Pflege braucht Haltung und Vision

Deutschland ist eines von sechs Ländern weltweit, in dem die Lebenserwartung der Menschen extrem hoch ist. Über 70 Jahre Frieden, bestmögliche Optionen für eine gesunde Lebensweise, medizinischer Fortschritt und Wohlstand haben im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren bewirken können, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland 2020 für Männer 78,9 und für Frauen 83,6 Jahre beträgt. Damit hat sich die Lebenserwartung seit dem 19. Jahrhundert rasant entwickelt und sich, dem Statistischen Bundesamt zufolge, gegenüber den 1870er-Jahren mehr als verdoppelt. Jedes vierte Mädchen, das heute geboren wird, hat die Erwartung, über 100 Jahre zu werden – insofern die Lebensumstände so bleiben. Das ist einzigartig in der Menschheitsgeschichte.
Älter zu werden ist eine positive Errungenschaft und wird durchaus als wertvoll empfunden. Das hohe oder sehr hohe Alter birgt aber auch das Risiko, krank und/oder pflegebedürftig zu werden. Viele Menschen wünschen sich, auf die meist dauerhafte Hilfe anderer nicht angewiesen zu sein. Dennoch wird das fortgeschrittene Alter selbst mit Unterstützungsbedarf oder das hohe Alter sogar mit Pflegebedarf nicht nur als Bürde empfunden, sondern explizit als lebenswert. Das gelingt, wenn die Versorgung bestmöglich gestaltet und auf Selbstbestimmung bis zum Schluss geachtet und die Lebensgestaltung individuell ausgerichtet wird.
Pflege gewinnt an Bedeutung
„Versorgung“ ist – ganz nüchtern betrachtet – eine Gewährung von Leistungen aufgrund der bestehenden Sozialversicherung. Die Haltung aber, Pflege, Unterstützung, Hilfe und Beratung aus einem sorgenden Anspruch heraus zu gestalten, ist mehr als reine Leistungsgewährung. Denn es geht darum, dass durch die individuell richtige Pflege das Leben möglichst lange positiv gestaltet und gelebt werden kann. „,Pflege‘ steht synonym für eine Lebensphase“, sagt Britta March, Leiterin des Referats Pflege und Beratung in der Pflege der AOK Baden-Württemberg. „Pflegebedürftig zu sein – und dann meist zu bleiben – ist keine vorübergehende Krankheit.“ Somit gewinnt die Pflege alter und hochaltriger Menschen in einer alternden Gesellschaft immer mehr an Bedeutung.
»Es ist unsere Überzeugung, dass geeignete Angebote der Prävention, der Rehabilitation und der Pflege systematisch miteinander gedacht und verzahnt werden müssen.«
Britta March, Leiterin Referat Pflege und Beratung in der Pflege der AOK Baden-Württemberg
Die AOK Baden-Württemberg hat deshalb im Bewusstsein ihrer hohen Verantwortung für rund 270.000 Pflegebedürftige und deren Angehörige das Zukunftskonzept „Die neue Pflege“ erarbeitet, in der das Leistungsrecht und das dazugehörige Vertragsmanagement analysiert und modern aufgestellt wurden. Das System der Pflegeversicherung ist sehr komplex und der Anspruch an die Versorgungsqualität in der Pflege sehr hoch. Deshalb bedarf es einer hoch kompetenten Beratung, damit die Leistungen bei den Menschen bedarfs- und bedürfnisorientiert ankommen. Genauso wichtig ist das Angebot präventiver Maßnahmen, um positiv auf den Gesundheitszustand einzuwirken. March: „Es ist unsere absolute Überzeugung, dass geeignete Angebote der Prävention, der Rehabilitation und der Pflege systematisch miteinander gedacht und verzahnt geplant werden müssen. Denn Lebensqualität entsteht durch Gesundheit, nicht durch Krankheit. Jeder hat eine Eigenverantwortung, aber wir verstehen uns als Begleiterin, als Ratgeberin und als Unterstützerin für jeden, der sein Leben nicht mehr vollständig allein zu organisieren vermag und einen Bedarf an Pflege, Hilfen und Unterstützung hat.“
Pflegezukunft gestalten
Diese Haltung, in der Pflege für die Menschen gestaltet und angeboten wird, entscheidet auch über Qualität. Deshalb berät die AOK Baden-Württemberg Kundinnen und Kunden und zeigt Möglichkeiten für die Gestaltung der Lebensphase „Pflege“ auf. Bei Bedarf auch mit einem durch den Sozialen Dienst durchgeführten Case Management. Gleichzeitig ist die enge Zusammenarbeit der AOK Baden-Württemberg mit den Pflegestützpunkten im Land wichtig sowie die sozialräumliche Vernetzung, also die systematische Zusammenarbeit mit allen Akteuren in den Kommunen, die die Versorgungsqualität entscheidend beeinflussen wird. Deshalb hält Baden-Württemberg als einziges Land an der Umsetzung von Modellkommunen fest, aus deren Aufstellung man für die Zukunft lernen wird. Gelingt es, ganzheitlich in vernetzten Strukturen zu denken, zu planen und die Angebote für die Menschen umzusetzen, werden die Herausforderungen der Zukunft angenommen, um eine hochwertige Pflege für alle Menschen im Land anbieten zu können.
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Von Luca Pot d’Or
Bildcredit: © iStock/Halfpoint