Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Arbeitnehmer - Außerdienstliches Verhalten
Arbeitnehmer - Außerdienstliches Verhalten
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Einzelheiten
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 4.
Information
1. Allgemeines
Bei ihrer Arbeitsleistung sind Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) unterworfen. Auf ihr Verhalten in der Freizeit hat der Betrieb in der Regel keinen Einfluss (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18). Was aber gilt, wenn die Freizeitgestaltung als Leistungsstörung im Rahmen des Arbeitsvertrages einzustufen ist oder gar die Eignung für den Beruf in Frage stellt? Lesen Sie in dem Beitrag alles Wichtige zu diesem Thema.
2. Arbeitsvertrag
2.1 Allgemeines
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend gewährleistet. Lediglich soweit Rechte anderer oder die Verfassung verletzt werden, ist die Handlungsfreiheit eingeschränkt. Außerdem ist auch das Recht auf freie Meinungsäußerung i.S.v. Art. 5 GG zu berücksichtigen. Auch dieses ist u.a. durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre eingeschränkt. Durch diese Freiheitsrechte kann der Betrieb in der Regel seinem Mitarbeiter keine Vorschriften machen, was er in seiner Freizeit zu tun und zu lassen hat. Insbesondere ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ein den Vorstellungen des Arbeitgebers entsprechendes, gesittetes Leben zu führen. Jede Partei eines Arbeitsvertrags ist jedoch zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). Der Arbeitnehmer muss daher auch im Rahmen seiner Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag die Interessen des Arbeitgebers so wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13; LSG Berlin-Brandenburg, 20.05.2019 – 5 Sa 2060/18). Diese Verpflichtungen gelten umgekehrt natürlich auch für den Arbeitgeber (BAG, 23.06.1994 – 2 AZR 617/93).
2.2 Leistungsstörungen und persönliche Eignung
Einschränkungen der Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers bei Freizeitaktivitäten sind aber auch in diesem Rahmen nur unter besonderen, strengen Voraussetzungen zu bejahen. Durch die Gestaltung der Freizeit muss das Arbeitsverhältnis konkret berührt werden. Dies gilt zunächst, wenn das außerdienstliche Verhalten sich als Leistungsstörung im Rahmen des Arbeitsvertrages auswirkt. Damit stellt es sich als Verletzung der vertraglichen Pflichten dar. Nach der Rechtsprechung des BAG ist dem gleichzustellen, wenn die betriebliche Verbundenheit der Mitarbeiter oder das Vertrauensverhältnis tangiert wird (siehe z.B. BAG, 24.09.1987 – 2 AZR 26/87). Außerdem kann das Freizeitverhalten die persönliche Eignung des Mitarbeiters für die betriebliche Tätigkeit in Frage stellen (z.B. einem Kraftfahrer durch verkehrswidriges Verhalten in der Freizeit wird der Führerschein entzogen).
Ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, richtet sich nach den Umständen im Einzelfall. Dabei kann neben den konkreten Freizeitaktivitäten insbesondere auch die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb eine Rolle spielen. An das Verhalten eines leitenden Mitarbeiters sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als z.B. bei einem Arbeiter in der Produktion.
2.3 Freizeitverhalten und Arbeitsvertrag
Klauseln in Arbeitsverträgen, die dem Beschäftigten Vorgaben für sein Verhalten in der Freizeit machen, sind in der Regel nicht zulässig, da sie die grundgesetzlich geschützte freie Entfaltung der Persönlichkeit einschränken.
Ausnahmen gelten für Tätigkeiten, bei denen besondere Anforderungen an die Sicherheit zu erfüllen sind. Daher kann der Arbeitsvertrag z.B. regeln, dass ein Busfahrer oder ein Pilot eine bestimmte Zeit vor Dienstbeginn keinen Alkohol konsumieren darf. Hier hat die Sicherheit der Fahr- oder Fluggäste Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters. Einem Berufskraftfahrer kann wirksam gekündigt werden, wenn er am dienstfreien Wochenende im privaten Umfeld Amphetamin und Methamphetamin konsumiert. Dabei ist unerheblich, ob bei den in der folgenden Arbeitswoche durchgeführten Fahrten die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt war. Für die Wirksamkeit der Kündigung spielt es auch keine Rolle, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit eingenommen wurde (BAG, 20.10.2016 – 6 AZR 471/15).
Soweit im Einzelfall entsprechende arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Klauseln zulässig sind, müssen diese hinreichend bestimmt sowie klar und verständlich sein (ErfK 18. Aufl. 2018/Preis/§ 611a BGB, Rn. 732).
Fraglich ist, ob die Nichteinhaltung der Corona-Regeln in der Freizeit (wie z.B. des Abstandsgebotes oder der Maskenpflicht) arbeitsrechtlich sanktioniert werden kann. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt werden kann oder das Verhalten des Mitarbeiters auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt. In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Osnabrück ging es um das Verhalten eines Mitarbeiters, der ein Selfie per Whatsapp veröffentlichte, das ihn mit mehreren Männern in enger Runde beim Kartenspiel zeigte. Er kommentierte dies mit einem lachenden Smiley und der Bildunterschrift "Quarantäne bei mir". Der Arbeitgeber hatte kurz zuvor in Zusammenhang mit der Corona – Pandemie eine Betriebsversammlung zu den Sicherheitsbestimmungen durchgeführt. Er nahm das Verhalten des Mitarbeiters zum Anlass, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Der Arbeitnehmer erhob Klage und argumentierte, es habe sich um einen Scherz gehandelt. Das Verfahren endete durch Vergleich.
2.4 Sonderregelungen für Tendenzbetriebe
Ausnahmen gelten für sog. Tendenzbetriebe, wie Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Parteien (§ 118 BetrVG). Bei diesen Unternehmen können aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft für die Mitarbeiter besondere Loyalitätspflichten gelten. Insbesondere für die Kirchen gilt ein besonderes Arbeitsrecht, das auch stärker als üblich in die Privatsphäre des Mitarbeiters eingreift. Da die Verfassung den Kirchen eine eigenständige Rechtsordnung zugesteht (vgl. Art. 140 GG), können sie von ihren Mitarbeitern ein im Verhältnis zu ihrem Selbstverständnis loyales Verhalten verlangen; dies gilt auch in der Freizeit. Insbesondere darf das Leben des Mitarbeiters nicht in krassem Widerspruch zu den grundlegenden Werten des Tendenzbetriebes stehen. Begrenzt sind solche Verhaltensregeln nur insoweit, als sie nicht im Widerspruch zu den verfassungsmäßig garantierten Rechten der Arbeitnehmer und den Festlegungen des Arbeitsvertrages stehen dürfen. Die in diesem Zusammenhang aufgetretenen Probleme wurden entschärft durch die von der katholischen Bischofskonferenz beschlossene neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" i.d.F. vom 27.04.2015. Hierdurch wurden u.a. die Konsequenzen aus dem Verhalten in der Privatsphäre, wie z.B. eine zivilrechtliche Wiederverheiratung ohne eine vorherige Annullierung der katholisch geschlossenen Ehe oder das Eingehen einer homosexuellen Lebenspartnerschaft, deutlich abgemildert. Generell ist bei Verstößen gegen die Grundordnung vor einer Kündigung eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
Ein Chefarzt eines konfessionellen Krankenhauses, der nach Scheidung wieder standesamtlich geheiratet hat, begeht nach der Grundordnung der katholischen Kirche einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung eines leitenden Mitarbeiters ausschließt. Zu den leitenden Mitarbeitern gehören auch Chefärzte. Der Chefarzt klagte gegen die Kündigung und bekam zunächst in allen Instanzen Recht. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch das BAG – Urteil aufgehoben (22.10.2014 – 2 BvR 661/12) und die Sache an das BAG zurückverwiesen. Dieses hat das Verfahren ausgesetzt, um durch den EuGH Rechtsfragen im Zusammenhang mit der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie vorab klären zu lassen (28.07.2016 – 2 AZR 746/14 [A]). Der EuGH hat entschieden, dass die Kündigung des Chefarztes wegen der erneuten Eheschließung nach Unionsrecht eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen kann. Die Anforderung an den Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, erscheine nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Die ggf. dafür festgelegten Anforderungen an die Mitarbeiter oblägen auch bei den Kirchen der gerichtlichen Kontrolle. Zu entscheiden hätten dies jedoch die nationalen Gerichte (EuGH, 11.09.2018 – C-68/17). Damit musste das BAG endgültig entscheiden. Nach seiner Auffassung war die Kündigung nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Chefarztes sozial gerechtfertigt. Die römisch-katholische Kirche darf Mitarbeiter in leitender Stellung aufgrund besonderer Loyalitätspflichten nur unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der beruflichen Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Der Chefarzt habe mit seiner Wiederverheiratung weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Kirche verletzt. Die entsprechende Klausel im Dienstvertrag sei unwirksam, weil der Chefarzt gegenüber anderen, nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern benachteiligt werde. Nationales Verfassungsrecht stehe dem nicht entgegen (BAG, 20.02.2019 – 2 AZR 746/12).
