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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Schwerbehinderte Menschen - Pflichten bei Einstellung
Schwerbehinderte Menschen - Pflichten bei Einstellung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Information
Das Gesetz legt den Arbeitgebern die Pflicht auf, bei jedem freien Arbeitsplatz zu prüfen, ob ein Schwerbehinderter eingestellt werden kann. Damit soll die Realisierung des Rechts auf Teilhabe am Arbeitsleben gestärkt werden. Insbesondere soll den Problemen schwerbehinderter Menschen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz entgegengewirkt werden.
2. Allgemeines
§ 164 Abs. 1 SGB IX regelt die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen und die Rechte der Schwerbehinderten.
3. Einstellung schwerbehinderter Menschen
3.1 Prüfpflicht
Nach § 164 Abs. 1 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Die Vorschrift gilt sowohl für private wie auch öffentliche Arbeitgeber und zwar unabhängig davon, ob er beschäftigungspflichtig ist (§ 154 SGB IX) oder nicht, die Pflichtplätze bereits besetzt oder noch freie Pflichtplätze vorhanden sind (BAG, 17.08.2010 - 9 AZR 839/08). Die Pflichten aus § 164 SGB IX sind Pflichten gegenüber den schwerbehinderten Menschen, die Pflichten aus § 154 SGB IX bestehen gegenüber dem Staat. Sie bestehen daher nebeneinander und können unabhängig voneinander verletzt werden.
Die Vorschrift des § 164 Abs. 1 SGB IX gibt dem schwerbehinderten Menschen allerdings keinen individuellen, gerichtlich durchsetzbaren Einstellungsanspruch (BAG, 17.08.2010 - 9 AZR 839/08). Der Arbeitgeber ist zwar ggf. nach § 154 SGB IX zur Einstellung einer bestimmten Zahl schwerbehinderter Menschen verpflichtet, aber bei der Auswahl der konkreten Personen hat er ein Letztentscheidungsrecht ebenso wie bei der Frage, ob er einen Arbeitsplatz neu schaffen oder neu besetzen will.
§ 164 Abs. 1 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber, die Einstellungsmöglichkeit für schwerbehinderte Menschen zu prüfen und hierzu frühzeitig mit der Arbeitsagentur Kontakt aufzunehmen. Dies gilt vor allem bei beabsichtigten Neueinstellungen auf neu geschaffenen Arbeitsplätzen (auch bei befristeten Arbeitsplätzen), aber auch dann, wenn infolge Umsetzung ein Arbeitsplatz frei wird oder ein freier Arbeitsplatz aus den vorhandenen Arbeitnehmern besetzt werden soll (BAG, 17.08.2010 - AZR 839/08).
Ebenso besteht die Prüfpflicht des Arbeitgebers auch, wenn es sich um Arbeitsplätze im Rahmen drittmittelfinanzierter Forschungsvorhaben (BAG, 15.08.2006 - 9 ABR 61/05) oder um einen freien Arbeitsplatz handelt, den der Arbeitgeber mit einem Leiharbeitnehmer besetzen will (BAG, 23.06.2010 - 7 ABR 3/09).
Keine Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind die Stelle des Arbeitgebers selber, die der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder die der Mitglieder von Organen einer juristischen Person. Im öffentlichen Dienst sind die Stellen der Minister und Staatssekretäre sowie grundsätzlich alle Stellen vom Geltungsbereich ausgenommen, deren Inhaber gewählt werden.
Eine Prüfpflicht für den Arbeitgeber entfällt, wenn er zur Einstellung bestimmter Personen verpflichtet ist, z.B. bei Wiedereinstellung nach lösender Aussperrung oder bei der Einstellung von Lehramtsanwärtern oder Referendaren in den Vorbereitungsdienst.
Da es Ziel bleibt, die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen abzubauen, muss der Arbeitgeber bei der Prüfung bevorzugt solche Menschen berücksichtigen, die bei der Arbeitsagentur arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind.
In der Regel dürfte die Überprüfung positiv ausfallen, da – ggf. unter Anpassung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen (§ 164 Abs. 4 SGB IX) - eine Behinderung meist der Beschäftigung nicht entgegensteht.
