Gerinnungshemmer im Vergleich

Gerinnungshemmer senken das Schlaganfallrisiko. Seit einiger Zeit gibt es eine neue Generation von diesen Medikamenten. Worin unterscheiden sie sich von den herkömmlichen Gerinnungshemmern? Wem ist der Umstieg zu empfehlen und was ist bei der Einnahme zu beachten?
Vorhofflimmern ist eine besondere Form der Herzrhythmusstörung. Patienten mit dieser Erkrankung haben langfristig ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Viele Patienten mit Vorhofflimmern bekommen deshalb Gerinnungshemmer verschrieben. Sie sollen verhindern, dass das Blut zu schnell gerinnt und so das Risiko für einen Schlaganfall senken. Seit Langem werden zu diesem Zweck sogenannte Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eingesetzt, zum Beispiel Marcumar®, Falithrom®. Vor einigen Jahren kam mit den sogenannten neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) eine neue Generation dieser Gerinnungshemmer auf den Markt.
Wirkzeit
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Die vollständige Wirkung tritt nach 3 - 7 Tagen ein.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Die vollständige Wirkung tritt nach wenigen Stunden ein.
Einnahme
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
VKA müssen täglich zuverlässig eingenommen werden. Die Dosis des Medikaments wird den Blutwerten angepasst. Dadurch sind die Patienten immer optimal eingestellt.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
NOAK müssen täglich zuverlässig in gleichbleibender Dosierung eingenommen werden.
Schutzwirkung
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Die Medikamente bieten einen stabilen Schutz. Die Wirkung hält noch an, wenn eine Tablette vergessen wird. Nach 160 Stunden ist noch ungefähr die Hälfte der eingenommenen Medikamentendosis im Blut.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Die Medikamente bieten einen stabilen Schutz. Die Wirkung lässt allerdings schnell nach. Schon nach 5 - 17 Stunden ist nur die Hälfte des Wirkstoffes im Blut vorhanden. Das Risiko kann schon bei einmaliger Nichteinnahme erhöht sein.*
*Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO nehmen nur etwa 50 Prozent der Patienten ihre Medikamente so ein, wie vom Arzt verschrieben.
Kontrolle durch den Patienten bzw. den Arzt (Monitoring)
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Der Blutgerinnungsfaktor (INR-Wert) wird einmal pro Woche durch den Patienten oder alle 3 - 4 Wochen (bei sehr stabiler Einstellung sind auch längere Intervalle möglich) durch den Arzt** gemessen, bei Fieber alle 2 - 3 Tage.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Eine regelmäßige Kontrolle des Spiegels der NOAK ist derzeit nicht möglich.
** Patienten, die den INR-Wert selbst ermitteln, haben deutlich bessere INR-Werte als Patienten, bei denen das der Arzt macht.
Sonstige Kontrollen
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Die regelmäßige Überprüfung der Leberfunktion wird empfohlen.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Die Funktion der Leber und der Nieren muss laut der Deutschen Herzstiftung regelmäßig (mindestens einmal im Jahr) überprüft werden. Ist die Nierenfunktion beeinträchtigt, soll eine Kontrolle alle 3 bzw. 6 Monate erfolgen, ebenso bei Fieber etc.
Notfall
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Bei einer akuten Blutung kann der Gerinnungsstatus einfach und schnell gemessen werden. Zum Einsatz von Gegenmitteln liegen jahrelange Erfahrungen vor.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Die Gerinnung kann nur abgeschätzt werden. Spezielle Tests zur Bestimmung des Spiegels der NOAKs sind nicht für alle Präparate vorhanden. Ein Gegenmittel ist derzeit nur bei Pradaxa vorhanden. Erfahrungen dazu gibt es kaum.
Probleme bei Einnahme
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Klären Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie Medikamente einnehmen, bei denen es zu Wechselwirkungen kommen kann. Vitamin-K-haltige Nahrungsmittel, z. B. Gemüse wie Grünkohl sowie grüne Salate, beeinflussen die Wirkung des Medikaments, wenn sie in großen Mengen gegessen werden.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Klären Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie Medikamente einnehmen, bei denen es zu Wechselwirkungen kommen kann.
Erfahrungswerte bei dauerhafter Einnahme
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
Dauerhafte Einnahme ist jahrzehntelang erprobt und bekannt.
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Es liegen noch nicht ausreichend Erkenntnisse über Folgen bei jahrelanger Einnahme vor, um dies abschließend beurteilen zu können.
