Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Telearbeit - Unfallversicherung
Telearbeit - Unfallversicherung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Telearbeit/Homeoffice-Arbeit in abhängiger Beschäftigung
Wird die Telearbeit bzw. die Homeoffice-Arbeit in abhängiger Beschäftigung verrichtet, also in der Eigenschaft als Arbeitnehmer, liegt i.S.d. gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII eine Beschäftigung vor, so dass der Telearbeiter kraft Gesetzes unfallversichert ist.
2. Arbeitsunfall
Kommt es während der Telearbeit bzw. der Homeoffice-Arbeit zu einem Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB VII, dann hat der Telearbeiter alle Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 26 SGB VII wie z.B. Heilbehandlung einschließlich von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Anspruch auf Verletztengeld gem. § 45 SGB VII.
Ob ein Arbeitsunfall bei einer Telearbeit im eigenen Haus oder in der Wohnung (Home-Office) i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegt, hängt davon ab, ob der Unfall bei der versicherten Tätigkeit (Telearbeit) geschah oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist (dazu eingehend BSG, 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R).
Beispiel:
Während der Telearbeit am PC im eigenen Haus klingelt der Paketbote. Der Arbeitnehmer geht aus dem ersten Stock die Treppe hinunter zur Haustür und stürzt dabei die Treppe hinunter.
Die Antwort auf die Frage, ob hier wegen des Unfalls und wegen des erlittenen Gesundheitsschadens ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht, hängt davon ab, welchem (subjektiven) Zweck die Entgegennahme des Paketes diente.
Hat der Arbeitnehmer privat Kleidung bestellt und will die Sendung vom Paketboten entgegennehmen und kommt er dabei auf der Treppe zu Sturz, gehört diese Tätigkeit und der damit verbundene Unfall zum privaten, unversicherten Bereich.
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Druckerpatronen geschickt oder schicken lassen und kommt er auf dem Wege zur Haustür, als er das Paket entgegennehmen will, zu Sturz, ist der Sturz dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz umfasst sind somit alle Verrichtungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wie z.B. Wechseln der Druckerpatrone, Einfüllen von neuem Papier, aber auch das Waschen der von der Druckerpatrone verschmutzten Hände.
Erwartet der Arbeitnehmer sowohl die bestellte Kleidung als auch neue Druckerpatronen, weiß aber nicht, was der Paketbote bringt, und kommt auf dem Wege zur Haustür zu Sturz, dann ist bei einer solchen Verrichtung mit einer gemischten Motivationslage jeweils zu fragen, ob die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre.
In zwei Entscheidungen hatte sich das Bundessozialgericht damit zu befassen, ob Unfälle auf Treppen zu Büroräumen bei einer Home-Office-Arbeit innerhalb des Hauses bzw. der Wohnung Arbeitsunfälle nach der gesetzlichen Unfallversicherung sind (BSG, 27.11.2018 - B 2 U 8/17 R u. BSG, 27.11.2018 - B 2 U 28/17 R).
In beiden Fällen wohnten die verletzten Personen - ein Versicherungsmakler und eine Vertriebsmitarbeiterin - jeweils in einem Mehrfamilienhaus, in dem sich auch die Büroräume befanden, in denen sie arbeiteten. Auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeit stürzten beide jeweils auf einer Treppe. Die Vertriebsmitarbeiterin arbeitete als Telefonverkäuferin im Vertrieb des Unternehmens - im Home-Office von zuhause. Ihr Büroraum lag im Kellergeschoss. Als sie mit ihrem Laptop die Kellertreppe hinunterging, um von ihrem Home-Office-Raum aus ihren Vorgesetzten anzurufen, stürzte sie und verletzte sich an der Wirbelsäule. Der Versicherungsmakler stürzte auf dem Weg von seinen Büroräumen zum Serverraum, der sich im Keller des Hauses befand. Dabei brach er sich das Kahnbein.
Nach dem Bundessozialgericht handelte es sich in dem Fall der Telefonverkäuferin bei deren Unfall eindeutig um einen Arbeitsunfall, weil diese zweifelsfrei und belegbar eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hatte. Sie hatte deshalb einen Unfallversicherungsschutz in der eigenen Wohnung bzw. im Treppenhaus des Hausflures. Es kommt nach dem BSG allein auf die "objektive Handlungstendenz" des Beschäftigten an.
Maßgebend für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes ist nicht, ob und wie oft der Unfallort (die Treppe) auch privat genutzt wird, und auch nicht die objektive Häufigkeit der Nutzung des konkreten Unfallorts innerhalb des Hauses, sondern die durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigte Handlungstendenz der Beschäftigten, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen. Das ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Telefonverkäuferin eindeutig auf dem Weg in ihren dienstlichen Home-Office-Raum war und eindeutig in der Absicht, dienstliche Tätigkeiten zu verrichten, hier ein Telefonat mit dem Vorgesetztem.
Die Sache des Versicherungsmaklers wurde dagegen zur weiteren Sachaufklärung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen.
