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Krebs

Prostatakrebs – Wie sinnvoll ist die Früherkennung?

Veröffentlicht am:17.09.2021

8 Minuten Lesedauer

Erkranken Männer an Krebs, handelt es sich häufig um Prostatakrebs. Daher wird Männern eine Vorsorgeuntersuchung ab dem 45. Lebensjahr angeboten. Wie Prostatakrebs erkannt wird und auf was es bei der Behandlung ankommt, erklärt Herr Prof. Stolzenburg aus der Uniklinik Leipzig.

Ein Mann besucht aufgrund der Prostatakrebsvorsorgeuntersuchung seine Urologin.

© iStock / FatCamera

Was spricht für eine Vorsorgeuntersuchung?

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und ab einem Alter von 45 Jahren können sich Männer einer jährlichen Krebsvorsorge-Untersuchung unterziehen. Wie sinnvoll ist diese Früherkennung von Prostatakrebs?

Prof. Dr. Uwe-Jens Stolzenburg
Univ.-Prof. Dr. med. habil. Jens-Uwe Stolzenburg, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Uni-Klinikums Leipzig und Mitglied in der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU)

© Uni-Klinikum Leipzig

Prostatakrebs ist der häufigste Krebs überhaupt bei Männern, wir sprechen von etwa 70.000 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr. Es ist aber nicht der Krebs, der am häufigsten eine Todesursache darstellt.

Wir Urologen sagen ganz klar: Männer ab 45, spätestens ab 50, sollten sich einmal im Jahr einer Krebsvorsorgeuntersuchung unterziehen. Der Sinn ist es, frühe Stadien des Tumorkrebses zu erkennen, um diese dann auch gut behandeln zu können.

Wenn man Krebs im Spätstadium entdeckt, gibt es nur wenige Chancen auf Heilung. Regelmäßige Untersuchungen führen dazu, dass man Frühformen erkennt. Gerade bei Prostatakrebs – denn dieser hat keine Symptome, außer im Spätstadium.

Gibt es Zahlen, wie viele Männer wirklich regelmäßig die Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen?

Ich kenne keine. Wir wissen nur, dass Männer wesentlich seltener zur Vorsorgeuntersuchung gehen als Frauen. Frauen sind viel klüger als Männer – Männer denken in ihrem gesamten Selbstverständnis oft: „Naja, mir kann schon nichts passieren. Ich bin jung, ich bin sportlich und stark, so etwas trifft mich nicht.“ Aber die Heimtücke des Krebses besteht eben darin, dass er alle betreffen kann.

„Regelmäßige Untersuchungen führen dazu, dass man Frühformen erkennt. Gerade bei Prostatakrebs – denn dieser hat keine Symptome, außer im Spätstadium.“

Prof. Dr. Uwe-Jens Stolzenburg
Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Uni-Klinikums Leipzig und Mitglied in der Europäischen Gesellschaft für Urologie

Und wahrscheinlich gibt es auch nicht diesen geheimen Vorsorgetipp, wie man Prostatakrebs vermeiden kann, oder?

Es gibt keinen nachgewiesenen Zusammenhang, dass man, wenn man gesund lebt, weniger Prostatakrebs bekommt, also können Sie letztendlich wohl nichts machen, um diese Krebserkrankungen zu vermeiden.

Es gibt Länder, in denen weniger Prostatakrebs auftritt, zum Beispiel im asiatischen Raum. Andererseits gibt es Patientengruppen, die häufiger betroffen sind. Warum das so ist, wissen wir tatsächlich noch nicht. Im asiatischen Raum könnte es durchaus an der sojareichen Ernährung liegen, aber wie gesagt, ein exakter wissenschaftlicher Zusammenhang ist nicht zu sehen.

Letztendlich empfehlen wir – natürlich – ein gesundes Leben.

Prostatakrebs verursacht erst im späten Stadium Symptome. Wie sehen die aus?

Bei Metastasen („Tochtergeschwülste“ des Prostatakrebs) im Knochen sind es beispielsweise Rückenschmerzen. Der Krebs kann zudem anfangen, in die Blase einzuwachsen und dann können durchaus auch Symptome entstehen, die ähnlich den Symptomen sind wie bei einer gutartigen Prostatavergrößerung. Also Probleme beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, Blut im Urin und im Extremfall ein Verschluss der Harnleiter. Dann kann sich der Harn in den Nieren aufstauen, mit dramatischen Folgen.

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Die Behandlung: Was passiert, wenn Sie Prostatakrebs feststellen?

Nach dem Krebsnachweis wird zunächst untersucht, ob dieser Tumor tatsächlich nur auf die Prostata beschränkt ist, oder ob der er möglicherweise gestreut hat. Das muss man nicht bei allen Formen machen. Bei niedrig aggressiven Tumoren ist das beispielsweise nicht nötig, aber es gehört zum Standard-Verfahren.

