Tabletten zuverlässig einnehmen – so gelingt´s
„Regelmäßig über die Medikamentenliste sprechen“

Wer mal eine Tablette gegen Kopf- oder Zahnschmerzen nimmt, muss darum nicht viel Aufhebens machen. Anders ist das bei Menschen mit chronischen Erkrankungen: Sie sind meist auf viele Tabletten angewiesen. „Umso wichtiger ist es, sich gut über die Einnahme zu informieren und sorgfältig auf Wechselwirkungen zu achten“, sagt PD Dr. Sabine Knapstein, Ärztin und Psychotherapeutin bei der AOK Baden-Württemberg.
Frau Dr. Knapstein, Menschen mit chronischen Erkrankungen müssen oft viele Tabletten nehmen. Wo liegen die Schwierigkeiten?
Dr. Knapstein:Das kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Es fängt mit Ängsten und Fragen der Disziplin bei der Einnahme an und hört mit den Neben- und Wechselwirkungen auf.
Welche Bedeutung haben Ängste bei der Einnahme von Medikamenten?
Dr. Knapstein: Nehmen wir eine Frau um die 65, die ihr Leben lang keine Tabletten genommen hat und sie ablehnt. Plötzlich hat sie gleich mehrere chronische Erkrankungen gleichzeitig und muss sechs verschiedene Tabletten am Tag nehmen. Es kann sehr schwer sein, das gegen die eigene Überzeugung zu tun. Da vergisst man schnell mal die Einnahme oder nimmt es nach kurzer Zeit vielleicht nicht mehr so genau. Auch das Gefühl, die Pillen helfen ohnehin nichts, kann zum Weglassen führen.
Wie lässt sich das verhindern?
Dr. Knapstein: Am allerwichtigsten ist das intensive Gespräch mit dem Arzt. Patienten sollten sich nicht scheuen, ihn nochmals anzusprechen, wenn sie ein schlechtes Gefühl bei ihren Medikamenten haben, wenn sie nicht wissen, wofür die Medikamente sind oder wenn sie Beschwerden bekommen. Dasselbe gilt beispielsweise auch, wenn jemand den Eindruck hat, die Pillen sind zu groß zum Schlucken. Studien zeigen, dass gute Informationen und Aufklärung ausschlaggebend dafür sind, ob Patienten langfristig ihre Medikamente einnehmen. Deshalb sollten Arzt und Patient nicht nur bei Problemen, sondern regelmäßig über die Medikamentenliste sprechen.
Was kann der Patient noch tun?
Dr. Knapstein: Er sollte auf keinen Fall das Gefühl haben, die Pillen für den Arzt zu nehmen. Deshalb sollte er selbst die Beipackzettel genau lesen und sich eine Liste machen. Darin sollte nicht nur stehen, wann welches Medikament zu nehmen ist, sondern auch, wofür es gut ist. Wer den Nutzen vor Augen hat, hält sich eher an die Einnahmevorschriften.
Gibt es noch weitere Strategien, um die regelmäßige Einnahme zu erleichtern?
Dr. Knapstein: Wer seine Liste hat, kann auf dieser Grundlage gut mit einer Wochenbox arbeiten. Hier fällt sofort auf, wenn man eine Dosis vergessen hat. Wer häufiger vergisst, seine Medikamente einzunehmen, kann ein Familienmitglied oder einen Pfleger bitten, an die Einnahme zu erinnern. Eine gute Hilfe ist es auch, die Einnahme an bestimmte alltägliche Aktivitäten zu knüpfen, beispielsweise das morgendliche Zähneputzen, das Mittagessen oder den Abendspaziergang. Natürlich muss man dabei beachten, dass bestimmte Medikamente vor, zu oder nach den Mahlzeiten genommen werden müssen. Wer ein Handy hat, kann sich eine automatische Erinnerung einrichten. Was davon in welcher Kombination gut funktioniert, muss jeder persönlich für sich ausprobieren.
Stichwort Wechselwirkungen: Können Patienten sie verhindern?
Dr. Knapstein: Dazu müssen Patienten sorgfältig auf ungewöhnliche oder neue Beschwerden achten und sie nicht als gegeben hinnehmen. Gemeinsam mit dem Arzt ist dann zu entscheiden, ob ein Medikament ausgetauscht oder ersetzt werden kann oder muss.
Ab der Einnahme von fünf Tabletten steigt das Risiko unerwünschter Wirkungen. Zählen hierzu auch frei verkäufliche Medikamente?
Dr. Knapstein: Ja, auf jeden Fall. Schlafmittel, Schmerztabletten und Nahrungsergänzungsmittel können andere Medikamente stark beeinflussen. Da sie rezeptfrei zu haben sind, denken Patienten oft, dass sie beim Thema Wechselwirkungen keine Rolle spielen. Dabei sind sie genauso ernst zu nehmen wie andere Medikamente.