3.2 Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
An der Prüfung des Arbeitgebers, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, ist die ggf. vorhandene Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Außerdem muss die Personalvertretung i.S.d. § 176 SGB IX angehört werden (§ 164 Abs. 1 S. 6 SGB IX).
Über die Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur (3.3) und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und auch die Personalvertretung i.S.v. § 176 SGB IX unmittelbar nach deren Eingang zu unterrichten (§ 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Dafür reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber alle Bewerbungsunterlagen auch der Schwerbehindertenvertretung elektronisch zugänglich macht. Es muss vielmehr unverzüglich ein Hinweis ergehen, ob und welcher der Bewerber schwerbehindert ist (LAG Berlin-Brandenburg, 27.11.2019 - 15 Sa 949/19).
3.3 Beteiligung der Arbeitsagentur
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, im Zusammenhang mit der Besetzung freier Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten frühzeitig Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit aufzunehmen (§ 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Diese Verpflichtung besteht, sobald die Prüfung ergeben hat, dass der Arbeitsplatz grundsätzlich auch mit einem Schwerbehinderten besetzt werden könnte.
Die Arbeitsagentur oder ein von ihr beauftragter Integrationsfachdienst (§ 192 SGB IX) schlägt geeignete Bewerber vor, d.h. solche Bewerber, die grundsätzlich den gestellten Qualifikationsanforderungen entsprechen. Es genügt insoweit nicht, etwaige von schwerbehinderten Menschen eingehende Bewerbungen bei der Auswahl zu berücksichtigen. Die Verpflichtung zur Prüfung von Beschäftigungsmöglichkeiten greift bereits im Planungsstadium, das heißt beim Verfassen einer Anzeige oder Ausschreibung. Hierbei besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, sich durch die Ankündigung, dass eine Einstellung von schwerbehinderten Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt erfolge, selber zu binden (im öffentlichen Dienst allerdings eine verbreitete Verwaltungspraxis). Der Arbeitgeber ist auch nicht an die Vorschläge der Arbeitsagentur oder des Integrationsfachdienstes gebunden; wen er letztlich einstellt, kann er frei unter Beachtung der Mitwirkungsrechte von Personalvertretung und ggf. Schwerbehindertenvertretung entscheiden.
3.4 Prüfung der Bewerbungen, Entscheidung
Der Arbeitgeber hat die Bewerbung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu prüfen und alle Beteiligten (Bundesagentur, Integrationsfachdienst, Bewerber) über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe zu informieren.
Steht fest, dass der Arbeitgeber einem schwer behinderten Arbeitnehmer gegenüber entgegen § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX keine Gründe für die Ablehnung der Bewerbung mitgeteilt hat, so ist dessen Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu vermuten (LAG Hessen, 07.11.2005 - 7 Sa 473/05). Die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung i.S.v. § 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX besteht aber nur, wenn der Arbeitgeber gegen die Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten verstößt und die Schwerbehindertenvertretung nicht mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung einverstanden ist BAG, 28.09.2017 - 8 AZR 492/16). Voraussetzung dafür ist außerdem, dass die Schwerbehinderung des Bewerbers bekannt war bzw. sie hätte bekannt sein müssen. Ausreichend für die Kenntnis ist ein Hinweis auf die Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben. Wird dieser übersehen, geht dies zu Lasten des Betriebes (BAG, 16.09.2008 - 9 AZR 791/07). Dagegen ist es nicht erforderlich, ausdrücklich auf den GdB von wenigstens 50 hinzuweisen (BAG, 22.10.2015 - 8 AZR 384/14). Nicht ausreichend für einen Entschädigungsanspruch ist es, wenn ein Bewerbungsschreiben fehlt und die Information über die Schwerbehinderung in den Lebenslauf "eingestreut" ist, also nicht besonders kenntlich gemacht wurde (LAG Rheinland-Pfalz, 20.08.2015 - 2 Sa 27/15). Werden in diesem Fall alle Interessenten, die kein Bewerbungsschreiben beigefügt haben, aussortiert, liegt die Ursache für die Ablehnung nicht in der Schwerbehinderung, sondern im fehlenden Anschreiben.