Zu differenzieren ist hinsichtlich der Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer von Kirchen danach, ob es sich um einen Mitarbeiter handelt, der verkündungsnahe Aufgaben im pastoralen und katechetischen Dienst wahrnimmt (Art. 4 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse). Für diese Mitarbeiter ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Verkündungsnahe Aufgaben nimmt auch ein Kirchenmusiker wahr (LAG Düsseldorf, 12.09.2018 – 12 Sa 757/17). Das BAG hat einen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verneint, nachdem zuvor der EGMR festgestellt hatte, dass die Kündigung des Arbeitnehmers wegen Eingehung einer neuen Partnerschaft nach Trennung von seiner Ehefrau rechtswidrig war (EGMR, 23.09.2010 und 28.09.2012 – 1620/03). Der EGMR hatte bereits eine Entschädigung von 40.000 EUR festgesetzt (BAG, 19.12.2019 – 8 AZR 511/18).
Bei Tendenzunternehmen bzw. -betrieben mit einer erzieherischen Konzeption i.S.d. § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG sind Tendenzträger regelmäßig nur solche Arbeitnehmer, die bei tendenzbezogenen Tätigkeitsinhalten im Wesentlichen frei über die Aufgabenerledigung entscheiden können. Sofern Erzieher nicht zur Mitgestaltung der Tendenzziele verpflichtetet bzw. berechtigt sind, sind die besonderen Regelungen für Tendenzbetriebe nicht anwendbar (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12.02.2020 – 3 TaBV 7/19).
Kein karitativer Tendenzbetrieb ist ein Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (BAG, 22.05.2012 – 1 ABR 7/11, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen – BVerfG, 30.04.2015 – 1 BvR 2274/12 – lexetius.com/2015,1473).
2.5 Sonderregelungen im öffentlichen Dienst
2.5.1 Laufendes Arbeitsverhältnis
Auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gelten besondere Regeln, insbesondere wenn sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Sie unterliegen auch beim Verhalten außerhalb des Betriebes besonderen Verhaltenspflichten. Dies gilt in besonderer Weise auch für die Beamten. Beide Beschäftigtengruppen - Arbeitnehmer und Beamte - dürfen insbesondere keine Freizeitaktivitäten ausüben, die auf die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielen (BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 372/11). Dafür spricht z.B. die aktive Mitgliedschaft in einer Organisation, die verfassungswidrige Ziele verfolgt. Sie kann zumindest Zweifel an der Eignung für die Tätigkeit auslösen – wobei es auch auf die konkrete Aufgabe des Mitarbeiters ankommt. Die Mitgliedschaft in einer verfassungswidrigen Partei reicht auch im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis nicht aus, um eine Kündigung auszusprechen (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09).
Ein Mitarbeiter, der während der Arbeitszeit im Pausenraum der Dienststelle die Originalausgabe "Mein Kampf" mit eingeprägtem Hakenkreuz liest, verstößt gegen seine Verpflichtung, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen und kann auch ohne Abmahnung gekündigt werden (LAG Berlin-Brandenburg, 25.09.2017 – 10 Sa 899/17). Wenn die Entscheidung auch einen starken Bezug zum Dienst hat, dürften auch vergleichbare Freizeitaktivitäten ähnlichen Einschränkungen unterliegen.
Auch eine Straftat außerhalb der beruflichen Tätigkeit kann zum Verlust der Eignung für die dienstliche Verwendung führen (BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 583/12). Aber auch im öffentlichen Dienst können außerdienstliche Straftaten eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn sie ein gewisses Gewicht haben oder sie im Widerspruch zu den Aufgaben der Behörde stehen bzw. die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden können (LAG Hamm, 12.02.2009 – 17 Sa 1567/08; LAG Köln, 14.01.2020 – 7 Sa 79/19). Ein Polizeibeamter kann wegen erheblicher Straftaten im außerdienstlichen Bereich und einer im innerdienstlichen Bereich begangenen Straftat aus dem Dienst entfernt werden (VG Trier, 18.09.2018 – 3 K 14676/17.TR).
Ein Polizeibeamter, der sich mit dem Reichsbürger-Spektrum identifiziert und erklärt, weder die Funktion noch die Legitimation seines Dienstvorgesetzten zu akzeptieren, kann aus dem Dienst entfernt werden (VG Trier, 14.08.2018 – 3 K 2486/18.TR). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Polizist von den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes losgesagt habe.
Ein Lehrer, der privat den Youtube-Kanal "Volkslehrer" betrieb, dort den Rechtsstaat verunglimpft und volksverhetzende Inhalte verbreitet hat, ist für den Schuldienst nicht geeignet. Seine fristlose Kündigung ist daher rechtmäßig (ArbG Berlin, 16.01.2019 – 60 Ca 7170/18 60). Die persönliche Eignung für eine Tätigkeit als Lehrer im öffentlichen Dienst fehlt nach Auffassung des Arbeitsgerichts, weil davon ausgegangen werden muss, dass sich der Kläger auch künftig nicht in ausreichendem Maße zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung i.S.d. GG bekennt. Das Handeln des Lehrers ziele darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung in Frage zu stellen und verächtlich zu machen.
Rassistische und beleidigende Äußerungen, die ein LKA-Mitarbeiter auf Facebook machte, sind kein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung. Nach einer Beschäftigungsdauer von 17 Jahren ohne Beanstandungen sei es dem Arbeitgeber vielmehr zumutbar, zunächst eine Abmahnung auszusprechen, um dem Mitarbeiter die Möglichkeit einer Verhaltensänderung zu geben und damit den Weg zur Beseitigung der Verhaltensstörung zu ebnen. Nach Ansicht des Gerichts zeigten jedoch die Äußerungen auf Facebook und während der Verhandlung, dass dem Mitarbeiter die persönliche Eignung für seine Tätigkeit fehlt. Daher sei unter einer Interessenabwägung eine ordentliche, personenbedingte Kündigung angemessen gewesen (LAG Thüringen, 14.11.2018 – 6 Sa 204/18).
Ein Polizeibeamter, der in der Partei "Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen (Pro NRW)" hochrangige Funktionen wahrnimmt, verstößt gegen die politische Treuepflicht und kann daher aus dem Dienstverhältnis entfernt werden (OVG Nordrhein-Westfalen, 27.09.2017 – 3dA 1732/14.0 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BVerwG, 20.08.2018 – 2 B 6.18 – Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, 28.03.2019 – 2 BvR 2432/18).
Ein Beamter auf Probe, der u.a. an einer gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gerichteten Demonstration teilnimmt, kann aus dem Dienstverhältnis entlassen werden VGH Hessen, 22.10.2018 – 1 B 1594/18). Der ehemalige Beamte hat nach der Entscheidung daneben durch weitere, im Hinblick auf die Werte der Verfassung kritische Aktivitäten erhebliche Zweifel aufkommen lassen, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt. Damit hat er sich in der Probezeit nicht bewährt.
Einem Polizeianwärter, der in einem Video bei Youtube eine Betrugsmasche nachgestellt hat, verstößt gegen die Kernpflichten als Polizeibeamter; eine Entlassung ist daher aufgrund von Zweifeln an der charakterlichen Eignung für den Polizeidienst gerechtfertigt (OVG Berlin-Brandenburg, 24.10.2019 – 4 S 44.19; 4 M 10.19).
Ein Soldat, der den Hitlergruß zeigt, Parolen geäußert hat, die den Nationalsozialismus verherrlichen und eine Bomberjacke mit der Reichskriegsflagge getragen hat, kann fristlos entlassen werden. Er hat seine Verhaltenspflichten verletzt und dem Ansehen der Bundeswehr geschadet. Auch außerhalb des Dienstes muss er sich so verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, das die dienstliche Stellung erfordert, nicht beeinträchtigt werden (VG Koblenz, 19.12.2018 – 2 K 135/18.KO).
