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Vorboten von Gewalt erkennen
Veröffentlicht am:15.05.2025
3 Minuten Lesedauer
Bedrohungen, Belästigungen, Beleidigungen: Physische und psychische Gewalt am Arbeitsplatz nehmen zu. Dr. Holger Pressel beschreibt, wie Aggressionen entstehen und was Führungskräfte dagegen tun können.

© Fertnig via Getty Images
Herr Dr. Pressel, Sie haben zwei Bücher zum Thema „Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz“ geschrieben. Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit dieser Materie zu beschäftigen?
Dr. Holger Pressel: Der Umgang von Menschen mit Menschen interessiert mich schon seit langer Zeit: Warum verhalten sie sich in bestimmten Situationen so, wie sie das tun?
Besonders interessant finde ich das Phänomen der betriebsinternen Gewalt, also Aggressionen zwischen Mitarbeitenden. Eigentlich müssten doch Beschäftigte eines Betriebs gemeinsam an einem Strang ziehen und Interesse an einem harmonischen Miteinander haben. In der Realität ist dies aber nicht immer so. Weiterverbreitet ist allerdings Gewalt durch betriebsfremde Personen, etwa von Kundinnen oder Kunden.
Stimmt es, dass Gewalt in der Arbeitswelt zunimmt? Und wenn ja, worin liegen die Gründe?

Dr. Holger Pressel: Ja, dem ist definitiv so. Dies zeigen regelmäßig Befragungen. Auch die Zahl von sogenannten Gewaltunfällen, das sind Arbeitsunfälle als Folge von Gewalteinwirkung, steigt seit Jahren. Für den Anstieg gibt es mehrere Gründe und jeder einzelne Fall hat seine eigene Geschichte.
Grundsätzlich kann man feststellen, dass es bestimmte Rahmenbedingungen gibt, die die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Aggression und Gewalt erhöhen.
Dazu gehören zum Beispiel Stress, Frustrationen und im Fall von Gewalt durch betriebsexterne Personen auch bestimmte räumlich-organisatorische Rahmenbedingungen wie etwa lange Wartezeiten.
Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen. Ab wann genau spricht man von Gewalt am Arbeitsplatz?
Dr. Holger Pressel: Es gibt eine Definition von Seiten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Diese definiert Gewalt am Arbeitsplatz sinngemäß als eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen.
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Welches sind die häufigsten Formen von Gewalt? Und welche Berufssparten sind besonders betroffen?
Dr. Holger Pressel: Am häufigsten kommt verbale Gewalt in Form von Beleidigungen und Beschimpfungen vor. Psychische Gewalt findet man vor allem bei betriebsinterner Gewalt.
Körperliche Gewalt ist eher selten. Besonders betroffen ist die Sicherheitsbranche, also Wach- und Sicherheitsdienste, Bahnbetriebe, das Gesundheits- und Sozialwesen sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.
Gibt es Vorboten der Gewalt, auf die Unternehmen reagieren können?
Dr. Holger Pressel: Da sollte man zwischen heißer und kalter Gewalt unterscheiden: Heiße Gewalt entsteht in einer aufgeheizten Situation, also gewissermaßen im Affekt. Hier geht es darum, Erregungszustände frühzeitig zu erkennen und deeskalierend zu wirken. Zum Beispiel, indem man Verständnis für die Erregung zeigt und gemeinsam nach den Ursachen für die Aufregung sowie nach Lösungen sucht.
Bei kalter Gewalt ist das anders: Hier planen Menschen ihre Gewalthandlung von langer Hand, handeln also vorsätzlich bzw. kaltblütig. Entsprechende Vorboten können Veränderungen in dem Verhalten von Menschen, sowohl von Kolleginnen und Kollegen als auch von Externen, etwa von Kundinnen und Kunden, sein.
Was können Führungskräfte präventiv tun?
Dr. Holger Pressel: Sie sollten ein offenes Ohr für ihre Mitarbeitenden haben und deren Sorgen ernst nehmen.
Gewalt am Arbeitsplatz hat viele Gesichter

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Der Umgang mit Gewalt erweist sich auch in der Arbeitswelt als schwierig. Er kann eine belastende Arbeitsbedingung sein, darf aber nicht zu einer Gefahr am Arbeitsplatz führen.
Mit der Sendung „Gewalt am Arbeitsplatz hat viele Gesichter“ aus der „Talk im Schlachthof“-Reihe soll das Phänomen enttabuisiert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.
Gemeinsam mit Baden-TV gestaltet die AOK Mittlerer Oberrhein regelmäßig Talk-Sendungen zu gesundheitspolitischen Themen.
Zielsetzung des Engagements ist die Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit für gesundheitspolitische Themen, aber auch die Stärkung von Gesundheitskompetenz durch Information und kritische Präsentation.
Der Talk kann in der Baden-TV-Mediathek angesehen werden:
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