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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Arbeitsverweigerung
Arbeitsverweigerung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Rechtmäßige Nichtleistung
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 3.9
- 3.10
- 3.11
- 3.12
- 3.13
- 3.14
- 4.
- 5.
Information
1. Allgemeines
Arbeitsverweigerung ist eine schwere Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis, die zur Kündigung berechtigen und Anspruch auf Schadensersatz auslösen kann. Doch nicht jede Abwesenheit vom Arbeitsplatz kann bereits als Arbeitsverweigerung qualifiziert werden und nicht immer stellt sie einen Kündigungsgrund dar. Objektiv ist Arbeitsverweigerung die bewusste, vom Arbeitnehmer willentlich gesteuerte Nichtleistung der Arbeit (BAG, 10.11.1993 – 7 AZR 682/92). Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer zwar anwesend ist, aber die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbringt. Lesen Sie, was in diesem Zusammenhang wichtig ist.
2. Arbeitspflicht des Arbeitnehmers
Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung (§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB). Den Inhalt der Arbeitsleistung und die näheren Umstände kann der Arbeitgeber im Rahmen des Weisungsrechts festlegen; dabei sind die im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegten Grenzen zu beachten. Erfüllt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht, wird die Leistung dadurch in der Regel unmöglich – bei fortdauernder Weigerung kann sie in der Regel nicht nachgeholt werden. Dies bewirkt, dass der Mitarbeiter von der Arbeitsleistung befreit wird – aber auch seinen Entgeltanspruch verliert (§ 326 Abs. 1 BGB). Ggf. wird auch eine vereinbarte Vertragsstrafe fällig. Darüber hinaus kann eine beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/16). Die Rechtsprechung des BAG geht noch darüber hinaus und lässt auch eine außerordentliche Kündigung zu (BAG, 28.06.2018 – 2 AZR 436/17): Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist "an sich" geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz, 04.12.2019 – 7 Sa 109/19). Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, 14.12.2017 – 2 AZR 86/17), sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten (BAG, 19.01.2016 – 2 AZR 449/15). Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will (BAG, 28.06.2018 - 2 AZR 436/17; BAG, 23.08.2018 – 2 AZR 235/18). Welche Pflichten ihn treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage (LAG Sachsen, 31.07.2020 – 2 Sa 398/19). Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (st. Rspr., BAG, 22.10.2015 – 2 AZR 569/14; BAG, 23.08.2018 – 2 AZR 235/18).
Der eigenmächtige, weisungswidrige Antritt einer Pause kann unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Arbeitsverweigerung gegebenenfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Legt der Arbeitnehmer eigenmächtig eine Pause ein, weil er in der vorgesehenen Pausenzeit durcharbeiten musste, liegt im Regelfall keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.11.2018 – 2 Sa 225/17).
Keine Rechtfertigung für eine Arbeitsverweigerung sind erhöhte Temperaturen am Arbeitsplatz (siehe Hitzewellen in den vergangenen Sommern). Andererseits ist der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorgaben und seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die zumutbare Temperaturen am Arbeitsplatz sicherstellen (z.B. durch Kühlgeräte oder ausreichende Beschattung). Ggf. kann die Arbeitszeit auch auf kühlere Tageszeiten verlegt oder die Kleiderordnung gelockert werden.
In der Weigerung, Softwareanwendungen des Betriebes zu aktivieren, liegt eine Arbeitsverweigerung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (BAG, 17.11.2016 – 2 AZR 730/15). Eine Arbeitsverweigerung liegt auch vor, wenn ein Außendienstmitarbeiter sich weigert, in sein Dienstfahrzeug eine Box einbauen zu lassen, mit der Echtzeit-Daten wie gefahrene Kilometer, Kraftstoffverbrauch und Reisezeiten (für die Abrechnung) erfasst werden (ArbG Heilbronn, 30.01.2019 – 2 Ca 360/18). Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung war nicht zulässig; zuvor hätte eine Abmahnung erfolgen müssen. Das Gericht führte jedoch aus, dass bei aktivierter Box Daten zum dem Fahrverhalten verarbeitet würden. Eine Nutzung sei daher im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers unzulässig. Eine Erforderlichkeit i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG liege nicht vor.
3. Rechtmäßige Nichtleistung
3.1 Allgemeines
Die Konsequenzen der Nichterfüllung der Arbeitspflicht richten sich danach, aus welchem Grund der Mitarbeiter seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Zunächst ist zu prüfen, ob § 275 Abs. 3 BGB anzuwenden ist. Danach kann der Arbeitnehmer als Schuldner der Arbeitsleistung diese verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung des entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift ist als Einrederecht gestaltet. Der Mitarbeiter kann also von seinem Recht der Leistungsverweigerung Gebrauch machen – oder eben nicht.
