Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Rechtsanwalt - vermeidbare Fehler
Rechtsanwalt - vermeidbare Fehler
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Vermeidbare Fehler
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 3.9
- 4.
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kann nicht alles - und muss auch nicht alles können. Die moderne Dienstleistungsgesellschaft bietet ihm eine große Vielfalt "zubuchbarer" Module. Das sind nicht nur betriebswirtschaftliche Dienste, auch die Leistung Recht gehört dazu. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass der Recht Suchende hier alles selbst und womöglich auch noch besser als ein Anwalt kann. Es gibt mittlerweile für alles Spezialisten - und mal ehrlich: Wer lässt seinen Wagen als überzeugter Luxusklasse-Fahrer vom Schrauber an der Ecke warten und reparieren?
Praxistipp:
Ein wesentlicher vermeidbarer Fehler im Umgang mit Anwälten ist die Angst vor den Kosten. Anwalts- und Gerichtsgebühren sind für den juristischen Laien zwar oft intransparent. Arbeitgeber sollten sich trotzdem nicht scheuen, beim ersten Anwaltskontakt gleich nach den zu erwartenden Kosten zu fragen. Natürlich kann der Anwalt sie nicht gleich auf Euro und Cent genau ausrechnen, weil sich der Aufwand für ein Mandat nicht immer verlässlich voraussehen lässt. Eine ungefähre Einschätzung der zu erwartenden Kosten wird den meisten Mandanten jedoch schon genügen. Und wer auf Nummer sicher gehen will, sollte für sich und sein Unternehmen frühzeitig eine Rechtsschutzversicherung abschließen.
Der erste Arbeitgeberfehler liegt schon daran, dass er versucht, seine rechtlichen Probleme selbst zu lösen. Das mag in einigen Fällen sinnvoll sein, in anderen kommt er nicht ohne professionelle Unterstützung aus. Und wer Hilfe sucht, der sollte sich auch helfen lassen. Dazu gehört es unbedingt, dass der Arbeitgeber anwaltlichen Empfehlungen folgt und aktiv daran mitarbeitet, das gemeinsam gesteckte Ziel zu erreichen. Der Mandant muss seinen Anwalt mit Informationen und Unterlagen versorgen und mit ihm zusammen anstehende Termine wahrnehmen. Schließlich muss der Mandant auch die Rechnungen seines Anwalts bezahlen - will er nicht Gefahr laufen, dass der Anwalt sein Mandat sonst niederlegt.
2. Hintergrund
Der Mandant gewinnt den Prozess, der Anwalt verliert ihn - eine alte Anwaltsweisheit. Wenn's nicht so klappt, wie der Mandant es sich vorstellt, liegt's halt am Anwalt. Oder am Gericht. Oder an beiden. Dass man als Recht Suchender möglicherweise auch selbst die Ursache für den Misserfolg gesetzt hat, wollen viele nicht wahrhaben. Beratungsresistente und uneinsichtige Mandanten werden nie einen Anwalt oder ein Gericht finden, mit dem sie zufrieden sind.
Beispiel:
Handwerksmeister Hartmuth Stahl führt einen mittelständischen Betrieb. Menschenführung, soziale Kompetenz und Arbeitsrecht sind für ihn Fremdwörter - Tarifverträge ebenfalls. Herr Stahl schließt mit seinen Leuten weder schriftliche Arbeitsverträge noch lässt er Arbeitnehmerrechte bei sich gelten. "Das ist mein Betrieb. Hier bin ich der Chef. Und wer aufmuckt, fliegt". Zugegeben: dieses Arbeitgeberbild ist etwas überzeichnet. Es soll aber deutlich machen, dass es Menschen gibt, die "ihr" Recht nicht in unserer Rechtsordnung finden oder nicht finden wollen. Ihnen kann nicht geholfen werden - da kann der Anwalt noch so bemüht und gut sein.
Der Anwalt ist immer nur so gut wie sein Mandant - auch das ist eine alte Anwaltsweisheit. Der Recht Suchende muss mitarbeiten. Er muss seinen Anwalt zunächst mit den grundlegenden Informationen versorgen und ihm danach die Tatsachen mitteilen und belegen, die seinen Anspruch oder sein Recht stützen. Das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren ist ein Parteiprozess. Das Gericht sucht nicht nach der Wahrheit. Die Parteien müssen ihm die für seine Entscheidung wichtigen und notwendigen Fakten bringen.
Beispiel:
Arbeitnehmer Anders Kontow verlangt von seinem Arbeitgeber 2.500 EUR Weihnachtsgeld. "Das steht so im Arbeitsvertrag", sagt er. Anders' Arbeitgeber zeigt ihm die kalte Schulter und beruft sich auf die im letzten Jahr geschlossene Vereinbarung, mit der Anders auf sein Weihnachtsgeld verzichtet hat. Anders erhebt trotzdem Klage vor dem Arbeitsgericht. Der Anwalt des Arbeitsgebers fragt seinen Mandanten nach einer Verzichtsurkunde und Zeugen, die Anders' Verzicht bestätigen können - Fehlanzeige. Während das 2.500-Euro-Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag schwarz auf weiß vereinbart und geregelt ist, gibt es nichts, mit dem Anders' Arbeitgeber den nachfolgenden Verzicht belegen kann. Sein Anwalt wird vor Gericht nichts erreichen - und die 2.500 EUR kommen auf das Lohnkonto des klagenden Arbeitnehmers. Ein Prozessbetrug, wenn Herr Kontow tatsächlich auf das Weihnachtsgeld verzichtet hat. Nur: Prozessual ist der Fall für das Arbeitsgericht ohne Nachweis des Verzichts nicht anders lösbar.
