Ludwigsburg: Feinstaub erhöht Grippe-Risiko
Studie zeigt Effekt von Umwelteinflüssen auf Gesundheit
Ludwigsburg. Eine hohe Feinstaubbelastung erhöht das Risiko, an Grippe zu erkranken. Zu dieser Erkenntnis kommt eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen der AOK Baden-Württemberg und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Das Team erforscht die Zusammenhänge zwischen Umweltstressoren und Erkrankungen und kombiniert hierzu Erdbeobachtungsdaten mit anonymisierten Gesundheitsdaten der Krankenkasse.
Mit einer ersten Studie aus der Forschungskooperation zum Zusammenhang von Umwelteinflüssen auf die Grippeinzidenz konnte erstmals für Deutschland in einer gemischten städtischen und ländlichen Stichprobe ein signifikanter Zusammenhang zwischen Umweltstressoren und der Gesundheit identifiziert und eine postleitzahlgenaue Analyse von gesundheitlichen Auswirkungen der Umweltfaktoren ermöglicht werden. Ludwigsburg, Freiberg am Neckar, Kornwestheim, Benningen am Neckar, Remseck am Neckar und Erdmannhausen zählen im Mittel zu den Regionen in Baden-Württemberg mit der höchsten Feinstaubbelastung im Vergleich zum Landesdurchschnitt.
Signifikanter Effekt von Feinstaub und Temperatur auf Grippe-Inzidenz
In der Untersuchung zeigen sich deutliche saisonale Schwankungen bei der Grippe-Neuerkrankungsrate. Von den landesweit 513.404 im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2018 identifizierten Influenzafällen traten über 54 Prozent in den Monaten Januar bis März auf. Solche vierteljährlichen Schwankungen bei der Grippe-Inzidenz ist eine Messgröße aus der Epidemiologie, die die Anzahl der Neuerkrankungen an einer bestimmten… sind auch für Feinstaub und Temperatur sichtbar. Die statistische Modellierung bestätigt einen signifikanten Effekt von Feinstaub und Temperatur auf die Grippeerkrankung der Versicherten. Gemäß den Hochrechnungen der Studie ist das Risiko an Grippe zu erkranken in Regionen mit der höchsten beobachteten Feinstaubbelastung in etwa doppelt so hoch wie in Regionen mit den niedrigsten Feinstaubwerten. Feinstaub entsteht insbesondere durch Industrieprozesse, Verkehr und Haushaltsheizungen. Noch größer als beim Feinstaub ist der Einfluss der Temperatur auf die Inzidenz. So ergibt sich nach den statistischen Berechnungen ein etwa achtfach größeres Risiko zur Infizierung bei den niedrigsten beobachteten Temperaturen. „Das Risiko, an Grippe zu erkranken, ist in Regionen .am höchsten, in denen es besonders kalt und in denen die Feinstaubbelastung besonders hoch ist“, erläutert PD Dr. Sabine Knapstein, Ärztin bei der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Baden-Württemberg.
Hauptauslöser für die Influenza sind Viren, die durch günstige Bedingungen in ihrer Vermehrung und Verbreitung gefördert werden. Bei Grippeviren sind dies äußerliche Umstände wie ein Temperaturabfall unter 13 Grad Celsius und auch verschmutzte Luft. „Gleichzeitig spielen Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder auch fehlende Impfungen Aufgrund des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes sind Leistungen für bestimmte Schutzimpfungen seit dem… eine Rolle“, so Dr. Knapstein. Die saisonalen Schwankungen der Grippe-Inzidenz sind durch Temperatureffekte und Feinstaub erklärbar und werden durch die Temperaturextreme angesichts des Klimawandels verstärkt.
In der Erhebung zeigt sich darüber hinaus, dass die Feinstaubbelastung im Raum Stuttgart besondes hoch ist, ebenso die Belastung mit Stickoxiden. In Konstanz ist die Feinstaubbelastung vergleichbar, die Stickoxid-Belastung allerdings nur halb so groß. Derartige Unterschiede zeigen, dass Feinstaub einen besonderen Einfluss auf Grippe-Erkrankungen hat, Stickoxide aber eher nicht.
Die Zusammenarbeit zwischen dem DLR und der AOK Baden-Württemberg ist mit dem Ziel gestartet, die Zusammenhänge zwischen den vorherrschenden Umweltstressoren und Erkrankungen im Detail zu erforschen. Dadurch sollen mittelfristig individualisierte Risikovorhersagen ermöglicht und standortabhängige Empfehlungen für die Gesundheitsversorgung und -prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… abgeleitet werden. „Unsere Versicherten können wir zukünftig noch stärker auf den Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit hinweisen, auf mögliche Präventionsmaßnahmen aufmerksam machen und damit gezielt die gesundheitliche Versorgung vor Ort stärken“, erläutert PD Dr. Sabine Knapstein. Ein besonderer Fokus der gemeinsamen Forschung liegt auf der Wirkung der untersuchten Umweltstressoren auf vulnerable Bevölkerungsgruppen, insbesondere Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen.
Insgesamt gewinnen Präventionsmaßnahmen in Regionen mit erhöhter Feinstaubbelastung an Bedeutung, unterscheiden sich aber nicht grundlegend von den Maßnahmen in Regionen mit niedriger Luftbelastung. „Wichtig ist die gemeinsame Betrachtung von Verhältnis- und Verhaltensprävention. In der Verknüpfung von Natur- und Kulturlandschaft ist die natürliche Beschattung und Begrünung für Mensch und Tier in jedem Alter überlebenswichtig und mindert die Feinstaubbelastung. Zudem kann auch jeder Einzelne dazu beitragen, diese zu reduzieren und gleichzeitig seine individuelle Gesundheit fördern, zum Beispiel durch das Zurücklegen kurzer Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß“, so die AOK-Ärztin. Gemäß der Studienergebnisse können Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Influenza-Verlauf in Regionen mit starker Feinstaubbelastung noch stärker von regelmäßigen Grippeschutzimpfungen und einem gesunden Lebensstil profitieren.
Künftige Studien sollten Informationen über die Feinstaubbelastung in Innenräumen und die damit verbundene Belastung ermitteln. Im Blick der weiteren Forschung sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Covid-19 sowie Haut- und Stoffwechselerkrankungen.