appetit- und Gewichtsverlust, Interessenverlust, tageszeitliche Gemütsschwankungen, sozialer Rückzug, vermindertes Selbstvertrauen. Ein übermäßiger Alkohol- und Drogenkonsum kann außerdem auch auf eine mögliche Depression hindeuten.

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Was sind die Ursachen einer Depression bei Kindern?

Eine kindliche Depression hat selten nur eine Ursache, vielmehr wirken mehrere Faktoren zusammen. Psychologen und Psychiater sprechen von einem multifaktoriellen Geschehen. Hierzu zählen biologische Vorgänge im Körper, psychische Faktoren und Erlebnisse im sozialen Umfeld. Allerdings spielen auch psychosoziale Einflüsse im Kindesalter eine große Rolle. Zu den Risikofaktoren zählen:

  • starke und länger anhaltende familiäre Probleme
  • Trennung der Eltern
  • schwere Erkrankungen oder Todesfälle in der Familie
  • Über- oder Unterforderung in der Schule
  • Mobbingerfahrungen
  • eine unerwünschte Schwangerschaft bei Jugendlichen
  • sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung
  • Alkohol- und Drogenmissbrauch

Pandemie hat negative Auswirkungen

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass auch die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Heranwachsenden haben können. Als Belastungsfaktoren gelten vor allem die soziale Isolation von Gleichaltrigen, weniger körperliche Aktivität, häusliche Konflikte sowie die Zunahme von Cybermobbing in den sozialen Medien.

Wie gehe ich mit einem depressiven Kind um?

Stellen sich Eltern die Frage „Hat mein Kind Depressionen?“, ist der Kinder- und Jugendarzt erst einmal die beste Anlaufstelle. Bei Bedarf kann dieser an einen Kinder- und Jugendpsychiater überweisen. Dieser kann feststellen, ob es sich um eine Verstimmung oder eine Krankheit handelt. Wenn das Kind jedoch Selbstmordgedanken äußert, sollte zeitnah eine Fachärztin aufgesucht werden, bei akuten Selbstmordgedanken ist der Notruf unter der 112 anzuraten.

Mutter tröstet ihr Kind mit Depression.

© iStock / fizkes

Kinder mit Depressionen brauchen Menschen, denen sie vertrauen und mit denen sie über ihre Ängste reden können – Eltern spielen deshalb eine besonders wichtige Rolle.

Eltern sollten auf ihre Ausdrucksweise achten

Der Umgang mit einem depressiven Kind erfordert besonders viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Kinder brauchen vor allem Raum für Gespräche und jemanden, der zuhört. Scheuen Sie die Kommunikation mit Ihrem Kind also nicht. Schaffen Sie eine angenehme Gesprächssituation und suchen Sie den Austausch: Welche Gedanken und Gefühle hat Ihr Sohn oder Ihre Tochter? So unterstützen Sie Ihr Kind, das wohlmöglich nicht von allein den Schritt geht, Hilfe zu suchen. Tipps und Kommentare wie „Reiß dich mal zusammen“ helfen hierbei weder den Kindern noch den Eltern weiter.

Die AOK unterstützt Angehörige

Wie werden Depressionen bei Kindern und Jugendlichen behandelt?

Die Behandlung einer Kinderdepression erfolgt meist ambulant. Je nach Ausprägung und Schweregrad der psychischen Erkrankung umfasst die Therapie mehrere Bausteine:

Aufklärung: Hierbei werden die Eltern und das Kind beziehungsweise der Jugendliche je nach Alter und Entwicklungsstand über die Erkrankung und hilfreiche Verhaltensmaßnahmen informiert.

Psychotherapie: Vor allem bei mittelschweren bis schweren Depressionen kommt eine psychotherapeutische Behandlung wie zum Beispiel die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zum Einsatz. Diese hilft Betroffenen, sich selbst besser zu verstehen und belastende Gedanken, Gefühle sowie Verhaltensweisen zu erkennen und durch hilfreiche zu ersetzen. Darüber hinaus befähigt es sie, Stress und Belastungen leichter zu bewältigen und positive Aktivitäten sowie Erlebnisse aufzubauen.

Medikamentöse Therapie: Sie kann die psychotherapeutische Behandlung sinnvoll ergänzen. Mediziner verschreiben Antidepressiva bei mittelschweren bis schweren depressiven Episoden.

Behandlung in der Familie: Für den Behandlungserfolg ist es wichtig, die Angehörigen in die Behandlung miteinzubeziehen – das sollte Bestandteil jeder fachärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung sein. Auch Ansprechpartner aus dem jeweiligen Umfeld (zum Beispiel Kindergarten oder Schule) sollten mit einbezogen werden.

Ergänzende Bausteine: In einigen Fällen kann es zusätzlich sinnvoll sein, weitere Unterstützung aus dem Bereich der medizinischen Versorgung oder der Kinder- und Jugendhilfe (über das Jugendamt) zu suchen.

