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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Abfindung - Arbeitgeberstrategien
Abfindung - Arbeitgeberstrategien
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber und seine Personaler haben es nicht leicht, wenn sie ein Arbeitsverhältnis beenden wollen. Die maßgeblichen KSchG-Bestimmungen setzen ihnen enge Grenzen. Das Recht des Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden, ist halt nicht schrankenlos. Wenn es sich nicht um einen Ausnahmefall handelt, wird er sich kaum ohne Zahlung einer Abfindung von einem Mitarbeiter trennen können (s. dazu Gliederungspunkt 2.). Hier haben Kleinbetriebe, in denen das KSchG keine Anwendung findet, einen deutlichen Vorteil. Eine Trennung ohne Abfindung ist auch möglich, wenn die Tatsachengrundlage eindeutig für den Arbeitgeber spricht und die Kündigungsaussichten positiv sind (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Zudem gibt es legale Strategien zur Abfindungsvermeidung.
Praxistipp:
Was man als Arbeitgeber/Personaler nie vergessen sollte: Von der Konzeption des Kündigungsschutzes her hat eine Abfindung Präventivfunktion. Der kündigende Arbeitgeber muss immer damit rechnen, dass er dem gekündigten Mitarbeiter eine Abfindung zahlen muss, wenn er dessen Kündigung auf die leichte Schulter nimmt. Das ist eine ganz real drohende Gefahr, wenn der Kündigung die soziale Rechtfertigung fehlt - und nach der gängigen arbeitsgerichtlichen Praxis auch in anderen Kündigungsfällen.
Bevor man als Arbeitgeber oder Personaler über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nachdenkt, sollte man sich fragen, ob es nicht auch andere legale Möglichkeiten gibt, zu einem Ende zu kommen (s. Gliederungspunkt 4.). So ist es durchaus möglich, nach billigem Ermessen das Direktionsrecht zu nutzen und dem Kündigungskandidaten eine andere Arbeit zuzuweisen. So können Arbeitgeber und Personaler gezielt auf eine Eigenkündigung hinarbeiten. Ebenso gut ist es möglich, den Arbeitnehmer - etwa mit einer großzügigen Freistellung - mit anderen Mitteln zur Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses zu motivieren. Erst, wenn alles andere keinen Erfolg verspricht, geht die Strategie in Richtung Abfindung (s. Gliederungspunkt 4.3.). Grenzen werden unter anderem im Rechtsprechungs-ABC aufgezeigt (s. Gliederungspunkt 5.).
2. Ein Ende ohne Abfindung?
Gäbe es das Kündigungsschutzgesetz und auch den besonderen Kündigungsschutz nicht, wäre alles einfacher. Dann bräuchte eine Kündigung nur schriftlich und fristgemäß erklärt zu werden.
Beispiel:
Arbeitnehmer N ist seit drei Jahren bei Arbeitgeber G beschäftigt. G möchte das Arbeitsverhältnis beenden. Dazu muss er dem N eine schriftliche Kündigungserklärung übermitteln und zwischen Kündigungs- und Beendigungstermin die gesetzliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende einhalten. Mehr nicht.
Nun gibt es allerdings das Kündigungsschutzgesetz und in geschützten Arbeitsverhältnissen (s. dazu das Stichwort Kündigungsschutz - Wartezeit) muss die Kündigung in einem KSchG-Betrieb (s. dazu das Stichwort Kündigungsschutz -Betriebsgröße) sozial gerechtfertigt sein.
Beispiel:
Unterstellt, G hat einen KSchG-Betrieb, dann bräuchte er im vorausgehenden Beispiel einen belastbaren Kündigungsgrund. Die Kündigung N's muss durch Gründe, "die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt" sein (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Das bedeutet für die Praxis: Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung kommt in der Regel nur in Kleinbetrieben (s. dazu das Stichwort Kündigungsschutz - Kleinbetrieb) und in Fällen in Betracht, in denen ein Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz hat, weil er die Wartezeit noch nicht hinter sich gebracht hat (s. dazu § 1 KSchG und das Stichwort Kündigungsschutz - Wartezeit). In allen anderen Fällen wird ein Arbeitnehmer nur dann zur Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses bereit sein, wenn er im Gegenzug dafür etwas bekommt.