3.5 Verletzung der Arbeitgeberpflichten
Stellt der Arbeitgeber einen Mitarbeiter ein, ohne geprüft zu haben, ob der Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, liegt darin eine Pflichtverletzung. Damit kann die Personalvertretung ihre Zustimmung zur Einstellung wegen Verstoß gegen ein Gesetz (siehe § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) verweigern (BAG, 17.06.2008 - 1 ABR 20/07). Außerdem kann eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG vermutet werden (BAG, 23.06.2010 - 7 ABR 3/09). Damit können Ansprüche auf Schadenersatz bestehen. Diese beziehen sich auf materielle und immaterielle Schäden. Wegen des immateriellen Schadens kann ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bestehen. Bei einer Nichteinstellung darf diese drei Monatsgehälter nicht übersteigen; dabei gibt § 15 Abs. 2 AGG insoweit keinen Rahmen für die Bemessung der Entschädigung vor, sondern eine Kappungs- bzw. Höchstgrenze. Der Anspruch hat eine Doppelfunktion: Er dient einerseits der vollen Schadenskompensation und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Die Entschädigung ist verschuldensunabhängig und setzt deshalb keine Benachteiligungsabsicht voraus. Weder kommt es auf Verschulden als Voraussetzung an, noch ist ein fehlendes Verschulden oder ein geringer Grad des Verschuldens des Arbeitgebers bei der Bemessung der Entschädigung zulasten der benachteiligten Person bzw. zugunsten des benachteiligenden Arbeitgebers berücksichtigungsfähig. Sind jedoch Umstände erkennbar, die einen höheren Grad von Verschulden des Arbeitgebers belegen, kann Veranlassung bestehen, die Entschädigung höher festzusetzen (BAG, 28.05.2020 – 8 AZR 170/19).
Dem Arbeitgeber ist es im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung grundsätzlich verwehrt, sich auf sachliche Gründe für die Ablehnung eines schwerbehinderten Menschen zu berufen, die er dem Betroffenen nicht zuvor nach § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX mitgeteilt hat (LAG Hessen, 07.11.2005 - 7 Sa 473/05).
Nicht jede Ungleichbehandlung beruht auf diskriminierenden Motiven. Auch die Entscheidung, statt eines schwerbehinderten einen nicht schwerbehinderten Bewerber einzustellen, ist nicht von vornherein ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Behinderung (LAG Rheinland-Pfalz, 06.11.2019 – 7 Sa 120/19).
Siehe hierzu auch: Schwerbehinderte Menschen – Benachteiligungsverbot.
4. Weitere Einbeziehung der Schwerbehinderten- und Personalvertretung
§ 164 Abs. 1 S 4 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber dazu, die Schwerbehindertenvertretung (§ 177 SGB IX) und die anderen in § 176 SGB IX genannten Vertretungen (Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat) im weiteren Verlauf des Einstellungsverfahrens zu informieren und zu konsultieren. Der Arbeitgeber hat die genannten Vertretungen zunächst über die eingegangenen Bewerbungen und die Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur und des Integrationsfachdienstes unmittelbar nach Eingang zu informieren (§ 164 Abs. 4 SGB IX).
Nach Abschluss der Bewerbungsphase bezieht der Arbeitgeber die genannten Vertretungen bei der Prüfung mit ein und hört sie zu der Frage an, ob ein konkreter freier Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Es ist jetzt eine Prüfung in jedem Einzelfall vorzunehmen. Hierbei sind die jeweilige Behinderung und ihre Relevanz für den konkreten Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Bestimmte Behinderungen können den Einsatz auf bestimmten Arbeitsplätzen daher ausschließen.
Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Außerdem ist ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Zu diesen Angelegenheiten gehört auch die Auswahl der Bewerber beim Einstellungsverfahren. § 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX betont (nochmals), dass die Schwerbehindertenvertretung an dem Verfahren nach § 164 Abs. 1 SGB IX zu beteiligen ist und sie beim Vorliegen von Bewerbungen oder Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit ein Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und zur Teilnahme an Vorstellungsgesprächen hat. Die Beteiligung erstreckt sich auf das Auswahlverfahren insgesamt (BAG, 15.10.2014 – 7 ABR 71/12). Voraussetzung ist, dass sich mindestens ein Schwerbehinderter beworben hat.
