Aktiv sein und sich nicht schonen

Dr. Michael Barczok ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Allergologie mit eigener Praxis in Ulm.
Im Interview erläutert der Atemwegsspezialist, was Menschen mit Asthma selbst aktiv für ihre Gesundheit tun können.
Es sind viele Ernährungstipps für Menschen mit Asthma im Umlauf. In Patientenforen wird beispielsweise über günstige Effekte von Omega-3-Fettsäuren oder salzarmer Kost auf die Atemwegsfunktion berichtet. Was ist dran an solchen Empfehlungen?
Dr. Barczok: Für einen bedeutsamen Einfluss spezieller Ernährungsformen auf das Asthma gibt es keine stichhaltigen Beweise. Das zeigt auch die aktuelle Asthma-Leitlinie, die erstmals keine Ernährungsempfehlungen enthält. In der Asthma-Leitlinie – das zum besseren Verständnis – haben Experten zusammengefasst, was nach aktuellem Wissensstand bezüglich Behandlung und Selbstmanagement gesichert ist.
Es ist aber nicht so, dass die Ernährung gar keine Rolle spielt. Menschen mit allergischem Asthma entwickeln nämlich häufig Kreuzallergien mit Nahrungsmitteln. Ein Beispiel: Birkenpollenallergiker reagieren oft auch überempfindlich auf Kernobst wie Äpfel. Deshalb sollten Menschen mit Asthma darauf achten, ob ihr Körper nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel auffällig reagiert – mit Magen-Darm-Problemen beispielsweise. Eventuell wird der Arzt in einem solchen Fall einen Allergietest vornehmen. Bei positivem Befund sollten Allergiker natürlich auf das betreffende Nahrungsmittel verzichten. Wir empfehlen aber nicht etwa allen Allergikern pauschal, Nahrungsmittel zu meiden, die als mögliche Allergieauslöser bekannt sind.
Und was ist mit Vitamin D? Auch hier wird ja ein Zusammenhang zum Asthma diskutiert.
Dr. Barczok: Das ist richtig. Bewiesen ist aber auch dieser Zusammenhang nicht. Wohl gibt es Hinweise, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel im Blut Asthma begünstigen oder verschlimmern kann. Deshalb kann es sinnvoll sein, dass Menschen mit Asthma ihren Vitamin-D-Spiegel in größeren Zeitabständen kontrollieren lassen. Sind die Werte zu niedrig, wäre die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels zu überlegen.
Bei einer Behandlung mit Kortisontabletten ist eine gute Versorgung mit Vitamin D auch für die Knochengesundheit relevant. Allerdings werden die meisten Menschen mit Asthma heute mit inhalativen Kortikosteroiden behandelt. Hierbei sind ungünstige Effekte auf die Knochendichte kaum zu befürchten. Ganz wichtig mit Blick auf die Knochenstabilität ist es im Übrigen, sich regelmäßig zu bewegen.
Die AOK rät Menschen mit Asthma generell zu regelmäßiger Bewegung und sportlichen Aktivitäten − wie sehen Sie das?
Dr. Barczok: Ich empfehle „meinen Asthmatikern“, dass sie sich so viel wie möglich bewegen sollen. Ein regelmäßiges körperliches Training hat eine Vielzahl günstiger Effekte, die speziell auch Menschen mit Asthma zugute kommen. Vor allem ist Bewegung wichtig für einen guten Funktionszustand der Muskulatur. Starke Muskeln erleichtern das Atmen, schlaffe Muskeln erschweren es. Deshalb ist Schonung genau das Falsche.
Wichtig ist, dass die Bewegung Spaß macht. Und es sollte eine Sportart gewählt werden, bei der sich die Bewegungsintensität steuern lässt. Beim Radfahren oder Wandern zum Beispiel ist dies der Fall. Merkt man, dass man aus der Puste kommt, reduziert man einfach das Tempo. Und für den Fall, dass Atemprobleme auftreten, sollten die Patienten immer ihr Spray dabei haben. Das Ziel ist, ein Gefühl für die eigene Belastbarkeit zu entwickeln und auf dieser Basis aktiv zu sein.
Bewegung hilft ja auch, Übergewicht zu vermeiden. Wie wirkt sich das Körpergewicht auf die Asthmaerkrankung aus?
