Politik und die AOK 24

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Gesundheitspolitik 2024 –
die GKV steht vor großen finanziellen Herausforderungen
Nachdem schon das Jahr 2023 mit einem hohen GKV-Defizit von knapp 2 Milliarden Euro abgeschlossen hat, hat sich die Finanzlage 2024 weiter verschärft. Die in diesem Ausmaß fast einmalig hohe Unterdeckung von fast 6,6 Milliarden Euro hatte zur Folge, dass nahezu alle Krankenkassen entweder unterjährig oder zum Jahreswechsel ihren Beitragssatz deutlich anheben mussten. Dabei reichte selbst der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) um 0,8 Prozentpunkte angehobene, amtlich festgestellte durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 2,5 Prozent bei den meisten Kassen nicht aus, sodass am Ende 2,92 Prozent zu Buche standen. Auch wir als AOK Niedersachsen mussten nach Jahren der Stabilität mit einem unterdurchschnittlichen Beitragssatz eine Anhebung beschließen. Im neuen Jahr bieten wir unseren über 3 Millionen Versicherten bei weiterhin umfangreichen Mehrleistungen einen wettbewerbsfähigen Beitragssatz von 2,7 Prozent.
Was ergibt sich daraus? Die expansive Ausgabenpolitik der vergangenen Jahre muss ein Ende haben. Ein Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung von über 42 Prozent ist nicht nur eine kaum mehr vertretbare Belastung der Versicherten, sondern auch ihrer Arbeitgeber und damit der deutschen Wirtschaft insgesamt. Sie hemmt den wirtschaftlichen Aufschwung. Die AOK-Gemeinschaft hat als Empfehlung an die Politik ein Positionspapier vorgelegt, mit dem der Gesetzgeber kurzfristig sowohl Einnahmen als auch Ausgaben stabilisieren könnte, um weitere Beitragserhöhungen zu vermeiden. Wir brauchen zum Beispiel endlich eine auskömmliche Gegenfinanzierung versicherungsfremder Leistungen wie auch nachhaltige Strukturreformen, die die Versorgungseffizienz im System verbessern.
Krankenhausreform –
bessere Qualität, stärkere Spezialisierung
Eines der wichtigsten Reformprojekte der abgelaufenen Legislatur war sicherlich die Krankenhausreform. Die Vorschläge der Regierungskommission wurden bekanntlich über mehr als ein Jahr zwischen Bund und Ländern intensiv verhandelt, bevor daraus ein Gesetzentwurf wurde, der im Bundestag beschlossen und schließlich mit denkbar knapper Mehrheit im Bundesrat gebilligt wurde. Obwohl das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) an manchen Stellen noch deutlichen Korrekturbedarf zeigt, begrüßen wir bei summarischer Betrachtung diese Reform. Auf der Plusseite steht der Gewinn an medizinischer Behandlungsqualität, wenn künftig elektive Eingriffe nur noch an spezialisierten Kliniken durchgeführt werden. Wir begrüßen auch das neue Vergütungssystem mit Vorhaltepauschalen. Es reduziert den ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser. Wir bemängeln aber, dass nach dem KHVVG die Bemessung und Finanzierung der Vorhaltebudgets fallbezogen erfolgen soll, denn dadurch bestehen wieder neue Anreize, auch jenseits von medizinsicher Indikation mehr Fälle abzurechnen. Die Versorgungsaufträge für die Kliniken und die daran gekoppelten Vorhaltepauschalen sollten sich konsequent allein am tatsächlichen Behandlungsbedarf der Bevölkerung orientieren.
Kritisch sehen wir zudem, dass der neue Krankenhaus-Transformationsfonds mit Milliardenbeiträgen aus der GKV und ohne Beteiligung der PKV finanziert werden soll. Der Umbau der Krankenhauslandschaft ist eine Investition in die Daseinsvorsorge und muss zwingend vom Staat und damit aus Steuermitteln finanziert werden. Hier muss das KHVVG in der neuen Wahlperiode nachgebessert werden. Das durch die Grundgesetzänderung eingeführte Sondervermögen „Infrastruktur“ böte hierzu aus unserer Sicht den finanziellen Spielraum.
Energiepreisbremse
für Krankenhäuser
Krankenhäuser konnten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. April 2024 auf Basis des § 26f KHG eine Erstattung der Mehrkosten für leitungsgebundenen Strom, leitungsgebundene Fernwärme und leitungsgebundenes Erdgas erhalten. Hierzu hatte der Bund über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zuletzt einen Betrag von bundesweit bis zu 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die niedersächsischen Krankenhäuser haben ihre nachgewiesenen Energiemehrkosten und die Mehrkosten für eine verpflichtende Energieberatung auf Antrag erhalten.
Mit der Umsetzung des Antragsverfahrens und der auftragsweisen Auszahlung der Mehrkosten hat uns das Land Niedersachsen beauftragt. Ein Team aus dem Gesundheitsmanagement stationär hat den gesamten Antrags- und Erstattungsprozess gemanagt und war zentraler Ansprechpartner für die zahlreichen Fragen der niedersächsischen Krankenhäuser. Im Vorfeld erfolgte eine Abstimmung von Eckpunkten zum Antragsverfahren mit dem niedersächsischen Sozialministerium und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG).