3. Keine Abfindung bei klaren Verhältnissen
Es gibt Fälle, in denen belastbareKündigungstatsachen vorliegen, die so zielführend sind, dass arbeitnehmerseitig nicht ernsthaft über eine Abfindung nachgedacht werden sollte.
Beispiel:
Arbeitgeber A hat nur einen Betrieb und legt diesen Betrieb ernsthaft und dauerhaft still (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Betriebsstilllegung). Arbeitnehmer N hat eine schwere Autoimmunerkrankung und wird nach verlässlicher Prognose seiner Ärzte nie wieder erwerbsfähig werden. Mitarbeiter M hat nachweislich mehrere Lkw seines Arbeitgebers in Brand gesetzt und bekommt deswegen eine außerordentliche, hilfsweiseverhaltensbedingteordentliche Kündigung.
In den vorgenannten Fällen dürften die Kündigungen - wenn sie denn nicht aus anderen Gründe, z.B. wegen fehlender Betriebsratsanhörung, unwirksam sind - auch beim Arbeitsgericht durchgehen - und das ohne Abfindungsvergleich.
Praxistipp:
Selbstverständlich kann ein Arbeitgeber immer freiwillig eine Abfindung zahlen. Auch in Fällen, in denen eigentlich alles klar ist. Manchmal bietet sich eine Abfindung aus sozialen Gründen an (z.B. bei einem langjährigen Mitarbeiter, dem nach einer sozial gerechtfertigten Kündigung wegen Krankheit eine lange Arbeitslosigkeit bevorsteht), manchmal beschleunigt ein Abfindungsangebot auch den Entschluss der Mitarbeiters, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Die Höhe der Abfindung ist in diesen klaren Fällen Verhandlungssache. Auf Arbeitgeberseite ist davon auszugehen, dass seine Kündigung sozial gerechtfertigt ist und ein Arbeitsgericht einen Auflösungsantrag des Arbeitnehmers abweisen wird. Es besteht in diesen Fällen also rechtlich keine Veranlassung, eine Abfindung zu zahlen.
4. Legale Trennungsbeschleuniger
Eins vorab: Auch wenn es noch so wehtut, die Trennung von einem Arbeitnehmer ist in einem Rechtsstaat nur unter Beachtung des geltenden Rechts zulässig. Sitten- und rechtswidrige Methoden, einer Abfindungszahlung aus dem Weg zu gehen, sind verboten.
Beispiel:
Abteilungsleiter A tut sich mit den Herausforderungen moderner Mitarbeiterführung ausgesprochen schwer. So richtig gegen ihn sprechende und belastbare Kündigungstatsachen gibt es nicht - Arbeitgeber G spürt nur eine "gewisse Unzufriedenheit und ein Grundrauschen unter den Mitarbeitern". Alle sind der Meinung: "A muss weg!" Nur wie? A in dieser Situation einfach das Gehalt zu kürzen oder ihn mit Aufgaben zu beschäftigen, die unter seine Würde sind, kann dem A zwar zeigen, dass seine Tage gezählt sind und er sich nach einem neuen Job umsehen sollte - nur: Legal ist das nicht.
Praxistipp:
Arbeitnehmer können sich gegen illegale Arbeitgebermaßnahmen wehren. Sie dürfen ihr Zurückbehaltungsrecht geltend machen und die Arbeit so lange verweigern, bis die vertragsgemäßen Arbeitsbedingungen wieder hergestellt sind. Außerdem haben sie die Möglichkeit, vorenthaltene Ansprüche und Rechte vor dem Arbeitsgericht einzuklagen.
Von Rechts wegen ist immer zu beachten:
§ 134 BGB: "Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt."
§ 138 BGB: "(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen."
§ 226 BGB: "Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen."
§ 612a BGB: "Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt" - s. dazu auch das Stichwort Maßregelungsverbot).
Abgesehen davon: Arbeitgeber, vor allem die, die wegen ihrer Bedeutung ohnehin im öffentlichen Interesse stehen, müssen immer damit rechnen, dass die Medien illegalen Praktiken nachgehen. Das will man nicht.
Praxistipp:
Der Arbeitgeber darf sein Direktionsrecht nur in dem von § 106 GewO gezogenen Rahmen - billiges Ermessen, kein Verstoß gegen Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag - ausüben. Solange eine Maßnahme in diesem Rahmen bleibt, ist sie nicht zu beanstanden.
4.1 Auf eine Eigenkündigung hinarbeiten
Ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis selbst beendet, kann dafür keine Abfindung verlangen (s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutz - Arbeitnehmerkündigung).
