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Gesundheitsmagazin

Schwangerschaft

Rückenschmerzen in der Schwangerschaft reduzieren und vorbeugen

Veröffentlicht am:31.08.2022

6 Minuten Lesedauer

Vor allem im 3. Trimester der Schwangerschaft sind viele Frauen von Rückenschmerzen geplagt. Doch wann sind die Beschwerden noch normal, wann sind sie besorgniserregend? Ein Frauenarzt klärt die wichtigsten Fragen.

Eine schwangere Frau sitzt auf der Couch und hat Rückenschmerzen.

© iStock / Ridofranz

Porträt von Dr. Lars Brodowski, Kreißsaal-Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover.

© Medizinische Hochschule Hannover

Dr. Lars Brodowski ist Kreißsaal-Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe erklärt im Interview, welche Ursachen Rückenschmerzen in der Schwangerschaft haben und wie Frauen Beschwerden vorbeugen und aktiv gegensteuern können.

Körperliche Veränderungen begünstigen Rückenschmerzen in der Schwangerschaft

Dr. Brodowski, warum leiden so viele Schwangere unter Rückenschmerzen?

Das hat zwei Ursachen

  1. Hormonumstellung: Die Bänder, Sehnen und Knorpel werden in der Schwangerschaft weicher, weil sich der Körper auf die Geburt vorbereitet. So kann das Kind besser durch den Geburtskanal gelangen. Auch der Halteapparat an der Wirbelsäule wird instabiler. Verantwortlich dafür sind Hormone, die in der Schwangerschaft ausgeschüttet werden.
  2. Gewichtszunahme: Durch die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und das Baby im Bauch verlagert sich der Körperschwerpunkt. Viele Frauen nehmen eine Schonhaltung ein, indem sie den Bauch nach vorne schieben und ins Hohlkreuz gehen.

Wegen dieser körperlichen Veränderungen haben etwa 50 Prozent der Schwangeren mit Rückenschmerzen zu kämpfen.

Wann und wo treten diese Schmerzen vor allem auf?

Die meisten Frauen sind im letzten Schwangerschaftsdrittel von Rückenschmerzen betroffen. Also etwa um die 30. Schwangerschaftswoche. Es ist die Phase, in der das Kind und die Gebärmutter noch einmal deutlich an Gewicht zunehmen.

Die Rückenschmerzen treten in der Schwangerschaft vor allem im unteren Rücken, also im Lendenwirbelbereich auf. Es sind dumpfe, dauerhafte Schmerzen, die etwas nach links und rechts in die Muskulatur ziehen können. Wenn einzelne Muskelfasern verkrampfen, können auch stechende, einseitige Schmerzen auftreten. Manchmal strahlen die Schmerzen bis in die Beine aus.

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Wann sollten Schwangere bei Rückenschmerzen ärztlichen Rat suchen?

In welchem Maß sind diese Schmerzen normal, wann sind sie besorgniserregend?

Wenn Rückenschmerzen bereits in der Frühschwangerschaft, im ersten Trimester, auftreten, kann es sein, dass sich die Eizelle nicht in der Gebärmutter eingenistet hat, es sich also um eine Eileiterschwangerschaft handelt. Im ersten Schwangerschaftsdrittel können die Schmerzen noch nicht an den Hormonen oder am Gewicht liegen – hier sollte zügig die Haus- oder Frauenarztpraxis aufgesucht werden.

Im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft sind Rückenschmerzen besorgniserregend, wenn sie nicht dauerhaft, sondern wehenartig auftreten. Kommende und gehende Rückenschmerzen können auf eine Nierenbeckenentzündung hindeuten. Das ist eine ernste Komplikation, die sehr gefährlich verlaufen kann.

Ursache dafür ist ein Nierenstau: Weil die Gebärmutter immer größer wird, drückt sie auf die ableitendenden Harnwege. Keime können so leichter aufsteigen und eine Entzündung auslösen. Diese Schmerzen lassen sich aber leicht von normalen Rückenschmerzen unterscheiden, da sie sehr viel stärker und eben nicht andauernd, sondern wehenartig sind.

Äußern sich die Rückenschmerzen als Ziehen und Spannungsgefühl in Bauch und Rücken, ist das harmlos. Aber auch normale Schmerzen müssen Schwangere nicht einfach hinnehmen. Sie können aktiv etwas gegen sie unternehmen, um ihre Lebensqualität zu steigern.

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Sieben Tipps gegen Rückenschmerzen in der Schwangerschaft

Was können Schwangere gegen Rückenschmerzen tun?

