Expertenforum - Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

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  • 01
    Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

    Sehr geehrte Damen und Herren,


    wir rechnen Beschäftigte nach dem TVöD ab. Diese Mitarbeiter erhalten eine nach § 3 Nr. 56 EStG steuer- und sozialversicherungsfreie Umlage, welche vom Arbeitgeber direkt an die zuständige Zusatzversorgungskasse gezahlt wird.


    Die Mitarbeiter haben hierfür zum Jahresbeginn ein steuer- und sozialversicherungsfreies Kontingent von derzeit 4% der RV-Beitragsbemessungsgrenze welche sich ab Beginn des Kalenderjahres kontinuierlich aufbraucht (Aufzehrmodell).


    Ist das Kontingent vollständig aufgebraucht, so wird die vom Arbeitgeber übernommene Umlage steuer- und somit auch sozialversicherungspflichtig.


    Für viele Mitarbeiter bedeutet dies, dass sich im Laufe des Jahres das zu verbeitragende SV-Brutto erhöht.


    Nun stellt sich die Frage, wie dies für die Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgeltes im Sinne der Versicherungspflichtgrenze auswirkt, wenn der Mitarbeiter durch Aufbrauchen des Kontingentes im Dezember mit seinem SV-Brutto (hochgerechnet) über der JAEG und im Januar durch Zuführung des neuen Kontingentes mit seinem SV-Brutto (hochgerechnet) unter der JAEG liegt.


    Gemäß den grundsätzlichen Hinweisen des GKV vom 20. März 2019 ist für die jährliche Überprüfung zum Ablauf des laufenden Kalenderjahres das regelmäßige Arbeitsentgelt für das nächste Kalenderjahr hochzurechnen (Ziffer 4.2). Prognosegrundlage sind dabei zunächst die zu DIESEM Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse. Dies würde bedeuten, ich rechne das erhöhte SV-Brutto vom Dezember auch für das Folgejahr hoch.


    Betrachte ich dann aber im Januar das Entgelt für Januar und rechne dieses auf ein Kalenderjahr hoch, so läge das regelmäßige Entgelt wieder unter der JAEG.


    Die Frage ist nun: Welches Entgelt lege ich im Dezember für meine Prognose für das Folgejahr zugrunde:


    Den Monat Dezember mit dem erhöhten SV-Brutto oder den Monat Januar mit dem verminderten SV-Brutto?


    Vielen Dank für eine Rückmeldung.

  • 02
    RE: Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

    Hallo M. Weiershäuser,

    wir bitten um Verständnis, dass wir zu Ihrer Anfrage im Rahmen unseres „24-Stunden-Service“ bisher noch keine Stellungnahme abgeben konnten. Eine Beantwortung Ihrer Fragen erhalten Sie schnellstmöglich.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr Expertenteam 
     

  • 03
    RE: Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

    Hallo M. Weiershäuser,

    zunächst einmal bedanken wir uns für Ihre Geduld.

    Beiträge für eine Zusatzversorgung im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) bleiben bis zur Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (2025 jährlich 3.864,00 € bzw. monatlich 322,00 €) beitragsfrei zur Sozialversicherung. Dieser sozialversicherungsrechtliche Freibetrag gilt auch für darin enthaltene Beträge, die aus einer Entgeltumwandlung stammen. Die Aufwendungen können sowohl aus laufendem Arbeitsentgelt als auch aus Einmalzahlungen finanziert werden.
     
    Diese Beträge werden somit auch bei der Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts nicht berücksichtigt.

    Wird die 4 %-Grenze allerdings überschritten, unterliegt - wie von Ihnen bereits korrekt festgestellt - der übersteigende Betrag der Beitragspflicht und wird auch bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgelts herangezogen.

    In Ihren Fällen ist nach unserem Verständnis im nächsten Schritt zu prüfen, inwiefern die Regelungen, die sich aus dem Urteil des Bundesssozialgerichts (BSG) vom 07.06.2018 ergeben, Anwendung finden. Auf Grundlage dessen hat sich der GKV-Spitzenverband in den „Grundsätzlichen Hinweisen - Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze“ vom 20.03.2019 mit den Auswirkungen befasst.