Beispiel:
Arbeitgeber A hat den Entschluss gefasst, sich von Mitarbeiter M zu trennen. Er spricht M darauf an, dass er nicht mehr ins Team passt und er ein Kandidat für eine Kündigung ist. A empfiehlt M, sich rechtzeitig nach einer neuen Beschäftigung umzusehen.
Selbstverständlich dürfen sich Arbeitgeber auch aktiv darum kümmern, dass ein Arbeitnehmer eine neue Anstellung findet. Das kann beispielsweise über einen externen Personalberater und ein gezieltes Outplacement laufen (s. dazu die Stichwörter Outplacement ff. im Personalwesenlexikon).
Mit Arglist oder widerrechtlicher Drohung darf man keinen Mitarbeiter zur Eigenkündigung motivieren. § 123 Abs. 1 BGB sagt dazu:
"Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten."
Kein Arbeitnehmer ist rechtlich verpflichtet, sein Arbeitsverhältnis von sich aus zu beenden - auch dann nicht, wenn die Kündigungstatsachen eindeutig gegen ihn sprechen.
Beispiel:
Mitarbeiter M ist seit Jahren arbeitsunfähig krank. Nach der Entgeltfortzahlung von Arbeitgeber G bezog er Krankengeld. Zurzeit hat M noch Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung in § 145 SGB III. Danach droht der "Absturz in Hartz IV" - wenn M nicht vorher die Erwerbsminderungsrente durchbekommt. Trotz der eindeutigen Negativprognose Krankheit braucht M seinen Arbeitsvertrag mit G nicht zu kündigen. Umgekehrt ist auch G nicht verpflichtet, eine Kündigung auszusprechen. Manches erledigt sich durch Zeitablauf.
Es gibt Fälle, in denen Arbeitnehmer gerne selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag unterschreiben - vor allem dann, wenn ihre Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens bei null liegen.
Beispiel:
Arbeitnehmer N hat nachweisbar in die eigene Tasche gewirtschaftet und Arbeitgeber G um mehrere Tausend Euro betrogen. G bietet N einen Aufhebungsvertrag ohne Abfindungsregelung an und verspricht ihm, auf eine außerordentliche Kündigung und eine Strafanzeige zu verzichten, wenn er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet und sich bereiterklärt, den Schaden wiedergutzumachen.
Das Drohen mit einer Strafanzeige oder einer außerordentlichen Kündigung ist nicht widerrechtlich, wenn es mit der Rechtsordnung in Einklang steht. Eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber so eine Kündigung nicht in Erwägung ziehen würde (LAG Rheinland-Pfalz, 20.01.2016 - 4 Sa 180/15).
Praxistipp:
Es gibt Fälle, in denen es der Arbeitgeber bisher versäumt hat, einen auffällig gewordenen Mitarbeiter abzumahnen. Liegen tatsächlich abmahnfähige Pflichtverletzungen vor, kann der Arbeitgeber nach einem erfolglosen Kündigungsgespräch durchaus zur Abmahnung greifen - soweit sein Recht zur Abmahnung nicht wegen zu langen Abwartens inzwischen hinfällig geworden ist.
Was viele Arbeitnehmer nicht wahrhaben wollen: "Im Rahmen von Gesprächen zu einem Aufhebungsvertrag ist der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit nicht gehalten, dem Arbeitnehmer ohne dessen Aufforderung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu ermöglichen" (LAG Hamm, 09.06.2011 - 15 Sa 410/11).
4.2 Leistungen anbieten, die auch einen Wert haben
Die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist nicht das einzige Mittel, mit dem die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
begleitet,
beschleunigt oder
herbeigeführt
werden kann. Mit ein wenig Fantasie lassen sich andere Arbeitgeberleistungen finden, die für den Arbeitnehmer werthaltig sind, den Arbeitgeber aber nicht so belasten wie eine Abfindung. Hier kann zuerst an eine Freistellung gedacht werden.
Beispiel:
Arbeitgeber A möchte sich von Mitarbeiter M trennen - ihm aber keine Abfindung zahlen. Damit M sich in Ruhe nach einer neuen Stelle umsehen kann, bietet A ihm an, ihn für die Zeit vom Kündigungszeitpunkt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung von der Arbeit freizustellen. Je länger die Kündigungsfrist ist, desto werthaltiger ist diese Maßnahme für den Mitarbeiter.