Im Folgenden werden typische Fälle dargestellt, in denen eine Weigerung des Mitarbeiters, die ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen, rechtlich zulässig ist. Sie beinhalten, unter welchen Umständen eine Weisung der Billigkeit i.S.d. § 106 GewO entspricht. Da in solchen Fällen ein Rechtfertigungsgrund besteht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor. Der Mitarbeiter verliert jedoch – sofern es keine spezialgesetzliche Grundlage für den Entgeltanspruch gibt – seinen Anspruch auf Vergütung (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
3.2 Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
Mit seinem ärztlichen Attest weist der Mitarbeiter nach, dass ihm die Arbeitsleistung unmöglich ist (vgl. auch § 275 Abs. 1 BGB). Er wird damit leistungsfrei (siehe hierzu auch Entgeltfortzahlung - Verweigerungsgründe).
3.3 Wehrdienst
Bei freiwilligem Wehrdienst nach deutschem Recht bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen; die Arbeitspflicht ruht jedoch (§ 16 Abs. 7 i.V.m. § 1 Abs. 1 ArbPlSchG). Türkische Arbeitnehmer, die den Wehrdienst in der Türkei antreten müssen, befinden sich in einer unverschuldeten Kollision zwischen der Arbeits- und der Wehrpflicht. Die den türkischen Arbeitnehmern bei einer Verweigerung des Wehrdienstes drohenden Nachteile sind so einschneidend, dass ihre Arbeitspflicht für die Dauer des Wehrdienstes aufgehoben wird, sofern nicht ihre Arbeitsleistung für den geordneten Betriebsablauf von erheblicher Bedeutung ist und der Arbeitgeber durch den Ausfall von vornherein in eine Zwangslage gebracht wird, die er auch durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen nicht beheben kann (BAG, 07.09.1983 – 7 AZR 433/82; siehe auch BAG, 30.07.1986 – 8 AZR 475/84). Aktuell besteht aber die Möglichkeit, sich gegen eine Gebühr von rd. 3.200 EUR vom türkischen Wehrdienst freizukaufen.
3.4 Verstoß gegen ein Gesetz
Beinhaltet eine Weisung des Arbeitgebers einen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, muss der Arbeitnehmer dieser nicht nachkommen (z.B. Arbeit trotz Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG - LAG Rheinland-Pfalz, 25.05.2007 – 6 Sa 53/07). Dies gilt auch, wenn die Weisungen gegen Strafvorschriften verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
3.5 Glaubens- und Gewissensgründe
Macht der Mitarbeiter glaubhaft, dass Weisungen des Arbeitgebers gegen seinen Glauben verstoßen, stellt sich die Frage, ob er sie dennoch ausführen muss. Der Arbeitgeber darf – wie oben erläutert - nämlich sein Weisungsrecht nicht frei ausüben, sondern muss die Grundsätze des billigen Ermessens beachten (§ 106 GewO). Ob dies dem Arbeitgeber die Zuweisung der aufgrund eines Gewissenskonflikts abgelehnten Arbeit verbietet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Für die Interessenabwägung ist grundsätzlich von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer schon bei Vertragsabschluss damit rechnen musste, dass ihm eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden könnte (BAG, 22.05.2003 – 2 AZR 426/02). Bei der Einrede des § 275 Abs. 3 BGB kommt es allerdings auf ein Verschulden nicht an; die Voraussehbarkeit eines Glaubens- oder Gewissenskonfliktes bei Vertragsabschluss hat nach in der Literatur vertretener Auffassung nur Indizwirkung, die das Leistungsverweigerungsrecht nicht grundsätzlich ausschließt (so ErfK, Preis, 18. Aufl. 2018, § 611a BGB, Rn. 687, Thüsing in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 611a BGB, Rn. 552). Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch des Betriebes bestehen (§ 311a Abs. 2 BGB).
Daraus folgt in der Regel, dass dem Arbeitnehmer bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO regelmäßig keine Arbeit zugewiesen werden darf, die diesen in einen nachvollziehbar dargelegten, ernsthaften und unüberwindbaren Glaubenskonflikt brächte. Etwas anderes kann dann gelten, wenn entgegenstehende Grundrechte oder Verfassungsaufträge - sei es auch nur vorübergehend - ein Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen (BAG, 24.02.2011 – 2 AZR 636/09).
Wird ein Mitarbeiter muslimischen Glaubens für die Arbeit in der Getränkeabteilung eingestellt und weigert er sich dort zu arbeiten, weil seine Religion nicht nur den eigenen Konsum, sondern auch jegliche Form der Konsumförderung und Verbreitung von Alkohol verbietet, kann nach der Rechtsprechung (BAG, 24.02.2011 a.a.O.) eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (siehe dazu auch Glaubens- und Gewissenskonflikte im Arbeitsverhältnis). Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass es dem Arbeitgeber nicht ohne große Schwierigkeiten möglich ist, den Mitarbeiter anderweitig einzusetzen.
Ebenso darf der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter keine Arbeit zuweisen, die diesen in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt (BAG, 20.12.1984 – 2 AZR 436/83 – Drucker darf die Arbeit an einem Auftrag mit gewaltverherrlichendem Inhalt verweigern). Im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB, der voraussetzt, dass der Inhalt der geschuldeten Leistung noch zu konkretisieren ist, muss der Arbeitgeber einen ihm offenbarten Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers berücksichtigen (BAG, 24.05.1989 – 2 AZR 285/88 – Entwicklung eines Medikamentes, das geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges zu beeinflussen).