  • Operative Verfahren
    Für den mittel und hoch aggressiven Krebs ohne Metastasen gibt es Standardbehandlungsformen, die seit vielen Jahren praktiziert werden. Das ist eben die Operation, also in den meisten Fällen die Entfernung der Prostata, der Samenblase sowie der Lymphknoten oder die Bestrahlung, bei der es wiederum verschiedene Verfahren gibt.

    Wo früher doch relativ zügig operiert wurde, steht heute bei der Beurteilung der anzuwendenden Therapie die Lebensqualität des Patienten – neben der Krebsbehandlung – an erster Stelle.

    Es werden keine keine verstümmelnden Operationen durchgeführt, nur um den Krebs hundert Prozent rauszukriegen. Wenn es Sinn macht, zum Beispiel bei fortgeschrittenen Tumoren, lassen sich die Therapien auch kombinieren – also, es wird erst operiert und anschließend noch eine Sicherheitsbestrahlung durchgeführt. Jeder Patient hat ein eigenes Tumorstadium, einen eigenen Grad der Tumorentwicklung.

  • Beobachten
    Bei Frühformen des Prostatakrebs gibt es eine Behandlungsform, die sogenannte Active Surveillance oder Aktive Überwachung. Dabei wird der Tumor letztendlich nur gemonitort, also permanent überwacht. Wenn er gering aggressiv bleibt, wirkt er sich nicht auf das Überleben der Patienten aus.

    Nicht zu unterschätzen – dazu gibt es mehrere wissenschaftliche Arbeiten – ist natürlich die Psyche des Patienten. Krebspatienten fühlen sich nicht immer wohl mit der Entscheidung, scheinbar nichts zu unternehmen. Obwohl man ja nicht nichts macht. Aber mit dem Prostatakrebs als gewissermaßen chronische Erkrankung zu leben ist für manche nicht einfach.

    Das Geheimnis dahinter ist die Differenzierung, und nur der Fachmann kann genau feststellen, welche Form des Krebses vorliegt. Die Vorgehensweise muss dann mit dem Patienten ausführlich besprochen werden.

Wichtig ist zu unterscheiden

Prostatabeschwerden sind nicht immer ein Grund zur Sorge

Männer können letztendlich grundlegend zwei Prostataerkrankungen bekommen: das eine ist der Krebs, der keine Symptome hat, und das andere ist – noch viel häufiger – die gutartige Prostatavergrößerung. Das ist diese typische Veränderung im Alter des Mannes, dass er schlechter Wasser lassen kann, häufiger auf Toilette muss und so weiter. Das merken alle Männer. Und diese beiden Dinge werden häufig nicht richtig auseinandergehalten.

Wird im Falle einer Operation die komplette Prostata entfernt oder nur ein Teil?

Komplett. Die Entfernung des inneren Teils der Prostata, das ist die Operation bei der gutartigen Vergrößerung. Bei der Krebsoperation werden immer die gesamte Prostata und die Samenblasen entfernt.

Optional, das heißt heute in ca. 80 Prozent der Operationen, werden auch die Lymphknoten entfernt. Das ist wie bei jeder Tumoroperation, weil die erste Station, wo sich Krebs sozusagen ansiedelt, wenn er streut, die Lymphknoten sind. Und um diese Metastasen zu bekämpfen, die man aufgrund ihrer Größe nicht unbedingt im CT oder MRT sieht, werden sie häufig mit entfernt. Es gibt zwei Gründe, die Lymphknoten zu entfernen: einmal, wenn einzelne von ihnen befallen sind, um den Krebs radikal zu entfernen. Wenn mehrere solcher Metastasen da sind, kann leider jedoch nicht mehr operiert werden. Zweitens, um Informationen über den Krebs zu gewinnen, also aus diagnostischen und therapeutischen Gründen.

Welche Leistungen bietet die AOK zur Früherkennung von Prostatakrebs an?

Die Leistungen der AOK unterscheiden sich regional. Mit der Eingabe Ihrer Postleitzahl können wir die für Sie zuständige AOK ermitteln und passende Leistungen Ihrer AOK anzeigen.

Haben sich denn die Operationsarten in den letzten Jahren verändert?

Ja die Operationen haben sich stark verändert, sie sind insgesamt viel besser geworden. Besonders zu nennen ist die sogenannte Roboter-assistierte Operation, die in vielen Ländern, wie den USA, England oder auch Skandinavien, zu über 90 Prozent angewendet wird und auch in Deutschland sich immer mehr durchsetzt.

Das Prinzip der OP ist gleichgeblieben, aber durch die Anwendung minimal-invasiver Techniken („Knopflochchirurgie“) sind Komplikationen weniger geworden. Zudem wissen wir heute viel mehr über die Anatomie der Prostataregion, so dass sich alle OP-Techniken verbessert haben. Auch die „Schnitt-Operation“ zur radikalen Entfernung der Prostata ist heute in erfahrenen Händen eine sehr gute Operationstechnik, die den Patienten heilen kann.

