Was tun, wenn die Waage viel zu viel anzeigt?

Oft geht es beim Abnehmen nicht um zwei, drei Kilos. Viele Menschen liegen deutlich über dem Normgewicht und müssten – mit Blick auf ihre Gesundheit – „ordentlich abspecken“. Zehn, fünfzehn Kilo zu viel sind keine Seltenheit. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wie kann ich es schaffen, so viel abzunehmen?
Das A und O: Den Lebensstil ändern
Auf lange Sicht gibt es nur ein Rezept, wie Sie Ihr Gewicht reduzieren und dann auch halten können: die richtige Ernährung und regelmäßige Bewegung. Der Speisezettel sollte abwechslungsreich sein mit vielen frischen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst und Fisch. Wichtig ist, dass Sie sich ausführlich beraten lassen und eine Art der Ernährung finden, die zu Ihnen passt und Ihnen schmeckt. Nehmen Sie zum Beispiel die Mittelmeerküche. Viele Gerichte, die in Italien, Griechenland und Spanien auf den Tisch kommen, werden aus frischen Gemüsen in unzähligen köstlichen Variationen zubereitet. Das ist gesund und lecker! Vielleicht probieren Sie es einfach mal aus?
Eine mediterrane Ernährung ist ideal, wenn Sie abnehmen wollen oder Ihr bereits erreichtes Wunschgewicht halten möchten. Die Grundregel beim Abnehmen ist, dass Sie weniger Kalorien zu sich nehmen, als Sie verbrauchen. Nur dann geht der Körper an seine Reserven und baut Fettpolster ab, um Energie zu gewinnen. Grundsätzlich können Sie mit einer kalorienreduzierten Mischkost etwa nach mediterranem Vorbild und regelmäßiger Bewegung abnehmen. Damit die Pfunde zügig purzeln, muss die Kalorienzufuhr allerdings sehr stark gedrosselt werden, weiß Prof. Andreas Pfeiffer, Leiter der Abteilung für Ernährungsmedizin, Endokrinologie und Diabetes an der Charité Berlin.
Erfolgserlebnisse motivieren
Trotz drastischer Kalorienreduktion sollte aber sichergestellt sein, dass der Körper alle Nährstoffe bekommt, die er braucht. Das ist mit einer ausgewogenen Mischkost grundsätzlich möglich, sei aber im normalen Alltagsleben oft nur schwer zu realisieren, so Prof. Pfeiffer. Wer mehr als zwei, drei Kilos verlieren möchte, weiß natürlich, dass das nicht von heute auf morgen geht. Andererseits ist auch der Wunsch nach schnellen – auf der Waage und im Spiegel – sichtbaren Erfolgen verständlich. Denn nichts motiviert so sehr wie Erfolgserlebnisse. Und deshalb kann eine Formuladiät als Einstieg ins Abnehmen sinnvoll sein.
Was genau ist eine Formuladiät? Bei einer Formuladiät nehmen Sie spezielle Diätprodukte zu sich, die sehr wenige Kalorien enthalten und trotzdem eine ausreichende Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen garantieren. Durch Formulaprodukte lassen sich einzelne Mahlzeiten ersetzen. Es ist aber auch möglich, sich eine Zeit lang ausschließlich mit Formulaprodukten zu ernähren. Auf dem Markt gibt es eine große Auswahl an Produkten. Oft handelt es sich um Shakes in verschiedenen Geschmacksrichtungen, die aus einem Pulver angerührt oder schon trinkfertig angeboten werden. Aber auch Formula-Suppen und Formula-Riegel sind erhältlich. Der Kaloriengehalt einer Portion bewegt sich zwischen 200 und 400 Kalorien.