Daraus folgt:
Hinweis:
Ist die Telearbeit bzw. die Arbeit im Homeoffice - ganz oder teilweise - tatsächlich der arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsort, gehören alle mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeit zusammenhängenden Handlungen im Haus oder in der Wohnung zu der versicherten Tätigkeit gem. § 8 SGB VII, so z.B.
das Einrichten, die Veränderung oder die Reparatur des Arbeitplatzes und seiner damit unmittelbar verbundenen Arbeitsumgebung wie z.B. Jalousien, Lichtschalter oder Steckdosen;
die Beschaffung, das Verwahren oder die Instandhaltung und Erneuerung von Arbeitsgeräten;
die Bedienung aller mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden technischen Geräte, wie z.B. PC, Laptop, Smartphone oder Drucker;
das Beschaffen von Hilfsmitteln wie Druckerpatronen, Schreibgeräte oder Papier;
die Entsorgung nicht mehr benötigter Hilfsmittel, Dokumente oder Unterlagen.
3. Betriebswege bei der Telearbeit bzw. im Homeoffice
Betriebswege bei der Telearbeit bzw. im Homeoffice können innerhalb der Wohnung oder des Hauses, aber auch außerhalb anfallen, z.B. wenn der Arbeitnehmer Hilfsmittel wie Druckerpatronen, Schreibgeräte oder Papier beschafft oder kauft oder nicht mehr benötigte Druckerpatronen, Dokumente oder Unterlagen entsorgt.
Diese Betriebswege sind damit Teil der versicherten Tätigkeit.
Betriebswege sind - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden und damit Teil der versicherten Tätigkeit sind (BSG, 12.01.2010 - B 2 U 35/08 R; BSG, 02.04.2009 - B 2 U 25/ 07 R; BSG, 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R).
Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen (BSG, 18.06.2013 - B 2 U 7/12 U).
Betriebswege sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (BSG, 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R; BSG, 28.02.1990 - 2 RU 34/89).
Die Abgrenzung von Betriebswegen zu Wegen, die nicht im betrieblichen, sondern im privaten Interesse erfolgen, kann im Einzelfall schwierig sein, wie die Abgrenzungsversuche der neueren Rechtsprechung des Bundesozialgerichts zeigen (BSG, 05.07.2016 -B 2 U 5/15 R; BSG, 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R).
In zwei Entscheidungen hatte sich das Bundessozialgericht damit zu befassen, ob Unfälle auf Treppen zu Büroräumen bei einer Home-Office-Arbeit innerhalb des Hauses bzw. der Wohnung Arbeitsunfälle nach der gesetzlichen Unfallversicherung sind (BSG, 27.11.2018 - B 2 U 8/17 R u. BSG, 27.11.2018 - B 2 U 28/17 R).
Siehe zum Sachverhalt und den sich aus dem Urteil ergebenden Konsequenzen oben näher unter Gliederungspunkt: 2. Arbeitsunfall
Daraus folgt:
Hinweis:
Betriebswege innerhalb oder außerhalb des Hauses oder der Wohnung, die eine Vor- oder Nachbereitung der eigentlich versicherten Tätigkeit darstellen, wie z.B. der Weg zum Drucker oder zum Lagerraum für Büroartikel oder zum Kauf einer Druckerpatrone im Geschäft sind der versicherten Tätigkeit nach § 8 SGB VII zuzuordnen.
4. Private Verrichtungen während der Telearbeit/Homeoffice-Arbeit
Wege innerhalb der Wohnung vom Telearbeitsplatz/Homeoffice-Arbeitsplatz in die Küche oder auf die Toilette sind dagegen rein private Verrichtungen und unterliegen damit nicht dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R).
In dem dem Urteil des Bundessozialgerichts zugrunde liegenden Sachverhalts hatte eine Arbeitnehmerin in Absprache mit dem Arbeitgeber im Homeoffice gearbeitet und sich beim Wasserholen den Fuß gebrochen. Die Betriebsbedingtheit des Weges liegt nach diesem Urteil des BSG jedenfalls nicht bereits darin, dass die Arbeitnehmerin im Homeoffice den Weg zur Küche über die Treppe deshalb zurücklegen musste, weil sie sich zuvor in ihrem Arbeitszimmer aufgehalten hatte. "Die Arbeitnehmerin unterlag hinsichtlich der beabsichtigten Flüssigkeitszufuhr keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen. Es stand vielmehr in ihrem Belieben, ob und wann sie sich wegen des nicht betriebs-, sondern krankheitsbedingten Trinkbedürfnisses Wasser aus der Küche holt. Der Weg zur Küche war weder räumlich durch einen außerhalb der Wohnung gelegenen Betriebsort vorgegeben noch innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu erledigen und stand in keinem Zusammenhang mit bereits erbrachter Arbeit."
Hinweis:
Das ist also der wesentliche Unterschied zur Arbeit im Betrieb. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der Weg zur Toilette und zur Nahrungsaufnahme im Betrieb versichert, im Homeoffice dagegen nicht.
5. Wegeunfall
Der Wegeunfall ist wie der Arbeitsunfall versichert (§ 8 Abs. 2 SGB VII). Der Schutzzweck der Wegeunfallversicherung ist es, den Arbeitnehmer vor den spezifischen Gefahren des Verkehrs zu schützen (BSG, 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R).
Ein Weg im Haus bzw. innerhalb der Wohnung eines Arbeitnehmers in Telearbeit/Homeoffice-Arbeit ist deshalb kein Wegeunfall, so dass ein Arbeitnehmer in Telearbeit/Homeoffica-Arbeit nicht innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort seiner Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sein kann.
Andererseits ist natürlich der Weg vom Homeoffice zur Betriebsstätte gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dann versichert, wenn z.B. das Home-Office nur an zwei Tagen in der Woche genutzt wird oder wegen einer angeordneten Dienstbesprechung die Betriebsstätte aufgesucht wird.