  1. Sport: Die wichtigste Maßnahme gegen Rückenschmerzen ist Bewegung und Sport, um die Muskulatur zu kräftigen. Ideal sind sanfte Sportarten wie Joggen, Walken, Gymnastik, Yoga oder Schwimmen. Aber auch regelmäßiges Spazierengehen oder Treppensteigen kann Beschwerden bereits vorbeugen. Kontaktsportarten wie Handball oder Basketball und gefährliche Sportarten wie Klettern oder Bouldern sowie Krafttraining sind in der Schwangerschaft nicht geeignet.
  2. Aufrechte Körperhaltung: Schwangere können gezielt darauf achten, dass sie eine aufrechte Körperhaltung einnehmen und Fehlhaltungen vermeiden. Am Schreibtisch im Büro sollten sie sich etwa bewusst gerade hinsetzen und ein Hohlkreuz vermeiden. Außerdem kann ein spezieller Stützgürtel für Schwangere hilfreich sein. Diesen erhalten Schwangere bei starken Beschwerden von Hebammen oder behandelnden Frauenärzten und -ärztinnen. Ein Stützgürtel hilft dabei, das Gewicht besser zu verteilen, und unterstützt so eine aufrechte Körperhaltung.
  3. Entspannungsübungen: Fehlhaltungen führen zu Verspannungen in der Muskulatur. Entspannung hilft dabei, diese zu lösen. Schwangere sollten sich beispielsweise Zeit für Spaziergänge nehmen und auch mal Aufgaben delegieren, um Stress zu reduzieren. Auch Meditation oder Yoga können für Entspannung sorgen.
  4. Sanfte Massagen: Treten in der Schwangerschaft Rückenschmerzen im oberen Rücken auf, können sich Schwangere von ihrem Partner oder ihrer Partnerin massieren lassen. Dafür setzt sich die Schwangere falsch herum auf einen Stuhl und stützt leicht nach vorne gebeugt die Arme auf der Stuhllehne ab. Harte Stellen können durch eine Massage mit etwas Öl und durch leichtes Drücken oft gelöst werden. Treten die Schmerzen im Kreuzbeinbereich am unteren Rücken auf, sollte besser auf eine Massage verzichtet werden. So können Kontraktionen und Wehen ausgelöst werden. Im oberen Rückenbereich, an Schultern und Nacken, ist die Massage aber ungefährlich.
  5. Akupunktur: Bei der Akupunktur werden nach der Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bestimmte Schmerzpunkte mit Nadeln angestochen. Einigen Schwangeren hilft diese Technik, anderen nicht. Sie auszuprobieren, lohnt sich aber in jedem Fall. Eine harte wissenschaftliche Evidenz gibt es für Akupunktur zwar nicht, aber die Erfahrung zeigt, dass viele Schwangere davon profitieren. Das liegt vermutlich auch daran, dass sie sich bewusst auf die Behandlung einlassen, sich die Zeit nehmen, um sich hinzusetzen und vom stressigen Alltag zu entspannen, und jemand sich um sie kümmert.
  6. Wärme: Wärme hat einen Entspannungseffekt, da sie Kontraktionen in der Muskulatur lösen kann. Ein Vollbad in entspannender Atmosphäre oder auch das Auflegen eines erwärmten Kirschkernkissens auf die schmerzenden Stellen am Rücken kann deswegen helfen. Beim Baden sollten Schwangere darauf achten, dass die Wassertemperatur 38 Grad nicht überschreitet, da sie ihren Kreislauf sonst belasten.  
  7. Mit angewinkelten Beinen liegen: Schwangeren wird empfohlen auf der linken Seite oder linkslastig zu schlafen. So wird der Rückfluss des Blutes über die Hohlvene zum Herzen gewährleistet und damit Kreislaufproblemen vorgebeugt. Um Rückenschmerzen zu vermeiden, sollte man die Beine im Schlaf angewinkelt haben. Das funktioniert gut mit einem Stillkissen, das nachts auf der Seite liegend zwischen die Knie und unter den wachsenden Bauch geklemmt wird. Die Spannung wird so von der Wirbelsäule abgefedert. Weil man die Schlafhaltung nachts jedoch nicht so gut kontrollieren kann, ist es auch sinnvoll, tagsüber mit angewinkelten Beinen linkseitig auf der Couch zu liegen und ein Stillkissen zwischen den Knien zu haben.
Eine schwangere Frau liegt im Bett auf Seite mit einem Kissen zwischen den Beinen, um Rückenschmerzen zu reduzieren.

© iStock / NataliaDeriabina

Wenn Sie in der Schwangerschaft unter Rückenschmerzen leiden, können Sie ausprobieren, auf der linken Seite zu schlafen und dabei ein Stillkissen zwischen die Beine und unter den Bauch zu klemmen. Das entlastet die Wirbelsäule.

Wann wird Schwangeren eine Physiotherapie verschrieben?

Wurde von der behandelnden Frauenärztin oder vom behandelnden Frauenarzt oder der hausärztlichen Praxis ausgeschlossen, dass schwerwiegende Ursachen wie ein Nierenstau, eine Nierenbeckenentzündung oder eine drohende Frühgeburt hinter den Rückenschmerzen stecken, kann der Schwangeren eine Physiotherapie verordnet werden.

Die Physiotherapie-Sitzungen fallen eher kurz aus. Darum ist das Ziel, die Schwangere so zu schulen, dass sie die Übungen regelmäßig selbstständig praktizieren kann.

Gymnastik für Schwangere: fünf einfache Übungen zum Mitmachen

Wie kann Rückenschmerzen in der Schwangerschaft vorgebeugt werden?

Wer plant, schwanger zu werden, sollte sich im Idealfall, schon bevor die Schwangerschaft eintritt, gesund und ausgewogen ernähren sowie körperlich aktiv sein. Je früher man Sport treibt, desto besser ist die Muskulatur auf die Schwangerschaft vorbereitet. Auch das Gewicht entscheidet maßgeblich darüber, ob Rückenschmerzen auftreten oder nicht. Übergewichtige Frauen sind hier klar im Nachteil, weswegen sich eine Ernährungsumstellung bereits vor der Schwangerschaft lohnt.

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