Für 2022 haben wir insgesamt circa 2,42 Millionen Euro als Erstattung für nachgewiesene Energiemehrkosten an 27 niedersächsische Krankenhäuser ausgezahlt. Für das Jahr 2023 sind circa 59,1 Millionen Euro für Energiemehrkosten an 106 erstattungsberechtigte Krankenhäuser überwiesen worden. Dazu kommen noch circa 610.000 Euro an 74 Krankenhäuser, denen für die verpflichtende Energieberatung Mehrkosten entstanden sind. Für Januar bis April 2024 haben 79 Krankenhäuser noch einmal Mehrkosten in Höhe von circa 16,8 Millionen Euro erstattet bekommen. 5,7 Millionen Euro haben Krankenhäuser hingegen wieder zurückgezahlt, da sich die erwarteten Mehrausgaben bzw. die Abschläge für das Vorjahr als zu hoch erwiesen haben.
Damit haben die niedersächsischen Krankenhäuser von uns einen Betrag in Höhe von etwa 73,2 Millionen Euro als Ausgleich für ihre nachgewiesenen Mehrkosten für die Energiebeschaffung erhalten.
Vorzeitiges Ende der Legislatur – ein Rückblick auf verpasste Chancen
Das vorzeitige Aus der bisherigen Ampelkoalition hat leider dazu geführt, dass wichtige Gesetzgebungsvorhaben nicht mehr abgeschlossen werden konnten. Wir bedauern insbesondere, dass die Reform der Notfallversorgung ein weiteres Mal verpasst und in die kommende Legislaturperiode geschoben wurde. Es besteht über Parteigrenzen und auch innerhalb der Selbstverwaltung Konsens, dass hier der Handlungsbedarf dringender denn je ist. Aus unserer Sicht sollte sich der neu gewählte Gesetzgeber an den Vorarbeiten der damaligen Koalition orientieren. Ziel muss sein, dass Hilfesuchende im Notfall schnell und unkompliziert die richtigen Anlaufstellen finden, in denen sie bedarfsgerecht versorgt werden. Wir wollen verhindern, dass Notaufnahmen und Rettungsdienste weiter überlastet sind, indem eine vernünftige Steuerung auf die im jeweiligen Einzelfall passende Versorgungsebene gelingt.
Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der Pflegeversicherung. Leider hat die Ampel zu wenig unternommen, um in der Pflege finanzielle Stabilität zu schaffen und die Beitragszahlenden vor immer höheren Belastungen zu bewahren. Der Bundeszuschuss an die Pflegeversicherung sollte – wenn nicht sofort, dann aber zumindest aufwachsend – ein Niveau erreichen, um die versicherungsfremden Aufgaben und die ausgelegten Kosten aus der Coronapandemie gegenzufinanzieren. Leider hat die Ampel den ohnehin unzureichenden Bundeszuschuss sogar vollständig ausgesetzt. Zu den aus unserer Sicht durchaus diskussionswürdigen Initiativen gehört das nach Kabinettsbeschluss nicht weiterverfolgte Pflegekompetenzgesetz, das darauf abzielt, die Pflegeberufe zu stärken und Pflegefachpersonen erweiterte heilkundliche Aufgaben zu übertragen. Auch das Vorhaben, mit einer neu aufgesetzten und bundesweit vereinheitlichten Pflegefachassistenzausbildung den Zugang zu diesem wichtigen Berufsbild zu erleichtern, findet grundsätzlich unsere Zustimmung.
Wenig Verständnis haben wir indes dafür, dass das um Strukturreformen völlig entkernte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz „auf den letzten Metern“ noch beschlossen wurde. Statt mit neuen Versorgungsmodellen dem Hausärztemangel entgegenzuwirken, wurde allein die Entbudgetierung beschlossen, die den Beitragszahler einige hundert Millionen Euro kosten wird. Ob dadurch mehr Termine geschaffen und Wartezeiten verkürzt werden, ist fraglich. Positiv hingegen sehen wir eine Initiative der niedersächsischen Landesregierung, die in einem 10-Punkte-Aktionsplan konkrete Vorschläge zum Beispiel zur Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung der Hausärzte und Hausärztinnen oder zum Bürokratieabbau vorgelegt hat.
Ausblick
auf die neue Legislatur
Es wird die Aufgabe der großen Koalition sein, notwendige Finanz- und Strukturreformen schnell zu beschließen, um zu verhindern, dass die Sozialabgaben auf ein noch höheres Niveau steigen. Auch wenn zu Recht wirtschafts- und sicherheitspolitische Aufgaben sehr weit oben auf der politischen Agenda stehen, müssen wir auch die Kranken- und Pflegeversicherung als tragende Säulen unseres Sozialstaates zukunftsfest machen. Die AOK Niedersachsen steht der Politik hier mit ihrer Expertise und Erfahrung als Marktführer in Niedersachsen gern beratend zur Verfügung.
Geschäftsbericht 24
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