Was tun bei Selbstmordgedanken des Kindes?

Viele Eltern sind mit der Situation, ein depressives Kind zu haben, überfordert. Deshalb ist es wichtig, Hilfe zu suchen. Äußert das Kind Selbstmordgedanken, sollten Sie sich selbst ein Bild davon machen, wie drängend das Kind diese Gedanken erlebt und zügig den Kontakt zu einem Kinder- und Jugendpsychiater oder Kinderarzt suchen.

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist der Glaube, dass das Ansprechen von etwaigen Suizidgedanken jemanden erst auf die Idee bringen könnte, sich umzubringen. Das Gegenteil ist richtig – Betroffene empfinden ein offenes und empathisches Gespräch darüber als Entlastung und Erleichterung, so dass sich der innere seelische Druck vermindern kann. Es eröffnet dadurch die Möglichkeit, überhaupt andere Auswege aus der akuten seelischen Not zu suchen und zu finden. Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit bietet die „Nummer gegen Kummer e.V.“. Das bundesweite telefonische Gesprächs-, Beratungs- und Informationsangebot hilft Eltern schnell, kompetent und anonym unter der Rufnummer: 0800 111 0 550

In akuten Fällen und zugespitzten Krisen ist die Notaufnahme einer Klinik oder der Rettungsdienst (112) der richtige Ansprechpartner.

Beratungsstellen für Jugendliche

Eltern können ihren Nachwuchs ermuntern, Hilfe und Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Es gibt in vielen Städten und Kommunen Kinder- und Jugendberatungen und Suchtberatungsstellen. Kinder und Jugendliche können sich ebenfalls an die Nummer gegen Kummer wenden, nummergegenkummer.de, Telefon 116111, oder sich bei jugendnotmail.de anonym online beraten lassen.

Wie kann man einer Depression bei Kindern vorbeugen?

Eltern können einiges tun, um die Psyche ihres Kindes zu stärken. Aber auch die Kinder können selbst einiges beitragen.

Selbstwertgefühl stärken: Eltern sollten ihr Kind von klein auf an dabei unterstützen, eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln und mit Belastungen umzugehen. Positive Bestätigungen können ein wichtiger Bestandteil der Erziehung sein. Permanente Kritik oder Unzufriedenheit mit dem Kind vermindern seine Ressourcen und sein Vertrauen in sich selbst.

In Kontakt bleiben: Wichtig ist, dass Eltern den Kontakt zum Kind suchen, sich für seinen Alltag und seine Erlebnisse interessieren, eine gute Bindung auch in Krisenzeiten aufrechterhalten und ihm Hoffnung und Perspektive vermitteln. Ist die Kommunikation zu den Eltern gerade schwierig, kann es helfen, ein Tagebuch zu führen oder Trost bei Freunden zu suchen.

Soziale Kontakte pflegen: Soziale Isolation ist einer der größten Risikofaktoren für eine Depression. Freunde helfen Kindern und Jugendlichen, Dinge ins rechte Licht zu rücken und Probleme zu bewältigen.

Nicht überfordern: Kinder sollen möglichst unbeschwert aufwachsen und nicht altersunangemessen mit Erwachsenenproblemen belastet werden. Gerade die Veränderungen und Folgen der Pandemie können emotional belastend sein und eine Depression bei Kindern begünstigen. Hilfreich ist es hier, Ängste der Erwachsenen nicht auf den Schultern der Kinder abzuladen. Auf gar keinen Fall sollte man Gefühle im Kind schüren, es sei verantwortlich oder schuld an Infektionen im Umfeld oder an den Maßnahmen der Gesundheitspolitik. Trotzdem kann man altersentsprechend über gegenwärtig aktuelle Themen wie Krankheit, Verluste, Einschränkungen und Zukunftssorgen sprechen – denn auch Kinder beschäftigt das.

Keine Ängste schüren: Kinder, die vor bestimmten Situationen Angst haben, sollten diesen nicht bewusst ausgesetzt werden. Hat das Kind zum Beispiel Probleme mit sozialen Kontakten, ist es für Eltern besser, es nicht mit Sätzen wie „Mach dir bloß nicht wieder in die Hose“ zu verängstigen.

Sport und Bewegung fördern: Von Sport profitieren Körper und Seele gleichermaßen. Dies kann das Selbstbewusstsein von Minderjährigen stärken. Wichtig ist die Freude an der Bewegung ohne Leistungsdruck. Hat das Kind oder der Jugendliche keinen Spaß am Schulsport, finden sich vielleicht in einem nahegelegenen Sportverein alternative Sportarten und Kurse. Gerade während der lang dauernden Einschränkungen in der Pandemie ist die Ermutigung zu Sport, Bewegung, Spaß und Gemeinschaft mit anderen hilfreich.


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