Artikel Prävention

Vogelgrippe: Spiel mit dem Virus

10.09.2023 Christine Möllhoff 4 Min. Lesedauer

Immer häufiger infizieren sich Säugetiere mit der Vogelgrippe. Experten warnen, das Virus könne sich über kurz oder lang an den Menschen anpassen. Sie fordern die Schließung von Pelztierfarmen.

Foto: Probenröhrchen mit der Aufschrift "H5N1", im Hintergrund ein Huhn.

Mitte Juni tauchten die ersten Berichte von kranken Katzen in Polen auf. Die Tiere zeigten ähnliche Symptome, verweigerten das Futter, wirkten apathisch, bekamen epileptische Anfälle. Erst Tests brachten Aufschluss über den ominösen Erreger: Die Katzen litten an Vogelgrippe. Alarmiert untersuchte ein Team polnischer Forscher den ungewöhnlichen Ausbruch. Was sie entdeckten, stuften sie als „hochgradig besorgniserregend“ ein: Bei allen Proben zeigte das Virus Mutationen, die als Marker für eine mögliche Anpassung an Säugetiere gelten.

Millionen Wild- und Nutzvögel fallen dem Virus zum Opfer

Verantwortlich für die in Polen an Vogelgrippe erkrankten Katzen war der stark krankmachende Subtyp H5N1. Seine Ursprünge werden in China verortet. Dort wurde er 1996 erstmals bei einer Gans aus Massentierhaltung nachgewiesen. Seitdem hat sich H5N1 weltweit ausgebreitet und fegt seit drei Jahren durch die Vogelpopulationen. Millionen Wild- und Nutzvögel fielen dem Virus zum Opfer. Nun schreckt eine weitere Beobachtung Experten auf: Inzwischen sehe man auch mehr Vogelgrippe-Infektionen bei Säugetieren als je zuvor, berichtet der britische Virologe Tom Peacock.

An den Küsten Perus und Chiles verendeten 2022 tausende Seelöwen. In Spanien wütete das Virus auf einer industriellen Nerzfarm. Und in Finnland brach die Vogelgrippe in diesem Sommer gleich auf Dutzenden Pelztierfarmen mit tausenden Tieren aus. Meist dürften die Säuger Kontakt zu kranken oder toten Vögeln gehabt haben, so Peacock. Aber bei großen Ausbrüchen schienen auch Übertragungen direkt von Säugetier zu Säugetier denkbar.

Virus springt bisher nicht leicht auf Menschen über

Vereinzelt stecken sich auch Menschen an infizierten Tieren an. Aber bisher springt das Virus nicht leicht auf sie über. Grund für Panik sehen Experten daher nicht. Noch müsste das Virus große Hürden überwinden, bevor direkte Übertragungen zwischen Menschen möglich wären. Die Sorge wächst jedoch, dass unkontrollierte Ausbrüche unter Säugetieren dem Virus die Chance geben, sich so zu verändern, dass es früher oder später für Menschen gefährlicher werden könnte. Virologen drängen darauf, das Risiko zu minimieren.

„Schließt diese Farmen und stoppt das Züchten dieser Tiere. “

Prof. Dr. Isabella Eckerle

Virologin und Professorin am Zentrum für Neuartige Viruserkrankungen der Universitätskliniken Genf

Pelzfarmen stellen Pandemierisiko dar

Vor allem Pelztierfarmen gelten als Brutstätten für Mutationen. Allein in Finnland sollen 1,3 Millionen Tiere für die kommerzielle Pelzproduktion in 500 Farmen gehalten werden. Isabella Eckerle, Ko-Leiterin des Zentrums für Neuartige Viruserkrankungen in Genf, verlangt einen radikalen Schnitt mit dieser Praxis: „Schließt diese Farmen und stoppt das Züchten dieser Tiere.“ Die 43-Jährige gilt weltweit als eine der renommiertesten Expertinnen auf diesem Gebiet. Nicht nur das Tierwohl gebiete das Aus, die Farmen seien ein Pandemierisiko. Dort würden Tiere zusammengepfercht, die in freier Natur als Einzelgänger oder in Familienverbünden lebten. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer und provoziert die Anpassung des Virus an Säugetiere“, warnt Eckerle.

Ihr britischer Kollege Peacock pflichtet bei. Besonders von Nerzfarmen gehe ein sehr hohes Risiko aus. Nerze könnten aufgrund ihrer Biologie als Zwischenwirte für die Anpassung an den Menschen fungieren. Wie schnell eine Pandemie entstehen kann, hat Corona gezeigt. Virologin Eckerle wünscht sich daher eine intensivere Überwachung von Vogelgrippe-Ausbrüchen und auch regelmäßige Tests von Menschen, die engen Kontakt zu Vögeln haben. „Wir sind nicht bereit für eine weitere Pandemie und im Moment scheint die Situation nicht unter Kontrolle.“

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