Dr. Barczok: Menschen mit Asthma sollten auf ein möglichst normales Körpergewicht achten. Wer zu viele Pfunde mit sich herumträgt, belastet die Atemorgane zusätzlich. Sie müssen mehr arbeiten, um ausreichend Sauerstoff bereitzustellen. Bei ausgeprägtem Übergewicht kommt hinzu, dass Fettpolster im Bauchbereich die Atmungsorgane zusammendrücken und bei ihrer Arbeit behindern. Regelmäßige Bewegung ist für eine ausgewogene Energiebilanz ganz wichtig. Die Aufnahme von Kalorien mit der Nahrung und der Verbrauch von Kalorien durch körperliche Aktivität sollten ausbalanciert sein. Bei Bewegungsmangel folgt in der Regel, dass das Körpergewicht nach oben geht.
Aber auch ein zu geringes Körpergewicht ist der Funktion der Atemorgane nicht zuträglich. Vor allem Patienten mit schwerem Asthma sind in dieser Hinsicht gefährdet. Sie verbrauchen große Kalorienmengen, weil sie die Atemhilfsmuskulatur besonders stark in Anspruch nehmen müssen. Wenn Menschen mit Asthma merken, dass sie ungewollt Gewicht verlieren, sollten sie das unbedingt mit ihrem Arzt besprechen. In diesem Fall gilt es, die Energiebilanz durch eine höhere Kalorienzufuhr im Lot zu halten.
Viele Asthmatipps zielen darauf ab, den Kontakt mit Allergenen einzudämmen. Aber ist das bei Pollen- und Hausstauballergien nicht ein aussichtloses Unterfangen?
Dr. Barczok: Die weite Verbreitung mancher Allergene ist ein echtes Problem. Es ist unmöglich, Pollen- oder Hausstauballergenen komplett aus dem Weg zu gehen. Aber es gibt schon Möglichkeiten, mit denen sich die Belastung mit diesen Allergenen zumindest verringern lässt. Matratzenhüllen aus allergendichter Mikrofaser – sogenannte Encasings – sind zum Beispiel geeignet, bei einer Hausstauballergie den Allergenkontakt zu reduzieren. Und bei Pollenallergien sollte die Dynamik des Pollenflugs im Tagesverlauf beachtet werden.
Hohe Konzentrationen von Gräserpollen befinden sich vor allem frühmorgens in der Atemluft, die Belastung mit Baumpollen dagegen erreicht in den Mittagsstunden ihr Maximum. Pollenallergikern ist zu empfehlen, ihre Aktivitäten – vor allem auch sportliche – darauf abzustimmen.
Andererseits steht bei Pollen- und Hausstauballergien die Hyposensibilisierung als sehr effektive Behandlungsmethode zur Verfügung. Mit ihr lassen sich Beschwerden langfristig deutlich verringern oder sogar beseitigen. Durch die Verabreichung der individuell relevanten Allergene wird ein Gewöhnungseffekt provoziert. Früher waren dafür regelmäßige Spritzen erforderlich, was die Zustimmung zu dieser Therapie stark eingeschränkt hat. Heute lässt sich eine Hyposensibilisierung sowohl bei Pollen- als auch bei Hausstauballergien mit Tabletten durchführen. Für eine erfolgreiche Behandlung ist es jedoch wichtig, die Therapie konsequent anzuwenden.
Für Allergiker, die sich trotzdem gegen eine Hyposensibilisierung entscheiden, gilt die Empfehlung: Sie sollten unbedingt vor dem Start der Allergiesaison damit beginnen, ihre Atemwege mit inhalativen Kortikosteroiden gut abzuschirmen. Also nicht erst, wenn die Beschwerden da sind, sondern vorher. Bei der Hausstauballergie heißt das: vor dem Start der Heizperiode. Und bei Pollenallergien muss man den Flugzeiten der jeweiligen Pollen zuvorkommen.
Das Ziel ist es, zu verhindern, dass überhaupt Beschwerden auftreten. Durch konsequente vorbeugende Steroidinhalation kann es gelingen, das Asthma so weit unter Kontrolle zu bringen, dass irgendwann keine Medikamente mehr erforderlich sind. Als Wasserscheide gelten zwei Jahre Beschwerdefreiheit. Danach sind erfahrungsgemäß nur noch so wenig sensibilisierte Entzündungszellen in der Bronchialschleimhaut vorhanden, dass Allergenkontakte keine Reaktionen mehr zur Folge haben.
Heißt das, die Patienten sind dann geheilt?
Dr. Barczok: Nein, so kann man das nicht sagen. Es besteht bei den Betroffenen nach wie vor eine Neigung, überempfindlich zu reagieren. Aber – und das ist ein Riesenerfolg – die Erkrankung ist unter Kontrolle und es bestehen gute Chancen, dass sie sich langfristig nicht mehr bemerkbar macht.