    In diesem Urteil hat das BSG zum „Ausscheiden aus der Krankenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V“ entschieden, dass bei der zum Ende des laufenden Kalenderjahres erforderlichen Prognoseentscheidung zur Feststellung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts für das kommende Kalenderjahr in der Regel das vereinbarte Arbeitsentgelt auf ein zu erwartendes Jahresarbeitsentgelt für das nächste Kalenderjahr hochzurechnen ist.
    Dabei sind alle Entgeltveränderungen - d.h., sowohl Entgeltminderungen als auch Entgelterhöhungen - die im nächsten Kalenderjahr zu erwarten sind, zu berücksichtigen.

    Das hat zur Folge, dass in solchen Fällen bei der am Jahresende vorzunehmenden Prognose, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Folgejahres überschritten wird, feststehende oder mit hinreichender Sicherheit absehbare Entgeltveränderungen wie z.B. bereits feststehende tarifliche Entgelterhöhung bei bestehender Krankenversicherungsfreiheit nicht - dagegen bei (noch) bestehender Krankenversicherungspflicht jedoch sehr wohl zu berücksichtigen sind.

    Für Arbeitgeber bedeutet dies eine differenzierte Form der Prognose in Abhängigkeit davon, ob die jeweilige Person bereits krankenversicherungsfrei oder noch krankenversicherungspflichtig ist.
    Da uns bewusst ist, dass eine Umsetzung dieser Regelungen in der Praxis nicht immer ganz einfach sein wird, empfehlen wir Ihnen, in Zweifelsfällen die zuständige Krankenkasse der betreffenden Person zu kontaktieren und eine versicherungsrechtliche Beurteilung anzufordern.  

    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr Expertenteam
     

  • 04
    RE: Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

    Sehr geehrte Damen und Herren,


    vielen Dank für diese sehr umfangreiche und informative Antwort.


    Zum Besseren Verständnis würde ich gerne ein Beispiel nennen:


    Ein Mitarbeiter ist derzeit wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze als freiwilliges Mitglied in der GKV.


    Das vereinbarte monatliche Entgelt beträgt 6.100 EUR. Einmalzahlungen gibt es nicht.


    (Neben dem Entgelt zahlt der Arbeitgeber noch Beiträge in die Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes, steuerfrei i.R.d. § 3 Nr. 56 EStG)


    Wegen Aufbrauchens der Kontingente aus § 3 Nr. 56 EStG (Aufzehrmodell) erhöht sich ab September eines Jahres das (sv-pflichtige) Entgelt auf 6.200 EUR.


    Ihren Ausführungen nach würde ich bei der Jahreswechselprüfung im Dezember aufgrund der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze folgende Berechnung anstellen:


    Ablaufendes Jahr = 6.200 EUR (Brutto aus Dezember) * 12 = 74.400 EUR

    Prognose Folgejahr = 6.200 EUR (Brutto aus Dezember) * 12 = 74.400 EUR

    (da ich Entgeltminderungen im Folgejahr nicht berücksichtigen darf)


    Ergebnis = Der Mitarbeiter bleibt bei der Hochrechnung im Dezember auch für das Folgejahr Versicherungsfrei.


    Im Januar dann aber stelle ich fest, dass das Entgelt nun mtl. nur noch 6.100 EUR beträgt, sodass der Mitarbeiter in dieser Betrachtung (6.100 EUR * 12 = 73.200 EUR) die Grenze unterschreiten würde.

    Gemäß Punkt 2.5 des GKV Rundschreibens vom 20. März 2019 ist die Entgeltminderung nun entstanden und muss berücksichtigt werden.


    Unterm Strich würde der Mitarbeiter ab 01.01. wieder versicherungspflichtig werden?

     

  • 05
    RE: Prüfung Versicherungspflichtgrenze bei Anwendung des § 3 Nr. 56 EStG im Aufzehrmodell

    Hallo M. Weiershäuser,
     
    da aufgrund Ihrer Fallschilderung die Jahresarbeitsentgeltgrenze 2025 (73.800 €) unterschritten wird (6100 € x 12 = 73200 €) und der Tatsache, dass bei bisher krankenversicherungsfreien Arbeitnehmern feststehende zukünftige Entgeltveränderungen nicht zu berücksichtigen sind, ist der Mitarbeiter – wie von Ihnen richtig dargelegt - zum 01.01.2025 krankenversicherungspflichtig zu beurteilen.  
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam

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