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Gesundheitsmagazin

Stoffwechsel

Leben mit Mukoviszidose – nach dem Inhalieren ist vor dem Inhalieren

Veröffentlicht am:19.07.2021

6 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 05.07.2023

Mukoviszidose, auch cystische Fibrose (CF) genannt, stellt Betroffene vor große Herausforderungen. Die Erkrankung ist nicht heilbar, variiert aber im Schweregrad. Durch Einhaltung von Therapieempfehlungen kann ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden.

Ein Mann sitzt und inhaliert.

© iStock / Sinenkiy

Die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose ist selten. Etwa 8.000 bis 10.000 Patientinnen und Patienten sind hierzulande davon betroffen. Thomas ist einer von ihnen. Im Interview erzählt er, wie er den Alltag mit Mukoviszidose meistert und welche Tipps er für Betroffene bereithält.

Zur Einordnung: Was ist Mukoviszidose?

Mukoviszidose, auch bekannt als cystische Fibrose (CF), ist eine erblich bedingte, nicht heilbare Stoffwechselerkrankung, bei der die Bildung sogenannter Chlorid-Ionen-Kanäle in den Zellmembranen gestört ist. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten. Bei gesunden Menschen bilden die Organdrüsen dünnflüssige Sekrete. Bei Mukoviszidose-Betroffenen sind diese Sekrete zäh und klebrig. Mukoviszidose kann unterschiedliche Organsysteme betreffen, darunter Lunge und Bronchien, Bauchspeicheldrüse und Darm, Schweißdrüsen, die Nase oder die Nasennebenhöhlen. Betroffene leiden typischerweise unter chronischem Husten und häufigen Infektionen, auch eine Verschlechterung der Organfunktionen kann die Folge sein. Im Laufe der Zeit schreitet die Erkrankung fort, bis heute ist sie nicht heilbar. Es gibt inzwischen jedoch gute und effektive Behandlungsmöglichkeiten, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen können. Durch diese steigen sowohl Lebenserwartung als auch Lebensqualität der Betroffenen. Wichtig sind eine möglichst frühe Diagnose und Therapie, damit irreversible, also nicht mehr umkehrbare Lungenschäden vorgebeugt oder deren Entwicklung verzögert werden kann.

Seit 2016 werden alle Neugeborenen in Deutschland auf die Erkrankung getestet. Die Ergebnisse sind zuverlässig, geben jedoch bei positivem Befund keine Auskunft darüber, wann die Mukoviszidose die Lunge befällt. Fachleute empfehlen daher die Betreuung in einem spezialisierten Mukoviszidose-Zentrum.

Thomas, seit wann ist klar, dass du an Mukoviszidose erkrankt bist?

Die Diagnose Mukoviszidose habe ich mit einem Jahr erhalten. Mein Kinderarzt ist glücklicherweise früh darauf gekommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, vor allem zur damaligen Zeit, Mitte der 60er-Jahre. Mukoviszidose kann insbesondere zu Beschwerden mit der Lunge oder dem Darm führen. Bei mir waren es die Magen-Darm-Probleme, die auf die Krankheit hingewiesen haben. Anschließend wurde ein Schweißtest gemacht, der positiv war. Die typischen Lungensymptome habe ich aber erst mit 16 Jahren bekommen.

„Ich wusste schon als Kind, wie es ist, mit Grenzen zu leben!“

Thomas
Mukoviszidose-Patient

Wie hat sich Dein Alltag durch die Erkrankung verändert?

Ich bin mittlerweile 55 Jahre alt. Zur damaligen Zeit gab es keine Enzympräparate. Deshalb musste ich als Kind fettarm essen. Meine Mutter hat mir für Klassenfahrten fettarme Mahlzeiten vorgekocht. Daher hatte ich schon damals eine Sonderrolle, keine schöne Situation für ein Kind.

Zur Erklärung: Das aufgestaute Sekret führt bei Mukoviszidose zu Entzündungen der Bauchspeicheldrüse. So vernarbt das Organ und kann keine für die Fettverdauung benötigten Enzyme mehr herstellen. Betroffene müssen daher die notwendigen Enzyme einnehmen. Auch ein Diabetes mellitus kann sich auf dem Boden einer Mukoviszidose entwickeln.