Als weitere - kostenneutralere - Maßnahmen kommen in Betracht:
Auskehr der vollen Sonderzahlungen (z.B. Gratifikation, Jahresprämie, Urlaubs- und Weihnachtsgeld) trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31.12.,
Erteilung eines wohlwollenden Zwischenzeugnisses,
Reduzierung der Arbeitszeit bis zum Beendigungszeitpunkt bei vollem Lohnausgleich,
Übernahme der Kosten für eine Bewerbertraining,
Übernahme der Kosten für eine berufliche (Weiter)Qualifizierung,
Weiternutzung betrieblicher Einrichtungen, z.B. Ferienwohnungen, Fitnessräume etc.,
Weiternutzung des Firmen-Pkw bis zum Beendigungszeitpunkt trotz Freistellung,
Weiternutzung des Firmen-Laptops bis zum Beendigungszeitpunkt trotz Freistellung,
Weiternutzung des Firmen-Mobiltelefons bis zum Beendigungszeitpunkt trotz Freistellung,
Zahlung von (weiteren) Beiträgen für eine betriebliche Altersversorgung.
Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Was auch immer gut kommt: Die Vereinbarung einer so genannten "Turbo-Prämie" - sei es allein, sei es zusätzlich zu einer Abfindung.
Beispiel:
Mitarbeiter M aus dem vorausgehenden Beispiel ist noch etwas unentschieden. Er ist zwar dabei, sich fleißig zu bewerben, hat aber noch nichts Konkretes in Aussicht. Arbeitgeber A verspricht M, dass er ihn, sobald er etwas gefunden hat, vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis lassen und ihm das Arbeitsentgelt, das er vom Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens bis zum ins Auge gefassten Beendigungstermin spart, als Einmalzahlung gewähren wird.
Soweit es Steuer- und Sozialrecht zulassen, bieten sich gewisse steuerprivilegierte Entgeltextras an.
4.3 Wenn das alles nichts hilft:
Gesetzt den Fall, alle Vermeidungsstrategien greifen nicht, müssen sich Arbeitgeber/Personaler letztlich doch noch über eine Abfindung Gedanken machen, um das Ziel Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Dazu bieten sich an:
der Abschluss eines Aufhebungsvertrags anstelle einer Kündigung,
der Abschluss eines Abwicklungsvertrags nach einer Kündigung,
das Angebot einer Abfindung nach § 1a KSchG.
Solange die Beendigung noch nicht sicher und die Belastbarkeit der Beendigungstatsachen noch sehr vage ist, wird die Höhe der in Aussicht gestellte Abfindung vom Prinzip des Gebens und Nehmens bestimmt.
Beispiel:
Arbeitgeber A möchte sich von Mitarbeiter M trennen. M ist seit vier Jahren bei A beschäftigt und hat eine Brutto-Monatsvergütung von 2.800,00 EUR. A bietet M aus dem Bauch heraus eine Abfindung von 2.000,00 EUR an. Das ist M zu wenig. Er verlangt 3.000,00 EUR. A schlägt ein.
Praxistipp:
Je weniger belastbar die möglichen Kündigungstatsachen sind, desto höher wird die zu zahlende Abfindung ausfallen. Wer die Kündigungstatsachen als Arbeitgeber oder Personaler stichhaltig gesammelt und aufbereitet hat, wird im Abfindungspoker mehr Erfolg haben als jemand, der einfach nur meint, er müsse sich von einem Mitarbeiter trennen. Es ist daher vernünftig, das Abfindungsgespräch auf eine sichere Tatsachengrundlage zu stellen. Je mehr der Arbeitnehmer davon ausgehen muss, dass an der in Aussicht gestellten Kündigung "was dran ist", desto eher wird er bereit sein, einen geringeren Abfindungsbetrag zu akzeptieren. Wenn er Pech hat, kommt er nämlich mit null raus.
Natürlich macht ein Arbeitgeber rechtlich nichts verkehrt, wenn er gleich die so genannte "Regelabfindung" anbietet: ein halbes Gehalt pro Beschäftigungsjahr.