Die Beschränkung des Einsichtsrechts auf die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen ist auch im Hinblick auf den Datenschutz relevant. Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten u.a. rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrages oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist. Im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses dürfen personenbezogene Daten auch verarbeitet werden, soweit dies für die Erfüllung von Rechten und Pflichten der Interessenvertretungen der Beschäftigten erforderlich ist (§ 26 Abs. 1 BDSG). Für die Einsichtnahme der Schwerbeschädigtenvertretung bildet § 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX die Rechtsgrundlage.
Unterlässt der Arbeitgeber die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung an dem Einstellungsverfahren, ist dies i.S.v. § 22 AGG ein Indiz, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung spricht (BAG, 10.05.2005 – 9 AZR 230/04). Der Arbeitgeber wird nicht deshalb von der Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes frei, weil sowohl der Schwerbehindertenvertreter als auch sein Vertreter im Amt sich ihrerseits um den ausgeschriebenen Arbeitsplatz beworben haben (BAG, 22.08.2013 – 8 AZR 574/12).
5. Stellenausschreibung
Der Arbeitgeber ist bereits bei der Stellenausschreibung an die Vorgaben des SGB IX und des AGG gebunden. Bereits dabei sollte jeder Hinweis auf eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung Behinderter vermieden werden (vgl. §§ 3, 11 AGG).
Praxistipp:
Vermeiden Sie Aussagen wie "körperlich belastbar", "mobil" oder "geistig fit". Besser ist es, die vorgesehene Tätigkeit möglichst konkret zu beschreiben, da sich daraus solche Voraussetzungen ableiten lassen.
6. Auswahlverfahren
6.1 Private Arbeitgeber
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nach der Unterrichtung von Schwerbehindertenvertretung und Personalvertretung frei entscheiden, welche Bewerber er zu einem Vorstellungsgespräch einlädt.
6.2 Öffentliche Arbeitgeber
Besondere Regelungen gelten für öffentliche Arbeitgeber (§ 165 SGB IX). Sie sind verpflichtet, den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes neu zu besetzende Arbeitsplätze zu melden. Damit gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Die Pflicht zur Einladung von schwerbehinderten Arbeitnehmern gilt grundsätzlich auch für rein interne Besetzungsverfahren, soweit dem Bewerber nicht offensichtlich die fachliche Eignung fehlt (BAG, 25.06.2020 – 8 AZR 75/19). Dies gilt nach dem Urteil jedenfalls dann, wenn Auswahlgespräche stattfinden. Eine andere Auffassung in Bezug auf die Einladungspflicht bei internen Ausschreibungen vertritt das LAG Baden-Württemberg. Arbeitsplätze i.S.v. § 165 Satz 3 SGB IX sind danach nur diejenigen Arbeitsplätze, die den Agenturen für Arbeit zu melden sind. Die Meldepflicht gilt danach bei internen Ausschreibungen nicht (LAG Baden-Württemberg, 03.06.2019 - 1 Sa 12/18). Im Übrigen hat auch der öffentliche Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Stellenbesetzung (wie z.B. Umbesetzung, interne oder externe Ausschreibung) zu wählen Er ist nicht verpflichtet, eine ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschriebene Stelle außerhalb des nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführenden Bewerbungs- und Auswahlverfahrens vorab einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zuzuweisen, um dessen Anspruch auf Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX zu gewährleisten (BAG, 03.12.2019 - 9 AZR 78/19).
Welche Unternehmen "öffentliche Arbeitgeber" sind, ist in § 154 Abs. 2 SGB IX legal definiert. Die Fraktionen des bayerischen Landtages sind keine öffentlichen Arbeitgeber in diesem Sinne, insbesondere keine sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Daher sind sie auch nicht verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG, 16.05.2019 – 8 AZR 315/18). Dies gilt auch für die US–Stationierungsstreitkräfte (LAG Rheinland-Pfalz, 06.11.2019 – 7 Sa 120/19).
Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur oder einem Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen (§ 165 S. 3 SGB IX). Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass behinderten Menschen eine privilegierte Chance eingeräumt wird, den zukünftigen Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass eine produktive gemeinsame Zusammenarbeit möglich ist (BAG, 22.10.2015 - 8 AZR 384/14). Verbunden damit ist die Hoffnung, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs die Erkenntnis gewinnen kann, dass die Einstellung des behinderten Bewerbers für ihn in Abwägung aller Umstände von Vorteil wäre. Schwerbehinderte Bewerber müssen daher auch dann zwingend zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, wenn die Sichtung der Bewerbungsunterlagen ergibt, dass andere Bewerber deutlich besser geeignet sind (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 30.07.2019 - 5 Sa 82/18).