Ein Hausmeister bei der Bundeswehr, der einer rechtsextremen Kameradschaft angehört, sich an mehreren Veranstaltungen der rechten Szene beteiligt und in sozialen Medien seine Zustimmung zu rechtsextremen Inhalten geäußert hat, kann fristlos gekündigt werden (ArbG Berlin, 17.07.2019 – 60 Ca 455/19). Allerdings war im entschiedenen Fall im Hinblick auf das langjährig bestehende Arbeitsverhältnis eine Auslauffrist erforderlich und angemessen.
Hat sich ein Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Schülerin strafbar gemacht (§ 176 StGB), liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung auch, wenn die Straftat außerhalb der Schule begangen wurde. Eine Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung ist dann grundsätzlich entbehrlich, da die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen ist.
Der strafbare Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer führt selbst bei geringer Menge im Rahmen disziplinarischer Maßnahmen in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, 24.10.2019 – 2 C 3/18 und 2 C 4/18).
2.5.2 Einstellungsverfahren
Die Gewähr, dass Beamte jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten, ist auch schon im Einstellungsverfahren Gegenstand der Prüfung, ob der Bewerber persönlich geeignet ist.
Ein Bewerber für eine Ausbildung bei der Bundespolizei kann abgelehnt werden, wenn er in seinem Profil in einem sozialen Netzwerk neben dem Bekenntnis zum islamischen Glauben auch eine Aussage veröffentlicht, es "sei eine größere Sünde, nicht zu beten, als einen Menschen zu töten" (VG Koblenz, 03.11.2016 – 2 L 1159/16 KO). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich der Bewerber von diesen Aussagen nicht distanziert und damit den Eindruck erweckt, er identifiziere sich damit.
Eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für die gehobene Laufbahn kommt nur in Betracht, wenn der Bewerber hierfür nach seiner Persönlichkeit geeignet ist. Diese Eignung wird insbesondere nach einer Straftat in Frage gestellt. Ein Bewerber, der als Fahrradfahrer im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,25 Promille auffällt, ist persönlich ebenso wenig geeignet wie ein Antragssteller, der drei in Deutschland nicht zugelassene Feuerwerkskörper von seinem Balkon in Richtung eines Kinderspielplatzes wirft (VG Berlin, 05.05.2017 – 26 L 151.17 und 26 L 331.17). In beiden Fällen waren Strafverfahren anhängig. Nach Meinung des Gerichts ist es nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität des Bewerbers stelle.
Verschweigt ein Bewerber für den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst bei der Bundespolizei ein gegen ihn wegen Körperverletzung geführtes, aber eingestelltes Ermittlungsverfahren, hat er die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben verletzt; dies lasse befürchten, dass auch künftig mit vergleichbarem Fehlverhalten zu rechnen sei. Das VG Mainz hat einen Eilantrag des Bewerbers zur vorläufigen Aufnahme in den Vorbereitungsdienst u.a. aus diesen Gründen abgelehnt (VG Mainz, 19.03.2019 – 4 L 105/19.MZ). Die Einstellung eines Bewerbers, bei dem aufgrund eines letztlich eingestellten Strafverfahrens wegen Betruges Zweifel an der charakterlichen Eignung für den Polizeidienst bestehen, kann abgelehnt werden (VG Aachen, 21.06.2019 – 1 L 505/19). Hat der Dienstherr in Kenntnis staatsanwaltlicher Ermittlungsverfahren, die eingestellt wurden, nach einem Eignungstest eine verbindliche Zusage gegeben, ist er grundsätzlich daran gebunden. Dies gilt auch, wenn die Zusagen zwar zurückgenommen wurden, diese Rücknahme aber wegen Anfechtung nicht rechtswirksam ist. Der Dienstherr darf aber seine Eignungsbewertung einer erneuten Prüfung unterziehen, wenn sich hinreichende Gründe dafür ergeben (siehe VG Gießen, 06/07.09.2017 – 5 L 5577/17.GI; 5 L 6579/17.GI, 5 L 6584/17.GI und 5 L 6602/17.GI).
Ein Bewerber für eine Stelle als Tarifangestellter im öffentlichen Dienst für eine Tätigkeit im Objektschutz kann trotzt grundsätzlicher Eignung abgelehnt werden, wenn gegen ihn eine Jugendstraft wegen gefährlicher Körperverletzung verhängt wurde (LSG Berlin-Brandenburg, 17.05.2018 – 10 Sa 163/18).
Auch Schwarzfahren kann fatale Folgen haben: Nachdem ein Bewerber um eine Lehrerstelle mehrfach schwarz mit der S-Bahn gefahren war, wurde er wegen versuchten Betruges verurteilt. Aufgrund seiner Bewerbung erhielt er zunächst eine Zusage unter dem Vorbehalt der persönlichen und körperlichen Eignung. Nachdem das Führungszeugnis vorlag, lehnte das Land Berlin im Hinblick auf die Verurteilung die Einstellung wegen mangelnder persönlicher Eignung ab. Das LAG billigte die Entscheidung des Landes; die Ablehnung der Einstellung wegen charakterlicher Mängel sei nicht ermessensfehlerhaft (LAG Berlin-Brandenburg, 31.03.2017 – 2 Sa 122/17).
3. Einzelheiten
3.1 Gefährliche Sportarten
Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die dem Arbeitnehmer bestimmte gefährliche Sportarten untersagt, wäre unwirksam. Denn ob ein Sport gefährlich ist und daher die Gefahr einer Leistungsstörung in sich birgt, ist nur aufgrund des konkreten Einzelfalles zu entscheiden. Dabei spielen die Fitness und Trainingsstand des Sportlers eine wesentliche Rolle.
3.2 Nebentätigkeiten
Der Mitarbeiter ist berechtigt, eine oder mehrere Nebentätigkeiten auszuüben. Daher muss er sich diese in der Regel auch nicht von dem Arbeitgeber genehmigen lassen. Eine Ausnahme gilt, wenn eine entsprechende (tarif)vertragliche Regelung die Anzeige- bzw. Genehmigungspflicht vorsieht. Auch wenn nach dem Arbeitsvertrag eine Genehmigung erforderlich ist, kann der Arbeitgeber diese nicht nach Belieben verweigern. Es muss vielmehr nachvollziehbar sein, dass die Tätigkeit den Interessen des Betriebes entgegensteht (BAG, 11.12.2001 – 9 AZR 464/00).
Der zusätzliche Job darf jedoch nicht dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit in der Hauptbeschäftigung beeinträchtigt wird. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn durch Haupt- und Nebenbeschäftigung insgesamt die maximal zulässige Höchstarbeitszeit überschritten wird (vgl. § 3 ArbZG, BAG, 11.12.2001 – 9 AZR 464/00). Außerdem kann eine Nebentätigkeit unzulässig sein, wenn diese für den Arbeitgeber rufschädigend ist (z.B. wenn ein leitender Mitarbeiter einer Bankfiliale nebenher als Türsteher im Rotlichtmilieu arbeitet) oder es sich um eine Konkurrenztätigkeit handelt.
Besonders problematisch ist, wenn der Mitarbeiter arbeitsunfähig krank ist, aber in dem Nebenjob weiter arbeitet. Da sich die Frage der Arbeitsunfähigkeit immer nach der ausgeübten Tätigkeit richtet, ist es durchaus denkbar, dass der Arbeitnehmer in seinem Hauptberuf mit der Arbeit aussetzen muss, aber die Nebentätigkeit auch ohne negative Wirkung auf den Genesungsprozess weiter verrichten kann. Wird jedoch der Heilungsprozess beeinträchtigt, liegt ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten vor (siehe auch Arbeitsunfähigkeit - Freizeitverhalten sowie LAG Köln, 16.10.2013 – 11 Sa 915/12).
3.3 Straftaten
Soweit sich Straftaten auf das Ansehen des Arbeitgebers oder auf das Vertrauensverhältnis auswirken, können sie als Leistungsstörung eingestuft werden und daher auch zur Kündigung berechtigen. Voraussetzung ist also, dass durch das außerdienstliche Verhalten Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt werden (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18). So riskiert ein Mitarbeiter einer Bank, der als Vereinskassierer eine Unterschlagung begangen hat, dass ihm der Arbeitgeber kündigt. Besonders gravierend sind Straftaten, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit begangen werden, wie z.B. die Annahme von Schmiergeldern (siehe LAG Düsseldorf, 03.02.2012 – 6 Sa 1081/11 – OpenJur 2012, 84967) oder Fahrerflucht mit einem Dienstfahrzeug.