Beispiel:
A bietet M im vorausgehenden Fall die Regelabfindung an, also (2.800,00 EUR : 2 x 4 =) 5.600,00 EUR. Das sind aber schon 2.600,00 EUR mehr als im Fall des freien Verhandelns im Ausgangsbeispiel. Wenn M die Regelabfindung nicht genügt, wird er versuchen, mehr rauszuschlagen. In diesem Fall könnte das Arbeitgeberangebot von Anfang an zu hoch gewesen sein. Manchmal bedarf es etwas Verhandlungsgeschick.
Nach oben hin sind, wie man so sagt, auch bei Abfindungen keine Grenzen gesetzt. Es kann aber auch Folgendes passieren:
Beispiel:
A kündigt M, weil sie sich nicht einig werden. M erhebt eine Kündigungsschutzklage. Im laufenden Prozess schaukelt sich die Sache zwischen beiden hoch. M's Forderungen werden unverschämt. A sagt daraufhin im Kammertermin: "Gut. Das wird mir jetzt alles zu viel. Du kannst morgen wiederkommen. Ich erkenne die Klage an." M hat damit zwar das eigentliche Ziel seiner Kündigungsschutzklage (= Erhalt des Arbeitsplatzes) erreicht - er wird damit jedoch nicht zufrieden sein. Er hat sich verspekuliert und braucht jetzt breite Schultern, wenn er nun wirklich jeden Morgen wieder zu A zur Arbeit kommen will. Und so ist es durchaus voraussehbar, dass er gar nicht mehr zu A zurückwill und selbst kündigt - ohne eine Abfindung zu bekommen. Zu hoch gepokert, möchte man sagen.
Im Extremfall muss sich ein Arbeitgeber tatsächlich freikaufen und eine Abfindung zahlen, deren Höhe sich nicht mehr nach vernünftigen, nach dem KSchG berechenbaren Maßstäben richtet.
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen im Zusammenhang mit Arbeitgeberstrategien und einer Abfindung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet dargestellt:
5.1 Anfechtung einer Eigenkündigung
Auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigung kann gem. § 123 Abs. 1 BGB angefochten werden. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung ist nach ständiger BAG-Rechtsprechung jedoch nicht widerrechtlich, "wenn ein verständiger - nicht ein idealer mit ganz hervorragenden Arbeitsrechtskenntnissen und einem hohen sozialen Engagement - Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte". Dabei kommt es nicht darauf an, ob die außerordentliche Kündigung im Ergebnis vor dem Arbeitsgericht gehalten hätte. So kann - mit Hinweis auf BAG, 15.12.2005 - 6 AZR 197/05 - vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, "dass er bei seiner Abwägung generell die Beurteilung des Tatsachengerichts trifft" (LAG Rheinland-Pfalz, 11.04.2016 - 3 Sa 511/15).
5.2 Ankündigung eines Übels
Ist jemand durch eine widerrechtliche Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden, kann er seine Erklärung gem. § 123 Abs. 1 BGB deswegen anfechten. Folge: Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, ist es als von Anfang an nichtig anzusehen (so: § 142 Abs. 1 BGB). Die von § 123 Abs. 1 BGB angesprochene Drohung "setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird." Der Bedrohte wird durch die Drohung in eine Zwangslage versetzt, "die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder des verfolgten Zwecks ergeben" (LAG Hamm, 01.02.2017 - 4 Sa 831/16).
5.3 Drohung mit Änderungskündigung
Der Arbeitgeber muss nicht immer gleich mit dem schlimmsten Übel - einer ordentlichen oder gar außerordentlichen Beendigungskündigung - drohen. Es geht auch eine Nummer kleiner - z.B. mit der Androhung einer Änderungskündigung in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer infolge einer Umstrukturierung zu hoch eingruppiert war. Auch hier gilt: "Die Drohung mit einer Änderungskündigung ist allenfalls dann widerrechtlich, wenn der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse hat oder die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks angesehen werden kann" (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.12.2017 - 3 Sa 158/17).
5.4 Drohung mit außerordentlicher Kündigung
Der BAG-Rechtsprechung zufolge ist das Inaussichtstellen einer außerordentlichen Kündigung bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag bloß dann eine widerrechtliche Drohung, "wenn ein verständiger Arbeitgeber in der gegebenen Situation eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte." Durfte eine außerordentliche Kündigung in Erwägung gezogen werden, "so ist es nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie denn ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erweisen würde." Vom Arbeitgeber kann nicht verlangt werden, bei seiner Abwägung stets die Beurteilung des Gerichtes zu treffen. Bloß wenn er "unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen" (LAG Hamm, 26.04.2012 - 11 Sa 1788/11; bestätigt durch LAG Hamm, 01.02.2017 - 4 Sa 831/16; s. dazu auch LAG Rheinland-Pfalz, 02.03.2017 - 5 Sa 439/16).