Das Verhältnis von Anwalt und Mandant muss durch gegenseitiges Vertrauen geprägt sein. Jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Der Mandant darf zu Recht erwarten, dass sich sein Anwalt optimal für ihn einsetzt. Umgekehrt darf der Anwalt davon ausgehen, dass sein Mandant mitarbeitet und aktiv dazu beiträgt, die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Dass das Verhältnis Anwalt/Mandant störungsanfällig ist, liegt auf der Hand. Beide können sich jedoch Mühe geben, es nicht unnötig zu belasten.
3. Vermeidbare Fehler
Arbeitgeber machen im Umgang mit Anwälten immer wieder dieselben Fehler. Dieser Beitrag hilft, sie in Zukunft zu vermeiden.
3.1 Der erste Fehler: Der Arbeitgeber hilft sich selbst
Do it yourself! Ein Slogan, der in vielen Lebensbereichen richtig ist. Gilt das auch fürs Arbeitsrecht? Wohl weniger. Trotzdem glauben viele, hier ohne professionelle Hilfe zu Recht zu kommen und alles allein zu können. Mit diesem Arbeitsrechtslexikon ist man gegenüber den meisten Recht Suchenden schon wesentlich im Vorteil: Man hat eine solide Wissensgrundlage und kann seine eigenen Fragestellungen anhand der Beispiele oft schon selbst beantworten. Es gibt aber auch andere Probleme.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH ist eine mittelständische Kornbrennerei mit Sitz im Emsländischen. Sie beschäftigt eine stattliche Zahl Mitarbeiter und hat seit Jahren einen Betriebsrat. Das Unternehmen führt neben seinem Stammsitz im Emsland zwei weitere, ebenfalls in Norddeutschland angesiedelte Betriebe. In diesen Betrieben wird nicht nur Korn gebrannt, es werden auch andere Spirituosen hergestellt. Im Zuge einer Marktbereinigung soll ein Produktionszweig komplett aufgegeben werden. Der AlHolCo-Betriebsrat wendet sich deswegen an die Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss und fordert sie auf, mit ihm über einen Interessenausgleich und Sozialplan (§§ 111, 112 BetrVG) für die von der sich abzeichnenden Betriebsänderung mit Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiter zu verhandeln. Daniela nutzt zunächst ein Arbeitsrechtslexikon, um sich zu informieren. Ein guter Einstieg in das Thema. Für die Verhandlung braucht sie jedoch mehr. Wenn jetzt Geschick, Taktik und jahrelange Erfahrung eines Anwalts gefragt sind, sollte Frau Calwer-Doss die Verhandlungen mit dem Betriebsrat nicht selbst führen, sondern dafür einen Fachmann engagieren.
- (2)
Frau Calwer-Doss hat sich aus Angst vor den "hohen" Anwaltskosten entschieden, die Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat allein zu führen. Dementsprechend üppig fällt der Sozialplan dann auch aus. Zehn Arbeitnehmer der AlHolCo GmbH werden nicht weiterbeschäftigt und bekommen eine Kündigung. Acht von ihnen nehmen die Sozialplanabfindung, zwei erheben vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage. Nun können - so § 11 Abs. 1 ArbGG - die Parteien "vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit [zwar] selbst führen" - sollten das aber nicht unbedingt tun. Böse Arbeitgeberzungen behaupten bisweilen, der zweite Anwalt des gekündigten Arbeitnehmers sitze auf der Richterbank. Da ist es schon ein Gebot der Chancengleichheit, wenn sich der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht ebenfalls anwaltlich vertreten lässt. Auch hier bestimmen jahrelange Erfahrung, Taktik und Strategie, wie man sich vor Gericht verhält, was man beantragt, vorträgt und wie man Zeugen befragt und Beweise des Gegners entkräftet. Schon die Erwiderung auf eine Klageschrift ist für den juristischen Laien eine Herausforderung, der er sich nicht ohne rechtliche Unterstützung stellen sollte.
Praxistipp:
Wer einen Rechtsstreit als Arbeitgeber zunächst selbst führt, wird in der Güteverhandlung häufig vom Arbeitsgericht darauf hingewiesen, sich besser anwaltlich beraten zu lassen. Das kann möglicherweise den Grund haben, dass der Arbeitgeber mit seiner Rechtsauffassung und mit seinem Tatsachenvortrag so daneben liegt, dass er den Prozess verlieren wird. Vielfach kann der juristische Laie auch gar nicht abschätzen, was er sagt - oder besser nicht sagt. Da hat sich schon mancher - bildlich gesprochen - anwaltlich ungebremste Arbeitgeber um Kopf und Kragen geredet.
Daher:
Lieber gleich einen Anwalt einschalten, als sich allein zu helfen und am Ende selbst die Ursachen zu setzen, derentwegen der Rechtsstreit verloren geht.
3.2 Der zweite Fehler: Der Arbeitgeber macht sich falsche Vorstellungen über die Kosten
Recht ist eine Dienstleistung. Und jede gute und qualitativ hochwertige Dienstleistung kostet Geld. Das ist bei Rechtsdienstleistungen nicht anders als in anderen Dienstleistungsbereichen. Trotzdem wird nur allzu oft versucht, bei der Dienstleistung Recht zu sparen. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, Recht zu bekommen, ohne dabei gleich tief in die eigene Tasche greifen zu müssen.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH möchte sich von einem langjährigen Mitarbeiter, Theo Thekylla, trennen. Herr Thekylla ist mittlerweile 25 Jahre bei der AlHolCo GmbH und deren Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss geht davon aus, dass die anwaltliche Beratung hier eine horrende Summe kosten wird. Allein die mögliche Abfindung betrüge bei einem Bruttoverdienst von 3.500 EUR bei einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr (3.500 : 2 x 25 =) 43.750 EUR - da würde ein Anwalt ganz schön dran verdienen, an diesem Streitwert, denkt Daniela. Eine Fehleinschätzung, die Frau Calwer-Doss nicht davon abhalten sollte, Theos Kündigung doch anwaltlich begleiten zu lassen. Der Gegenstandswert für Bestandsschutzstreitigkeiten ist in § 42 Abs. 3 GKG geregelt: "der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts" - hier also (3.500 x 3 =) 10.500 EUR - und keine 43.750 EUR. Ausdrücklich heißt es sogar in § 42 Abs. 3 GKG: "eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet". Also: keine horrende Summe für die Kosten einer qualifizierten Rechtsberatung und Rechtsvertretung.