3.6 Persönliche Unzumutbarkeit
Ist dem Arbeitnehmer die Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufgrund von Umständen, die in seiner persönlichen Sphäre liegen, vorübergehend unzumutbar, kann er ebenfalls die Arbeit verweigern. Dazu gehören z.B. ein unaufschiebbarer Arztbesuch, die Erkrankung eines Kindes (siehe Freistellung – Erkrankung eines Kindes), das der Betreuung durch den Mitarbeiter bedarf und die schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen. In solchen Fällen besteht ein Leistungsverweigerungsrecht aber nur, wenn der Mitarbeiter alles in seiner Macht stehende getan hat, um seine persönlichen Belange mit den Anforderungen seines Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren (BAG, 21.05.1992 – 2 AZR 10/92). Die Zwangslage muss also unverschuldet sein (siehe hierzu auch 3.13).
Ergibt sich aufgrund der Entbindung seiner Ehefrau für den Arbeitnehmer die Notwendigkeit, ein Kind zu betreuen, ist ihm die Arbeitsleistung auch unter Berücksichtigung des Leistungsinteresses des Arbeitgebers nicht zumutbar. Wird aus diesem Grund wegen eigenmächtiger Selbstbeurlaubung bzw. wegen Arbeitsverweigerung eine Kündigung ausgesprochen, ist diese sozial nicht gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (LAG Rheinland-Pfalz, 31.07.2019 – 2 Sa 299/18).
Ebenso ist die Arbeitsleistung unzumutbar, wenn der Mitarbeiter einer Ladung zu Gerichtsterminen oder zu Behörden nachkommen muss (BAG, 13.12.2001 – 6 AZR 30/01).
Weisungen des Arbeitgebers nach § 106 GewO müssen den Grundsätzen des billigen Ermessens (siehe auch § 315 BGB) entsprechen, also die Interessen beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigen. Ist dies nicht der Fall, muss sie der Arbeitnehmer – auch nicht vorläufig – befolgen (BAG, 18.10.2017 – 10 AZR 330/16).
Keine Unzumutbarkeit liegt aber vor, wenn die Arbeit verweigert wird, weil objektiv nicht gerechtfertigte Befürchtungen hinsichtlich sexueller Übergriffe durch zu untersuchende Personen bestehen. Dann kann eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/17).
3.7 Gefahr für Leib und Leben
Außerdem muss der Mitarbeiter Weisungen, durch die seine Gesundheit oder sein Leben gefährdet wird, nicht folgen (BAG, 19.02.1997 – 5 AZR 982/94 – Asbestbelastung am Arbeitsplatz; BAG, 19.05.2009 – 9 AZR 241/08 – Recht auf tabakrauchfreien Arbeitsplatz). Dabei ist entscheidend, dass ein ernsthafter, begründeter Verdacht auf eine solche Gefahr besteht; nicht ausreichend ist die rein subjektive Annahme einer Gefährdung durch den Arbeitnehmer (Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar 9. Aufl. 2020, Thüsing, § 611a BGB, Rn. 550). Eine Ausnahme gilt, wenn die vereinbarte Arbeit solche Einsätze einschließt (z.B. bei Sprengstoffexperten).
3.8 Streik
Arbeitnehmer dürfen an einem rechtmäßigen Streik teilnehmen – es liegt keine Arbeitsverweigerung vor. Dies gilt auch, wenn der Streik nicht rechtmäßig ist, aber die Gewerkschaft dazu aufgerufen hat. Leiharbeitnehmer müssen nicht für einen Betrieb arbeiten, der bestreikt wird.
Auf der anderen Seite dürfen Arbeitgeber während eines Streiks erhebliche Sonderzahlungen für Arbeitnehmer versprechen, die sich am Streik nicht beteiligen (BAG, 14.08.2018 – 1 AZR 287/17). Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot i.S.v. § 612a BGB liegt nicht vor, wenn die Prämie während des Streiks allen arbeitenden Mitarbeitern zugesagt wird (BAG, 13.07.1993 – 1 AZR 676/92). Anders zu beurteilen sind jedoch Zahlungen, die nach dem Streik eingeräumt werden, weil sie nicht mehr als Arbeitskampfmittel eingestuft werden können. In der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber liegt zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Beschäftigten. Diese ist aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt (BAG, 14.08.2018 a.a.O.).
Ein wilder Streik ist immer rechtswidrig – es liegt ein Fall der Arbeitsverweigerung vor. Nach der Rechtsprechung kann allerdings eine Gewerkschaft einen solchen Streik nachträglich übernehmen und ihn damit rechtfertigen.
Ein Streik aus politischen Gründen ist rechtswidrig. Er kann vom Arbeitgeber durch Abmahnung oder auch durch Kündigung sanktioniert werden. Besonders brisant ist dieses Thema, weil teilweise auch Arbeitnehmer an den Klimastreiks teilnehmen. Dabei geht es eindeutig um politische Ziele. Wer an diesen Demonstrationen teilnehme möchte, ist gut beraten, dafür entweder Freizeit zu nehmen oder zumindest das Einverständnis des Arbeitgebers zu suchen und dabei auch den Ausgleich der ausgefallenen Arbeitszeit zu klären.
