So kann Spitzenmedizin bezahlbar bleiben

Am Tumorzentrum der Charité werden Behandlungsmethoden erforscht, die die Lebenserwartung von Krebspatienten deutlich verlängern können. Das Netzwerk „Hauptstadt Urologie“ macht diese Spitzenmedizin breit verfügbar. Das Pilotprojekt könnte Vorbild-Charakter für die gesamte Krebsbehandlung haben.

Im Sommer 2019 hörte Dr. Murat Gördük bei einer Charité-Fortbildung zum ersten Mal vom Netzwerk Hauptstadt-Urologie. Sein erster Gedanke war: "Endlich! So ein Netzwerk hat gefehlt", sagt der Facharzt für Urologie, der in der Berliner Praxisgemeinschaft urovivat arbeitet. Wenig später entschloss sich Dr. Gördük, am Netzwerk teilzunehmen.

erkranken in Deutschland jedes Jahr neu an Prostatakrebs.
gab die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2020 für Arzneimittel aus. (Quelle: GKV-Spitzenverband)
betrug die jährliche Ausgabensteigerung für Arzneimittel seit 2016. (Quelle: GKV-Spitzenverband)

Durch das Netzwerk Hauptstadt-Urologie kann Dr. Görduk AOK-versicherten Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs neue Hoffnung geben – denn sie bekommen schnell und unkompliziert auf digitalem Wege Zugang zu hochmodernen Medikamenten und aktuellen Studien in der Prostatakrebs-Therapie. Die Patienten erhalten die Chance auf eine Behandlung, die ihr Leben verlängern kann - auch wenn keine Heilung mehr möglich ist. Auf diese Weise sollen sie künftig zielgerichteter versorgt werden, ganz unabhängig vom Wohnort - denn auch niedergelassene Ärzt:innen in Brandenburg machen bei dem Netzwerk mit.

Behandlungsdaten werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz analysiert

Das Netzwerk ermöglicht beides: Einerseits stellt es kostenintensive Spitzenmedizin niedrigschwellig auch jenen Patienten zur Verfügung, die abseits der Ballungszentren wohnen. Andererseits ermöglicht es eine effizientere Therapie, bei der den Versicherten unnötige Behandlungen - und der Solidargemeinschaft der Versicherten unnötige Kosten erspart bleiben.

Dr. Murat Gördük blickt in die Kamera
"Das ist die Medizin der Zukunft." Foto: privat

Dafür laden Patienten ihre Daten einschließlich Befunden und Operationen auf einer virtuellen Plattform hoch. Die Tumorexpert:innen der Charité analysieren die Daten auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz und gleichen sie mit den neuesten Therapiemöglichkeiten ab. Anschließend geben die Expert:innen den behandelnden Ärzt:innen zielgerichtete Therapieempfehlungen. Wer dafür infrage kommt, kann auch an einer laufenden Studie teilnehmen.

"Bislang wissen wir noch zu wenig, welcher Patient auf welche Therapie besonders gut anspricht", sagt Dr. Gördük. Das kann sich perspektivisch mit dem Netzwerk ändern. Er ist überzeugt: "Das ist die Medizin der Zukunft."

Auch die AOK Nordost sieht enormes Potential in dem Netzwerk Haupstadt-Urologie, erklärt die Leiterin des Fachbereichs Versorgungsmanagement, Dr. Katharina Graffmann-Weschke.

„Therapien können gezielt dort eingesetzt werden, wo sie etwas bewirken“

Frau Graffmann-Weschke, warum unterstützt die AOK Nordost das Netzwerk Hauptstadt-Urologie?

Die moderne Krebsmedizin macht es in einigen Fällen möglich, mit neuen Medikamenten das Leben von Patienten mit unheilbarem Prostatakrebs zu verlängern. Und wenn sie helfen, dann sollen unsere Versicherten diese Medikamente auch bekommen können – unabhängig davon, wo sie wohnen oder wie mobil sie sind. Wir erhoffen uns von dem Projekt zudem einen Blaupausen-Charakter für die zukünftige onkologische Versorgung in Zeiten der Präzisionsmedizin. Und zwar für ganz Deutschland.

Profitieren nur Berliner Versicherte davon, oder auch die in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Netzwerk?

Alle unsere Versicherten profitieren davon. Es haben sich bereits mehrere niedergelassene Urolog:innen aus dem ländlichen Raum an das Netzwerk angeschlossen. So erhalten auch Patienten, die abseits größerer Städte wohnen, Zugang zu den modernsten Behandlungsmethoden – ohne dafür weit fahren zu müssen.

Warum kann dieses Netzwerk eine Blaupause dafür sein, wie hochkomplexe Medizin auch in Zukunft bezahlbar bleibt?

Die Analyse der Daten wird von ausgewiesenen Expert:innen durchgeführt. Diese haben zum einen den Überblick über aktuell laufende Studien und sie können auch sehr gut einschätzen, ob eine Gen-Sequenzierung zu dem Zeitpunkt Sinn macht. Bei der Untersuchung der Gene wissen die Expert:innen genau, nach welchen Mutationen sie schauen müssen und ob es bereits Medikamente gibt, die darauf ansprechen.

Sie drücken den niedergelassenen Ärzt:innen zudem nicht einfach nur die Ergebnisse der Sequenzierung in die Hand, sondern geben ihnen auch gleich Therapieempfehlungen. Denn auch die hochmodernen neuen Medikamente helfen nicht bei jedem Patienten - und können im Zweifelsfall auch Schaden anrichten. Damit diese Therapien gezielt dort eingesetzt werden, wo sie etwas bewirken, braucht es dieses Expertenwissen. Das erspart den Patienten unnütze Behandlungen – und damit auch unnötige Ausgaben.

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