- (2)
Ein Konkurrenzbetrieb der AlHolCo GmbH ist in eine finanzielle Schieflage geraten und insolvent geworden. Mit ein Grund für die Unrentabilität des Konkurrenzbetriebs ist eine zu hohe Personaldecke, die betriebswirtschaftlich völlig unsinnig ist. Die AlHolCo GmbH spielt mit dem Gedanken, den insolventen Konkurrenzbetrieb zu übernehmen. Bevor das passiert, soll der Insolvenzverwalter jedoch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen - nicht wegen des beabsichtigten Betriebsübergangs, sondern um den Betrieb wieder marktfähig zu machen und den Mitarbeiterbestand an den tatsächlichen Personalbedarf anzupassen. Der Insolvenzverwalter tut sich wegen der zu erwartenden Kosten schwer mit etwaigen Kündigungen - wird von der AlHolCO GmbH jedoch darauf hingewiesen, dass er nach § 116 Nr. 1 ZPO die Möglichkeit hat, als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das senkt sein Kostenrisiko.
Praxistipp:
Falsche Vorstellungen von den möglichen Kosten einer anwaltlichen Beratung oder Interessenvertretung sollten keinen Arbeitgeber davon abhalten, zum Anwalt zu gehen. Wer clever ist, vereinbart mit dem Anwalt, dass er ihm für ein im Voraus ausgemachtes kleines Honorar die voraussichtlichen Kosten der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ausrechnet - zumindest so weit, wie sie zu diesem Zeitpunkt voraussehbar sind. Falsche Sparsamkeit könnte sich am Ende als teure Fehlentscheidung erweisen.
Daher:
Lieber vorher mit dem Anwalt zusammen die möglichen Gebühren und Honorare klären, als wegen falscher Vorstellungen über deren Höhe auf eine qualifizierte Rechtsberatung und -vertretung zu verzichten.
3.3 Der dritte Fehler: Der Arbeitgeber geht zu spät zum Anwalt
Recht hat - das kann man gar nicht oft genug sagen - auch immer etwas mit rechtzeitig zu tun. Nicht nur Arbeitnehmer müssen sich an bestimmte Fristen halten, wenn sie etwas erreichen und durchsetzen wollen. Das gilt auch für Arbeitgeber. Wenn solche Fristen erst einmal verpasst sind, ist es schwer bis unmöglich, das Verpasste nachzuholen.
Beispiele
- (1)
In den drei Betrieben der AlHolCo GmbH finden die turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Die Belegschaft wurde durch die im Zuge der Marktbereinigung durchgeführten Betriebsänderung reduziert. Statt der früheren Mitarbeiterstärke von 110 Arbeitnehmern sind seit der Umstrukturierung nur noch 100 Mitarbeiter beschäftigt - Tendenz fallend. Die AlHolCo-Betriebsratsmitglieder haben sich in den letzten vier Jahren persönlich aneinander gewöhnt und sehen nicht ein, dass der Betriebsrat plötzlich von sieben auf fünf Mitglieder schrumpfen soll. Also wird die Wahl für sieben Betriebsratsmitglieder ausgeschrieben, und sieben Betriebsratsmitglieder werden gewählt - obwohl der Betriebsrat zukünftig nur noch aus fünf Mitgliedern bestehen darf (§ 9 Satz 1 BetrVG). Die AlHolCo GmbH hat die Möglichkeit, die Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG anzufechten. Das muss nach § 19 Abs. 2 Satz 2 "binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet", passieren. Nun könnte die AlHolCo GmbH die Wahl vor dem Arbeitsgericht zwar auch selbst anfechten, mit anwaltlicher Hilfe geht das jedoch besser. Vorausgesetzt, der Anwalt wird rechtzeitig innerhalb der Anfechtungsfrist eingeschaltet. Die 2-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist eine Ausschlussfrist - wenn sie abgelaufen ist, ist die Anfechtung ausgeschlossen.
- (2)
Die AlHolCo GmbH hatte sich in in einem Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht selbst vertreten - und den Prozess verloren. Das hätte nicht sein müssen. Bei entsprechendem Sachvortrag unter konkreter Darlegung der Kündigungsgründe mit den dazu passenden Beweisantritten hätte die AlHolCo GmbH den Prozess gewonnen. Das erstinstanzliche Urteil wird ihr am 27.04. zugestellt. Am 27.05. läuft die einmonatige Berufungsfrist ab, am 27.06. die 2-monatige Frist für die Berufungsbegründung (§ 66 ArbGG). Die AlHolCo-Geschäftsleitung versteht die - für den Juristen eindeutige - Rechtsmittelbelehrung falsch und glaubt, für die Berufung insgesamt zwei Monate Zeit zu haben. Beim ersten Anwaltsbesuch am 06.06. stellt sich heraus, dass der AlHolCo-Mitarbeiter sein Verfahren inzwischen rechtskräftig gewonnen hat. Die Berufungsfrist war am 27.05. abgelaufen - ohne Chance auf eine Wiedereinsetzung (§§ 233 ff. ZPO).
