EEinen letztlich philosophischen Begriff wie Ge- rechtigkeit im Kontext von Unternehmen und ihren Mitarbeitern zu verwenden, mutet zu- nächst einmal ungewöhnlich an. Die meisten werden damit am ehesten die Frage verbinden: Ver- dient mein Kollege, der den gleichen Job macht, mehr als ich? Neben dieser sogenannten Verteilungsgerech- tigkeit hat Gerechtigkeit im betrieblichen Kontext aber noch mehr Facetten: Werden Arbeiten und Informa- tionen im Unternehmen gerecht verteilt, werden Mit- arbeiter von den Führungskräften wertschätzend und respektvoll behandelt, gibt es im Unternehmen eine faire Streitkultur und Möglichkeiten der Partizipation? Objektivieren lässt sich Gerechtigkeit im Unter- nehmen nur schwer, denn es geht um die individuell wahrgenommene Gerechtigkeit. So hat das WIdO für eine Studie, die im Zuge des Fehlzeiten-Reports 2020 vorgestellt wurde, 2.500 Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren zu ihrem Gerechtigkeitsempfinden am Arbeitsplatz befragt. Die Ergebnisse: • Jedem zweiten Beschäftigten (46,4 Prozent) fehlt es derzeit an gerechten Konfliktlösungen. • Wertschätzung im Job vermissen 40,8 Prozent. • Rund ein Drittel (32,9 Prozent) der Befragten bemän- gelt, dass das Unternehmen nicht hinter dem Personal steht. Psychische Belastung. Dieses Ungerechtigkeitsemp- finden hat Folgen. „Gefühlte Ungerechtigkeit bringt insbesondere emotionale Irritationen und psychoso- matische Beschwerden mit sich“, sagt Helmut Schrö- der, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Na- hezu ein Viertel der Beschäftigten, die sich von ihrem Vorgesetzten ungerecht behandelt fühlen, berichtet über Gefühle der Gereiztheit wie Wut und Ärger (23,3 Prozent), rund jeder Fünfte über Lustlosigkeit (21,2 Prozent), Erschöpfung (19,7 Prozent) oder Schlafstö- rungen (18,1 Prozent). Sogar körperliche Beschwerden wie Rücken- und Gelenkschmerzen (25,8 Prozent) oder Kopfschmerzen (10,2 Prozent) kommen häufiger vor. „Die gesundheitlichen Belastungen bei Beschäftigten mit einer als fair empfundenen Führungskraft sind nur ein Viertel so hoch wie bei den Beschäftigten mit einer als unfair empfundenen Führungskraft“, so Schröder. In Zeiten des Fachkräftemangels eine wichtige Erkenntnis: Betrieben, die auf Gerechtigkeit und Wert- schätzung achten, gelingt es eher, hoch qualifizierte, selbstständig arbeitende, zufriedene und gesunde Beschäftigte auch dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Christoph Meinecke, Verwaltungs rats vorsitzender, Vertreter der Arbeitgeberseite Die AOK unterstützt im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements mit konkreten Ange- boten, die Themen Gesundheit und Wertschätzung nachhaltig in den Führungsalltag zu integrieren. Sprechen Sie uns an – Sie profitieren von 20 Jahren Er- fahrung und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ulrich Gransee, Verwaltungs rats vorsitzender, Vertreter der Versichertenseite Höhere Bindung. Die Befragung zeigt auch, dass empfundene Gerechtigkeit mit einer hohen Bindung des Beschäftigten an das Unternehmen einhergeht. Die Beschäftigten fühlen sich im Betrieb gut aufgehoben, stark verbunden und würden ihr Unternehmen als Arbeitgeber auch weiterempfehlen. „Auch das ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Ergebnis“, sagt Helmut Schröder. Führungskräfte in der Verantwortung. Ob ein Un- ternehmen als gerecht oder ungerecht eingeschätzt wird, hängt der Studie zufolge vor allem mit der jeweiligen Führungskraft zusammen. „Ganz zentral ist daher die Schulung von Führungskräften, denn sie sind entschei- dend für gerechte Konfliktlösungen und die gerechte Verteilung der Arbeit“, sagt WIdO-Projektleiter Markus Meyer. „Führungskräfte sollten dafür sorgen, dass Pro- bleme an der Wurzel angepackt werden und keine Mit- arbeiter für Probleme verantwortlich gemacht werden, für die sie gar nichts können. Sie prägen entscheidend mit, ob sich Mitarbeiter subjektiv gerecht behandelt füh- len oder nicht.“ p gu 4 · 2020 29 i k z l u h c S n e g r ü J / R P ; ) 2 ( 9 7 9 1 i u h r e / m o c o t o h p k c o t s i : . n o i t a r t s u l l I