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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Mindestlohn - Ausgewählte Rechtsprechung
Mindestlohn - Ausgewählte Rechtsprechung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Mindestlohn - Zeitungszusteller - Nachtarbeitszuschlag
BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 25/17
Die Übergangsregelung des § 24 Abs. 2 MiLoG, die für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller unter den dort genannten Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 2017 einen abgesenkten Mindestlohn vorgesehen hat, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Erfolgt die Zeitungszustellung dauerhaft in Nachtarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, haben Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % des ihnen je Arbeitsstunde zustehenden Mindestlohns, sofern nicht eine höhere Vergütung vereinbart ist.
2. Mindestlohn - Sonn- und Feiertagszuschläge
Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind mindestlohnwirksam. Sie sind im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Arbeitsentgelt und werden gerade für die tatsächliche Arbeitsleistung gewährt. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen Sonn- und Feiertagszuschläge nicht.
3. Mindestlohn - Vergütung von Bereitschaftszeiten
BAG, 19.11.2014 - Az: 5 AZR 1101/12
Leitsatz: Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen.
BAG, 11.10.2017 - 5 AZR 591/16
Der Arbeitgeber ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG verpflichtet, auch für Zeiten der Bereitschaft den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde und damit für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt. Vergütungspflichtige Arbeit ist dabei nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Bereitschaft.
4. Mindestlohn - Besitzstandszulage - Entgeltfortzahlung - Urlaubsentgelt
BAG, 06.12.2017 - 5 AZR 699/16
Der Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG ist als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht.
Für den gesetzlichen und - sofern keine abweichende Regelung gilt - für den übergesetzlichen Urlaubsanspruch ist danach der gesetzliche Mindestlohn als das dem Arbeitnehmer zumindest zustehende gewöhnliche Arbeitsentgelt (Geldfaktor) der Berechnung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen. Ein Rückgriff auf die niedrigere vertragliche oder tarifliche Vergütung scheidet nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG aus.
BAG, 20.06.2018 - 5 AZR 377/17
Die Geltendmachung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG kann trotz seiner Unabdingbarkeit (§ 12 EFZG) grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden. Eine tarifliche Ausschlussfrist ist jedoch nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam, soweit sie auch den während Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Damit hat der Arbeitnehmer auch während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns.
Da der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit jedoch so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet, bleibt ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Zugleich gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Das hat zur Folge, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i.S.d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind. Zu solchen Vereinbarungen gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen (Pressemitteilung Nr. 33/2018 des BAG vom 20.06.2018).
5. Mindestlohn - Arbeitunfähigkeit und an Feiertagen
BAG, 13.05.2015 - 10 AZR 191/14
Mindestlohn gilt auch bei Krankheit und an Feiertagen
Einem Arbeitnehmer sind Arbeitsstunden die aufgrund von Feiertagen oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallen sind, in Höhe der bestimmten Mindeststundenvergütung zu entlohnen.
Gem. § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
Von den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetztes darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, es sei denn es besteht eine eindeutige Regelung hierüber im Tarifvertrag.
6. Gesetzlicher Mindestlohn - Leistungszulage
BAG, 06.09.2017 - 5 AZR 317/16
Die Leistungszulage ist eine in einem Austauschverhältnis von Hauptleistung und Gegenleistung stehende Geldleistung des Arbeitgebers. Mit ihrer Zahlung honoriert der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die Leistungszulage nicht.
7. Mindestlohn - Treueprämie - Schichtzulage - Erschwerniszulage - Leistungszulage
BAG, 22.03.2017 - 5 AZR 424/16
Vom Arbeitgeber geleistete Treueprämie und Schichtzulage (bzw. Erschwernis oder Leistungszulage), die der Arbeitgeber vorbehaltlos neben der Grundvergütung als Teil der Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt hat, sind mindestlohnwirksam.
8. Mindestlohn - Anwesenheitsprämie
BAG, 06.12.2017 - 5 AZR 864/16
Eine tarifvertragliche Anwesenheitsprämie, die zusätzlich zum Stundenlohn gezahlt und bei krankheitsbedingten Fehlzeiten gekürzt wird, ist regelmäßig geeignet, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch zu erfüllen.
Die Funktion des Mindestlohns gebietet es nicht, die Anwesenheitsprämie zusätzlich zu diesem zahlen. Die Anwesenheit bzw. das Tätigwerden am Arbeitsplatz ist mit dem Mindestlohn abgegolten.
9. Pauschalzahlungen und vermögenswirksame Leistungen
EuGH, 07.11.2013 - C-522/12
Zählen Pauschalzahlungen und vermögenswirksame Leistungen zum Mindestlohn?
Leistungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer sind dann nicht Bestandteil des Mindestlohnes (im Sinne der europäischen Richtlinie 96/71), wenn sie das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändern.
So können Pauschalzahlungen ein Lohnbestandteil sein, wenn sie in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geregelt sind und eine Gegenleistung für die normale Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellen. Werden sie außerhalb des zu entlohnenden Zeitraumes gezahlt, so ist dies unbeachtlich, wenn die Tarifvertragsparteien auf diese Weise eine Lohnerhöhung vereinbaren wollten.