Praxistipp:
Es gibt Fälle, in denen eine Frist von den Beteiligten verlängert werden kann. Das ist beispielsweise bei einer privatrechtlichen Zahlungsaufforderung der Fall oder wenn der Anspruchsgegner sonst gehalten ist, innerhalb einer bestimmten Zeit einen Anspruch - Abrechnung, Aushändigung von Arbeitspapieren, Herausgabe von Arbeitsmitteln, Zeugniserteilung etc. - zu erfüllen. Dann ist es sinnig, wenn der Mandant selbst oder sein Anwalt versucht, mit der Gegenseite wegen einer Fristverlängerung Kontakt aufzunehmen. In Fällen, in denen eine Frist von den Parteien nicht einvernehmlich verlängert werden kann, ist sorgfältig auf deren Einhaltung zu achten - andernfalls ist das Recht unaufhaltsam verloren.
Daher:
Lieber zu früh und mit ausreichendem Zeitvorlauf zum Anwalt gehen, als zu spät zu kommen und einen Rechtsstreit allein wegen verpasster Fristen zu verlieren.
3.4 Der vierte Fehler: Der Arbeitgeber wählt den falschen Anwalt
Es gibt zurzeit (2012) etwa 168.400 Rechtsanwälte in der Bundesrepublik (Quelle: www.brak.de). Sie arbeiten in großen und kleinen Law-Firms, in Einmann- und in klassischen 3er-Kanzleien. Im Augenblick (2012) sind standesrechtlich 20 Fachanwaltsbezeichnungen zugelassen. Zwei davon sind der Fachanwalt für Arbeitsrecht (Stand 01.01.2011: 8.701 Fachanwälte) und der Fachanwalt für Sozialrecht (Stand 01.01.2011: 1.346 Fachanwälte). Fachanwalt zu sein, bedeutet nicht, alles andere nicht oder nicht mehr zu können. Der Recht Suchende darf bei ihm auf den genannten Fachgebieten jedoch eine besondere Sachkunde erwarten.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH aus den vorausgehenden Beispielen hat etwas dazugelernt. Für bestimmte Rechtsangelegenheiten braucht sie doch eine praktische rechtskundige Unterstützung. Ari Camp, ein Mitarbeiter aus dem Rohstofflager, ist schon seit einiger Zeit arbeitsunfähig krank. Die AlHolCo GmbH-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss sucht den langjährigen Firmenanwalt Dr. Heinrich Tigg auf, um sich von ihm in dieser Angelegenheit beraten zu lassen. Dr. Tigg ist ein alteingesessener Anwaltsnotar und ein hervorragender Kenner des Handels- und Gesellschaftsrechts. Auf die Kündigungsfrage angesprochen erklärt er Frau Calwer-Doss, dass er bei der Kündigung von Herrn Camp keine Probleme sehe und es höchste Zeit werde, bei diesem Mitarbeiter einen Schlussstrich zu ziehen. Das tut die AlHolCo GmbH dann auch - und macht vor dem Arbeitsgericht die böse Erfahrung, dass eine personenbedingte Kündigung doch nicht so einfach ist und neben einer Ausfallzeit noch eine negative Gesundheitsprognose erforderlich ist, möglicherweise ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden muss, eine krankheitsbedingte Kündigung nach dem Ultima Ratio-Prinzip immer das letzte Mittel ist und ganz am Schluss auch noch eine Interessenabwägung vorgenommen werden muss. Punkte, die ein Fachanwalt für Arbeitsrecht berücksichtigt hätte.
- (2)
In der Region, in der die AlHolCo GmbH ihren Sitz hat, hat sich ein neuer Unternehmerverband gegründet. Gründungsmitglieder sind einige rührige Firmeninhaber, die mit der Arbeit und den Strukturen der etablierten Arbeitgeberverbände der Region (und den "hohen" Mitgliedsbeiträgen) nicht mehr zufrieden waren. Soweit es sein Leistungspaket betrifft, guckt der neu gegründete Verband natürlich bei den etablierten ab und schreibt sich auch das Arbeitsrecht auf sein Fahne. Für einen gestandenen Syndikus-Anwalt fehlt dem neuen Verband das Geld, also wird ein frisch gebackener Assessor iur. kurz nach dessen zweiten Staatsexamen als Referent für Arbeitsrecht eingestellt. Er darf die Verbandsmitglieder zwar vor den Arbeitsgerichten vertreten, ist mit seiner Aufgabe - im Gegensatz zu den etablierten Verbandsjuristen und erfahrenen Anwälten - jedoch völlig überfordert.
Praxistipp:
Es gibt für alles Fachleute. Wenn sich ein Kranker einen Nierenstein entfernen oder eine neue Herzklappe einsetzen lassen möchte, wird er mit diesen Vorhaben bestimmt nicht zu einem Heilpraktiker oder seinem Hausarzt gehen. Mit der Auswahl des richtigen Anwalts ist es ähnlich. Den Staranwalt, der alles weiß und auf jedem Rechtsgebiet gleich zu Hause ist, gibt es nicht. Insoweit ist es sinnvoll, sich für die Lösung arbeitsrechtlicher Probleme an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu wenden. Anwaltssuche über www.anwalt24.de oder den Anwaltssuchdienst der zuständigen Rechtsanwaltskammer.
Daher:
Lieber gleich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der Beratung und Vertretung beauftragen, als durch Wahl eines falschen Anwalts die optimale Interessen- und Rechtsvertretung zu gefährden.
3.5 Der fünfte Fehler: Der Arbeitgeber hat sich nicht vorbereitet
Wer zum ersten Mal zu einem Anwalt geht, ist sicherlich etwas unbedarft und unvorbereitet. Das ist normal. Wer häufiger mit Anwälten zu tun hat, weiß, dass er ihn nicht ohne Vorbereitung aufsuchen sollte. Zur Vorbereitung gehört die möglichst umfassende Aufbereitung des Sachverhalts genauso wie das Mitbringen erforderlicher Unterlagen - zum Beispiel Abmahnungen, Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen, Forderungsschreiben und vieles mehr.
