Adipositas nimmt in Brandenburg um 40 Prozent zu
AOK Nordost veröffentlicht regionalen Gesundheitsatlas
Potsdam | Jeder achte AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Versicherte in Brandenburg hat eine Adipositas-Diagnose, ist also stark übergewichtig. Das sind 41 Prozent mehr Menschen als noch vor zehn Jahren. Das geht aus dem neuen AOK Nordost Gesundheitsatlas hervor. Der Atlas zeigt zudem detailliert, in welchen Brandenburger Ortsteilen die Fettleibigkeit besonders verbreitet ist.
Im Potsdamer Stadtteil Babelsberg-Nord sind nur rund sechs Prozent der AOK-Versicherten adipös – ein Tiefstwert in Brandenburg.
Der Orteils Bomsdorf in Uebigau-Wahrenbrück im Landkreis Elbe-Elster liegt am anderen Ende der Skala: Rund 41 Prozent sind hier stark übergewichtig. Also mehr als sechs Mal so viele.
In ganz Brandenburg hat das Problem mit starkem Übergewicht zugenommen. Im Jahr 2011 erhielten rund neun Prozent der AOK-versicherten Brandenburgerinnen und Brandenburger die ärztliche Diagnose Adipositas. 2021 waren es dann schon rund 13 Prozent. Hochgerechnet etwa 313.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger leiden laut AOK-Analyse an Adipositas. Und das sind nur die ärztlich diagnostizierten Fälle, die Dunkelziffer liegt weit höher. Das Robert-Koch-Institut ermittelte 2012 in einer repräsentativen Stichprobe, dass 23 Prozent der Deutschen adipös sind. Neuere repräsentative Zahlen des RKI Das Robert Koch-Institut (RKI) ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für… liegen nicht vor. Die AOK-Zahlen sind annähernd repräsentativ, denn die AOK Nordost ist die größte Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… in Brandenburg.
„Es ist besorgniserregend, dass die Adipositas-Häufigkeit in Berlin stark zugenommen hat. Unser Gesundheitsatlas zeigt eindrücklich, dass Adipositas der wichtigste Risikofaktor für die meisten anderen chronischen Krankheiten ist. Die Bundesregierung ist aufgerufen, gegenzusteuern – und verbindliche Reduktionsziele für den Fett- und Zuckergehalt von Lebensmitteln zu verabschieden. Aber auch Betriebe, Kitas, Schulen und die Brandenburger Kommunen sind gefordert, mehr zu tun, um Adipositas wirksam vorzubeugen. Wir unterstützen gerne dabei“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost.
Der Gesundheitsatlas zeigt konkret, dass AOK-Versicherte mit Adipositas ein rund doppelt so hohes Risiko haben, an Rückenschmerzen, Depressionen, Asthma und der Lungenkrankheit COPD zu erkranken.
Von einer koronaren Herzkrankheit sind adipöse Menschen rund 120 Prozent häufiger betroffen, von Diabetes rund 450 Prozent häufiger und von Bluthochdruck sogar rund 620 Prozent häufiger. Aber auch für Dickdarmkrebs (36 Prozent) und bösartige Krebs-Neubildungen (46 Prozent) haben adipöse AOK-Versicherte ein höheres Risiko.
Besonders von Adipositas betroffen sind die Bewohnerinnen und Bewohner sozial benachteiligter Ortsteile und Gemeinden. Sie haben ein 13 Prozent höheres Risiko für Adipositas als die Bewohnerinnen und Bewohner der reichsten Brandenburger Ortsteile und Gemeinden. Arbeitslose AOK-Versicherte haben sogar ein 22 Prozent höheres Risiko, an Adipositas zu erkranken.
In Brandenburg birgt die kleinräumige Karte des Gesundheitsatlas so manche Überraschung. AOK-Versicherte, die im Speckgürtel von Berlin wohnen, sind im Schnitt weniger häufig adipös, in berlinfernen Regionen sind die Menschen im Schnitt häufiger adipös. Aber innerhalb der einzelnen Landkreise gibt es große Unterschiede.
Die sehr feine Auflösung des AOK Nordost Gesundheitsatlas zeigt: Mitunter liegen zwischen Gebieten mit geringer und hoher Krankheitslast nur wenige Kilometer. Beispiel Landkreis Potsdam-Mittelmark: In der Gemeinde Nuthetal sind 9,6 Prozent der AOK-Versicherten von Adipositas betroffen – die Gemeinde erhält ein helles Gelb. Im südlich angrenzenden Michendorf haben dagegen 12,7 Prozent der Menschen die Diagnose Adipositas – helles grün. Direkt darunter liegt die dunkelgrün eingefärbte Gemeinde Seddiner See, hier haben 14,5 Prozent der AOK-Versicherten eine Adipositas-Diagnose.