Früher wurden im fortgeschrittenen metastasierten Stadium beide Hoden entfernt. Die Hodenentfernung ist eine Form der Hormontherapie. Was ich heute mit Tabletten und Spritzen machen kann, wurde früher einfach gemacht, indem die Hoden entfernt wurden.

Ein Prostatakrebs-Patient wird von seinem Urologen untersucht.

© iStock / skynesher

Prostatakrebs kann vielseitig untersucht und behandelt werden.

Neben- und Nachwirkungen der Prostatakrebs-Behandlungen können Impotenz und Inkontinenz sein – ist das richtig?

Gerade die Kontinenz ist natürlich enorm wichtig. Eine Inkontinenz ist eine enorme Belastung, eine Behinderung im Grunde genommen. Daher achten die Operateure darauf, die Kontinenz des Mannes zu erhalten.

Bei Impotenz ist es ein bisschen anders. Es gibt einfach Tumorstadien, wie das Tumorstadium T3, also wenn der Tumor anfängt, aus der Prostata herauszuwachsen, dann infiltriert dieser Krebs auch die Nerven, die für die Potenz des Mannes wichtig sind. Die kann man dann nicht erhalten, weder bei der Operation noch bei der Bestrahlung, und das muss dem Patienten natürlich erklärt werden. Wichtig ist aber, dass die Kontinenz erhalten bleibt.

„Es gibt eine Vielzahl medikamentöser Therapien, wenn man heute die Diagnose „Prostatakrebs, fortgeschritten“ bekommt, bedeutet das nicht mehr länger, dass man im nächsten oder übernächsten Jahr kein Weihnachten mehr feiert.“

Prof. Dr. Uwe-Jens Stolzenburg
Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Uni-Klinikums Leipzig und Mitglied in der Europäischen Gesellschaft für Urologie

Wie viele Tumorstadien gibt es insgesamt, T, T2, T3, ist das das höchste?

Es gibt noch T4, das ist das Tumorstadium, wenn andere Organe infiltriert werden, beispielsweise der Tumor in die Blase wächst, also das sind dann sehr fortgeschrittene Tumore, da würde man auch nicht mehr operieren. Aber es gibt auch im fortgeschrittenen Stadium sehr gute Therapieoptionen. Dann kann man zwar nicht mehr heilen, aber man kann das Wachstum des Tumors über sehr viele Jahre aufhalten.

Es gibt als erste Stufe die sogenannte Hormontherapie, dass dem Mann also die männlichen Hormone entzogen werden und der Krebs dann nicht weiterwächst. Darüber hinaus gibt es mittlerweile eine Vielzahl anderer medikamentöser Therapien. Das ist wirklich ein Segen. Denn wenn man heute die Diagnose „Prostatakrebs, fortgeschritten“ bekommt, bedeutet das nicht mehr länger, dass man im nächsten oder übernächsten Jahr kein Weihnachten mehr feiert.

Sind die Behandlungserbnisse in allen Kliniken gleich? Worauf kommt es an bei der Auswahl der Klinik, wenn man sich für die Operation entscheidet?

Entscheidend ist sicher die Erfahrung des Operateurs. Der Patient sollte also wissen, wie viele solcher Operationen in einer Klinik gemacht werden, bevor er sich entscheidet, wo er sich operieren lässt. Die Anwendung minimalinvasiver Techniken wie die Roboter-assistierte Operation senkt im Vergleich zur offenen „Schnitt-Operation“ das Risiko von Komplikationen, onkologisch jedoch (also wie gut kann der Krebs entfernt werden) sind heute alle Operationstechniken gleich gut.

Der Krankenhausnavigator der AOK kann bei der Entscheidung, wo ich mich operieren lasse, sicher helfen. Allerdings gibt er keine Informationen über die onkologischen und vor allem auch nicht über die funktionellen Ergebnisse (zum Beispiel Kontinenz) der einzelnen Kliniken – dies müssen die Patienten selbst erfragen. In jedem Fall können sie sich vertrauensvoll an ihren betreuenden niedergelassenen Urologen wenden, der Ihnen kompetent bei der Entscheidungsfindung helfen wird.

Ärzte und Krankenhäuser für Prostatakrebs

Wie steht es um die Heilungschancen von Prostatakrebs?

Das lässt sich nicht so pauschal sagen, weil das davon abhängig ist, welches Stadium und welchen Aggressivitätsgrad der Tumor hat. Die Patienten mit einem niedrigen Risikograd haben eine extrem hohe Lebenserwartung und statistisch gesehen sterben dort sehr wenige Patienten an dem Prostatakrebs, wenn er behandelt wird. Das ist natürlich anders bei fortgeschrittenen Tumoren. Insgesamt aber ist der Prostatakrebs, obwohl mit Abstand der häufigste Krebs beim Mann, nicht der Krebs, an dem Männer am häufigsten sterben.

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