Das schwache Herz

Prof. Michael Böhm ist einer der führenden Experten bei Fragen zur Herzinsuffizienz. „Wer gut informiert ist und täglich Gewicht, Blutdruck, Puls und Ödeme kontrolliert, trägt mit dazu bei, das Fortschreiten der Erkrankung möglichst lange zu verzögern“, sagt der Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg an der Saar, der auch Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung ist.
Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig bei der Behandlung einer Herzschwäche?
Prof. Böhm: Der Patient muss seine Medikamente regelmäßig einnehmen und gewissenhaft täglich Gewicht, Blutdruck und Beinödeme kontrollieren. Ein gut informierter Patient weiß, wie er seine Lebensqualität günstig beeinflussen kann.
Sollen sich alle Patienten regelmäßig wiegen?
Prof. Böhm: Patienten, die schon einmal wegen Herzschwäche oder einer Entgleisung im Krankenhaus waren, kontrollieren am besten täglich ihr Gewicht. Denn sie neigen zu Überwässerungen und wiederkehrenden Entgleisungen. Sie sollten daher zur Selbstkontrolle angeleitet werden. Sinnvoll ist auch, ihnen zu zeigen, wie sie die Dosis wassertreibender Medikamente, also ihrer Diuretika, selbstständig erhöhen können, falls das Gewicht plötzlich ansteigt.
Ab welcher Gewichtszunahme ist es ratsam, zum Arzt zu gehen?
Prof. Böhm: Eine feste Regel gibt es nicht. Grundsätzlich ist eine ungeklärte Gewichtszunahme von mehr als einem Kilogramm nach zweimaliger Messung ein Alarmzeichen. Denn eine plötzliche Gewichtszunahme innerhalb von 24 bis 48 Stunden deutet auf eine Überwässerung hin. Kommen weitere Symptome dazu, wie beispielsweise geschwollene Beine, sollte man zum Arzt.
Gilt das auch, wenn der Patient beim Essen mal über die Stränge geschlagen hat, zum Beispiel bei einer Feier oder an Festtagen?
Prof. Böhm: Bei solchen Gelegenheiten nimmt man eher langsam zu, das Gewicht entwickelt sich nicht in solch deutlichen Schritten nach oben.
Was raten Sie bei der Kontrolle von Wassereinlagerungen an den Beinen?
Prof. Böhm: Ödeme sollte man morgens kontrollieren. Schwellungen, die abends auftreten, zum Beispiel nach längerem Stehen, und am Morgen danach verschwunden sind, haben eine eher geringere Wertigkeit.
Welche Rolle spielt der Blutdruck bei Herzinsuffizienz?
Prof. Böhm: Ein zu hoher Blutdruck zählt zu den häufigsten Ursachen einer Herzinsuffizienz. Er muss deshalb auf Normalwerte eingestellt sein. Schreitet die Herzschwäche fort, haben die meisten Patienten allerdings einen eher niedrigen Blutdruck. Ist er zu niedrig, macht sich dies zum Beispiel durch Schwindel und Ohnmachtsanfälle bemerkbar, bei einigen Patienten ist auch die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Zu niedrige Werte können auf einer Überdosierung oder Fehlern bei der Einnahme der Medikamente beruhen.
In jüngster Zeit wurde über die Zielwerte diskutiert. Was gilt nun?
Prof. Böhm: Es gibt für jeden Patienten normale Blutdruckzielwerte. Die Hochdruckleitlinien besagen, dass der Wert von 140/80 mmHg nicht überschritten werden sollte. Bei Patienten mit höhergradigen Nierenerkrankungen sind 135/80 anzustreben. Ein niedriger Blutdruck wird nicht anhand der Werte definiert, sondern anhand der Symptome. Tritt zum Beispiel Schwindel auf, kann das an zu niedrigen Werten liegen. Ob es tatsächlich so ist, lässt sich meist rasch klären. Blutdruckkrisen, also zu hohe Werte, führen oft zu Kopfschmerzen, Luftnot oder auch Spannungsgefühl im Kopf. Manche bemerken auch einen sehr kräftigen Pulsschlag. In diesem Fall sollte man den Wert unbedingt messen.
Was kann der Patient selbst tun, um den Zielwert zu erreichen?
Prof. Böhm: Wichtig ist vor allem eine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Sinnvolle Begleitmaßnahmen sind zudem der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, aber natürlich auch Bewegung entsprechend der persönlichen Belastbarkeit.
Was halten Sie vom Führen eines Patiententagebuchs?
Prof. Böhm: Sehr viel. Der Patient sieht seine Werte im Verlauf und kann dadurch rechtzeitig reagieren, falls es zu einer kontinuierlichen Gewichtszunahme mit gleichzeitig auftretenden Beinschwellungen kommt oder zu auffälligen Blutdruckwerten. Für das Eintragen der Werte eignen sich die klassischen Patiententagebücher auf Papier, aber auch der Computer.
Mehr zum Patiententagebuch Herzinsuffizienz
Woran kann ein Betroffener erkennen, dass die Herzleistung nachlässt?
Prof. Böhm: Klare Warnsignale sind eine plötzliche Gewichtszunahme, das Auftreten von Wassereinlagerungen in den Beinen, zunehmende Luftnot, eine deutliche Verringerung der Belastungsfähigkeit und schnellere Ermüdbarkeit. Das weist auf eine Entgleisung der Herzschwäche hin und sollte umgehend abgeklärt werden. Das gilt auch für Brustschmerzen im Sinne einer Angina pectoris.
Muss er in diesem Falle immer in die Klinik?
Prof. Böhm: Bei starker Luftnot wird der Patient in der Regel stationär aufgenommen. Da muss man abklären, ob andere Ursachen als eine Überwässerung hinter der Entgleisung stecken, zum Beispiel ein Nierenversagen oder eine Verschlechterung der Funktion des Herzmuskels. Stehen die Gewichtszunahme oder die Ödementwicklung im Vordergrund, passt ein erfahrener Arzt, der den jeweiligen Patienten gut kennt, gemeinsam mit dem Betroffenen die Dosis der Diuretika an und kontrolliert die weitere Entwicklung oft auch ambulant.
Worauf sind solche Verschlechterungen zurückzuführen?
Prof. Böhm: Hauptursache ist, dass Medikamente falsch oder gar nicht eingenommen werden. Betroffenen muss klar sein, dass dies Krankenhausaufnahmen und Komplikationen verursachen kann.
Und wenn jemand ein Medikament nicht verträgt?
Prof. Böhm: Dann sollte er unbedingt gemeinsam mit seinem Arzt Alternativen überlegen. Denn ohne die verordneten Medikamente in der richtigen Dosis zum vorgesehenen Zeitpunkt wird das Herz zunehmend schwächer.
Mehr Informationen
Mehr Informationen rund um das Thema Herzschwäche erhalten Sie bei der Deutschen Herzstiftung.
Detailliert und sehr gut verständlich informiert auch die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e.V. Unter dem Stichwort „Gesundes Herz“ finden Sie eine Einführung zum Thema Herzinsuffizien.