Nur wenn die fachliche Eignung für die Stelle offensichtlich fehlt, ist die Einladung entbehrlich. Offensichtlich fachlich ungeeignet ist, wer unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der Stelle entspricht (st. Rspr. – siehe BAG, 20.01.2016 – 8 AZR 194/14). Ein schwerbehinderter Bewerber muss aber auch dann die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Wird ihm diese Möglichkeit genommen bzw. nicht gewährt, liegt darin eine weniger günstige Behandlung, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält (LAG Schleswig-Holstein, 29.08.2019 - 5 Sa 375 öD/18).
Ein solcher Bewerber kann regelmäßig nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die vorläufige Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens beanspruchen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 03.09.2019 – 5 SaGa 2/19). Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel in dem Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 23.12.2019 – 2 Sa 224/18). Nach § 165 Satz 3 SGB IX soll dem schwerbehinderten Menschen die Chance geben, sich in dem Vorstellungsgespräch zu repräsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 30.07.2019 – 5 Sa 82/18) u. 07.01.2020 – 5 Sa 128/19).
Eine schwerbehinderte Bewerberin muss nicht automatisch deswegen offensichtlich ungeeignet für eine ausgeschriebene Stelle nach der Vergütungsgruppe E 10 TV-L im Sinne von § 165 S. 4 SGB IX sein, weil sie über den im Anforderungsprofil verlangten Hochschulabschluss nicht verfügt, zumal sich diese Voraussetzung weder aus den Eingruppierungsmerkmalen noch aus dem Anforderungsprofil selbst ergibt (LAG Berlin-Brandenburg, 27.11.2019 - 15 Sa 949/19). Ein schwerbehinderter Mensch, von dem feststeht, dass er zwar fachlich, aber nicht persönlich geeignet ist, muss nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden; dem stehen § 165 S. 3 und 4 SGB IX nicht entgegen (LAG Düsseldorf, 27.06.2018 – 12 Sa 135/18). Zweifel an der fachlichen Qualifikation reichen aber nicht aus (siehe BAG, 11.08.2016 – 8 AZR 375/15). Der öffentliche Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Bewerber offensichtlich ungeeignet ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 23.01.2018 – 2 Sa 166/17); LAG Berlin-Brandenburg, 29.08.2019 – 10 Sa 563/19). Andererseits muss der Bewerber durch Angaben zu seinem fachlichen Leistungsprofil im Rahmen der Bewerbung dem Arbeitgeber die Prüfung ermöglichen, ob er zum Vorstellungsgespräch zwingend einzuladen ist. Erwirbt er erst im Lauf des Bewerbungsverfahrens die erforderliche Qualifikation, muss er den Arbeitgeber darüber informieren (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 23.01.2018 – a.a.O.). Kommt der Bewerber dieser Verpflichtung nicht nach, geht dies zu seinen Lasten. Dann besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu dem Vorstellungsgespräch einzuladen. Ob der Schwerbehinderte für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem fachlichen Leistungsprofil des Bewerbers zu ermitteln (BAG, 11.08.2016 – a.a.O.). Dabei ist nicht auf das formelle Anforderungsprofil abzustellen, sondern auf die Anforderung, die der Arbeitgeber an einen Bewerber stellen darf. Das Anforderungsprofil muss im Hinblick auf die zu besetzende Stelle nachvollziehbar, d.h. frei von sachfremden Erwägungen sein (LAG Köln, 02.03.2018 – 10 SaGa 21/17). Ist dies der Fall, muss der Dienstherr den Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen, wenn ihm für das Anforderungsprofil offensichtlich die fachliche Eignung fehlt. Wird ein schwerbehinderten Stellenbewerber bei einem mehrstufigen Auswahlverfahren nach dem Vorstellungsgespräch nicht mehr zu den weiteren Stufen des Auswahlverfahrens eingeladen, weil der Arbeitgeber sich nach dem Vorstellungsgespräch gegen den schwerbehinderten Stellenbewerber entschieden hat, lässt sich daraus nicht die Vermutung herleiten, er habe aufgrund seiner Schwerbehinderung keine weitere Berücksichtigung gefunden (LAG Düsseldorf, 26.09.2018 – 7 Sa 227/18). Das BAG sah dies anders und billigte dem Bewerber eine Entschädigung zu (BAG, 27.08.2020 – 8 AZR 45/19).