Beispiele
- (1)
Arbeitnehmerin Klara Brandt hatte im Monat Mai von der AlHolCo GmbH wegen eines Buchungsfehlers versehentlich 3.500 EUR zu viel überwiesen bekommen. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag sind alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Teil schriftlich geltend zu machen, sonst verfallen sie. Am 31.08., dem letzten Tag der Ausschlussfrist, kommt die AlHolCo-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss zu Anwalt Will G. Winnen und beauftragt ihn, die Forderung der GmbH gegen Frau Brandt durchzusetzen. Anwalt Winnen fragt Daniela nach der Adresse der Mitarbeiterin - Fehlanzeige. Das Personalbüro der AlHolCo GmbH ist um diese Zeit nicht mehr besetzt, auch über Facebook, Google und andere Suchmaschinen lässt sich die Adresse der Schuldnerin vom Anwaltsbüro aus nicht ausfindig machen. Und so scheitert eine 3.500-Euro-Forderung schon am ganz banalen Fehlen einer Adresse...
- (2)
Der Betriebsrat der AlHolCo GmbH möchte am Freitag anlässlich der laufenden Tarifverhandlungen einen Warnstreik durchführen. Am voraufgehenden Donnerstag sucht die AlHolCo-Geschäftsführerin ihren Firmenanwalt auf und möchte, dass er eine einstweilige Verfügung gegen den Betriebsrat erwirkt. Mittel zur Glaubhaftmachung bringt sie zum Termin nicht mit, sie weiß auch den Namen des neuen Betriebsratsvorsitzenden nicht. Die Quelle, aus der sie die Information über den geplanten Warnstreik hat, möchte Daniela nicht bekannt geben, weil sie ihren "Maulwurf" noch für weitere Insider-Informationen aus dem Betriebsrat braucht. Danielas Anwalt ist nun in einer ausweglosen Situation - er muss Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund darlegen. Auch wenn der Betriebsrat selbst keine Streikaktionen durchführen darf: Es kann nicht hinreichend glaubhaft gemacht werden, dass der Betriebsrat am Freitag tatsächlich einen Warnstreik durchführen will.
Praxistipp:
Grundsätzlich gilt: Eher zu viel Unterlagen (aber bitte geordnet!) mit zum Anwalt bringen als zu wenig. Ganz wichtig ist es, die Adressen der Beteiligten und etwaiger Zeugen parat zu haben. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte seinen Anwalt rechtzeitig vor dem Termin anrufen und ihn fragen, welche Daten und Unterlagen er für seinen Fall braucht. Das gilt umso mehr, je zeitgebundener der Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit eintreten muss. Wer die erforderlichen Informationen als Arbeitgeber nicht selbst geben kann, sollte jemandem zum Termin mitbringen, der das entsprechende Wissen hat. So mancher Rechtsstreit geht nur deswegen verloren, weil der Mandant seinen Anwalt planlos aufsucht und beauftragt.
Daher:
Lieber gut vorbereitet zum Anwalt gehen, als die erfolgreiche Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung durch fehlende Informationen und Unterlagen zu verzögern oder gar zu vereiteln.
3.6 Der sechste Fehler: Der Arbeitgeber wirkt nicht mit
Der Anwalt ist in vielen Fällen immer nur so gut wie sein Mandant. Anwalt und Mandant müssen zusammenarbeiten. Während der Mandant von seinem Anwalt regelmäßig verlangt, dass er ihn optimal und mit nach allen Regeln anwaltlicher Kunst vertritt, ist es anders herum oft eine Einbahnstraße. Da werden von Mandanten dann gerne schon mal Termine nicht eingehalten oder Versprechen nicht eingelöst.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH hat Probleme mit ihrem Betriebsrat. Es werden immer wieder Überstunden gefahren, die entweder in Freizeit oder finanziell abgegolten werden. Grundsätzlich hat der Betriebsrat nichts gegen Überstunden - er möchte nur das Verfahren geordnet haben. Und da die Abteilungen der AlHolCo GmbH unterschiedlich betroffen sind, hat der Betriebsrat auch ein Interesse daran, mit der Geschäftsführung eine Regelung zu vereinbaren, die eine gewisse Transparenz ermöglicht und die Belange bestimmter Arbeitnehmer und Arbeitnehmergruppen - unter anderem allein Erziehende, Schwerbehinderte und Mitglieder von Sportvereinen - stärker berücksichtigt. Der Firmenanwalt der AlHolCo GmbH, Rechtsanwalt Will G. Winnen, vereinbart mit dem Betriebsrat und der zuständigen Gewerkschaft einen Termin auf neutralem Boden - wer nicht kommt, ist die Geschäftsführerin der AlHolCo GmbH. So bleiben viele Punkte ungeklärt und es muss ein neuer Termin vereinbart werden, der den Abschluss einer Betriebsvereinbarung unnötig verzögert.
- (2)
Walter Wodker, ein schwerbehinderter Arbeitnehmer der AlHolCo GmbH, soll gekündigt werden. Die AlHolCo GmbH-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss stellt beim Integrationsamt den Antrag, der ordentlichen Kündigung des schwerbehinderten Mitarbeiters Wodker zuzustimmen. Nachdem einige Formalitäten geklärt sind, lädt die örtliche Fürsorgestelle zu einem Termin, der in deren Räumen stattfinden und unter anderem dem Zweck dienen soll, auszuloten, ob der Arbeitsplatz des Herrn Wodker nicht anders gestaltet werden und das Integrationsamt ihm Arbeitshilfen zur Seite stellen kann, deren Finanzierung es sogar übernehmen will. Die AlHolCo GmbH hat für die Teilnahme an dem Termin zwar ihren Firmenanwalt beauftragt, vom Unternehmen ist dagegen niemand da. Der Anwalt kann aus eigenem Wissen weder etwas zu den Arbeitsbedingungen noch zu den möglichen Hilfen sagen.
