Frauen aus MV pflegen Angehörige dreimal häufiger als Männer

Datenanalyse zur ungleichen Verteilung der Care-Arbeit

30.11.2022 | Wenn die eigenen Eltern, Kinder oder andere Angehörige einen Pflegegrad erhalten, übernehmen in Mecklenburg-Vorpommern meist Frauen die Familienpflege. Der Männeranteil unter den pflegenden Angehörigen liegt in MV lediglich bei 23,8 Prozent. Das geht aus einer Datenanalyse der AOK Nordost hervor. Bislang nutzen nur sehr wenige Männer die „Familienpflegezeit“ – dabei könnte sie helfen, die Care-Arbeit gleichmäßiger zu verteilen.

In Mecklenburg-Vorpommern leisten Frauen den größten Teil der Care-Arbeit, wenn Angehörige wegen einer akuten oder chronischen Krankheit in den eigenen vier Wänden gepflegt werden müssen. Besonders niedrig ist der Männeranteil bei den pflegenden Angehörigen mit 19,9 Prozent in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen – also in jenen Jahren, die für die weitere Karriere oft entscheidend sind. Das geht aus einer Datenanalyse der AOK Nordost hervor, für die das Geschlecht von rund 14.700 sogenannten Pflegepersonen nach Altersgruppen ausgewertet wurde.

Pflegepersonen sind Menschen, die mindestens zehn Stunden pro Woche Angehörige mit einem Pflegegrad pflegen. Sie erhalten Vorteile in der Rentenversicherung, dürfen im Gegenzug aber höchstens 30 Stunden pro Woche arbeiten.

„Echte Gender-Falle“ durch Gehaltsunterschiede

Dass Männer seltener Angehörige pflegen als Frauen, hat auch finanzielle Gründe. Zwar haben Männer ebenso wie Frauen seit 2015 einen Rechtsanspruch auf 24-monatige Arbeitszeitreduzierung für eine „Familienpflegezeit“. Aber die daraus resultierenden Einkommenseinbußen können Pflegende derzeit lediglich durch ein zinsloses Darlehen ausgleichen, das später in der Regel zurückgezahlt werden muss.

Weil der Einkommensverlust bei Männern im Schnitt größer ausfällt als bei Frauen, können es sich viele Männer derzeit finanziell nicht erlauben, zu Gunsten der Pflege Angehöriger beruflich kürzerzutreten.  Der Interessenverband „Bundesforum Männer“ spricht in diesem Zusammenhang von einer „echten Gender-Falle“. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat angekündigt, das ändern zu wollen. Sie setzt sich für eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung in Höhe des Elterngeldes für pflegende Angehörige ein, die ihre Arbeitszeit reduzieren.

„Pflegende Angehörige leisten oft bewundernswert viel, und sie stecken dafür oft beruflich zurück. Es passt nicht ins Jahr 2022, dass diese Aufgabe immer noch so ungleich unter den Geschlechtern verteilt ist. Die Familienpflegezeit stellt eine Möglichkeit dar, die Pflege von Angehörigen besser mit der Berufstätigkeit zu vereinbaren. Mehr Männer sollten diese Möglichkeit nutzen! Unsere Pflegeberaterinnen und Pflegeberater helfen gerne dabei, mehr Unterstützung bei der Pflege zu Hause zu bekommen. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass viele pflegende Angehörige auf Entlastungsangebote verzichten, die ihnen eigentlich zustehen“, sagt Hans-Joachim Fritzen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost.

Es gibt noch weitere Gründe dafür, dass bei der Angehörigenpflege oft noch die „klassische Rollenaufteilung“ zwischen Männern und Frauen der Regelfall ist. Welche das sind, erläutert Pflegeberater Frank Schaberg in diesem Interview.  Er berät seit 2013 Versicherte im Pflegestützpunkt Berlin-Schöneberg zu Pflegethemen.

Anzahl der Pflegepersonen hat sich in den vergangenen Jahren erhöht

Die Datenanalyse zeigt auch, wie sehr die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Themas Familienpflege zunimmt. Von 2017 bis 2021 stieg die Anzahl der AOK-versicherten Pflegepersonen in Mecklenburg-Vorpommern um 10 Prozent. Von rund 13.500 auf rund 14.700 Personen. In der gleichen Zeit veränderte sich der Männeranteil kaum – er sank um 0,1 Prozentpunkte auf nun 23,8 Prozent.

Gut jeder Vierte, der pflegt, ist zwischen 30 und 49 Jahre alt

Die AOK-Versicherten aus Mecklenburg-Vorpommern, die Angehörige pflegen, waren im vergangenen Jahr im Schnitt rund 53 Jahre alt. Sie waren damit durchschnittlich fünf Jahre älter als der Altersdurchschnitt der Gesamtbevölkerung Berlins.

Rund Zwei-Drittel der pflegenden Angehörigen in Mecklenburg-Vorpommern sind zwischen 50 und 64 Jahre alt. Aber auch in jüngeren Lebensphasen pflegen viele Brandenburgerinnen und Brandenburger Angehörige: 28 Prozent sind zwischen 30 und 49 Jahre alt.

Junge Berliner Männer sind Gleichberechtigungs-Vorreiter bei der Pflege

Im Vergleich zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zeigt sich, dass es einen signifikanten Stadt-Land-Unterschied bei der Geschlechterverteilung der Pflege Angehöriger gibt. Junge Männer aus MV übernehmen deutlicher seltener Verantwortung für ein pflegebedürftiges Kind oder einen anderen Angehörigen als ihre Geschlechtsgenossen in Berlin. Der Männeranteil der pflegenden Angehörigen beträgt in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern lediglich rund 24 Prozent, in Berlin sind es rund 34 Prozent. In den höheren Altersgruppen gleicht sich der Männeranteil in den beiden Bundesländern allerdings stark an – von rund 10 Prozentpunkten Differenz (15- bis 29-Jährige) auf rund 4 Prozentpunkte Differenz (30- bis 64-Jährige).

Unterstützung bei allen Themen rund um die Pflege

Die AOK Nordost unterstützt pflegende Angehörige mit einer Vielzahl von Angeboten. Bei der AOK Nordost und in den Pflegestützpunkten informieren und beraten speziell qualifizierte Pflegeberaterinnen und -berater bei allen Themen rund um die Pflege. Die „AOK Pflege Akademie“ bietet Pflegekurse und individuelle Schulungen an. Und mit dem Online-Selbsthilfe-Programm Familiencoach Pflege unterstützt die AOK pflegende Angehörige dabei, den seelisch belastenden Pflegealltag besser zu bewältigen.

Hinweis für die Redaktionen

Für die Datenanalyse hat die AOK Nordost für den Zeitraum 2017 bis 2021 Anzahl und Geschlechterverhältnis für Pflegepersonen ausgewertet, die AOK-Versicherte mit Wohnsitz Mecklenburg-Vorpommern pflegen. Die Auswertung erfolgte für die Altersgruppen von 15 bis Ü80 in 5-Jahres-Schritten.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als Pflegeperson anerkannt zu werden: Der oder die Pflegebedürftige muss mindestens Pflegegrad 2 aufweisen, die Pflege muss in häuslicher Umgebung erbracht werden und der pflegende Angehörige muss sich mindestens zehn Stunden an zwei Tagen pro Woche der Pflege widmen.

Die Ergebnisse haben eine hohe Relevanz, denn in Mecklenburg-Vorpommern ist rund jeder Vierte bei der AOK Nordost versichert.

Pressekontakt

AOK Nordost. Die Gesundheitskasse.
Dirk Becker Pressesprecher
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