Frauenherzen schlagen anders

Der Herzinfarkt galt lange Zeit als typische Männerkrankheit. Dabei erleiden immer mehr Frauen einen Herzinfarkt, auch jüngere. Häufig wird er als solcher nicht oder nicht rechtzeitig erkannt. Denn die Symptome sind bei Frauen oft untypisch.
Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit – treten bei Frauen diese Beschwerden auf, vermuten viele dahinter eine Reizung des Magens. Diese Beschwerden können aber auch auf einen Herzinfarkt hinweisen. Fast ein Drittel aller Herzinfarktpatientinnen haben sie statt der „üblichen“ Schmerzen in der linken Brust. Da Frauen den Infarkt als solchen oft nicht erkennen, rufen sie später als Männer den Rettungsdienst und erhalten dadurch oft nicht rechtzeitig Hilfe. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bei Frauen mittlerweile die führende Todesursache: Mehr als 40 von 100 Frauen starben 2014 in Deutschland daran.
„Selbst bei scheinbar untypischen Beschwerden sollten Frauen daher an ihr Herz denken und lieber einmal zu früh als zu spät den Notarzt rufen“, rät die Kardiologin Vera Regitz-Zagrosek, Direktorin des Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin an der Berliner Charité. Immer deutlicher werde, dass es Unterschiede in den Erkrankungen bei Männern und Frauen gibt. „Jetzt müssen wir herausfinden, wie sich die Geschlechter genetisch, hormonell und in ihrem Stoffwechsel unterscheiden – und was das für die Behandlung bedeutet.“
Auf Risikofaktoren achten
Die Zahl der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen steigt bei Frauen laut Statistik zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr an, während sie bei Männern kontinuierlich zurückgeht. Experten vermuten die Ursache darin, dass Frauen heutzutage häufiger rauchen. Weitere Risikofaktoren bei Frauen sind Übergewicht, erhöhte Blutfette, Diabetes, ein regelmäßiger und zu hoher Alkoholkonsum, Stress und Depressionen. All dies wirkt sich auf das Herz ungünstiger aus als bei Männern. Hinzu kommt die Mehrfachbelastung aus Beruf, Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, die Frauen für Herzerkrankungen anfälliger macht. Sie sollten daher schon in jungen Jahren darauf achten, sich regelmäßig zu bewegen, um das Herz zu trainieren, Übergewicht zu vermeiden, Stress abzubauen und Depressionen vorzubeugen.
So unterscheiden sich Männer und Frauen in Sachen Herzgesundheit
Herzinfarkt
Männer
Die Symptome eines Herzinfarktes sind starke Brustschmerzen, bis in Arme und Rücken ausstrahlend, Engegefühl mit Luftnot, Unruhe und Todesangst. Häufig haben Betroffene Schweißausbrüche und ein fahles Gesicht.
Frauen
Kennzeichen eines Infarkts bei Frauen sind ein Druck- und Engegefühl in der Brust, Schmerzen im Oberbauch, Rücken, Nacken, Kiefer und Hals, starke Übelkeit und Schwäche, häufig Erbrechen, Atemnot oder Kurzatmigkeit.
Langjährige Diabetiker(innen) bemerken aufgrund ihres häufig schwachen Schmerzempfindens diese Warnsignale nicht.
Bei Beschwerden von mehr als fünf Minuten sofort den Notruf 112 wählen!
Chronische Herzinsuffizienz
Männer und Frauen
Beide Geschlechter haben folgende Beschwerden: Husten, Atemnot, teils Wassereinlagerungen in der Lunge, in den Knöcheln und Unterschenkeln. Achtung: Bei Frauen sind die genannten Beschwerden geringer ausgeprägt und werden daher häufig nicht beachtet. Depressionen und Ängste treten dafür verstärkt auf.