Praxistipp:
Es gibt Fälle, in denen es - nicht zuletzt wegen einer vielleicht unnötig emotional aufgeheizten Atmosphäre - sinnvoller ist, wenn der Arbeitgeber bei einem Termin oder einer Besprechung mit dem Gegner nicht persönlich anwesend ist. Nur: Ist das Nichtmitwirken an einer Maßnahme sinnig, dann sollte das zuvor mit dem Anwalt klar abgesprochen werden und ein Teil der gemeinsam festgelegten Strategie sein. Sonst steht der Anwalt in diesen Fällen im wahrsten Sinn des Wortes allein da und kann weder Auskunft geben noch Entscheidungen treffen..
Daher:
Lieber bei der Rechtssuche mitwirken, als die Angelegenheit durch fehlende Mitwirkung unnötig zu verzögern oder zum Scheitern zu bringen.
3.7 Der siebte Fehler: Der Arbeitgeber weiß alles besser
Unser Recht, und ganz besonders das Arbeitsrecht, ist eine komplizierte Materie. Nicht einmal die Experten wissen alles. Und der juristische Letztverbraucher schon gar nicht. Trotzdem gibt es immer wieder Zeitgenossen, die meinen, mit ihrem Halbwissen und einem weit verbreitetem Irrglauben Recht zu haben (ein Phänomen, das auch auf Arbeitnehmerseite erscheint).
Beispiele
- (1)
Die Geschäftsführerin der AlHolCo GmbH, Daniela Calwer-Doss, hat vor Urzeiten mal von einem bekannten Unternehmer gehört, dass man einen kranken Arbeitnehmer nicht kündigen dürfe. Ein Buchhalter der AlHolCo GmbH, Herr Uli Uhsow, ist schon seit mehr als drei Jahren durchgehend arbeitsunfähig krank. Obwohl ihr Anwalt Daniela geraten hat, das Arbeitsverhältnis des Herrn Uhsow zügig zu beenden, vertraut Frau Calwer-Doss auf dessen krankheitsbedingte Unkündbarkeit. Ein Fehler. Als sie ein Jahr später nach Ulis Rückkehr kündigt, ist dessen Gesundheitsprognose positiv und kein weiterer Arbeitsausfall mehr zu erwarten, der zu einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit führen kann. Jetzt ist Herr Uhsow "unkündbar"...
- (2)
Der schwerbehinderte Arbeitnehmer Rainer Korn kommt wiederholt zu spät zur Arbeit und belästigt zudem einige Kolleginnen mit schmutzigen Witzen. Eine dieser Kolleginnen beschwert sich bei der AlHolCo-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss. Sie sagt ihr, dass sie es einfach unerträglich finde, "wie der Rainer sich benimmt". "Tja", sagt Daniela, "da kann ich leider nichts machen. Der Rainer ist schwerbehindert. Den kann ich nicht kündigen." Auch so ein Irrglaube, an dem manch Anwalt schier verzweifelt. Schwerbehinderte Mitarbeiter haben nach den §§ 85 ff. SGB IX zwar einen besonderen Kündigungsschutz, sie sind aber nicht "unkündbar" - der Arbeitgeber muss vor der Kündigung nur die Zustimmung des Integrationsamts einholen (die er in Rainers Fall auch bekommen wird).
Kein Anwalt weiß alles - aber in vielen Fällen weiß er es richtig.
Praxistipp:
Der Anwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Es ist nicht seine Aufgabe, dem Mandanten nach dem Mund zu reden. Wenn er die Sach- und Rechtslage richtig einschätzt, muss er seinem Mandanten manchmal auch raten, etwas zu tun oder lieber sein zu lassen.
Daher:
Lieber auf den Anwalt hören, als sich auf eigenes Halbwissen zu verlassen oder einem weit verbreiteten Irrglauben zu folgen.
3.8 Der achte Fehler: Der Arbeitgeber handelt Empfehlungen zuwider
Es ist nicht jedermanns Sache, fremden Empfehlungen zu folgen und auf fremden Rat zu hören. "Auch Ratschläge sind Schläge", sagte mal ein Kabarettist. Nun - in bestimmten Situationen mag er mit dieser Aussage Recht haben. Im Arbeitsrecht ist das anders. Da sollte der Mandant durchaus auf anwaltliche Empfehlungen reagieren und den Vorschlägen des Fachmanns folgen - immerhin bezahlt er ihn ja auch dafür.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH möchte sich von einigen älteren Mitarbeitern trennen. Sie beauftragt den Arbeitsrechtler Will G. Winnen damit, ihr ein Konzept zu erarbeiten, mit dem mehrere erfolgreiche betriebsbedingte Kündigungen durchgesetzt werden können. Das macht Anwalt Winnen natürlich gerne. Er lässt sich eine Liste der Beschäftigten mit ihren Sozialdaten (Geburts- und Eintrittsdatum, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung) sowie eine Beschreibung der Arbeitsplätze geben. Will G. Winnen arbeitet ein Konzept aus und empfiehlt der AlHolCo GmbH, Altersgruppen zu bilden und die betriebsbedingten Kündigungen innerhalb dieser Altersgruppen vorzunehmen. Die GmbH folgt der anwaltlichen Empfehlung nicht und trifft die falsche Sozialauswahl. Mehrere Kündigungsschutzklagen mit hohen Abfindungszahlungen sind die Folge.