Welche Ursache steckt hinter Mukoviszidose?

Ursächlich für Mukoviszidose ist ein Gendefekt, der vererbt wird.

Das Gen CFTR reguliert den Wasser- und Salz-Transport in den Zellen von Drüsengewebe und Schleimhäuten, zum Beispiel in den Atemwegen. Ein Defekt dieses Gens sorgt dafür, dass die Sekrete der Drüsen sehr zähflüssig werden. Tragen beide Elternteile die kranke Erbanlage in sich und vererben beide diese weiter, erkrankt das Kind an Mukoviszidose – auch wenn die Eltern selbst nicht erkrankt sind.

Als Mitte der achtziger Jahre die Enzympräparate herauskamen, wurde es auch bei mir einfacher. Heute werfe ich einfach die Tabletten ein und kann praktisch alles essen. Als mit dem 16. Lebensjahr die Lungenbeschwerden begannen, musste ich anfangen zu inhalieren. Mit 20 Jahren hatte ich eine schwere Lungenentzündung. Das Inhalieren ist besonders wichtig, um Infekte und Lungenentzündungen zu vermeiden. Heute inhaliere ich drei- bis viermal am Tag. Das ergibt für mich einen Therapieaufwand von zwei bis drei Stunden. Hinzu kommen noch Dehnübungen und Bewegung, um das Sekret zu mobilisieren.

Neugeborenen-Screening

Eine Ärztin führt das Neugeborenen-Screening aus und tropft Blutstropfen vom Babyfuß auf ein Papier.

© iStock / isayildiz

Anders als noch vor einigen Jahren wird heute in den meisten Krankenhäusern routinemäßig ein Neugeborenen-Screening durchgeführt.

Es umfasst unter anderem eine Untersuchung auf Mukoviszidose. Die Teilnahme an diesem Screeningverfahren ist freiwillig und setzt die Einwilligung der Eltern des Neugeborenen voraus.

Gibt es eine feste Routine, die Du befolgst?

Klare Rhythmen sind besonders wichtig für mich. Auf diese Weise kann ich die Erkrankung trotz Arbeit und Freizeitaktivitäten meistern. Ich lebe wie ein Manager, Gesundheitsmanager, wenn man so will – alles eng getaktet und gut organisiert.

Mein Alltag sieht so aus, dass ich morgens mit bronchienerweiternden Substanzen inhaliere. Danach mache ich Dehn- und Streckübungen, die unter anderem dem Yoga entnommen wurden. Im Anschluss inhaliere ich noch einmal mit Antibiotika. Für mein tägliches Bewegungsprogramm sorgt der Weg zur Arbeit. Ich fahre 30 Minuten mit dem Fahrrad hin und wieder zurück. Dass meine Wohnung 30 Minuten von meiner Arbeitsstelle entfernt ist, war ein wichtiges Kriterium für meine Wohnungsauswahl. So bewege ich mich regelmäßig. Abends inhaliere ich wieder ein- bis zweimal zur Erweiterung der Bronchien und um das Dauerantibiotikum aufzunehmen.

Wie äußert sich die Mukoviszidose bei dir?

Meine Lungenfunktion ist auf dem Level eines gesunden Menschen. Allerdings muss ich für die Beschwerdefreiheit viel Aufwand betreiben. Ohne das Inhalieren, die Bewegung und die beiden Dauerantibiotika hätte ich wohl nach vier Tagen eine heftige Lungenentzündung.

Wie sieht deine Mukoviszidose-Therapie aus?

Einmal im Jahr mache ich eine stationäre Reha (Rehabilitationsmaßnahme) für drei Wochen. Das ist immer wie ein „Trainingslager“. Außerdem besuche ich viermal im Jahr eine fachärztliche Mukoviszidose-Ambulanz. Dort wird die Lungenfunktion getestet und die Therapie besprochen. Apropos Medikamente: Ich nehme Dauerantibiotika, Enzympräparate und Vitamine ein, insgesamt derzeit 25 Tabletten. Ich bin froh, dass wir in Deutschland, dank der guten Krankenversicherung, solche Behandlungsmöglichkeiten haben. Zudem gibt es immer wieder mutmachende Forschungsergebnisse, dank der Förderung durch unseren Bundesverband Mukoviszidose e.V. und die Christiane Herzog Stiftung.