3.9 Minderleistung / Nichtleistung
Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten in der geschuldeten Qualität zu erbringen. Tut er dies nicht oder hält er absichtlich mit seiner Arbeitsleistung zurück, liegt grundsätzlich eine Arbeitsverweigerung vor. Da aber das Leistungsvermögen von Menschen von Natur aus unterschiedlich ist, kann es Probleme mit der Beweisführung geben. Der Arbeitgeber muss im Streitfall darlegen können, dass bei dem Arbeitnehmer eine die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitende Leistung vorliegt und dass dadurch eine Pflichtverletzung besteht (ArbG Siegburg, 25.08.2017 – 3 Ca 1305/17). Ggf. müssen die Arbeitsergebnisse vergleichbarer Arbeitnehmer herangezogen werden. Ebenfalls liegt eine Arbeitsverweigerung vor bei einem Streit über künftig fällig werdende Lohnzahlungen; insofern hat der Mitarbeiter kein Zurückbehaltungsrecht (LAG Schleswig-Holstein, 17.10.2013 – 5 Sa 111/13).
Verletzt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht, indem er eingehende Post pflichtwidrig nicht an die zuständige Mitarbeiterin weiterleitet, sondern sie wie ein Lesezeichen in ein Fachbuch einfügt, kann dieses Verhalten allenfalls dann eine Kündigung rechtfertigen, wenn sich durch dieses Verhalten erhebliche negative betriebliche Auswirkungen ergeben (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 04.12.2018 – 2 Sa 21/18).
Dagegen ist die beiläufige und gelegentliche Erledigung privater Schreibarbeiten am Arbeitsplatz ohne eindeutige Weisungslage zu ihrem Verbot bzw. ohne Abmahnung nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 04.12.2018 – a.a.O.).
3.10 Zurückbehaltungsrecht
Nach § 273 BGB kann der Schuldner seine Leistung zurückbehalten, wenn er gegen den Gläubiger aus dem gleichen Rechtsverhältnis einen fälligen Anspruch hat. Das Zurückbehaltungsrecht gilt bis zur Erfüllung dieses Anspruchs. Der Arbeitnehmer kann also eine Arbeitsleistung zurückbehalten, wenn der Arbeitgeber seinerseits mit der Vertragserfüllung im Verzug ist. Dies dürfte meist zutreffen, wenn der Betrieb mit der Lohnzahlung im Rückstand ist. Dabei dürfen jedoch geringfügige Überschreitungen von Zahlungsterminen entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ausreichen, um die Zurückbehaltung zu rechtfertigen.
Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit fern, weil er meint, ihm stünde ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Arbeit zu, kann die damit einhergehende Arbeitsverweigerung nur dann als beharrlich angesehen werden, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klarmacht, dass er bei fortdauernder Ausübung des vermeintlichen Zurückbehaltungsrechts das Arbeitsverhältnis kündigen werde (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 08.10.2019 - 2 Sa 123/19).
Außerdem steht dem Arbeitnehmer kein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung aufgrund von Lohnrückständen zu, wenn er nach Beilegung eines Kündigungsrechtsstreits an der Nachberechnung der Lohnansprüche nicht mitwirkt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 25.09.2018 - 5 Sa 210/17).
3.11 Unbillige Weisungen
Der Arbeitgeber darf sein Weisungsrecht im Rahmen des Arbeits- oder Tarifvertrages bzw. evtl. Betriebsvereinbarungen nicht frei, sondern nur nach den Grundsätzen des billigen Ermessens ausüben (§ 106 GewO). Soweit eine Weisung dem nicht entspricht, muss sie der Arbeitnehmer nicht ausführen (BAG, 14.06.2017 – 10 AZR 330/16 (A), BAG, 14.09.2017 – 5 AS 7/17). Entspricht die zugewiesene Arbeit den arbeitsvertraglichen Regelungen und den Grundsätzen billigen Ermessens, stellt die Verweigerung der Arbeitsleistung jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung dar (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/16). Darin liegt eine besondere Problematik: Ob die Weisung den Grundsätzen billigen Ermessens entspricht, ist oft zunächst strittig. Verweigert der Arbeitnehmer dann die Arbeitsleistung, geht er das Risiko ein, dass sich im Nachhinein die Weisung doch als arbeitsrechtlich zulässig erweist. Dieses Risiko fällt in seine Sphäre und muss von ihm getragen werden (BAG, 28.06.2018 – 2 AZR 436/17). Stellt sich die Arbeitsverweigerung im Nachhinein als unberechtigt heraus, kann eine Abmahnung oder gar eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers in Betracht kommen.
3.12 Urlaub
Wurde der Mitarbeiter beurlaubt, besteht keine Arbeitspflicht. Die ordnungsgemäße Urlaubsgewährung ist für den Arbeitgeber bindend, d.h. er kann den Mitarbeiter in der Regel nicht einseitig zurückrufen bzw. die Urlaubsgewährung widerrufen. Nimmt der Arbeitnehmer dagegen ohne Zustimmung des Arbeitgebers eigenmächtig Urlaub, liegt eine Arbeitsverweigerung vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12.12.2018 – 3 Sa 123/18).