Keine Diskriminierung wegen der Behinderung liegt vor, wenn ein Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und daher nicht berücksichtigt wird, weil das Bewerbungsverfahren wegen Umbesetzung einer Mitarbeiterin im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements auf die ausgeschriebene Stelle abgebrochen wird. Der schwerbehinderte Bewerber wird damit nicht schlechter gestellt als alle anderen Bewerber und hat keinen Anspruch auf Entschädigung (LAG Rheinland-Pfalz, 03.12.2019 – 8 Sa 187/19).
Sind sehr gute Sprachkenntnisse einer oder mehrerer Sprachen Inhalt des Anforderungsprofils einer Stelle, sind Bewerber, die diese Kenntnisse nicht aufweisen, bereits offensichtlich fachlich ungeeignet i.S.v. § 165 S. 4 SGB IX. Sie sind daher nicht zu dem Vorstellungsgespräch einzuladen (LAG Berlin-Brandenburg, 08.01.2018 – 4 Ta 1489/17).
Schreibt z.B. ein öffentlicher Arbeitgeber eine Stelle aus und verlangt ein "Hochschulstudium der Informatik, idealerweise Wirtschaftsinformatik", erweitert er damit das Spektrum der IT-Qualifikation und öffnet zugleich die Tür für Wirtschaftswissenschaftler. Denn er hat zu erkennen gegeben, dass neben der Betätigung als Informatiker auch wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse zur Bewältigung der Aufgaben geboten sind. Ein behinderter Bewerber mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium ist daher zum Vorstellungsgespräch einzuladen (LAG Thüringen, 20.12.2016 – 1 Sa 102/16).
Die Verpflichtung zu einem Vorstellungsgespräch entfällt nach der Rechtsprechung nicht deshalb, weil der Bewerber einen schriftlichen Auswahltest nicht bestanden hat. Dies gilt zumindest, wenn der Test bereits Bestandteil des Auswahlverfahrens ist. Dem Bewerber soll durch das Vorstellungsgespräch Gelegenheit gegeben werden, evtl. Defizite in dem persönlichen Gespräch auszugleichen. Wird ihm dazu keine Möglichkeit gegeben, ist dies ein deutliches Indiz für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung (LAG Schleswig-Holstein, 09.09.2015 – 3 Sa 36/15; BAG, 11.08.2016 – 8 AZR 375/15). Aus der Verletzung der Einladungspflicht nach §165 SGB IX kann aber nicht ohne weiteres die Vermutung abgeleitet werden, es liege eine Benachteiligung wegen der Behinderung vor, wenn es dem Arbeitgeber gerade um die Einstellung eines Menschen mit Behinderung geht (ArbG Ulm, 02.08.2016 – 5 Ca 86/16).
Bereits wenn der schwerbehinderte Bewerber entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, ist die Verletzung des Anspruchs des Bewerbers eingetreten (LAG Schleswig-Holstein, 29.08.2019 – 5 Sa 375 öD/18). Allerdings ist dies i.S.v. § 22 AGG regelmäßig lediglich ein Indiz, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung begründet. Dies führt dazu, dass der öffentliche Arbeitgeber beweisen muss, dass keine Diskriminierung vorliegt (BAG, 23.01.2020 – 8 AZR 484/18). Entlasten kann er sich z.B. durch den Nachweis, dass er eine Einladung zum Vorstellungsgespräch ordnungsgemäß auf den Weg gebracht hat (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 07.01.2020 – 5 Sa 95/19). Er kann auch geltend machen und beweisen, dass er aufgrund besonderer, ihm nicht zuzurechnender Umstände des Einzelfalles nicht die Möglichkeit hatte, eine Bewerbung tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen (BAG, 23.01.2020 – a.a.O.). Im Übrigen kann der öffentliche Arbeitgeber sich insbesondere darauf berufen, dass die Nichteinladung des Bewerbers keinen Zusammenhang mit dessen Behinderung und/oder der Eignung hat. Dagegen kann er nicht erfolgreich geltend machen, er habe seine behördeninternen Abläufe so schlecht organisiert, dass den sorgfältig ausgebildeten und geschulten Mitarbeitern wiederholt Bewerbungen abhandengekommen sind (LAG Köln, 23.08.2018 – 6 Sa 147/18).