Beschäftigst du dich mit deiner Zukunft?

Früher habe ich immer nur für drei Jahre geplant, mittlerweile bin ich optimistischer geworden. Schließlich hat man mir als Kind gesagt, dass meine Lebenserwartung ein bis fünf Jahre ist. Jetzt bin ich 55 Jahre alt und plane deshalb sogar fünf Jahre im Voraus.

Das Thema Kinder war bei mir zwar im Bewusstsein, allerdings ist meine Erkrankung eine solche Herausforderung, dass ich mir die zusätzliche Belastung, auch wenn sie noch so schön ist, nicht zugetraut habe. Andere Muko-Patienten – oder CF-ler, wie sie sich selbst nennen, sind da mutiger. Künstliche Befruchtung und manchmal auch Adoptionen sind auch für Paare, bei denen der Mann CF hat, möglich.

Zur Erklärung: die Erkrankung Mukoviszidose kann Auswirkungen auf die Zeugungsfähigkeit haben. Wenn sich der zähe Schleim in den Samenleitern ansammelt, können sie verstopfen. Außerdem wird beobachtet, dass manche Männer gar keine Samenleiter haben, womit die Weiterleitung der Spermien verhindert wird. Aus diesen Gründen sind 98 Prozent der Männer mit der Erkrankung nicht imstande, Kinder zu zeugen. Auch bei Frauen kann eine verminderte Zeugungsfähigkeit um circa 50 Prozent beobachtet werden. Das liegt vornehmlich daran, dass sich die Zusammensetzung des Schleims im Gebärmutterhals verändert. Dadurch wird die Beweglichkeit der Spermien gehemmt.

Was rätst du anderen Betroffenen mit Mukoviszidose?

Ich empfehle, regelmäßig in eine Mukoviszidose-Ambulanz zu gehen und sich einen guten Physiotherapeuten zu suchen. Außerdem ist der Kontakt zu anderen Betroffenen sehr wichtig. Der Austausch hilft dabei, mit der eigenen Erkrankung zurechtzukommen.

„Je besser ich mich auskenne, desto leichter ist das Leben!“

Thomas
Mukoviszidose-Patient

Ich fahre seit mehr als 30 Jahren zu Tagungen und Seminaren. Heute gibt es noch zusätzlich die Möglichkeit, sich in sozialen Medien auszutauschen. Selbsthilfegruppen sind auch eine sinnvolle Idee. Wenn ich gut informiert bin, kann ich meine Erkrankung besser einordnen. Dies hat positive Effekte auf das Arzt-Patienten-Verhältnis.

Erzählst du uns noch etwas zu dem CF-Freundesbrief?

Ich bin seit über 30 Jahren ehrenamtlich tätig. Ich finde es schade, auf den vielen Informationen, die ich dadurch erhalte, „sitzen zu bleiben“. Deshalb gebe ich sie mit meinem CF-Freundesbrief weiter. Mein Wunsch ist, dass es Betroffenen durch die richtigen Informationen leichter fällt, mit der Erkrankung umzugehen.

Weitere Informationen zu der Erkrankung Mukoviszidose finden Sie hier

Die AOK unterstützt eine spezialfachärztliche Versorgung

Mukoviszidose ist eine komplexe und schwer zu therapierende Erkrankung. Umso mehr profitieren Betroffene von gezielten Therapieangeboten. Die AOK steht Patienten wie Thomas zur Seite, um die Symptome zu lindern und das Wohlbefinden perspektivisch verbessern zu können. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen Ärzten koordiniert und betreut die Diagnose sowie Behandlung.

Ärzte und Krankenhäuser für Mukoviszidose

Hinweis: Hierbei handelt es sich um einen Betroffenenbericht. Zwar sorgt stets der gleiche Gendefekt für die Entstehung der Erkrankung Mukoviszidose, der Verlauf und die Ausprägung der Beschwerden können aber sehr unterschiedlich ausfallen.

Durch eine frühe Diagnosestellung und vorangeschrittene Behandlungsmöglichkeiten haben sich die Aussichten für die Patienten deutlich verbessert.

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