Bei alleiniger Ernährung mit Formulaprodukten lässt sich die tägliche Kalorienzufuhr auf 800 Kalorien absenken. Und das kann man ruhig schon mal eine Zeit lang so machen. Eine gängige Strategie bei Menschen mit starkem Übergewicht ist eine reine Formuladiät über drei Monate hinweg. „Aber auf jeden Fall sollten sich Abnehmwillige vorher mit ihrem Arzt beraten“, betont Prof. Pfeiffer. „Und der Arzt sollte eine Formuladiät auch immer begleiten.“ Gesunde Menschen vertragen eine reine Formuladiät laut Pfeiffer in aller Regel gut. Bei Vorerkrankungen müsse der Arzt im individuellen Fall gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, ob diese Art der drastischen Kalorienreduktion in Frage kommt oder nicht. „Wenn keine medizinischen Bedenken gegen eine Formuladiät bestehen, bieten wir Menschen mit einem Body Mass Index über 30 auf jeden Fall diese Möglichkeit als Einstieg an. Und viele entscheiden sich auch dafür.“
Menschen mit Typ-2-Diabetes profitieren enorm
Und wie sieht es bei einem Typ 2-Diabetes aus? Ist in diesem Fall eine Formuladiät möglich? Auch bei Typ 2-Diabetikern muss das immer individuell entschieden werden. Aber grundsätzlich spreche nichts dagegen, so Prof. Pfeiffer. Im Gegenteil: Übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes, profitieren enorm, wenn sie „ordentlich“ abnehmen. Das hat unlängst die viel beachtete DIRECT-Studie untermauert, in der ein Gewichtsverlust von 15 Kilogramm oder sogar mehr angepeilt wurde. Wer das tatsächlich schaffte, hatte beste Chancen, anschließend ganz ohne Diabetesmedikamente auszukommen. Die meisten Studienteilnehmer starteten mit einer Formuladiät über drei bis fünf Monate. Anschließend wurde auf Mischkost umgestellt und die täglich Kalorienmenge dabei langsam gesteigert.
Eine Gewichtsreduktion in der genannten Größenordnung ist laut Prof. Pfeiffer durchaus realistisch. „Mit einer Formuladiät über zwölf Wochen erreichen die allermeisten unserer Patienten ihr Zielgewicht, vorausgesetzt, sie haben den ernsthaften Willen abzunehmen.“ Viele Patienten erleben es als hilfreich, bei einer Formuladiät nicht selbst entscheiden zu müssen, was sie essen und was nicht. Auf Dauer allerdings ist es genau das, was Menschen mit Gewichtsproblemen lernen müssen! Welche Nahrungsmittel in welchen Mengen „gewichtsfreundlich“ sind, dafür werden Sie – mit der richtigen Beratung – im Laufe der Zeit ein Gefühl entwickeln.
Ganz wichtig ist gerade in der Umstellungsphase von Formulaprodukten auf normale Kost eine engmaschige Begleitung, wie Prof. Pfeiffer betont. Jetzt heißt es: Am Ball bleiben und die erzielten Erfolge halten oder sogar ausbauen. Es gilt, eine – individuell akzeptable – Art der Ernährung zu finden, mit der sich das Wunschgewicht auf lange Sicht stabilisieren lässt. Auch hierzu eine positive Botschaft aus der DIRECT-Studie: Beim Kontrolltermin zwei Jahre nach Studienbeginn waren die meisten Studienteilnehmer noch immer auf Kurs und dank eines veränderten Lebensstils weiterhin auf dem erreichten Gewichtsniveau.
„Wir haben uns als Mediziner bislang zu wenig darum gekümmert, wie wir Menschen mit Gewichtsproblemen am besten unterstützen können. Aber wir sind dran“, sagt Prof. Pfeiffer, der wie viele Kollegen selbst überrascht war von den mehr als positiven Ergebnissen der DIRECT-Studie. Eine Normalisierung des Zuckerhaushalts durch eine Gewichtsreduktion ist in frühen Stadien eines Typ-2-Diabetes realistisch, wenn noch eine ausreichende Insulineigenproduktion vorhanden ist. Lohnend ist eine Gewichtsabnahme aber auch später noch, weil der Zuckerhaushalt dadurch „entlastet“ wird. Und noch etwas ist wichtig: Bei einer drastischen Kalorienreduktion etwa mit einer Formuladiät muss die Dosis der Diabetesmedikamente zügig reduziert werden. Der Zuckerstoffwechsel stellt sich nämlich unter den veränderten Bedingungen sehr schnell um. Aber das besprechen Sie alles am besten mit Ihrem Arzt. Vielleicht haben die guten Aussichten Sie ja motiviert?