Eine akute Herzinsuffizienz zeigt sich durch starken Husten, schwere Luftnot, teils bräunlich-blutigen Auswurf, kalt-schweißige, sich bläulich verfärbende Haut, rasselnde Atmung und getrübtes Bewusstsein bis hin zur Bewusstlosigkeit. Oft kommen noch Herzschmerzen dazu. Dann sofort den Notruf 112 wählen!
Koronare Herzkrankheit (KHK)
Männer
Bei Männern tritt bei einer akuten „Angina pectoris“ (Brustenge) Luftnot auf.
Frauen
Bei Frauen tritt die Luftnot seltener auf.
Beide Geschlechter haben zudem Brustschmerzen und ein Brennen hinter dem Brustbein. Die Schmerzen einer Brustenge strahlen häufig in den linken Arm, teils auch in den Nacken, Hals, Rücken, Kiefer, Oberbauch und in die Zähne aus.
Wenn Beschwerden trotz körperlicher Ruhe länger als 20 Minuten anhalten, sofort den Notruf 112 wählen!
„Broken-Heart-Syndrom“ (Gebrochenes-Herz-Syndrom)
Männer
Bei Männern tritt diese Verkrampfung des Herzmuskels durch psychischen Stress selten auf.
Frauen
Rund 90 Prozent der Betroffenen sind Frauen; das mittlere Erkrankungsalter liegt bei über 60 Jahren.
Die Beschwerden bei beiden Geschlechtern sind wie beim Herzinfarkt: heftige Brustschmerzen, Atemnot und Herzrasen. Der Herzmuskel ist ballonartig verformt und dadurch so sehr verengt, dass nicht genügend Blut in den Körper gepumpt wird.
Bei Beschwerden von mehr als fünf Minuten sofort den Notruf 112 wählen!
Studien oft stark männlich orientiert
Als Studienteilnehmerinnen waren Frauen in der klinischen Forschung lange Zeit unterrepräsentiert. Man fürchtete unter anderem, dass die Studienergebnisse etwa durch die weiblichen hormonellen Schwankungen verfälscht werden könnten. Auch heute noch seien Studien in der Herz-Kreislauf-Forschung auf Männer ausgerichtet, so die Expertin Vera Regitz-Zagrosek von der Charité.
Heute weiß man, dass viele Medikamente – auch solche für das Herz – bei Frauen anders wirken oder anders dosiert werden müssen. Bei Gerinnungsmedikamenten erleben Frauen häufiger Nebenwirkungen, zum Beispiel Blutungen. Bei Arzneien, die über die Niere ausgeschieden werden, kann es bei Frauen leichter zu einer Überdosierung kommen. Und bei einigen Wirkstoffen gegen Allergien und Übelkeit sowie bei Antibiotika steigt das Risiko für Herzrhythmusstörungen mehr als bei Männern.
So können Sie Herzerkrankungen vorbeugen
Achten Sie bereits in jungen Jahren auf einen herzgesunden Lebensstil. Dies gilt insbesondere bei erhöhtem Herzrisiko, familiärer Vorbelastung und bestehenden chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Rheuma.
Verzichten Sie aufs Rauchen. Es erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen noch stärker als bei Männern.
Ernähren Sie sich gesund und ausgewogen, orientiert an der Mittelmeerküche. Sie ist gut fürs Herz und beugt Übergewicht vor, einem der wesentlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bewegen Sie sich regelmäßig. Schon mit wöchentlich drei Mal 20 Minuten Ausdauersport, etwa Laufen, Radfahren, Nordic Walking, Wandern oder Schwimmen, tun Sie Ihrem Herz etwas Gutes.
Versuchen Sie Stress zu vermeiden, denn Stresshormone begünstigen die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Entspannungsmethoden wie Yoga oder Autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
Zu viel Alkohol schädigt das Herz. Frauen sollten durchschnittlich nicht mehr als 0,1 Liter Wein oder 0,25 Liter Bier pro Tag trinken und an mindestens zwei Tagen pro Woche gar keinen Alkohol zu sich nehmen.