Nicht einzusetzen bei
- Vitamin K Antagonisten (Marcumar u. a.)
schwer einstellbaren Patienten, Überempfindlichkeit bzw. Unverträglichkeit mit VKA (dann NOAK)
- Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
eingeschränkter Nierenfunktion, künstlichen Herzklappen (dann VKA)
Vorteil VKA
Bei den neuen Gerinnungshemmern, den NOAK, lässt die Schutzwirkung schneller nach als bei den herkömmlichen Gerinnungshemmern, den VKA. Die Kontrolle des Gerinnungsstatus durch den Arzt entfällt, ist aber auch nicht möglich. Dagegen werden bei der VKA-Therapie regelmäßige Kontrollen durch den Arzt oder den Patienten durchgeführt und ermöglichen dadurch eine individuelle Dosierung. Viele Patienten fühlen sich dadurch sicherer, auch weil der Gerinnungsstatus bei Blutungen leichter ermittelt werden kann. Das erhöht auch die Sicherheit im Notfall.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung raten deshalb, bei Patienten, die gut auf Vitamin-K-Antagonisten eingestellt sind, das Medikament keinesfalls zu wechseln. Und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) kommt zu dem Schluss: „Insgesamt ergeben sich aus Sicht der DEGAM für Patienten, die (...) mit VKA gut zu behandeln sind, keine Vorteile aus einer Therapie mit NOAK“. Wer zuverlässig auf VKA eingestellt war, habe keinen Grund, auf NOAK umzusteigen. Patienten, die während eines Krankenhausaufenthalts auf NOAK umgestellt worden sind, sollten besser wieder auf VKA eingestellt werden, allerdings nicht auf eigene Faust, sondern nur in Abstimmung mit dem Hausarzt. NOAK sind nur dann zu empfehlen, wenn Probleme mit der Einstellung der optimalen Blutgerinnung unter VKA auftreten oder wenn bei einer Behandlung mit VKA ein erhöhtes Risiko für Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln besteht.
Das ist bei der Einnahme von VKA oder NOAK zu beachten
- Achten Sie auf die regelmäßige Einnahme. Schon eine vergessene Tablette kann den Schutz vor Blutgerinnseln senken.
- Klären Sie mit Ihrem Arzt, was zu tun ist, wenn Sie doch mal die Einnahme einer Tablette vergessen haben. Nehmen Sie keinesfalls beim nächsten Mal die doppelte Dosis des Medikaments ein. Das kann zu starken Blutungen führen.
- Wenn Sie weitere Medikamente einnehmen, besprechen Sie Ihren Medikationsplan mit Ihrem Arzt. So beugen Sie möglichen Wechselwirkungen vor. Die können eintreten, wenn Sie neben dem Gerinnungshemmer z. B. auch Antibiotika, Psychopharmaka, Mittel gegen Magengeschwüre, aber auch pflanzliche Arzneimittel einnehmen!
- Vorsicht ist bei Schmerzmitteln geboten, auch den frei verkäuflichen. Einige von ihnen, z. B. Acetylsalicylsäure oder Diclofenac, können unerwünschte Blutungen auslösen. Sprechen Sie dazu mit Ihrem Arzt.
- Führen Sie immer den Medikamentenpass mit! Im Notfall wissen Helfer dann sofort, welchen Gerinnungshemmer Sie in welcher Dosis einnehmen.
- Bei der Einnahme von Gerinnungshemmern tragen Sie ein erhöhtes Blutungsrisiko. Beachten Sie dies unter anderem bei Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko.
- Behalten Sie unbedingt Ihre Blutdruckwerte im Blick.
- Besonders wichtig bei der Einnahme von NOAK ist die Überwachung der Nierenfunktion durch den Arzt, um gegebenenfalls die Dosis anzupassen.
Bei diesen Anzeichen möglichst bald zum Arzt
Blutungen sind die häufigsten Nebenwirkungen von Gerinnungshemmern. Bei diesen Anzeichen sollten Sie möglichst bald zum Arzt gehen:
- Starkes, anhaltendes Nasen- oder Zahnfleischbluten
- Großflächige Blutergüsse
- Rot verfärbter Urin
- Blutspuren im Stuhl (dunkelrot/schwarz verfärbt)
- Blutspuren in Erbrochenem
- Starke, plötzlich auftretende Kopfschmerzen, insbesondere in Verbindung mit Sehstörungen, Schwindel, Lähmungen oder Empfindungsstörungen können Anzeichen einer Gehirnblutung sein. Rufen Sie sofort den Notarzt!
Mehr Informationen
Ratgeber „Gerinnungshemmung bei Vorhofflimmern“ der Deutschen Herzstiftung. Für Nichtmitglieder ist der Sonderdruck für 1,45 Euro, der Ratgeber für drei Euro (in Form von beigelegten Briefmarken) erhältlich unter:
Deutsche Herzstiftung e. V.
Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt/M.
oder unter www.herzstiftung.de/gerinnungshemmer.