Eine fristlose Kündigung kann in Betracht kommen, wenn dies die Eignung bzw. Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers für die geschuldete Arbeitsleistung entfallen lässt (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13). Dabei kommt es auf die Art und Schwere der Straftat, sowie die ausgeübte Tätigkeit und die Stellung im Betrieb an (LAG Düsseldorf, 12.04.2018 – 11 Sa 319/17; LAG Berlin-Brandenburg, 19.02.2019 - 7 Sa 2068/18). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. Es muss insbesondere auch geprüft werden, ob entsprechend dem Ultima-ratio-Prinzip zunächst mildere Mittel – wie eine Abmahnung – eingesetzt werden können und verhältnismäßig sind.
Ein Straftatbestand liegt auch vor, wenn pornografische Schriften jemanden ohne Aufforderung zugeleitet werden (§ 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Auch sexuelle Belästigungen sind strafrechtlich relevant (§ 184i StGB). Ebenso können fremdenfeindliche Äußerungen Straftatbestände wie Volksverhetzung, Beleidigung oder Verleumdung erfüllen.
Ein Straftatbestand kann auch bei ehrverletzenden Äußerungen vorliegen (§§ 185, 193 StGB). Zu dem Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht siehe BVerfG, 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19; 1 BvR 1094/19; 1 BvR 2397/19 u. 1 BvR 362/18; siehe hierzu auch 3.4.
Stalking kann ohne Berücksichtigung der strafrechtlichen Relevanz ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein (BAG, 19.04.2012 – 2 AZR 258/11).
Der Straftatbestand der üblen Nachrede ist erfüllt, wenn ehrenrührige Tatsachen zumindest gegenüber einem Dritten behauptet oder verbreitet werden und der Inhalt geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§ 186 StGB). Dabei muss dem Täter die Ehrenrührigkeit der Behauptung bewusst sein; nicht erforderlich ist dagegen, dass der Täter die Unwahrheit seiner Behauptung kannte. Verbreitet eine Mitarbeiterin über einen Kollegen via WhatsApp die (unwahre) Behauptung, dieser sei ein verurteilter Vergewaltiger, kann eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 – 17 Sa 52/18). Mit der Begehung einer Straftat verletzt der Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09). Eine Abmahnung war nach dem Urteil des LAG Baden-Württemberg (a.a.O.) nicht erforderlich, weil offensichtlich gewesen sei, dass der Arbeitgeber diese Straftat nicht dulden würde.
Der dringende Tatverdacht einer Unterschlagung, der durch Zeugenaussagen erhärtet wird, kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen (LAG Düsseldorf, 28.06.2019 – 6 Sa 994/18).
Zu Straftaten im Zusammenhang mit rassistischen Äußerungen siehe auch 3.7.
Zu berücksichtigen ist bei noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dass diese selbst nicht als Anlass für eine Kündigung ausreichen. Die im Strafprozess geltende Unschuldsvermutung wirkt sich auch im Arbeitsrecht aus.
3.4 Rufschädigung
3.4.1 Allgemeines
Eine Leistungsstörung kann auch vorliegen, wenn arbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzt werden, z.B. wenn die Freizeitaktivitäten des Arbeitnehmers das Ansehen und den Ruf des Betriebes schädigen. Gibt sich z.B. der Prokurist eines Unternehmens jedes Wochenende übermäßigem Alkoholgenuss mit entsprechend auffälligem Verhalten hin, kann dies Folgen für sein Arbeitsverhältnis haben. Ist ein Lizenzspieler eines Fußballvereins in eine Schlägerei verwickelt, kann dies dem Ruf des Vereins schaden und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Dem Ruf und Ansehen des Arbeitgebers schadet es, wenn in der Presse über eine Verfolgungsjagd berichtet wird, bei der ein alkoholisierter Verkäufer eines Autohauses beteiligt war und dabei eine Vielzahl von Verkehrsverstößen begangen hat. Unabhängig von der Tatsache, ob es sich um ein illegales Straßenrennen handelte oder um eine Verfolgungsjagd eines Diebes, widerspricht dies dem Ruf eines seriösen Autohauses (ArbG Düsseldorf, 12.07.2016 – 15 Ca 1769/16). Die Berufung endete mit einem Vergleich (LAG Düsseldorf, 17.11.2016 – 13 Sa 746/16).
Rufschädigend kann auch ein Auftritt eines Mitarbeiters bei einer Demonstration einer rechtsextremen Partei sein, bei dem der Dienstausweis des Arbeitgebers gut sichtbar am Gürtel getragen wird. Dennoch kann es im Einzelfall erforderlich sein, dass vor einer Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen wird. Wird dies unterlassen, ist die Kündigung unwirksam. Dies entschied das ArbG Nürnberg am 25.01.2017.
Die außerdienstliche politische Betätigung eines Arbeitnehmers berechtigt – auch wenn es sich um verfassungsfeindliche Organisationen handelt – bei privaten Arbeitgebern in der Regel nicht zur Kündigung. Nur wenn die berechtigten Interessen des Arbeitgebers sehr stark beeinträchtigt werden, kann es sein, dass die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers dahinter zurücktreten muss. Die politische Betätigung des Arbeitnehmers hat seine Grenzen dort, wo es dadurch zu einer konkreten Beeinträchtigung der Betriebsabläufe kommt.
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 241 Abs. 2 BGB muss sich aus einem Bericht in den Medien über ein außerdienstliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers (Zurschaustellung rechtsradikaler Gesinnung während einer Veranstaltung in einer Großraumdiskothek auf Mallorca), wobei der Name des Arbeitgebers bekannt gemacht worden ist, nicht ergeben, weil dies im konkreten Fall für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbar war (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18).
3.4.2 Freie Meinungsäußerung oder Schmähkritik?
Dagegen sind kritische Äußerungen im privaten Bereich über den Arbeitgeber in der Regel durch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) legitimiert. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (LAG Baden-Württemberg, 05.12.2019 - 17 Sa 3/19).
Arbeitnehmer dürfen bei einem vertraulichen Austausch von Meinungen darauf vertrauen, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen werden und der Betriebsfrieden bzw. das Vertrauensverhältnis nicht gestört werden (LAG Rheinland-Pfalz, 22.01.2015 – 3 Sa 571/14).
Auch eine inhaltlich unvertretbare Interpretation eines (Arbeits)vertragsinhalts kann öffentlich geäußert werden, da sie der Meinungsfreiheit unterliegt (ArbG Mönchengladbach, 15.04.2016 – 5 Ga 7/16). Dem Arbeitgeber steht insoweit kein Unterlassungsanspruch zu. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern wird durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Allerdings muss der auch strafrechtlich gewährleistete Ehrenschutz beachtet werden (LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 - 17 Sa 52/18 m.w.N.).
Eine vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre per SMS ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundgesetzlich gewährleistet (LAG Rheinland-Pfalz, 22.01.2015 – 3 Sa 571/14); BAG, 10.10.2002 – 2 AZR 418/01; vgl. aber LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 – 17 Sa 52/18). Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um Beleidigungen und Schmähkritik handelt. Ob eine Äußerung als Beleidigung zu bestrafen ist oder von der Meinungsfreiheit geschützt ist, muss im Wege der Abwägung entschieden werden (BVerfG 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17). Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19). Schmähkritik zielt ausschließlich auf Verunglimpfung und nicht auf Meinungsbildung ab (vgl. ArbG Bochum, 09.02.2012 – 3 Ca 1203/11). Bei Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik tritt die Meinungsfreiheit von vornherein zurück. Es bedarf daher insoweit im Einzelfall keiner Abwägung (BVerfG, 14.06.2019 a.a.O.). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik jedoch aufgrund der Verfassung eng auszulegen. Es handelt sich um einen Sonderfall der Beleidigung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 und 08.02.2017 1 BvR 2973/14). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Kritik darf vielmehr auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. (LAG Baden-Württemberg, 05.12.2019 – 17 Sa 3/19). Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17). Jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik steht nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19).
