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Politik und die AOK ’21

Dr. Jürgen Peter

„Statt Beitragszahler über Gebühr zu belasten, sollte der Bund die Zusage aus dem Koalitionsvertrag einlösen, mit einem kostendeckenden Bundesbeitrag die Gesundheitsversorgung der ALG-II-Empfänger zu finanzieren. Zudem müssen endlich echte Strukturreformen in Angriff genommen werden.“

Gesundheitspolitik 2021 – unsere Kurzbilanz

Die Gesundheitspolitik des letzten Jahres war, wie schon 2020, von der Bewältigung der Coronapandemie geprägt. Der Bundestag hat eine Reihe von Gesetzen beschlossen bzw. das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat Verordnungen erlassen, die dazu beitrugen, die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens in der Pandemie zu sichern und den Bürgerinnen und Bürgern bestmöglichen Schutz zu gewähren.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund die Versorgung mit Corona-Impfstoffen übernommen und das Land Niedersachsen mit den kommunalen Trägern eine Vielzahl regionaler Impfzentren eingerichtet hat, die das Impfangebot der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hervorragend ergänzt haben. Wünschenswert für das zweite Halbjahr 2022 wäre es, wenn sich die staatlichen Impfangebote noch flexibler am tatsächlichen Versorgungsbedarf in der Bevölkerung orientieren würden, um Überkapazitäten zu begrenzen. Wir als AOK Niedersachsen werden weiterhin durch intensive Aufklärung und verständliche Informationen zur Bewältigung der Pandemie beitragen.

Von der Politik zur Kasse gebeten

Die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) deutete sich bereits 2021 sehr klar an. Kritisch bewerten wir in diesem Zusammenhang die Gesetzgebung. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege“ hat der Gesetzgeber 2021 in einem bisher einmaligen Vorgang in der Geschichte der GKV auf die Rücklagen der Krankenkassen zugegriffen. Das war ein massiver Eingriff in den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander. Insbesondere Kassen, die mit einer soliden Finanzpolitik für schwierige Phasen vorgesorgt haben, wurden durch den Vermögenszugriff bestraft, während andere Krankenkassen, die wenig finanzielle Vorsorge betrieben haben, gar nicht bzw. nur geringfügig herangezogen wurden. Wir als AOK Niedersachsen haben im letzten Jahr 484 Millionen Euro in den Gesundheitsfonds abführen müssen, um das strukturelle Defizit in der GKV auszugleichen. Leider zeichnet es sich ab, dass der Gesetzgeber auch für 2023 einen ähnlichen Weg sucht.

Für 2023 erwarten wir eine Finanzierungslücke in der GKV von mindestens 17 Milliarden Euro. Die Eckpunkte des neuen GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes lassen erwarten, dass dieses Defizit nicht durch nachhaltige Strukturreformen geschlossen werden soll. Vielmehr will der Gesetzgeber den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz um 0,3 Prozentpunkte anheben und ein zweites Mal auf die Rücklagen der Kassen zugreifen. Dies kritisieren wir deutlich, denn gerade mit Blick auf die sich abzeichnende Wirtschaftskrise, rückläufige beitragspflichtige Einnahmen und inflationsbedingt steigende Ausgaben kann die GKV auf diesen finanziellen Puffer nicht verzichten. Was wir stattdessen brauchen, sind Bundeszuschüsse für die GKV, die perspektivisch ein Niveau erreichen, um die versicherungsfremden Leistungen der Krankenkassen gegenzufinanzieren. Bundesbeiträge dürfen nicht von der Haushaltslage im jeweiligen Haushaltsjahr abhängen, sondern müssen regelgebunden bemessen und bei Bedarf dynamisiert werden. In diesem Zusammenhang ist es sachgerecht und positiv, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag zugesagt haben, künftig einen kostendeckenderen Beitrag für die Gesundheitsversorgung von ALG-II-Bezieherinnen und -Beziehern zu übernehmen.

Strukturreformen im Krankenhausbereich

Unabhängig davon ist es dringend erforderlich, nach den ausgabentreibenden Reformgesetzen aus der letzten Legislaturperiode Effizienzreserven zu erschließen. Zu den größten Reformbaustellen im Gesundheitswesen zählt nicht zuletzt die Krankenhausversorgung. Die Coronapandemie hat dabei gezeigt, dass wir sehr leistungsstarke Kliniken in Niedersachsen haben.

Die Erfahrungen aus der Pandemie und diverse wissenschaftliche Studien legen aber auch nahe, dass wir die Krankenhausstruktur in Richtung einer stärkeren Zentralisierung und Spezialisierung weiterentwickeln müssen. Denn es ist unbestritten, dass bei vielen Indikationen der Behandlungserfolg stark von der Verfügbarkeit spezialisierten Personals und einer hochwertigen apparativen Ausstattung in den Kliniken abhängig ist.

Es ist aus unserer Sicht daher geboten, die Krankenhausplanung in Niedersachsen anhand eines neuen Versorgungsstufenkonzeptes weiterzuentwickeln. Es sollte klar definiert sein, welche Kliniken mit welchen Qualitätsstandards welche Versorgungsaufträge übernehmen. Selbstverständlich muss auch die Erreichbarkeit der Häuser als Planungskriterium mitbedacht sein. Ein solcher Strukturwandel, den das Land Niedersachsen mit dem neuen Niedersächsischen Krankenhausgesetz verfolgt, kann natürlich nicht von heute auf morgen die Krankenhauslandschaft verändern, muss aber jetzt angegangen werden.

Eine stärkere Spezialisierung und Zentralisierung der Krankenhauslandschaft bietet neben einem Qualitätsgewinn in der medizinischen Versorgung und perspektivisch Einsparungen im investiven Bereich zudem eine Möglichkeit, das bestehende Pflegeproblem zu mindern. Aufgrund des Fachkräftemangels fällt es zunehmend schwerer, alle heute existierenden Klinikstandorte so auszustatten, dass stets ausreichend qualifiziertes Personal für die Pflege am Bett zur Verfügung steht.

Reform der Arzneimittel-Preisbildung

Auch die Finanzierung innovativer und zumeist extrem hochpreisiger Arzneimitteltherapien mit Jahrestherapiekosten von 100.000 Euro und mehr ist eine große Herausforderung für die GKV.

Wir brauchen dringend eine Reform der Arzneimittel-Preisbildung, um sicherzustellen, dass der sofortige Anspruch auf neu zugelassene Medikamente finanziell verkraftbar bleibt. Es darf aus unserer Sicht nicht dabei bleiben, dass der pharmazeutische Hersteller beliebig seinen Preis festsetzen kann und dieser losgelöst vom tatsächlichen Zusatznutzen gegenüber Vergleichstherapien für zwölf Monate gilt. Wir brauchen bereits mit dem Marktzugang Preisgrenzen, die nach objektiven und nachvollziehbaren Kriterien festgelegt sind.

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