Soziale Ängste bei Kindern: Wenn das Spielen mit Gleichaltrigen vermieden wird

Herzklopfen, Bauchschmerzen, Zittern, Unruhe und Anspannung kommen auf, wenn sie mit Gleichaltrigen in der Gruppe spielen sollen. Sie fürchten sich davor, die eigene Meinung zu sagen oder sich im Unterricht zu melden: Kinder, die soziale Ängste haben, meiden den Kontakt zu unbekannten Menschen, fühlen sich in neuen Situationen überfordert und reagieren passiv. „Wer unter einer sozialen Phobie leidet, ist nicht einfach schüchtern, sondern hat in sozialen Situationen Angst zu versagen, etwas Peinliches zu machen oder sich zu blamieren“, sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband.

Foto: Ein kleines Mädchen schaut ängstlich, die Mutter spricht ihr Mut zu.

Je nach Alter unterschiedliche Ängste

Angst zu empfinden ist unangenehm, aber auch eine wichtige Schutzfunktion des Körpers, um in einer gefährlichen Situation angemessen zu reagieren. Je nach Entwicklungsstadium sind Ängste unterschiedlich. So fürchten sich viele Mädchen und Jungen in ihren ersten Lebensjahren vor fremdem Menschen und Gegenständen, Kleinkinder eventuell vor Gespenstern oder vor der Dunkelheit. Ältere Kinder sind nervös, wenn sie ein Referat vor der Klasse halten sollen oder wenn sie Ablehnung durch Gleichaltrige befürchten. „Solche Sorgen sind meist keine Anzeichen für eine Störung, denn ein gewisses Ausmaß an Angst erleben alle Kinder“, sagt Ärztin Maroß. „Wenn die Angst aber den Lebensalltag bestimmt und das Kind und die Familie stark belastet, dann sollten Eltern Rat beim Kinderarzt oder bei der Kinderärztin suchen, um zu einer diagnostischen Einschätzung zu kommen und Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen.“

Folgen der Furcht

Eine soziale Phobie ist also die problematische Verstärkung einer angemessenen sozialen Zurückhaltung. Eine gewisse Vorsicht ist im menschlichen Miteinander an sich sinnvoll und verändert sich im Entwicklungsprozess. Bei einer sozialen Phobie werden Kontaktsituationen jedoch oft vermieden. Das erschwert es Kindern, mehr soziale Kompetenz und Selbstvertrauen auszubilden. Das macht neue Erfahrungen in sozialen Situationen noch schwieriger. In der Folge hindert eine ausgeprägte soziale Phobie Kinder und Jugendliche an gesellschaftlicher Teilhabe – in Schule, Vereinen, im Freundeskreis oder auch in der erweiterten Familie. Betroffene ziehen sich aus der Gemeinschaft zurück und haben oft schulische Probleme. Zu vertrauten Menschen können diese Kinder jedoch durchaus eine befriedigende Beziehung aufbauen.

O-Töne von Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband

Ursachen von Phobien

Wie bei vielen seelischen Problemen geht man auch hier vom Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, die eine Angststörung hervorrufen können. Vermutet wird, dass erbliche Veranlagungen Angststörungen begünstigen. Häufig sind Kinder betroffen, bei denen ein Elternteil vergleichbare Probleme hat oder hatte. Möglich ist zudem, dass äußere Einflüsse wie schlechte frühere Erfahrungen eine Rolle spielen. Auch die Erziehung kann bedeutend sein. Sowohl eine überbehütete, perfektionistische und kontrollierende Erziehung kann das Risiko für eine Angststörung erhöhen als auch emotionale Distanz. Außerdem übernehmen Kinder oft das Verhalten, welches sie bei ihren Eltern beobachten. Verhalten sich diese in sozialen Situationen ängstlich, übernimmt das Kind das oft, weil es sich am Vorbild orientiert.

Geduld gefragt

Kindern Angst zu nehmen, erfordert Geduld und achtsame Unterstützung. Wenn ein Kind konkrete Ängste hat, ist es wichtig, dass Eltern diese Ängste ernst nehmen und dem Kind Sicherheit vermitteln. Insbesondere das Vermeidungsverhalten des Kindes führt längerfristig zu einem noch größeren Problem. Deshalb sollten Eltern wissen, wie sie ihr Kind dabei unterstützen können, Vermeidungsverhalten schrittweise abzubauen und angstauslösende Situationen besser zu meistern.

Familiencoach Kinderängste der AOK

Eltern machen sich oft Sorgen, wenn sie ängstliche Kinder haben, und wissen nicht, wie sie am besten damit umgehen können. Mit einem neuen Online-Selbsthilfeprogramm hilft die AOK Eltern dabei. Der kostenlose und frei zugängliche „Familiencoach Kinderängste“ wurde mit Unterstützung von wissenschaftlichen Expertinnen und Experten des Universitätsklinikums Köln entwickelt. Er bietet umfassende Informationen und Tipps zu Trennungsangst, sozialer Angst oder Leistungsangst bei Kindern von drei bis zwölf Jahren. Mit Filmen, interaktiven Übungen und zahlreichen Beispielen erleichtert das Programm Eltern das Verstehen und Überwinden dieser Ängste und vermittelt ihnen Methoden zur Bewältigung dieser Herausforderungen.

Ist beim Kind bereits eine Angststörung diagnostiziert worden, sollten Eltern mit der behandelnden Fachkraft absprechen, ob und wie die Nutzung des Familiencoaches Kinderängste in das individuelle Behandlungskonzept passt.