Zu dem Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht siehe BVerfG, 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19; 1 BvR 1094/19; 1 BvR 2397/19 u. 1 BvR 362/18. Die Entscheidungen ergingen zum Strafrecht. Das BVerfG hat das Verfahren 1 BvR 2397/19 dazu genutzt, seine Rechtsprechung zur Frage zusammenzufassen, welche Anforderungen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Verhältnis zu ehrbeeinträchtigenden Äußerungen stellt. U.a. wird in der Pressemitteilung dazu ausgeführt: "Da Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, auch wenn dies in polemischer oder verletzender Weise geschieht, greifen strafrechtliche Verurteilungen wegen Beleidigung (§ 185 StGB) in das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein. Die Anwendung dieser Strafnorm erfordert daher eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung und darauf aufbauend im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung fällt. Eine ehrbeeinträchtigende Äußerung ist daher nur dann eine gem. § 185 StGB tatbestandsmäßige und rechtswidrige (§ 193 StGB) Beleidigung, wenn das Gewicht der persönlichen Ehre in der konkreten Situation die Meinungsfreiheit des Äußernden überwiegt... Eine solche Abwägung kann zwar im Einzelfall entbehrlich sein, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Die Kammer hat aber in Bekräftigung der ständigen Rechtsprechung noch einmal deutlich gemacht, dass es sich dabei um Ausnahmefälle handelt, die an strenge Voraussetzungen geknüpft sind". Die Ausführungen dürften auch für die arbeitsrechtliche Bewertung solcher Sachverhalte relevant sein.
Um eine erhebliche Schmähkritik handelt es sich bei Äußerungen wie "Russen Arschloch" i.V.m. "Flasche" und "Russen Ei" sowie "Russen Idiot"; sie sind an sich ein wichtiger Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann (LAG Hessen, 21.09.2018 – 10 Sa 601/18).
Von dem Recht auf freie Meinungsäußerung sind auch emotionale und sogar unbegründete Äußerungen geschützt (LAG Rheinland-Pfalz, 02.03.2017 – 5 Sa 251/16). Allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein "Ausbeuter" zu sein, liegt noch keine Schmähkritik (BVerfG, 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17). Bei der Einordnung kommt es entscheidend auf den Gesamtzusammenhang einer Äußerung an. Handelt es sich danach um Schmähkritik, ist eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig. Dabei tritt die Meinungsfreiheit grundsätzlich hinter den Ehrenschutz zurück (BVerfG, 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 m.w.N.).
Die bewusst unwahre Äußerung über angebliche Handlungen des Arbeitgebers, von Vorgesetzen oder Kollegen ist nicht von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung ist auch gegeben, wenn bewusst wahrheitswidrige Behauptungen oder Gerüchte über die Geschäftsentwicklung des Arbeitgebers verbreitet und dadurch berechtigte Interessen des Unternehmens erheblich beeinträchtigt werden (z.B. der Betriebsfrieden oder der Betriebsablauf erheblich gestört oder die Erfüllung der Arbeitspflicht behindert wird – BAG, 10.12.2009 a.a.O.).
Das Gleiche gilt bei groben Beleidigungen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (BAG, 10.12.2009 – 2 AZR 534/08) oder den Ruf schädigen. Dies gilt insbesondere, wenn die Behauptungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG, 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 - siehe auch LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 – 17 Sa 52/18 und 05.12.2019 – 17 Sa 3/19). Ob eine Äußerung eine grobe Beleidigung darstellt, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden (LAG Schleswig- Holstein, 24.01.2017 – 3 Sa 244/16). Sie kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden. Dies gilt auch dann, wenn sie sich gegen Kollegen richtet (LAG Rheinland-Pfalz, 18.05.2016 – 4 Sa 350/15).
Eine grobe Beleidigung liegt z.B. vor, wenn einem Betriebsratsvorsitzenden der Hitlergruß mit den Worten "Du bist ein Heil, du Nazi" gezeigt wird (ArbG Hamburg, 20.10.2016 – 12 Ca 348/15). Eine grobe Beleidigung liegt auch vor, wenn Vorgesetzte als "Arsch" bzw. "soziales Arschloch" bezeichnet werden, selbst wenn sich der Mitarbeiter provoziert fühlt (LAG Schleswig-Holstein, 24.01.2017 – a.a.O.).
Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder Repräsentanten sowie von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind an sich geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei schützt das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen (LAG Hamm, 10.10.2012 – 3 Sa 644/12).
Eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer zwar sein Missfallen über die Länge einer Schicht ausgedrückt hat, jedoch weder behauptet, dass gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften verstoßen worden ist noch die Grenzen unsachlicher Schmähkritik überschreitet (LAG Rheinland-Pfalz, 25.09.2019 - 7 Sa 39/19).
Anders zu beurteilen sind Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen. Sie können durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sein. Ggf. ist eine Abgrenzung nach dem Schwerpunkt unter Berücksichtigung des Gesamtkontext, in dem die Äußerung steht, vorzunehmen (BAG, 18.12.2014 – 2 AZR 265/14). Meinungsäußerungen mit beleidigendem und rufschädigendem Charakter können grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen. Dennoch kann im Einzelfall durch die vorzunehmende Interessenabwägung eine Kündigung unzulässig sein, insbesondere, wenn der Arbeitnehmer im Lauf einer langjährigen Beschäftigung bisher keinen Grund zu einer einschlägigen Abmahnung geliefert hat (LAG Düsseldorf, 16.11.2015 – 9 Sa 832/15).
3.4.3 Soziale Netzwerke
Vorsicht ist auch geboten bei negativen Äußerungen über den Betrieb und die Vorgesetzten in sozialen Netzwerken. Soweit die Nachrichten einem großen Nutzerkreis zugänglich sind, kann damit eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten einhergehen (vgl. hierzu VGH Bayern, 29.02.2012 – 12 C 12.264). Beleidigende Äußerungen über Vorgesetze – auch in Form von so genannten Emoticons (drücken Stimmungs- und Gefühlszustände aus) – können einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) und damit an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellten (LAG Baden-Württemberg, 22.06.2016 – 4 Sa 5/16). Dies gilt auf jeden Fall, wenn der Kreis der Adressaten nicht eng begrenzt ist.
Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook – Nutzerkonto, die einen rassistischen und menschenverachtenden Inhalt haben, können jedenfalls dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sich aus dem Facebook – Nutzerkonto ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann (ArbG Mannheim, 19.02.2016 - 6 Ca 190/15; siehe auch ArbG Herne, 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15 und 3.7). Das ArbG hat trotz der von ihm anerkannten Verletzung der Nebenpflichten im Rahmen der gebotenen Abwägung die Kündigung als unzulässig erklärt, weil den Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Vorrang vor den Interessen des Betriebes einzuräumen war. Eine außerordentliche Kündigung kann auch gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer in seinem privaten Facebook-Nutzerkonto, das auch Aufschluss über seinen Arbeitgeber gibt, für jedermann zugänglich gegenüber Ausländern herabwürdigende Äußerungen mit rechtradikalem und fremdenfeindlichem Charakter postet. Solche Aussagen sind nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und stellen eine schwere Pflichtverletzung des Mitarbeiters dar (ArbG Gelsenkirchen, 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15). Dagegen sind private Textnachrichten mit fremdenfeindlichem Inhalt, die in einer kleinen Whats-App-Gruppe gepostet werden, nach Auffassung des ArbG Mainz kein Kündigungsgrund, da der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, dass sie nicht nach außen getragen werden (ArbG Mainz, 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17, 4 Ca 1241/17, 4 Ca 1242/17 und 4 Ca 1243/17; a. M. LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 – 17 Sa 52/18). Veröffentlicht ein Arbeitnehmer auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem Namen und in Straßenbahnuniform ein Foto mit einer meckernden Ziege mit der Sprechblase "Achmed, ich bin schwanger", so kann dies eine fristlose Kündigung der im Eigentum einer Stadt stehenden Straßenbahngesellschaft rechtfertigen (LAG Sachsen, 27.02.2018 – 1 Sa 515/17).
Fraglich ist, ob eine Verdachtskündigung (siehe 4.3) gerechtfertigt sein kann, wenn dieser Verdacht sich darauf bezieht, dass der Mitarbeiter durch sein außerdienstliches Verhalten nicht mehr tragbar ist, also den Ruf des Unternehmens schädigt.
Der bloße Verdacht eines islamistischen Extremismus, der rein außerdienstlich zu Tage getreten ist, rechtfertigt keine Kündigung (LAG Niedersachsen, 12.03.2018 – 15 Sa 319/17 – Revision zugelassen), auch wenn dem Mitarbeiter präventiv der Reisepass entzogen worden ist. Eine Kündigung ist nach dem Urteil nur gerechtfertigt, wenn diese zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses führt.