- (2)
Die AlHolCo GmbH-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss hat Sekretärin Rita Rahmer-Sotty auf der "Abschlussliste". Rita bringt sehr viele Schreibfehler in die diktierten Briefe und macht oft den Eindruck, irgendwie neben der Spur zu stehen. Rechtsanwalt Will G. Winnen hat Frau Calwer-Doss wiederholt darauf hingewiesen, dass sie Ritas Fehlverhalten abmahnen müsse. Daniela will jedoch von diesem ganzen "juristischen Kram" nichts wissen. Ende August ist es dann soweit - Rita fällt mal wieder unangenehm auf und Daniela kündigt ohne Vorwarnung verhaltensbedingt. Frau Rahmer-Sotty wehrt sich gegen ihre Kündigung, Frau Calwer-Doss möchte ihr Gesicht wahren und keinen Rückzieher machen. Auch in diesem Fall kann sie sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur mit einer hohen Abfindung erkaufen.
Praxistipp:
Manchmal mag es unternehmerisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, einer anwaltlichen Empfehlung nicht zu folgen. Wenn es "nur" um Geld geht und genügend Kapital da ist, kann man es sich als Arbeitgeber leisten, arbeitsrechtlich falsche Schritte zu gehen. Dann werden bei einer Kündigung eben hohe Abfindungen gezahlt, Hauptsache das Ergebnis stimmt. Wer dagegen finanziell weniger gut ausgestattet ist, nun, der wird eine teure Erfahrung nach der anderen machen, wenn er anwaltlichen Empfehlungen zuwiderhandelt.
Daher:
Lieber der Empfehlung des Anwalts folgen, als sich für teure und riskante Schritte gegen die anwaltliche Empfehlung zu entscheiden.
3.9 Der neunte Fehler: Der Arbeitgeber zahlt seinen Anwalt nicht
Eine qualifizierte Rechtsberatung und -vertretung kostet Geld. Der Anwalt braucht mit einer Rechnung nicht so lange zu warten, bis der Fall abgeschlossen ist. § 9 RVG gibt ihm die Möglichkeit, "von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss zu fordern". Und von dieser Möglichkeit sollte er in vielen Fällen Gebrauch machen.
Beispiele
- (1)
Die AlHolCo GmbH beauftragt Anwalt Will G. Winnen damit, sie in einem Kündigungsrechtsstreit zu verteten. Der gekündigte Arbeitnehmer Peter Pernow hat einen Brutto-Monatslohn von 3.500 EUR. Der Streitwert des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht beträgt demnach 10.500 EUR. Der Gütetermin soll am 08.09. stattfinden. Anwalt Winnen führt zwei Gespräche mit der AlHoCo-Geschäftsführerin Daniela Calwer-Doss, meldet sich bei Gericht als Prozessbevollmächtigter und beantragt die Klageabweisung. Mit Frau Calwer-Doss war abgesprochen, dass vor dem Gütertermin noch keine Klageerwiderung geschrieben werden soll. Man hofft auf eine einvernehmliche Streitbeendigung. Nach dem letzten Besprechungstermin diktiert Anwalt Winnen eine Vorschussrechnung über die bereits entstandene Verfahrens- (1,3 x 526,00 x 1,3 = 683,80 EUR) und die am 08.09. voraussichtlich entstehende Teriminsgebühr (1,2 x 526,00 EUR = 631,20 EUR) - plus Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und Umsatzsteuer.
- (2)
Der Gütetermin in Sachen Pernow vs. AlHolCo GmbH blieb wider Erwarten ohne Einigung. Das Arbeitsgericht setzt den 04.12. für den Kammertermin fest. Gleichzeitig gibt es der beklagten AlHolCo GmbH auf, innerhalb von vier Wochen abschließend auf die Klage zu erwidern. Anwalt Will G. Winnen hat bereits vor dem Gütertermin festgestellt, dass seine Auftraggeberin den Vorschuss nicht gezahlt hatte. Also rief er deren Geschäftsführerin an und bat sie, die Vorschussrechnung zügig bis zum Ende der Woche zu erledigen. Versprochen und gleich wieder vergessen - warum auch immer. Das Geld kommt nicht, also mahnt Anwalt Winnen seine Mandantin mit einem netten Anschreiben. Als wieder keine Zahlung erfolgt, droht er damit, keine Klageerwiderung zu schreiben und die AlHolCo GmbH auch im Kammertermin nicht zu vertreten.
Praxistipp:
Der letzte hier geschilderte Fall ist sicherlich nicht die Regel - aber es gibt Mandanten, die es mit ihren Zahlungsverpflichtungen nicht so ernst nehmen. Über die Gründe kann man spekulieren - es gehört sich jedenfalls nicht, Rechnungen nicht zu bezahlen. Ein Recht Suchender kann nicht allen Ernstes erwarten, dass sein Anwalt für ihn tätig wird, wenn er die Gegenleistung nicht bringt. Da der Anwaltsvertrag ein Dienstvertrag ist, kann er von jedem Teil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden - auch vom Anwalt. Zahlt der Mandant dessen Rechnungen nicht, kann es passieren, dass der Anwalt den Vertrag kündigt. Dann muss sich der Mandant einen neuen Anwalt suchen - und am Ende zwei bezahlen.
Daher:
Lieber die Anwaltsrechnung pünktlich zahlen, als am Ende ohne Anwalt dazustehen oder zwei Anwälte bezahlen zu müssen.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle sind einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema vermeidbare Fehler im Umgang mit Rechtsanwälten in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt.
4.1 Anwaltsregress
Verletzt der Anwalt eine Verpflichtung aus seinem Beratungsvertrag, kann er sich damit nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB schadensersatzpflichtig machen. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB sagt: "Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat" - was bedeutet, dass mit dieser Regelung das Verschulden des Anwalts aufgrund der Pflichtverletzung zunächst vermutet wird. Aber: "1. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die der Mandant aufgrund der objektiven Umstände keinen Anspruch hatte, stellt bei wertender Betrachtung keinen ersatzfähigen Schaden dar" (OLG Hamm, 15.11.2011 - I-28 U 69/11 - Leitsatz).