5.5 Fingieren von Kündigungsgründen
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A, Betreiber einer Senioreneinrichtung, hatte versucht, mit seinem Rechtsberater ein Strategiekonzept zu entwickeln, um sich von der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden V zu trennen. Über einen eingeschleusten Lockspitzel sollte versucht werden, Betriebsratsmitglieder in Verruf zu bringen, Kündigungsgründe zu provozieren und zu erfinden. So habe man V einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben, um daraus gerichtlich V's außerordentliche Kündigung betreiben zu können. Das Vorgehen von Arbeitgeber und Rechtsberater stellt eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts (§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) dar - mit der Folge, dass Arbeitgeber und Rechtsberater wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzung als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Entschädigung von 20.000 EUR verurteilt wurden (ArbG Gießen, 10.05.2019 - 3 Ca 433/17).
5.6 Gestaltungsmissbrauch
Wird der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich genutzt werden, führt das zu einer unzulässigen Umgehung dieser Rechtsnorm. Weiter vorausgesetzt, es gibt für die Nutzung anderer Gestaltungsmöglichkeiten keinen "im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich rechtfertigenden Grund". Das Umgehungsverbot betrifft nicht nur das Ziel, sondern auch den Weg dahin. Entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts - sodass es auf eine Umgehungsabsicht oder eine bewusste Missachtung der zwingenden Rechtsnormen nicht ankommt. Auch Rechtsgeschäfte, die "einen verbotenen Erfolg durch Verwendung von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen" suchen, "die scheinbar nicht von einer Verbotsnorm erfasst werden", sind verboten (BAG, 15.11.2018 - 6 AZR 522/17 - mit Hinweis auf BAG, 27.11.2008 - 6 AZR 632/08).
5.7 Klageverzicht
In einem formularmäßig, ohne Gegenleistung erklärten Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB. Der Arbeitgeber entzieht seinem Mitarbeiter so die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit seiner Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, und verfolgt damit das Ziel, seine eigene Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Arbeitnehmerinteressen zu verbessern (s. dazu BAG, 06.09.2007 - 2 AZR 722/06). Der Verzicht macht sich allein auf Seiten des Mitarbeiters des Gekündigten bemerkbar. Daher: "Ein formularmäßiger Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation - etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche - ist daher in der Regel unzulässig (BAG, 25.09.2014 - 2 AZR 788/13 - mit Hinweis auf BAG, 31.08.2005 - 5 AZR 545/04; BAG, 06.09.2007 - 2 AZR 722/06 - und BAG, 21.06.2011 - 9 AZR 203/10).
5.8 Unangemessene Drohmittel
Nutzt der Drohende zur Verfolgung seines an sich nicht verbotenen Zwecks ein an sich erlaubtes Mittel, kann sich die Widerrechtlichkeit der Drohung "aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben." Zudem ist eine Drohung widerrechtlich, wenn der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks überhaupt kein berechtigtes Interesse hat oder die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist (s. dazu BAG, 21.04.2016 - 8 AZR 474/14). "Die Drohung mit einer Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte." Die Widerrechtlichkeit einer angedrohten Kündigung kann sich regelmäßig nur aus der Unangemessenheit von Mittel und Zweck ergeben (LAG Hamm, 01.02.2017 - 4 Sa 831/16; s. dazu auch LAG Rheinland-Pfalz, 02.03.2017 - 5 Sa 439/16).
5.9 Versetzungsvorbehalt
Der Arbeitsvertrag von Arbeitnehmer A enthielt die Klausel: "Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen." Zu klären war hier die Frage, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen war.
Das BAG konnte hier als Rechtsmittelgericht wegen fehlender zweitinstanzlicher Tatsachenfeststellung keine endgültige Entscheidung treffen - meinte aber: "Ergibt die Auslegung eines in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Versetzungsvorbehalts, dass diese Klausel inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO entspricht, so unterliegt sie keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die vertragliche Regelung muss die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsgrundsätze [jedoch] aus sich heraus erkennen lassen" (BAG, 25.08.2010 - 10 AZR 275/09 - Leitsatz).