Verbreitet eine Arbeitnehmerin eine unzutreffende Behauptung, die geeignet ist, den Ruf eines Kollegen erheblich zu beeinträchtigen (hier: die unzutreffende Behauptung, der Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden) per WhatsApp an eine andere Kollegin, kann dies einen Grund darstellen, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt (LAG Baden-Württemberg, 14.03.2019 - 17 Sa 52/18).
Die Veröffentlichung von Fotos einer Baustelle im Rahmen einer Facebook-Gruppe stellt keine Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf Belange des Arbeitgebers dar, wenn hierdurch nicht der falsche Eindruck erweckt wird, dass gegen Arbeitsschutz-Vorschriften verstoßen wurde (LAG Rheinland-Pfalz, 25.09.2019 - 7 Sa 39/19).
3.5 Störung des Arbeitsablaufs bzw. des Betriebsfriedens
Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer extremistischen Organisation, hat dies bei Privatbetrieben – im Gegensatz zum öffentlichen Dienst – in der Regel keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Denn hier gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG). Allerdings nur so lange, wie dies nicht zu einer Pflichtverletzung im Rahmen des Arbeitsvertrages führt (vgl. auch LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18). Dabei müssen z.B. die Äußerungen und das Verhalten des Mitarbeiters zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs führen. Dementsprechend haben außerdienstliche Aktivitäten in der Regel keine arbeitsrechtlichen Auswirkungen. Der bloße Verdacht eines islamistischen Extremismus, der rein außerdienstlich zu Tage getreten ist, rechtfertigt daher keine Kündigung (LAG Niedersachsen, 12.03.2018 – 15 Sa 319/17), auch wenn dem Mitarbeiter präventiv der Reisepass entzogen worden ist. Eine Kündigung ist auch nach diesem Urteil nur gerechtfertigt, wenn diese zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses führt.
3.6 Verlust der Eignung für den Beruf
Außerdienstliches Verhalten kann zum Verlust der Eignung für den Beruf führen. Verliert z.B. ein Fernfahrer seinen Führerschein, wird seine Leistung damit unmöglich. Damit ist ein Grund zur personenbezogenen Kündigung gegeben. Das Gleiche gilt, wenn ein Horterzieher ein rechtsextremes Weltbild hat, das durch sein konkretes Verhalten belegt wird (ArbG Mannheim, 19.05.2015 – 7 Ca 254/14). Auch hierdurch hat der Arbeitnehmer seine Eignung für die konkrete Tätigkeit verloren und den Grund für eine personenbedingte Kündigung geliefert.
3.7 Rassistische Äußerungen
Die erhebliche Zuwanderung durch Flüchtlinge hat zu öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Aufnahme von Ausländern geführt. Dabei darf natürlich jeder Arbeitnehmer im außerdienstlichen Bereich seine Meinung zu diesem Thema öffentlich machen. Allerdings darf er durch sein Verhalten weder den Betriebsfrieden stören noch dem Ruf des Unternehmens (siehe 3.4) schaden. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn fremdenfeindliche Äußerungen einen Straftatbestand, wie Volksverhetzung, Beleidigung oder Verleumdung erfüllen. Fallen solche Äußerungen in der Freizeit, liegt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten nur vor, wenn ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der betreffende Arbeitnehmer in einer herausgehobenen Position steht oder im Zusammenhang mit der Äußerung erkennbar wird, bei wem er arbeitet.
Greift der Arbeitnehmer die Menschenwürde anderer an, indem er Teile der Bevölkerung, nämlich Asylbewerber, in sozialen Medien böswillig verächtlich macht und zum Hass gegen diese aufstachelt, ist dies ein Grund zur außerordentlichen Kündigung, wenn der Arbeitgeber des Verfassers für den Nutzer erkennbar ist (ArbG Herne, 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15 – Berufung beim LAG Hamm zurückgenommen).
Eine außerordentliche Kündigung kann auch gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer in seinem privaten Facebook-Nutzerkonto, das auch Aufschluss über seinen Arbeitgeber gibt, für jedermann zugänglich gegenüber Ausländern herabwürdigende Äußerungen mit rechtsradikalem und fremdenfeindlichem Charakter postet. Solche Aussagen sind nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und stellen eine schwere Pflichtverletzung des Mitarbeiters dar (ArbG Gelsenkirchen, 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15).
Islamfeindliche Äußerungen gegenüber einem Kollegen türkischer Herkunft per WhatsApp können als grobe Beleidigung an sich einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Der Verfasser kann sich weder auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung noch auf die Kunstfreiheit berufen (LAG Baden-Württemberg, 19.12.2019 – 3 Sa 30/19).
Dagegen sind private Textnachrichten mit fremdenfeindlichem Inhalt, die in einer kleinen Whats-App-Gruppe gepostet werden, nach Auffassung des ArbG Mainz kein Kündigungsgrund, da der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, dass sie nicht nach außen getragen werden (ArbG Mainz, 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17, ArbG Mainz, 15.11.2017 – 4 Ca 1241/17, 4 Ca 1242/17 und 4 Ca 1243/17). Die beteiligten Mitarbeiter hatten für den Austausch private Smartphones benutzt. Nach der Rechtsprechung des BAG darf es nicht zu Lasten eines Arbeitnehmers gehen, wenn ein Gesprächspartner entgegen der Vertraulichkeit von Äußerungen den Arbeitgeber informiert (BAG, 10.12.2009 – 2 AZR 534/08).
Voraussetzung für arbeitsrechtliche Konsequenzen ist, dass durch das außerdienstliche Verhalten Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt werden (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18). Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die außerhalb des Betriebes erfolgten rassistischen Äußerungen bzw. Handlungen gegen einen Kollegen richten und ein Bezug zu dem Betrieb hergestellt werden kann. Aufgrund § 12 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeiter vor einer Benachteiligung, u. a. wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, zu schützen. Dazu gehören auch vorbeugende Maßnahmen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber die Arbeit so gestalten, dass Gefährdungen der Arbeitnehmer vermieden bzw. so gering wie möglich gehalten werden (§ 4 Nr. 1 ArbSchG). Gefährdungen können auch durch psychische Belastungen, die durch diskriminierende Äußerungen von Arbeitskollegen, auch außerhalb des Betriebes, ausgelöst werden. Daher ist der Betrieb gehalten, dagegen vorzugehen.
Deutlich zurückhaltender muss der Mitarbeiter innerhalb des Betriebes sein. Dies ist auch wichtig im Hinblick auf die wachsende Anzahl von Kollegen mit Migrationshintergrund. Stellen sich Äußerungen als schwerwiegende Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar, die darüber hinaus auch das Ansehen des Arbeitgebers im Außenverhältnis schädigen, kann auch bei einem Auszubildenden ein wichtiger Grund zu einer außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG, 01.07.1999 – 2 AZR 676/98– vgl. hierzu auch LAG Hessen, 26.02.2016 – 14 Sa 1772/14). Auch die fortgesetzte verbale Beleidigung und rassistische Herabsetzung von ausländischen Kollegen kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Auch bei beleidigenden Äußerungen gegenüber Kollegen mit Migrationshintergrund muss eine fristlose Kündigung verhältnismäßig sein. Die Bestellung eines "Negerkusses" bei einer aus Kamerun stammenden Kantinenmitarbeiterin durch einen Arbeitnehmer des mittleren Managements kann eine Diskriminierung und Beleidigung darstellen. Zugunsten des Arbeitnehmers hat das Arbeitsgericht Frankfurt jedoch dessen zehnjährige, beanstandungsfreie Beschäftigung im Unternehmen berücksichtigt und der Kündigungsschutzklage stattgegeben (ArbG Frankfurt am Main, 13.07.2016 – 15 Ca 1744/16).
Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, können gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen und an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, 27.09.2012 - 2 AZR 646/11; LAG Rheinland-Pfalz, 18.02.2019 – 3 Sa 308/18). Dabei kann sich der Mitarbeiter nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen. Wenn es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, muss der Arbeitgeber entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip aber zunächst das mildere Mittel der Abmahnung nutzen, um die Vertragsstörung zu beseitigen (LAG Hamm, 03.05.2017 – 15 Sa 1358/16).
Es ist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, Mitarbeiter zu beschäftigen, die rassistische Tendenzen offen zur Schau stellen (ArbG Berlin, 05.09.2006 – 96 Ca 23147/05).
Die Mitgliedschaft in einer rechtsgerichteten Partei wie der NPD, rechtfertigt an sich auch im Öffentlichen Dienst, keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09). Allerdings können die konkreten Aktivitäten eines Arbeitnehmers, die eindeutig verfassungsfeindlichen Inhalt haben, eine Kündigung rechtfertigen (BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 372/11).