3.13 Kinderbetreuung
Keine Arbeitsverweigerung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer ein Kind betreuen muss, das zu jung ist, um allein zu bleiben. Die Notwendigkeit dafür ergibt sich häufig, wenn im Kindergarten oder der Schule eine Epidemie ausgebrochen ist oder kurzfristig hitzefrei gegeben wird. Hinsichtlich der präventiven Schließung von Kindergärten oder Schulen infolge des Corona-Virus wird im Hinblick auf § 616 BGB die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Freistellung und die Fortzahlung der Vergütung besteht, wenn aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des Kindes eine Beaufsichtigung oder Betreuung geboten ist und eine andere Aufsichtsperson nicht zur Verfügung steht (vgl. hierzu BAG, 19.04.1978 – 5 AZR 834/76 und Krause in Henssler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 24). Voraussetzung für den Anspruch auf Vergütung nach § 616 BGB ist aber, dass die Verhinderung des Arbeitnehmers eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff auszulegen ist, ist umstritten (siehe hierzu auch 3.14). Wichtig ist auch, dass diese verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Voraussetzung für den Anspruch ist. Dauert die Verhinderung länger, besteht der Anspruch für die gesamte Zeit nicht. Da die Schließung über einen längeren Zeitraum andauert, besteht daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Er kann außerdem durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen abbedungen sein.
Durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27.03.2020 (BGBl. I Nr. 14 S. 587) wurde in § 56 Abs. 1 IfSG ein – gegenüber dem Anspruch aufgrund § 56 Abs. 1a IfSG nachrangiger - Anspruch auf Entschädigung eingeführt. Durch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 19.06.2020 (BGBl. I Nr. 30 S. 1385) und Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.11.2020 (BGBl. I Nr. 52 S. 2397) wurde der Anspruch erweitert. Er ist von folgenden Voraussetzungen abhängig:
Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen wurden von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des IfSG – wie z.B. aufgrund der Corona-Pandemie - vorübergehend geschlossen oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt;
die erwerbstätige Person muss ihr Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, in diesem Zeitraum selbst betreuen, beaufsichtigen oder pflegen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann, und
sie erleidet dadurch einen Verdienstausfall.
Der Anspruch besteht auch, wenn die jeweilige Einrichtung oder Schule nicht vollständig, sondern nur teilweise (z.B. für eine einzelne Gruppe oder Klasse) geschlossen ist. Ebenso besteht der Anspruch, wenn ein einzelnes Kind in Quarantäne muss, weil dies von der zuständigen Behörde angeordnet wurde.
Anspruchsberechtigte haben gegenüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Eine andere Betreuungsmöglichkeit ist z.B. gegeben, wenn ein Anspruch auf eine Notbetreuung besteht oder andere Angehörige die Betreuung übernehmen können. Risikogruppen, wie z.B. Großeltern müssen nicht herangezogen werden.
Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien oder der Betriebsferien erfolgen würde. Ebenfalls schließt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder auf Vergütungsfortzahlung gegen den Arbeitgeber die Entschädigung aus. Ein evtl. Zeitguthaben muss vorrangig abgebaut werden (BT-Drs. 19/18111 S. 24).
Wurde das Kind zur Vollzeitpflege in den Haushalt aufgenommen, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu. Freistellung – Erkrankung eines Kindes
Der Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG ist auch ausgeschlossen, soweit das Kind an Corona erkrankt ist; der Anspruch auf Betreuung durch die Eltern richtet sich dann nach § 45 SGB V (siehe unter Freistellung – Erkrankung eines Kindes).
Die Regelung ist am 30.03.2020 in Kraft getreten; sie ist bis zum 31.03.2021 befristet (Art. 2 und 8 Abs. 3 Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.11.2020 (BGBl. I Nr. 52 S. 2397).
Die Entschädigung beträgt 67 Prozent des Verdienstausfalls und wird für längstens zehn Wochen gewährt; für einen vollen Monat gilt ein Höchstbetrag von 2.016 EUR. Alleinerziehende erhalten die Leistung für zwanzig Wochen.
In allen Zweigen besteht die Sozialversicherung während des Bezuges der Entschädigungsleistung weiter. Die Beiträge werden aus 80 % des zugrunde liegenden Arbeitsentgelts berechnet. Ebenso sind auch die Umlagen bei Krankheit und Mutterschaft sowie die Insolvenzgeldumlage zu zahlen.
3.14 Infektionsrisiko Corona-Virus
Infolge der Ausbreitung von Infektionen durch das Corona-Virus haben sich in Bezug auf die Arbeitspflicht mehrere Rechtsfragen ergeben.