Demgegenüber stellen vermögenswirksame Leistungen keinen dem Mindestlohn anrechenbaren Lohnbestandteil dar. Denn sie zielen auf die Verwirklichung sozialpolitischer und von der öffentlichen Hand geförderte Ziele ab.
10. Spätschichtzulage - Nachtarbeitzuschlag - vermögenswirksame Leistungen
BAG, 16.04.2014 - 4 AZR 802/11
Zur Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn: Spätschichtzulage, Nachtarbeitszuschlag und vermögenswirksame Leistungen
Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist.Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen.
Bestimmt ein aufgrund Rechtsverordnung verbindlicher Tarifvertrag einen Mindestlohnanspruch "je Stunde" unabhängig von der zeitlichen Lage der Arbeitszeit, so können Spätschichtzulagen diesem Mindestlohn angerechnet werden.
Nicht angerechnet werden können hingegen Nachtarbeitszuschläge, die der Arbeitgeber nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu leisten hat.
Ebenfalls nicht anrechenbar sind vermögenswirksame Leistungen, welche zuvorderst einem sozialen Zweck dienen und auf die der Arbeitnehmer langfristig keinen Zugriff hat.
11. Unterbrechung eines Praktikums
BAG, 30.01.2019 - 5 AZR 556/17
Kein Mindestlohn wegen Unterbrechung des Praktikums
Wird ein Orientierungspraktikum iSd. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG aus Gründen in der Person des Praktikanten rechtlich oder tatsächlich unterbrochen, kann es um die Zeit der Unterbrechung verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Praktikumsabschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die tatsächliche Tätigkeit die Höchstdauer von insgesamt drei Monaten nicht überschreitet.
Wird das Orientierungspraktikum aus persönlichen Gründen, die der Praktikant zu verantworten hat, unterbrochen - etwa wegen Arbeitsunfähigkeit oder des auf eigenen Wunsch genommenen Urlaubes - so wird dieser Zeitraum nicht angerechnet und begründet mithin keinen Mindestlohnanspruch.
12. Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns
BAG, 25.05.2016 - 5 AZR 135/16
Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.
Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. Auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben.
BAG, 06.09.2017 - 5 AZR 441/16
Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt.
Es gilt ein umfassender Entgeltbegriff, weshalb alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.
Deshalb steht der Erfüllungswirkung des gesetzlichen Mindestlohns nicht entgegen, dass eine Nähprämie jeweils lediglich zum Quartalsende gezahlt wird. Sie ist jedenfalls im Auszahlungsmonat mindestlohnwirksam.
13. Mindestlohn - Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist
BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde (LAG Hamburg, 20.02.2018 - 4 Sa 69/17).
BAG, 20.06.2018 - 5 AZR 377/17
Leitsatz: Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer Ausschlussfrist nicht unterworfen werden.
Im Falle der Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet; deshalb bleibt ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Zugleich gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Das hat zur Folge, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i.S.d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind. Zu solchen Vereinbarungen gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen.
14. Kündigung nach abgelehntem Verzicht auf Mindestlohn
LAG Sachsen, 24.06.2015 - 2 Sa 156/15
Eine Kündigung verstößt gegen das Maßregelungsverbot in § 612a BGB und ist damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Kündigung vor allem deswegen ausspricht, weil die betreffende Arbeitnehmerin einen Änderungsvertrag, der einen Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn enthält, nicht annimmt.
15. Klage vor den Arbeitsgerichten
LAG Berlin-Brandenburg, 13.12.2019 - 12 Ta 2007/19
Ein Mindestlohn ist stets vor den Arbeitsgerichten einzuklagen.
Bereits die bloße, schlüssig vorgetragene Behauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer und damit auf ein im Anspruchszeitraum bestehendes Arbeitsverhältnis, begründet den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten.
16. Mindestlohngesetz gilt auch für ausländische Transportunternehmen
FG Berlin, 16.01.2019 - 1 K 1161/17 u. 1 K 1174/17
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit zwei Urteilen vom 16.01.2019 (1 K 1161/17 u. 1 K 1174/17) Klagen polnischer Speditionen gegen die Geltung des Mindestlohngesetzes zurückgewiesen und damit zugleich die Kontrollbefugnisse der Zollbehörden gegenüber nur vorübergehend im Inland tätigen Transportunternehmen bestätigt.
Das Mindestlohngesetz ordnet an, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet sind, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen.
Die Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verstößt weder gegen Europarecht noch gegen Verfassungsrecht. Das Mindestlohngesetz ordnet an, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet sind, ihren im Inland beschäftigten arbeitnehmern Arbeitsentgelt mindestens i.H.d. gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit im Inland nur kurze Zeit andauert, wie das bei ausländischen Fernfahrern der Fall sein kann.
Die Revision gegen die beiden Urteile wurde zugelassen.
Siehe auch
Mindestlohn - Arbeitnehmer-EntsendegesetzMindestlohn - LandesmindestlohngesetzeMindestlohn - Lohnuntergrenze nach dem ArbeitnehmerüberlassungsgesetzMindestlohn - MindestlohngesetzMindestlohn - PflegebrancheMindestlohn - Richterlicher Mindestlohn über SittenwidrigkeitMindestlohn - Vergabemindestlohngesetze der Länder