Bei Äußerungen wie "n Arschloch" i.V.m. "Flasche" und "Russen Ei" sowie "Russen Idiot" handelt es sich nicht nur um unzulässige Schmähkritik, sondern auch um rassistische Verunglimpfung, weil auf die ethnische Herkunft angespielt wird (siehe auch 3.4.2. LAG Hessen, 21.09.2018 – 10 Sa 601/18).
3.8 Bedrohungen von Kollegen und Vorgesetzten
Auch Bedrohungen von Vorgesetzten und Kollegen, die aus der Privatsphäre des Mitarbeiters heraus vorgenommen werden, können eine Kündigung rechtfertigen (ArbG Düsseldorf, 15.08.2016 – 7 Ca 415/15): Eine Morddrohung gegen den Vorgesetzten ist ein erheblicher Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, der auch eine Abmahnung entbehrlich macht.
4. Konsequenzen des Unternehmens
4.1 Allgemeines
Welche Konsequenzen das Unternehmen aus dem vertragswidrigen Verhalten zieht, muss sorgfältig bedacht werden. Soweit sich aus dem vertragswidrigen Verhalten eine Konfliktlage im Verhältnis zu den Arbeitskollegen ergibt, ist es unabhängig von den Ursachen allein Sache des Arbeitgebers, wie er darauf reagieren will (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 30.07.2019 – 5 Sa 233/18; LAG Berlin-Brandenburg, 02.10.2019 – 20 Sa 264/19).
Praxistipp:
Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist in diesem Punkt oft eher arbeitnehmerfreundlich. Jede Maßnahme sollte daher sorgfältig bedacht und ggf. mit entsprechenden Belegen dokumentiert werden.
Der erste Schritt sollte daher eine Ermahnung sein – ggf. auch mit einem schriftlichen Protokoll. Soweit dies nicht fruchtet, ist eine formale Abmahnung (Abmahnung – Allgemeines) sinnvoll und – für ggf. weitere Schritte – auch notwendig. Bei vielen Einzelverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte (LAG Köln, 06.09.2018 – 6 Sa 64/18). Soweit auch diese nicht fruchtet, ist ggf. eine verhaltensbedingte Kündigung nicht zu umgehen.
Bedacht werden muss im Zusammenhang mit einer Abmahnung, dass durch diese der zugrunde liegende Sachverhalt als Kündigungsvorwurf verbraucht ist. Bei späteren Vorfällen, die zu einer Kündigung führen, kann der bereits abgemahnte Sachverhalt nicht als Begründung dienen (LAG Düsseldorf, 23.01.2019 – 7 Sa 370/18).
Die Maßnahmen des Arbeitgebers dürfen nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB verstoßen. So kann eine Kündigung in der Probezeit unzulässig sein, wenn er Arbeitgeber damit das Verhalten des Mitarbeiters sanktionieren möchte (LAG München, 15.09.2020 – 7 Sa 186/19).
4.2 Kündigung
Ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers ist dann geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn dadurch die Interessen des Arbeitgebers i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB beeinträchtigt werden. Dies ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden. Ob eine betriebliche Auswirkung gegeben ist, bestimmt sich vor allem nach der Art des Arbeitsverhältnisses und der Tätigkeit des Arbeitnehmers (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18). In der Regel ist aber zunächst eine Abmahnung erforderlich; diese führt dazu, dass der Kündigungsgrund verbraucht ist. Erst bei Wiederholung des Vorfalls kann verhaltensbedingt ordentlich gekündigt werden. Vor der Kündigung ist zu prüfen, ob das Fehlverhalten durch mildere Mittel sanktioniert werden kann und es ist eine Interessenabwägung durchzuführen.
In der Regel ist nur eine ordentliche Kündigung möglich; eine außerordentliche Kündigung kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben (§ 626 Abs. 1 BGB) müssen dafür ein wichtiger Grund und Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar ist (Beispiel: Sexuelle Belästigung einer 12 Jahre alten Nichte einer Arbeitskollegin – LAG Hessen, 21.02.2014 – 14 Sa 609/13). Es muss eine schwere und schuldhafte Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB vorliegen (LAG Köln, 14.01.2020 – 7 Sa 79/19). Eine umfassende Interessenabwägung kann dazu führen, dass das Verschweigen einer Anklageerhebung wegen Volksverhetzung und Beleidigung mit anschließender Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße zwar erhebliche Zweifel an der Eignung eines Schichtleiters im IT-Bereich von sicherheitsrelevanten Stellen verursacht, gleichwohl jedoch nicht zu einer Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist führt (BAG, 27.06.2019 – 2 AZR 28/19).
Der das Strafrecht prägende Resozialisierungsgedanke schließt es aus, dass bereits jede Anklage oder Verurteilung wegen einer Straftat automatisch einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Straftäters darstellt. Arbeitsrechtliche Konsequenzen eines strafrechtlichen Fehlverhaltens bedürfen unabdingbar eines sachlichen Zusammenhangs zwischen Fehlverhalten und Arbeitsverhältnis (LAG Köln, 14.01.2020 - 7 Sa 79/19).
Diese Grundsätze gelten auch für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst. Bei der Beurteilung eines Sachzusammenhangs sind allerdings dessen Besonderheiten zu beachten wie z.B., ob der betreffende Arbeitnehmer hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen hatte oder aufgrund seiner Arbeitsaufgaben oder dienstlichen Stellung von außen als Repräsentant seines öffentlichen Arbeitgebers wahrgenommen wird (LAG Köln, 14.01.2020 a.a.O.).
Ist die außerordentliche Kündigung zulässig, muss die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten werden. Die Ausschlussfrist von zwei Wochen beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen hat (LAG Düsseldorf, 18.06.2019 – 3 Sa 1077/18). Eine Arbeitsunfähigkeit als solche hemmt den Lauf der Frist nicht. Der Arbeitgeber muss ggf. zumindest versuchen, den Arbeitnehmer auch während der Arbeitsunfähigkeit anzuhören.
§ 626 Abs. 2 BGB findet jedoch keine Anwendung, wenn nachträglich bekannt gewordene Gründe für eine außerordentliche Kündigung nachgeschoben werden. Dies gilt (abweichend von BAG, 23.05.2013 – 2 AZR 102/12) auch dann, wenn die Kündigung als solche nicht rechtzeitig erklärt worden ist. Daher ist ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe auch dann zulässig, wenn die (nicht durchgreifenden) Gründe, die den Arbeitgeber ursprünglich zum Ausspruch der Kündigung motiviert haben, verfristet waren (LAG Köln, 16.10.2019 - 5 Sa 221/19).
Falls es sich um ein Betriebsratsmitglied handelt, ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Zustimmung des Betriebsrates zu beantragen bzw. ggf. das Ersetzungsverfahren einzuleiten (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 16.10.2018 – 5 TaBV 7/18 m.w.N.). Eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers muss bei einer außerordentlichen Kündigung innerhalb einer kurzen Frist (maximal innerhalb einer Woche nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes) erfolgen (BAG, 27.06.2019 – 2 ABR 2/19; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 05.03.2020 – 5 TaBV 9/19). Eine Überschreitung ist nach der Entscheidung vertretbar, wenn der Arbeitgeber aus Rücksicht auf den von dem Verhalten des zu kündigenden Mitarbeiters betroffenen Arbeitnehmer länger zuwartet. Eine Vertraulichkeitsklausel in einer Betriebsvereinbarung verlagert die Kenntnis des zur Kündigung Berechtigten nicht zeitlich (Einzelheiten hierzu siehe auch Kündigung – außerordentliche: wichtiger Grund).
Kommt es zu einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht, muss das vertragswidrige Verhalten des Gekündigten bewiesen werden. Zumindest wenn private Emails in dem Unternehmen erlaubt sind, kann deren Inhalt unter das Beweisverwertungsverbot fallen. Denn deren Inhalt darf der Arbeitgeber nicht lesen. Nur ausnahmsweise – z.B. beim Verdacht auf schwere Straftaten – gilt etwas Anderes (LAG Hessen, 21.09.2018 – 10 Sa 601/18).
Soweit das außerdienstliche Verhalten die Eignung des Mitarbeiters für die Tätigkeit beseitigt, kommt auch eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Das Verschweigen einer Anklageerhebung wegen Volksverhetzung und Beleidigung mit anschließender Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße kann erhebliche Zweifel an der Eignung eines Schichtleiters im IT-Bereich von sicherheitsrelevanten Stellen verursachen (BAG, 27.06.2019 – 2 AZR 28/19).
