Das kann die Immuntherapie
Chance auf Heilung

Ob durch Pollen, Hausstaub oder Tierhaare ausgelöst – allergische Beschwerden können für Betroffene zur Qual werden. In vielen Fällen kann eine Immuntherapie Abhilfe schaffen.
Prof. Dr. Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, erläutert, wie die Therapie funktioniert und wer von ihr profitiert.
Was ist das Ziel der Immuntherapie und wie wirkt sie gegen Allergien?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Von einer Allergie sprechen wir, wenn der Körper auf eigentlich harmlose Substanzen aus der Umwelt mit starken Abwehrmaßnahmen reagiert. Viele Menschen sind etwa gegen Gräserpollen allergisch, die einen Heuschnupfen oder auch ein Asthma bronchiale auslösen können. Die Immuntherapie zielt darauf ab, den Organismus an Pollen- oder andere Allergene zu gewöhnen. Das Immunsystem soll wieder lernen, zwischen „harmlosen“ und „gefährlichen Substanzen“ zu unterscheiden. Weil die Behandlung immer an dem spezifischen Allergen ansetzt, auf das die jeweilige Person reagiert, spricht man auch von der spezifischen Immuntherapie. Außerdem ist der Begriff Hyposensibilisierung gebräuchlich, da die Therapie die Patienten weniger empfindlich macht.
Asthma wird auch medikamentös behandelt. Worin unterscheiden sich die Therapieformen?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Bei der Inhalationstherapie kommen Medikamente wie die sogenannten Kortikosteroide und Beta-2-Sympathomimetika zum Einsatz. Erstere reduzieren die allergisch bedingte Entzündung der Bronchialschleimhaut und verringern so die Gefahr, dass sich die Bronchialmuskulatur verkrampft.
Die Beta-2-Sympathomimetika stellen die Bronchien „weit“, die sich bei einem Krampf verengen, und wirken so der Atemnot entgegen. Mit einer Kombination aus beiden Medikamenten lassen sich die Beschwerden bei den meisten Asthmapatienten gut kontrollieren – wenn die Medikamente konsequent und dauerhaft eingenommen werden. Die spezifische Immuntherapie dagegen richtet sich gegen die eigentliche Ursache des allergischen Asthmas. Verläuft sie erfolgreich, brauchen die Patienten anschließend deutlich weniger oder im Idealfall keine Medikamente mehr. Die große Mehrzahl der Patienten – rund 75 Prozent – spricht gut auf die Therapie an.
Wie funktioniert die Immuntherapie?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Die Patienten werden gezielt den Allergenen ausgesetzt, auf die sie überempfindlich reagieren. Die Allergene, z.B. von Gräserpollen, werden dem Patienten nach Erreichen der endgültigen Dosis regelmäßig alle vier Wochen unter die Haut gespritzt. Neuerdings gibt es Allergene zur Hyposensibilisierung auch in Tablettenform. Die Tabletten werden unter die Zunge gelegt. Das Allergen wird über die Schleimhaut aufgenommen. Auch in diesem Fall wird die Allergendosis langsam gesteigert und anschließend mit konstanter Dosis über ein bis drei Jahre fortgeführt. Zwischendurch kann beispielsweise mit sogenannten Provokationstests kontrolliert werden, inwieweit sich die allergische Reaktion infolge Aktivierung schützender Immunzellen bereits abgeschwächt hat.
Ist eine Immuntherapie auch in Fällen von schwerem Asthma möglich?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Das sollte durch den Pneumologen individuell entschieden werden. Wir waren früher bei schweren Formen des allergischen Asthmas sehr viel vorsichtiger, weil wir befürchteten, durch die Immuntherapie Asthmaanfälle auszulösen. Heute wissen wir, dass ernste Nebenwirkungen sehr gering sind. Ganz wichtig dabei: Der Patient muss seine Inhalationstherapie mit Kortikosteroiden und Beta-2-Sympathomimetika während der Immuntherapie konsequent fortführen. Dadurch ist er gut vor Asthmaanfällen und anderen allergischen Reaktionen geschützt. Erst wenn die Immuntherapie erfolgreich abgeschlossen ist, kann der Patient – nach Rücksprache mit seinem Lungenfacharzt – die Medikamentendosis verringern oder die Medikamente sogar ganz absetzen.
Wann raten Sie Patienten mit allergischem Asthma zur Immuntherapie?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Man sollte eigentlich immer daran denken. Zumindest sprechen wir diese Möglichkeit an, da die Therapie die Krankheit bei der Wurzel packt. Leider hat sich diese Sichtweise noch nicht überall durchgesetzt. Längst nicht alle Menschen mit allergischem Asthma, die von dieser Therapie profitieren könnten, werden über diese Behandlungsoption informiert. Falls das nicht geschieht, sollten sich Patienten nicht scheuen, von sich aus ihren Arzt danach zu fragen. Dann kann er klären, ob die Behandlung individuell sinnvoll ist. Ich kann aus eigener Erfahrung und in Kenntnis entsprechender Studien nur sagen: Die Patienten haben nach erfolgreicher Immuntherapie eine höhere Lebensqualität und sind froh, diese – zugegeben langwierige – Behandlung auf sich genommen zu haben.
Ist eine Immuntherapie auch bei Kindern möglich?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Ja, bei ihnen scheint sie sogar noch besser zu funktionieren. Unser Erfahrung zeigt, dass es Asthmatiker gibt, egal ob Kinder oder Erwachsene, die vor zehn, zwölf Jahren die Immuntherapie gemacht haben und anhaltend von ihr profitieren: Die Asthmabeschwerden haben sich dauerhaft reduziert und ein Teil der Patienten kann als geheilt gelten.
Werden die Kosten für die spezifische Immuntherapie bei Asthma von den Krankenkassen übernommen?
Prof. Dr. Ludger Klimek: Ja, sie stellt eine etablierte Therapieform beim allergischen Asthma bronchiale dar und wird von den gesetzlichen ebenso wie von privaten Krankenkassen in vollem Umfang übernommen.