Nicht aufgehoben wird die Arbeitspflicht, wenn der Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleibt. Dies gilt selbst dann, wenn ein höheres Risiko bei dem Mitarbeiter (aufgrund von Alter und/oder Vorerkrankungen) besteht oder er wegen hustender Kollegen bzw. durch den Arbeitsweg mit öffentlichem Verkehrsmittel eine Ansteckung befürchtet. Nur wenn dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung objektiv unzumutbar ist, kann er der Arbeit fernbleiben. Dafür müsste aber zumindest objektiv ein dringender Verdacht für eine Gefährdung der Gesundheit vorliegen. Verweigert der Arbeitnehmer in solchen Fällen ohne ausreichenden Grund die Arbeit, kann der Betrieb ihn abmahnen oder im Wiederholungsfall verhaltensbedingt kündigen. Darüber hinaus kann auch die Vergütung einbehalten werden, weil die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbracht wurde. Viele Betriebe haben aber Lösungen gefunden, die zur Minimierung der Ansteckungsgefahr beitragen können (Stichwort: Home-Office). Es besteht aber bei Angst vor Ansteckung weder ein Anspruch auf Arbeit im Home-Office noch auf ein Einzelbüro (ArbG Augsburg, 07.05.2020 – 3 Ga 9/20). Es wird allgemein empfohlen, die Probleme einvernehmlich zu lösen.
Hatte der Mitarbeiter Kontakt zu infizierten Personen, wird das Gesundheitsamt in der Regel eine häusliche Quarantäne aussprechen. Der Mitarbeiter kann in diesem Fall, jedenfalls wenn er nicht von zu Hause aus arbeiten kann, seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Zunächst ist dann zu prüfen, ob aufgrund § 616 BGB Anspruch auf Vergütung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert" ist. Grundsätzlich dürften die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Quarantäne wird meist für die maximale Inkubationszeit von zwei Wochen angeordnet. Bei Vorliegen eines negativen Schnelltests kann sie auf 10 Tage verkürzt werden. Die Frage ist, ob dies als eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" angesehen werden kann. Nach der überwiegenden Meinung ist diese Frage nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. Palandt/Weidenkaff 75. Aufl. 2016, § 616 BGB, Rn. 9; ErfK, Preis, 10. Aufl. 2018, Rn. 10a). Abgestellt wird teilweise auch auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zur Dauer des Ausfalls (BAG, 17.12.1959 – GS 2/59 – Grimm in Tschöpe, Arbeitsrechts-Handbuch, Rn. 87). Teilweise wird auf den Verhinderungsgrund abgestellt und auch bei schwerwiegenden Ereignissen nur von wenigen Tagen ausgegangen (Krause in Henssler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl. 2020). Zum Teil wird auch in Anlehnung an § 2 Abs. 1 PflegeZG ein Zeitraum von 10 Arbeitstagen als nicht erheblich angesehen. Dass der Ausfall auf eine nicht erhebliche Zeit begrenzt sein muss, ist Voraussetzung für den Anspruch. Das bedeutet, dass der Anspruch ganz entfällt, wenn der Ausfall länger dauert. Der Anspruch aus § 616 BGB kann außerdem durch Arbeits- oder Tarifvertrag abbedungen sein. Falls kein Anspruch nach dieser Vorschrift besteht, zahlt der Arbeitgeber die Vergütung nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG für bis zu sechs Wochen in Höhe der Nettovergütung weiter. Der Arbeitgeber kann bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde einen Antrag auf Erstattung seiner Aufwendungen beantragen (§ 56 Abs. 5 IfSG). Der Anspruch auf die Erstattung besteht unabhängig von der Betriebsgröße. Bestätigt sich die Infektion, hat der arbeitsunfähige Arbeitnehmer Anspruch auf die reguläre Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Bis zum Ende der Quarantäne bleibt aber der Anspruch nach § 56 Abs. 7 IfSG bestehen. Erst danach beginnt die Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Die fortgezahlte Vergütung aufgrund § 56 IfSG ist nicht auf die Dauer der Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit anzurechnen. Erkrankt der Arbeitnehmer, ohne dass eine Quarantäne angeordnet wurde, besteht ausschließlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit.
Die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bleibt bei Zahlung der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG erhalten. Die Beiträge berechnen sich aus 100 % der Vergütung, die für die Berechnung der Entschädigung maßgebend ist – also aus dem Bruttoentgelt. Die Beiträge trägt die Entschädigungsbehörde allein, so dass ein Abzug von Arbeitnehmeranteilen nicht in Betracht kommt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beiträge zu berechnen und an die Krankenkasse zu zahlen. Es fallen auch die Umlagen U1 und U2 sowie die Insolvenzumlage an.
Für freiwillig versicherte Arbeitnehmer ändert sich der Versicherungsstatus in Kranken- und Pflegeversicherung durch die Zahlung der Entschädigung nicht. Es besteht in dieser Zeit aber kein Anspruch auf Beitragszuschuss. Der Arbeitnehmer kann aufgrund § 58 IfSG bei der zuständigen Behörde die Erstattung seiner Beiträge beantragen. Im Rahmen des Firmenzahlerverfahrens kann der Arbeitgeber die Beiträge weiterhin an die Krankenkasse zahlen und die Erstattung ebenfalls bei der zuständigen Behörde beantragen.
Die Entschädigungsleistung ist als Lohnersatzleistung steuerfrei. Sie unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt.
Wird der Betrieb wegen des Corona-Virus geschlossen (wie z.B. Kindergärten und Schulen), besteht für die nicht weiter eingesetzten Arbeitnehmer ebenfalls ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG. Allerdings ist in diesem Fall § 616 BGB als Grundlage für eine vorrangige Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht anwendbar. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn bei einem objektiven Leistungshindernis nicht nur ein einzelner Arbeitnehmer, sondern mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig betroffen sind.