4.3 Verdachtskündigung
Bei einer Verdachtskündigung muss ein dringender, auf objektive Tatsachen gestützter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder einer Straftat vorliegen (LAG Baden-Württemberg, 20.04.2018 – 11 Sa 45/17). Sie kann daher nur gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG, 17.03.2016 – 2 AZR 110/15). An die Darlegung der schwerwiegenden Verdachtsmomente sind besonders strenge Anforderungen zu stellen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 10.07.2018 – 2 TaBV 1/18): Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gegründet sein, die vom Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen sind (ArbG München, 03.02.2016 – 5 Ca 9803/14; LAG Düsseldorf, 19.02.2019 – 3 Sa 559/17). Es muss damit eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass er zutrifft. Die bloße Möglichkeit eines Geschehensablaufs stellt noch keinen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar; sie muss sich vielmehr derart verfestigen, dass von einem dringenden Verdacht ausgegangen werden kann (LAG Baden-Württemberg, 20.04.2018 – a.a.O.).
Die Anhörung des Arbeitnehmers muss sich auf den konkreten Sachverhalt beziehen. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen (LAG Schleswig-Holstein, 30.04.2019 – 1 Sa 385/18). Die Anhörung ist Voraussetzung dafür, dass die Verdachtskündigung wirksam wird (BAG, 25.04.2018 – 2 AZR 611/17). Sinnvoll ist es, dem Arbeitnehmer die Vorwürfe im Vorfeld der Anhörung mitzuteilen, damit er sich mit diesen konkret auseinandersetzen und seine Sicht der Dinge schildern kann. (LAG Baden-Württemberg, 20.04.2018 a.a.O.). Dafür ist ihm ausreichend Zeit zu geben; ein Zeitraum von weniger als zwei Arbeitstagen dafür ist in der Regel unangemessen kurz. Das gilt umso mehr, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig anwaltlich vertreten lässt und er zudem arbeitsunfähig krank ist (LAG Schleswig-Holstein, 21.03.2018 – 3 Sa 398/17). Er muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen (BAG, 25.04.2018 – a.a.O.). Bei der Einstufung eines Geschehens als Grundlage für einen dringenden Verdacht sind nicht nur die den Arbeitnehmer belastenden, sondern auch die entlastenden Indizien zu würdigen (LAG Mecklenburg – Vorpommern, 10.07.2018 – 2 TaBV 1/18).
Praxistipp:
Das BAG hat jedoch entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Vorfeld der Anhörung nicht unbedingt den Verdacht und dessen Gründe mitteilen muss (BAG, 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 und 25.04.2018 – 2 AZR 611/17).
Der Betriebsrat muss auch bei der Verdachtskündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Es müssen ihm die Gründe, insbesondere die Umstände, aus denen sich der Verdacht ergibt, mitgeteilt werden.
Auch bei einer Verdachtskündigung muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein: Es muss kein milderes Mittel zur Beseitigung der Vertragsstörung, wie z.B. die Versetzung oder eine Abmahnung in Betracht kommen. Allerdings kann eine Untersuchungshaft oder eine Freiheitsstrafe aus einem anderen Grund eine Kündigung rechtfertigen. Denn dadurch tritt eine Arbeitsverhinderung und damit eine Leistungsstörung ein. Bei einer Untersuchungshaft kommt es darauf an, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine längerfristige Arbeitsverhinderung erwarten lassen. Da ohne rechtskräftige Verurteilung nicht auszuschließen ist, dass sich die Annahme als unzutreffend erweist, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Die prognostizierte Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber durch den Arbeitsausfall seinerseits leistungsfrei wird (BAG, 23.05.2015 – 2 AZR 120/12).
Der Verdacht, Mitglied oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu sein, kann nur dann als Kündigungsgrund in Betracht kommen, wenn dieser Verdacht dringend ist. Selbst bei dringendem Verdacht liegt ein Kündigungsgrund nur vor, wenn eine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis durch eine konkrete Beeinträchtigung im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im betrieblichen Aufgabenbereich vorliegt. Auch kann durch den dringenden Verdacht die Eignung des Arbeitnehmers für die Arbeitsleistung entfallen oder es können durch greifbare Tatsachen zu belegende berechtigte Sicherheitsbedenken gegen die Weiterbeschäftigung bestehen. Eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses liegt nicht schon dann vor, wenn Arbeitsablauf oder Betriebsfrieden abstrakt oder konkret gefährdet sind, sondern nur dann, wenn insoweit eine konkrete Störung tatsächlich eingetreten ist (LAG Niedersachsen, 12.03.2018 – 15 Sa 319/17).
Eine Verdachtskündigung kann sich auch auf Zufallsfunde bei der Überprüfung des dienstlichen Rechners des Arbeitnehmers stützen (BAG, 31.01.2019 – 2 AZR 426/18).
4.4 Druckkündigung
Bei einer Druckkündigung wird von dem Arbeitgeber die Kündigung von Dritter Seite verlangt. Dabei gilt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss und es muss entsprechend dem Ultima-ratio Prinzip das letzte Mittel sein, das der Arbeitgeber ergreift, um die Situation zu bereinigen. Die Drohung von dritter Seite muss nicht objektiv begründet sein (BAG, 15.12.2016 – 2 AZR 431/15). Eine Druckkündigung z.B. eines wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Arbeitnehmers kann gerechtfertigt sein, wenn sich eine Vielzahl von Arbeitskollegen weigert, mit dem Mitarbeiter weiter zusammenzuarbeiten. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung zu prüfen, ob die Drohung der Arbeitskollegen nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Er hat sich aktiv schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen (BAG, 19.07.2016 – 2 AZR 637/15, 15.12.2016 – a.a.O.). Insbesondere wenn eigentlich kein Kündigungsgrund vorhanden ist, muss der Arbeitgeber versuchen, den oder die Dritten, die Druck ausüben, davon zu überzeugen, dass die Forderung unangemessen ist. Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem - unberechtigten - Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzen ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwer wiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht. Nur wenn es nicht gelingt, diejenigen, die Druck ausüben, von der Unangemessenheit der Forderung zu überzeugen und schwere wirtschaftliche Schäden zu erwarten sind, gleichzeitig aber keine milderen Mittel (z.B. Versetzung) zu Verfügung stehen, ist die Druckkündigung zulässig (LAG Hessen, 13.07.2016 – 18 Sa 1498/15; BAG, 15.12.2016 – 2 AZR 431/15). Die Kündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden. Der Arbeitgeber muss im Gerichtsverfahren insbesondere darlegen, dass er alles Zumutbare getan hat, um einen Ausgleich zwischen den Arbeitnehmern herbeizuführen. Deshalb kann eine bloße Weigerung von Arbeitskollegen, mit einem bestimmten Mitarbeiter zusammenzuarbeiten, bzw. eine Aufforderung, sich von ihm zu trennen, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses allein nicht rechtfertigen (LAG Niedersachsen, 21.03.2019 – 13 Sa 371/18).
Der Arbeitgeber kann sich insbesondere nicht auf die Drucksituation berufen, wenn er diese selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG, 19.07.2016 – 2 AZR 637/15). Andererseits ist das Ausmaß der Bemühungen des Arbeitgebers, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, auch davon abhängig, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zu dem eingetretenen tiefgreifenden Zerwürfnis mit anderen Arbeitnehmer und Dritten einen Verursachungsbeitrag geleistet hat (LAG Baden-Württemberg, 26.08.2016 – 1 Sa 14/16).
Der Betriebsrat kann die Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers verlangen (Einzelheiten siehe § 104 S. 1 BetrVG). Dieses Recht kann ggf. auch vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt werden. Die Entscheidung präjudiziert ein folgendes Kündigungsschutzverfahren, wenn der betriebsstörende Arbeitnehmer an diesem Verfahren beteiligt war (BAG, 28.03.2017 – 2 AZR 551/16).
Siehe auch
Abmahnung – AllgemeinesArbeitsunfähigkeit - FreizeitverhaltenKündigung – außerordentliche: wichtiger GrundKündigung – personenbedingt: AllgemeinesKündigung – verhaltensbedingt: AllgemeinesKündigung – verhaltensbedingt: betriebliche BeeinträchtigungKündigung – verhaltensbedingt: Darlegungs- und Beweislast