Ein Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG kommt in Betracht, wenn eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung erfolgt ist. Dies setzt aber voraus, dass die Schwerbehinderung zumindest mitursächlich für die negative Auswahlentscheidung war. Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat dabei eine Doppelfunktion. Sie dient einerseits der vollen Schadenskompensation und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist (BAG, 28.05.2020 - 8 AZR 170/19).
Nach einem Urteil des LAG Rheinland-Pfalz trifft den beim Auswahlverfahren nicht berücksichtigten Bewerber die Pflicht, sich zunächst mit einer einstweiligen Verfügung zu wehren, soweit diese zumutbar ist. Erst dann kann sekundär ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Ansonsten trifft ihn ein Mitverschulden, das auch im Rahmen des § 839 BGB gilt (LAG Rheinland-Pfalz, 01.08.2019 - 5 Sa 420/18). Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern betont, dass Primärrechtsschutz Vorrang vor Sekundärrechtsschutz hat. Ein Bewerber verfüge nicht über ein Wahlrecht zwischen alsbaldigem Primärrechtsschutz (Konkurrentenklage – Anm. der Red.) gegen eine zur Stellenbesetzung durch den öffentlichen Arbeitgeber getroffene Entscheidung und einem späteren Schadensersatzbegehren (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 15.09.2020 - 2 Sa 16/20). Ein übergangener Bewerber um ein öffentliches Amt hat daher einen Anspruch auf Schadenersatz nur, wenn er versucht hat, die Besetzung der Stelle mit einem anderen Bewerber durch ein Rechtsmittel zu verhindern (LAG Berlin-Brandenburg, 07.03.2018 – 17 Sa 7/18). Dies gilt zumindest, wenn diese Vorgehensweise dem übergangenen Bewerber möglich und zumutbar war (BAG, 12.12.2017 – 9 AZR 152/17).
Eine Bewerbung, die offensichtlich allein darauf abzielt, eine Entschädigung nach dem AGG zu erhalten, ist jedoch rechtsmissbräuchlich. Sie kann keinen Entschädigungsanspruch auslösen (ArbG Bonn, 23.10.2019 – 5 Ca 1201/19). Nach einem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern (07.01.2020 – 5 Sa 128/19) kann auf Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt hat und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat bzw. führt.
Wird ein Stellenbesetzungsverfahren wegen Umbesetzung eines vorhandenen Mitarbeiters auf die ausgeschriebene Stelle abgebrochen, hat ein schwerbehinderter Bewerber keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG (VG Koblenz, 22.04.2016 – 5 K 56/16.KO; LAG Rheinland-Pfalz, 03.12.2019 – 8 Sa 187/19). Wird ein schwerbehinderter Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, spricht dies für eine Diskriminierung wegen der Behinderung. Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn er wegen Überqualifizierung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird (BAG, 20.01.2016 – 8 AZR 194/14). Die "objektive Eignung" Bewerbers ist kein Kriterium der "vergleichbaren Situation" oder "vergleichbaren Lage" nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG und deshalb nicht Voraussetzung für einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG. Daher kommt es nicht darauf an, dass ein Bewerber sich ernsthaft Chancen auf eine Einstellung ausrechnen darf. Die Diskriminierung i.S.d. AGG kann auch bereits im Auswahlverfahren liegen (BAG, 19.05.2016 – 8 AZR 470/14).
Die Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch besteht ausnahmsweise nicht, wenn es dafür Gründe gibt, die weder Benachteiligung des Bewerbers wegen seiner Schwerbehinderung i.S.v. § 1 AGG darstellen noch seine fachliche Eignung berühren. Dies kann der Fall sein, wenn der Bewerber wegen des Vorbeschäftigungsverbotes i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht berücksichtigt wurde (LAG Berlin-Brandenburg, 29.08.2019 – 10 Sa 563/19). In diesem Fall besteht kein Entschädigungsanspruch.