Auch in Zeiten von Corona kann ein Mitarbeiter auf eine Dienstreise geschickt werden. Handelt es sich jedoch um eine Risikoregion (Reisewarnung des Auswärtigen Amtes), kann der Arbeitnehmer aufgrund § 275 Abs. 3 BGB die Reise verweigern, da ihm die damit verbundenen Gefahren nicht zugemutet werden können. Dies dürfte auf jeden Fall für Mitarbeiter gelten, die einer Risikogruppe angehören. Wird eine angeordnete Dienstreise in ein Risikogebiet angeordnet, besteht während der anschließenden Quarantäne ein Anspruch auf Vergütung.
Bei Urlaubsreisen in Risikogebiete ist der Arbeitnehmer nach der Rückkehr verpflichtet eine digitale Einreiseanmeldung (unter www.einreiseanmeldung.de) zu machen und sich in häusliche Quarantäne zu begeben. Voraussetzung ist, dass sich der Arbeitnehmer vor der Einreise in die Bundesrepublik in den letzten zehn Tagen in einem Risikogebiet aufgehalten hat. Unschädlich ist daher eine ausschließliche Durchreise durch das Risikogebiet. Die Quarantäne dauert in der Regel zehn Tage – bei negativem Corona-Test kann sie früher aufgehoben werden. Maßgebend sind die Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes. Es stellt sich zunächst die Frage, ob in diesem Fall nach § 616 BGB ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen den Arbeitgeber besteht (siehe oben). Zumindest, wenn bereits vor der Abreise der Urlaubsort in einem Risikogebiet lag, ist dieser Anspruch zu verneinen, da die Verhinderung nicht "ohne Verschulden" des Arbeitnehmers eingetreten sein dürfte. Hinsichtlich des Anspruchs auf Entschädigung ist § 56 Abs. 1 IfSG zu beachten. Dort wird seit dem 19.11.2020 durch Art. 1 Nr. 20 des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes vom 18.11.2020 (BGBl. I Nr. 52 S. 2397) klargestellt, dass kein Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn die Quarantäne durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise als Risikogebiet eingestuftes Ziel hätte vermieden werden können. Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Entschädigung besteht dementsprechend, wenn der Urlaubsort erst während des Aufenthalts zum Risikogebiet erklärt wird.
Praxistipp:
Eine Reise ist nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG dann vermeidbar, wenn keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für eine entsprechende Reise zum Zeitpunkt der Abreise vorlagen. Entscheidend dafür ist nach der Begründung des Gesetzes die Sicht eines verständigen Dritten. Zu einer nicht vermeidbaren Reise dürften in jedem Fall besondere und außergewöhnliche Umstände führen, wie die Geburt des eigenen Kindes oder das Ableben eines nahen Angehörigen wie eines Eltern- oder Großelternteils oder eines eigenen Kindes. Nicht dazu zählen insbesondere sonstige private oder dienstliche Feierlichkeiten, Urlaubsreisen oder verschiebbare Dienstreisen (BT-Drs. 19/23944 S. 38).
Da der Schutz der Mitarbeiter vor Ansteckung auch im Interesse des Betriebes steht, sollte die Quarantäne soweit wie möglich unterstützt werden (z.B. Home-Office). Die entsprechenden Vorkehrungen sollten bereits vor Antritt des Urlaubs getroffen werden. Dabei ist ggf. auch die Personalvertretung zu beteiligen.
Die Reise in ein Risikogebiet berechtigt den Arbeitgeber nicht zu arbeitsrechtlichen Sanktionen, wie Abmahnung oder Kündigung. Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, den Mitarbeiter zu fragen, ob er seinen Urlaub in einem Risikogebiet verbracht hat.
4. Rechtsfolgen der Arbeitsverweigerung
4.1 Allgemeines
Liegt kein Rechtfertigungsgrund (Abschnitt 3) vor, handelt es sich um eine Arbeitsverweigerung, mit der der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Für den Betrieb stellt sich dann die Frage, wie er damit umgeht. Dabei geht die Bedeutung in der Regel über den konkreten Einzelfall hinaus; denn es sind die Auswirkungen auf das Betriebsklima, den Betriebsfrieden und die Arbeitsmoral der Kollegen zu bedenken.
Die Arbeitsverweigerung muss nach der Rechtsprechung aber "beharrlich" sein (BAG, 22.10.2015 – 2 AZR 569/14). Dies setzt eine Nachhaltigkeit im Willen voraus. Der Arbeitnehmer muss die von ihm geschuldete Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers schlicht nicht befolgt (st. Rspr., siehe LAG Schleswig-Holstein, 17.10.2013 – 5 Sa 111/13). Keine beharrliche Arbeitsverweigerung liegt vor, wenn dem Mitarbeiter Tätigkeiten angetragen werden, zu deren Ausübung er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet ist (LAG Berlin-Brandenburg, 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).
Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (BAG, 21.05.1992 - 2 AZR 10/92). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben (BAG, 03.11.2011 - 2 AZR 748/10). Trägt der Arbeitnehmer ausreichend konkret einen Sachverhalt vor, der ihn entlastet, ist es am Arbeitgeber nachzuweisen, dass das Entlastungsvorbringen nicht zutrifft (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.11.2018 – 2 Sa 225/17).
Ob der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (LAG Sachsen, 31.07.2020 – 2 Sa 398/19).
4.2 Außerordentliche Kündigung
Ein wichtiger Grund "an sich" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung regelmäßig vor (LAG Berlin-Brandenburg, 14.11.2018 – a.a.O.; LAG Düsseldorf, 24.10.2018 – 12 Sa 106/18 - Einzelheiten siehe auch Kündigung - außerordentliche: Allgemeines). Voraussetzung ist außerdem, dass dem Betrieb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zur Beurteilung dieser Frage ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (LAG Rheinland-Pfalz, 04.12.2019 - 7 Sa 109/19).
Daneben ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung an weitere Voraussetzungen geknüpft:
Ultima-ratio-Prinzip: Die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn es keine milderen Mittel zur Beseitigung der Leistungsstörung gibt. Zu nennen wäre hier zunächst die Ermahnung. Damit wird formlos dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen geführt und er wird zu vertragskonformem Handeln aufgefordert.
Für die Wirksamkeit der Kündigung ist in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich. Mit ihr wird das vertragswidrige Verhalten beanstandet und der Arbeitnehmer erhält die Warnung, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung erfolgt. Nach der Abmahnung ist aufgrund des gleichen Sachverhalts keine Kündigung mehr zulässig. Erst bei Wiederholung der Arbeitsverweigerung kann gekündigt werden.
Wird aus dem Verhalten des Mitarbeiters der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers erkennbar, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen zu wollen, ist eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich (BAG, 17.06.1992 – 2 AZR 568/91 m.w.N.).
Geeignetheit: Die außerordentliche Kündigung muss geeignet sein, die Leistungsstörung zu beseitigen. Dies dürfte in der Regel der Fall sein, da mit Auflösung des Arbeitsvertrages keine Leistungspflicht des Mitarbeiters mehr besteht.
Angemessenheit: Ob die Kündigung angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine Rolle spielen z.B. dabei die Häufigkeit der Arbeitsverweigerung, deren Schwere und die Dauer der bisherigen Beschäftigung. Das Interesse des Betriebes an einer sofortigen Vertragsbeendigung muss gegenüber dem Interesse des Mitarbeiters an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.
Wenn eine Teilzeitkraft nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag verpflichtet ist, montags und freitags zu arbeiten, die tatsächliche und vom Arbeitgeber akzeptierte Praxis dem aber nicht entspricht, sondern die Arbeit meist mittwochs und samstags erfolgt ist, so ist es dem Arbeitgeber zumutbar, die Arbeitnehmerin während der ordentlichen Kündigungsfrist noch wie bisher zu beschäftigen. Eine außerordentliche Kündigung scheidet aus diesem Grund aus (LAG Düsseldorf, 24.10.2018 – 12 Sa 106/18).
4.3 Ordentliche Kündigung
Sofern die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegen, kann auch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung in Betracht kommen (Einzelheiten siehe Kündigung - verhaltensbedingt: Allgemeines). Ob im Einzelfall eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung das Mittel der Wahl ist, muss unter Abwägung aller Umstände entschieden werden. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein wenn die Arbeit verweigert wird, weil objektiv nicht gerechtfertigte Befürchtungen hinsichtlich sexueller Übergriffe durch zu untersuchende Personen bestehen (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/16).
5. Schadensersatz
Soweit durch die Arbeitsverweigerung ein Schaden entstanden ist, kann der Betrieb dafür Ersatz nach § 280 Abs. 1 und 3 sowie § 283 BGB verlangen. Der Schaden kann z.B. bestehen in
entgangenem Gewinn,
Mehrkosten für eine Ersatzkraft,
Verzugsschaden und Konventionalstrafen, die der Arbeitgeber an seine Kunden leisten muss.
Der Betrieb muss die (nicht gerechtfertigte) Arbeitsverweigerung und deren ursächlicher Zusammenhang mit dem eingetretenen Schaden beweisen können. Voraussetzung ist auch, dass der Schaden beziffert werden kann und der Betrieb der Pflicht zur Schadensminderung nachgekommen ist (§ 254 BGB).
Ggf. ist eine Aufrechnung mit noch bestehenden Lohn- oder Gehaltsforderungen möglich. Bei außerordentlicher Kündigung wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Mitarbeiters sieht § 628 Abs. 2 BGB darüber hinaus auch vor, dass dieser den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Schaden ersetzen muss. Dies gilt auch, wenn das Vertragsverhältnis auf andere Weise beendet wurde und das Verhalten des Arbeitnehmers als wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsvertrages i.S.d. § 626 BGB zu werten ist (st. Rspr. siehe BAG, 08.08.2002 – 8 AZR 574/01). Eine Nettoschadenersatzforderung kann nicht mit einer Bruttoforderung aufgerechnet werden, da es insoweit an der notwendigen Gleichartigkeit i.S.v. § 387 BGB fehlt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12.12.2018 – 3 Sa 123/18).