Superfood: Die wahren Lebensmittel-Stars stammen aus der Region

Exotisches Superfood liegt im Trend: Es soll gesund, schön und fit machen. Doch lohnt es sich, zu den teuren Produkten aus fernen Ländern zu greifen? Warum beispielsweise Heidelbeeren und Grünkohl die heimlichen (und heimischen) Superstars sind, erklärt Karolin Wagner, Diplom-Ökotrophologin bei der AOK.

Foto: Verschiedene Lebensmittelpackungen mit sogenanntem Superfood.

Keine Wundermittel

Sie heißen Açaí, Acerola, Chia, Goji, Maqui, Moringa oder Quinoa und kommen aus Südamerika, Asien oder Afrika. Diese exotischen Pflanzen werden als Vitalstoff-bomben, Kraftpakete, Anti-Aging-Mittel, Schlankmacher, kurz als Superfood angepriesen. „Keine Frage, diese exotischen Blätter, Beeren, Wurzeln und Samen sind tatsächlich reich an wertvollen Inhaltsstoffen“, sagt AOK-Ernährungsexpertin Karolin Wagner, „Doch sie sind keine Wundermittel und nicht gesünder als heimisches Obst und Gemüse.“

Teuer, weit gereist und stark verarbeitet

Das exotische Superfood hat gegenüber regionalen Produkten mehrere Nachteile: Es ist in der Regel teurer. Und was so gesund daherkommt, ist zudem nicht unbedingt nachhaltig und gut für die Umwelt – schließlich müssen die Super-Pflanzen von weit her per Schiff oder Flugzeug transportiert werden. „Weil sich frische Produkte aus Übersee nicht so lange halten, sind sie hier oft nur stark verarbeitet erhältlich“, so Ernährungsexpertin Wagner. Das heißt, die Pflanzenteile werden getrocknet oder mit Zusatzstoffen konserviert oder es werden Extrakte hergestellt und als Pulver, Kapseln, Pillen vermarktet.

Exotisches Superfood oft schadstoffbelastet

Doch wie viel von den wertvollen Inhaltsstoffen bleibt bei der Verarbeitung erhalten? Eine Untersuchung des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Stuttgart etwa ergab, dass das beworbene Vitamin C von Moringa-Blättern in den Produkten nicht mehr nachweisbar war. Die Untersuchungen des Stuttgarter Amtes haben zudem ergeben, dass die Moringa-Produkte häufig mit Schadstoffen belastet sind, etwa mit Salmonellen oder Pestiziden. Auch in Goji-Beeren (konventionell angebaut) konnten Pestizide nachgewiesen werden. Weiteres Risiko: Unbekannte exotische Lebensmittel können allergische Reaktionen oder Überempfindlichkeiten hervorrufen. Zudem sind – laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – etwa bei Goji-Beeren Wechselwirkungen mit Medikamenten nicht auszuschließen.

O-Ton von Karolin Wagner, Ernährungsexpertin bei der AOK

Supergesund: heimisches Obst, Gemüse und Kräuter

Auch wenn Spinat, Möhren, Schwarzwurzeln, Blaubeeren und Äpfel etwas altbacken daherkommen, heimisches Gemüse und Obst ist genauso wertvoll wie die gehypten Stars aus Übersee. So können Erdbeeren von hiesigen Feldern durchaus mit der Acerola-Kirsche aus Mittel- und Südamerika oder der Goji-Beere aus China mithalten. 100 Gramm Erdbeeren haben genauso viel Vitamin C wie 100 Gramm getrocknete Goji-Beeren. In Heidel-, Holunder- oder schwarzen Johannisbeeren, Kirschen oder roten Trauben finden sich ebenso viele antioxidativ wirkende Pflanzenstoffe wie in Açaí-Beeren. Antioxidantien, wie der dunkelrote Farbstoff Anthocyan, halten als Schutzmoleküle die Zellen gesund und wirken gesundheitsfördernd, wenn sie in Form von Gemüse oder Obst aufgenommen werden. Auch Rotkohl punktet übrigens mit diesem gesunden Farbstoff, der zu den sekundären Pflanzenstoffen gehört.

Egal ob Blumen-, Weiß-, Rot- oder Rosenkohl: „Kohlgemüse ist kalorienarm und dabei reich an Vitaminen und Mineralstoffen“, so Wagner. Insbesondere Grünkohl gehört zu den vitaminreichsten Gemüsesorten überhaupt. Und wer heimische Kräuter wie Petersilie oder Kresse isst statt die Blätter des Moringa-Baumes, erhält ebenfalls viel Eisen, Kalzium und Kalium.

Für Menschen, die sich glutenfrei ernähren müssen, ist Hirse eine gute Alternative zu der aus Südamerika stammenden Quinoa-Pflanze. Hirse ist außerdem – wie Quinoa – reich an Eisen, Eiweiß und Magnesium.

Insgesamt ausgewogene Ernährung ist wichtig

„Letztlich kann ein einzelnes Lebensmittel keine Superwirkung entfalten“, sagt Wagner. Nur eine insgesamt ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, frischen (Wild-) Kräutern und etwas zuckerarmem Obst, aber auch Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Kartoffeln und Vollkornprodukten liefert die Vitamine, Mineral-, Ballast- und sekundären Pflanzenstoffe, die die Gesundheit fördern.

Rezept: Salat mit Heidelbeeren

Je nach Region werden sie Blau- oder Heidelbeeren genannt und die kleinen Super-früchte passen gut in jedes Müsli – aber auch in Salat. Besonders gesund sind die wilden Heidelbeeren. Diese müssen vor der Verarbeitung gründlich gewaschen werden. Solange die Heidelbeer-Saison (ab Juni) noch nicht begonnen hat, kann man auch zu tiefgekühlten Beeren greifen. Tiefkühlware kann, was den Nähr-stoffgehalt angeht, mit frischen Früchten mithalten. Für die Salatsoße 2 EL Olivenöl, 2 EL Apfelessig mit etwas flüssigem Honig anrühren und über den Blattsalat geben. In der Pfanne ohne Fett eine Handvoll Nüsse oder Kerne anrösten und darüber-streuen.

AOK-Umfrage zur klimafreundlichen Ernährung

„Ernährung 2.0“ – die repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes, zeigt: 68 Prozent der Menschen würden sich gerne nachhaltiger ernähren. Das ist sinnvoll, denn die richtige Ernährung fördert nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die des Planeten. Doch nur jeder vierte der Befragten (27 Prozent) wusste, dass ein reduzierter Konsum tierischer Lebensmittel wie Fleisch oder Milchprodukte in punkto Ernährung die effektivste Maßnahme mit der größten positiven Auswirkung für das Klima ist. Um gute Kaufentscheidungen treffen zu können, fehlt jedoch oft eine aussagekräftige Kennzeichnung klimafreundlicher Lebensmittel. 76 Prozent der Befragten finden daher, dass sich die Politik für eine verpflichtende und verständliche Lebensmittelkennzeichnung zum Klimaschutz einsetzen sollte.

Für „Ernährung 2.0“ wurden online 1.508 zufällig ausgewählte Personen ab 18 Jahren in Deutschland im Zeitraum vom 24. November bis zum 06. Dezember 2023 befragt.