Prävalenz von Adipositats - Alters- und geschlechtsstandardisiert
„Je kleinräumiger wir die Abrechnungsdaten zu chronischen Krankheiten auflösen können, desto besser können wir gezielt entgegensteuern. Der Atlas hilft, die Hotspots mit hoher Erkrankungslast innerhalb der Landkreise und kreisfreien Städte zu identifizieren. Dieses Wissen hilft, ärztliche Versorgung und Präventionsangebote viel gezielter zu planen“, sagt der Geodatenanalyst Dr. Boris Kauhl, der maßgeblich daran beteiligt war, den Gesundheitsatlas zu erstellen.
Konkret hilft der Gesundheitsatlas den Zulassungsausschüssen dabei, festzulegen, wo genau innerhalb eines Landkreises neue Facharztsitze vergeben werden sollten. Und an welchen Brandenburger Kitas und Schulen Präventionsangebote für gesunde Ernährung besonders dringend benötigt werden, um der Entstehung von Adipositas schon im Kindesalter vorzubeugen.
Die AOK Nordost engagiert sich mit vielfältigen Projekten für eine gute und gesunde Ernährung an Schulen. So ermöglicht die Gesundheitskasse derzeit 37 Brandenburger Schulen durch eine finanzielle Förderung die Teilnahme an der GemüseAckerdemie. Das Programm richtet sich an Schülerinnen und Schüler der dritten bis zur achten Klasse.
Im Juni startete zudem das dritte Modul des AOK-Gesundheitsprogramms wildGreen mit einem Schwerpunkt zum Thema Ernährung. Es richtet sich vor allem an Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren und an Lehrkräfte. Sie erfahren hier Hintergründe zu Ernährungstrends wie veganer und vegetarischer Ernährung sowie zur Planetary Health Diet, die eine klimafreundliche und vollwertige Ernährung fördert.
Zudem bietet die AOK Nordost ihren Versicherten mit ärztlich diagnostiziertem Adipositas auf Wunsch eine kostenfreie Ernährungsberatung an. Weitere Informationen dazu finden Versicherte hier.
Hinweise für Journalistinnen und Journalisten:
Für den AOK Nordost Gesundheitsatlas wurden die Abrechnungsdaten der Jahre 2010 bis 2021 von rund 1,7 Millionen AOK-Versicherten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ausgewertet. Für die dargestellten Erkrankungen wurde dabei das M2Q-Kriterium verwendet. Demnach gilt ein Versicherter oder eine Versicherte als erkrankt, wenn mindestens zwei gesicherte Diagnosen aus dem ambulanten Bereich oder eine gesicherte Diagnose aus dem stationären Bereich für das jeweilige Jahr vorlagen. Auf Versichertenebene wurden zudem die Merkmale Alter, Geschlecht, arbeitslos oder nicht arbeitslos und deutsche oder ausländische Staatsbürgerschaft betrachtet.
Für die kleinräumige Darstellung der sogenannten Erkrankungsprävalenz wurden die Versicherten anhand ihrer Wohnadresse Gemeinden und Ortsteilen zugeordnet. Um Aussagen zum Grad der sozialen Benachteiligung und zur Facharztdichte der Ortsteile tätigen zu können, wurde auf einen kommerziellen Datensatz, die sogenannten Geomarkets der Firma WIGeoGIS, zurückgegriffen. Ein Geomarket besteht aus rund 440 Einwohnerinnen und Einwohnern und bietet eine Vielzahl an demographischen und sozioökonomischen Kennziffern, die durch die Aggregation wesentlich differenzierter sind als Daten der amtlichen Statistik.
Um noch differenzierter analysieren zu können, welche Rolle die Sozialstruktur für die Erkrankungslast spielt, wurde zudem auf Ebene der rund 16.400 Geomarkets in Nordostdeutschland ein eigener Deprivationsindex konstruiert. Der Index besteht aus den Domänen Arbeitslosigkeit, Beschäftigtenquote, Anteil Einwohnerinnen und Einwohner ohne Bildungsabschluss, Anteil Einwohnerinnen und Einwohner mit Hoch- und Fachhochschulabschluss sowie durchschnittlicher Kaufkraft.