Bewirbt sich der Bewerber um mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil, ist es ausreichend, wenn der Bewerber einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird (BAG, 25.06.2020 – 8 AZR 75/19).
Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst offen für ein Beamtenverhältnis und für ein Arbeitsverhältnis ausgeschrieben, ist für die Bestimmung des Rechtswegs maßgeblich, ob sich die Bewerbung auf die Übernahme in ein Beamtenverhältnis oder auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages richtet. Lässt sich der Bewerbung selbst keine eindeutige Präferenz entnehmen, kommt für die Bestimmung des Rechtswegs dem Umstand, dass der Bewerber aufgrund seines Alters nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden darf, maßgebliche Bedeutung zu. Denn der Wille des Bewerbers kann in einem solchen Fall bei lebensnaher Betrachtung nur auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sein (LAG Köln, 30.10.2018 – 9 Ta 192/18).
Grundsätzlich ist auch eine Befristung des Arbeitsvertrages mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zulässig. Ein sachlicher Grund, der i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG in der Person des Arbeitnehmers liegt ist gegeben, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Initiative zur Inklusion schwerbehinderter Akademiker außerhalb des Stellenplanes befristet eingestellt wird, ohne dass dafür ein Personalbedarf besteht (LAG Köln, 25.06.2020 – 8 Sa 1015/15).
Beteiligt der Arbeitgeber entgegen § 81 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung im Bewerbungsverfahren nicht, so ist stets eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft zu vermuten (BAG, 15.02.2005 - 9 AZR 635/03).
7. Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft
Auch im Vorstellungsgespräch muss jeder Anschein einer Benachteiligung infolge der Behinderung vermieden werden. Der Bewerber ist nicht verpflichtet, auf seine Behinderung hinzuweisen. Darüber hinaus besteht nach der neueren Rechtsprechung auch kein generelles Recht des Arbeitgebers, nach einer Behinderung zu fragen. Beantwortet der Schwerbehinderte eine solche Frage wahrheitswidrig, berechtigt dies nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages. Es besteht also ein Recht auf "Lüge". Lediglich hinsichtlich körperlicher oder geistiger Fähigkeiten, die für die konkreten Anforderungen der Stelle erforderlich sind, kann gefragt werden.
Praxistipp:
Zulässig wäre z.B. folgende Frage: "Bei der ausgeschriebenen Tätigkeit sind regelmäßig Lasten von ca. 30 kg zu bewegen. Fühlen Sie sich körperlich dazu in der Lage oder gibt es Einschränkungen, die dies unmöglich machen?"
Besteht das Arbeitsverhältnis dagegen seit mindestens sechs Monaten, kann nach einer Schwerbehinderung gefragt werden (BAG, 16.02.2012 – 6 AZR 553/10). Dies ist erforderlich, damit der Arbeitgeber die besonderen Regelungen des Kündigungsschutzes beachten kann. Wird die Frage wahrheitswidrig beantwortet, kann dies zu Verlust des Sonderkündigungsschutzes führen (BAG, 16.02.2012 a.a.O.).
8. Einstellungsentscheidung
Entscheidet sich der Arbeitgeber nach dem Auswahlverfahren, die Stelle nicht mit einem Schwerbehinderten zu besetzen, muss er erneut die Schwerbehinderten- und die Personalvertretung einschalten, wenn er seiner Beschäftigungspflicht nach § 154 Abs. 1 SGB IX nicht nachkommt. Tragen die Gremien diese Entscheidung nicht mit, muss er ihnen die Gründe mitteilen und die Entscheidung mit ihnen erörtern (§ 164 Abs. 1 S. 7 SGB IX). Dabei ist der abgelehnte Bewerber zu hören (§ 164 Abs. 8 SGB IX).
Danach entscheidet der Arbeitgeber endgültig. Er ist verpflichtet, die Beteiligten unter Angabe der Gründe darüber zu unterrichten (§ 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX). In welcher Form er dies tut, bleibt ihm überlassen (BAG, 18.11.2008 – 9 AZR 643/07)