4.2 Beklagteneigenschaft
Wer es als Rechtsanwalt übernommen hat, in einem Zivilprozess die beklagte Partei zu vertreten, muss sorgfältig prüfen, ob sein Mandant die so genannte "Passivlegitimation" hat - also rechtlich überhaupt als Beklagter in Frage kommt. Hat der Anwalt Anlass zu hinterfragen, ob sich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien ein anderer Schuldner ergibt als aus dem gewählten Vertragswortlaut und der zugrunde liegenden Interessenlage, verletzt er seine Prüfungspflicht. Denn selbst wenn der übereinstimmende Wille im Vertragstext nur unvollkommen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat, ist der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien bei Vertragsschluss maßgeblich (OLG Hamm, 15.11.2011 - I-28 U 73/11).
4.3 Fachanwälte
"a) Die Verwendung des Begriffs 'Fachanwälte' als Zusatz zur der Kurzbezeichnung einer überörtlichen Anwaltssozietät auf einem Praxisschild oder auf dem Briefkopf setzt voraus, dass eine den Plural rechtfertigende Zahl von Sozietätsmitgliedern Fachanwälte sind. Nicht erforderlich ist es, dass an jedem Standort, an dem der Zusatz verwendet wird, ein oder mehrere Fachanwälte tätig sind. b) Verwendet eine Sozietät in ihrer Kurzbezeichnung eine auf eine Zusatzqualifikation hinweisende Bezeichnung, muss sie dort, wo die Mitglieder der Sozietät namentlich aufgeführt sind, die (Zusatz-)Qualifikation jedes einzelnen Sozietätsmitglieds benennen" (BGH, 29.03.2007 - I ZR 152/054 -Leitsätze).
4.4 Fürsorgepflicht
"Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (...) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritten anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Aufraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist" (OLG Düsseldorf, 31.01.2012 - I-24 U 39/11).
4.5 Honorarfrage
Ohne gefragt zu sein braucht der Anwalt seinen Mandanten in der Regel nicht über die Vergütungspflicht seiner Tätigkeit und die Höhe seines Honorars unterrichten. Der Recht suchende Mandant "weiß oder muss jedenfalls wissen, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausübt und deshalb nicht honorarfrei tätig wird (...). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der Rechtsanwalt ein Honorar versprechen lässt, welches die gesetzlichen Gebühren überschreitet". Unabhängig davon kann im Einzelfall eine vertragliche Nebenpflicht des Anwalts bestehen, seinen Mandanten ungefragt über das Maß der Gebührenüberschreitung aufzuklären - was von Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im Rechtsverkehr abhängt (OLG Düsseldorf, 21.06.2011 - I-24 U 155/10).
4.6 Praktische Erfahrungen
"Bei der Prüfung des für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Arbeitsrecht erforderlichen Nachweises besonderer praktischer Erfahrungen im Arbeitsrecht (§ 5 FAO) sind neben den in freier anwaltlicher Tätigkeit bearbeiteten Fällen auch solche Fälle zu berücksichtigen, in denen der Rechtsanwalt als Syndikus eines Arbeitgeber- oder Unternehmerverbandes die arbeitsrechtliche Beratung und Prozessvertretung (§ 11 ArbGG) von Mitgliedern des Verbandes weisungsunabhängig durchgeführt hat"(BGH, 13.01.2003 - AnwZ (B) 25/02 - Leitsatz).
4.7 Rechtsmittelbelehrung
Der erstinstanzlich tätig gewordene Anwalt muss seinen Mandanten nach dem Instanzverlust zunächst über die formellen Voraussetzungen des Rechtsmittels belehren. Materiellrechtlich ist eine Belehrungspflicht anerkannt, wenn eine ohne Weiteres erkennbare Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliegt - darüber hinaus in Fällen, in "denen der Fehler des Urteils (auch) darauf beruht, dass der Rechtsanwalt nicht sachgerecht gearbeitet, er das unrichtige Urteil also mitverschuldet hat". Dann führt die vorausgegangene Pflichtverletzung dazu, "den Mandanten konkret auf die Umstände hinzuweisen, die ein Rechtsmittel aussichtsreich erscheinen lassen". Ohne besonderen Auftrag gehört es jedoch nicht zu den Aufgaben des erstinstanzlichen Anwalts, "die materiellen Gründe des ggf. anzufechtenden Urteils einer eingehenden Prüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen, erfolgversprechende Angriffspunkte herauszuarbeiten und sie auf ihre Revisibiliät hin zu untersuchen" (OLG Düsseldorf, 08.11.2011 - I-24 U 55/11).
4.8 Verjährung
Die Gebührenforderungen von Anwälten verjähren in der Regel innerhalb von drei Jahren nach Erledigung des Auftrags oder mit der Beendigung der Angelegenheit (§ 195 BGB, § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Rechtverfolgung gehemmt, wenn der Anspruchsberechtigte eine Klage auf Leistung erhebt. Nun muss man bei einem Anwalt zwischen den gesetzlichen und den individuell vereinbarten Gebühren unterscheiden - verjährungsrechtlich mit dem Ergebnis, dass durch eine rechtzeitig erhobene Klage auf Zahlung des vereinbarten Honorars auch die Verjährung der gesetzlichen Gebühren gehemmt ist (OLG Hamm, 11.10.2011 - I-28 U 78/11 - mit der Begründung, dass es hier um einen einheitlichen Streitgegenstand geht).
Siehe auch
Abmahnung - AllgemeinesBetriebsübergang - KündigungsverbotKündigung - verhaltensbedingt: Ultima-Ratio-PrinzipKündigung - betriebsbedingt: PunkteschemaRechtsanwalt - Beratungs- und ProzesskostenhilfeRechtsanwalt - Pflichten des AnwaltsRechtsanwalt - Pflichten des MandantenRechtsanwalt - KostenÜberstunden - BefreiungÜberstunden - arbeitsfreie Zeiten