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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Detektiveinsatz - Kostenerstattung
Detektiveinsatz - Kostenerstattung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Soll durch den Einsatz eines Detektivs aufgeklärt werden, ob ein Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletzt, können erhebliche Kosten entstehen und Probleme auftauchen. Bevor dieses Mittel ergriffen wird, ist daher eine sorgfältige Abwägung geboten (vgl. dazu Detektiveinsatz - Allgemeines). Entnehmen Sie dem Beitrag, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer für die entstandenen Kosten Schadenersatz leisten muss.
2. Grundlagen für den Anspruch
Voraussetzung für den Anspruch auf Schadenersatz ist, dass die Überwachung arbeitsrechtlich zulässig war (vgl. Detektiveinsatz - Allgemeines). Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt (BAG, 17.06.2017 – 2 AZR 597/16; LAG Baden-Württemberg, 21.04.2020 – 19 Sa 46/19). Soweit die Ermittlungen ergeben, dass der erhobene Verdacht unbegründet ist oder er nicht erhärtet werden kann, bleiben die Kosten am Betrieb hängen. Im umgekehrten Fall kommen als Rechtsgrundlagen für einen Anspruch auf Kostenerstattung die §§ 280 Abs. 1, 286 BGB in Betracht. Danach kann u.a. der Gläubiger Ersatz des durch eine Pflichtverletzung des Schuldners entstehenden Schadens verlangen, soweit der Schuldner dies zu vertreten hat. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung (siehe z.B. BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 547/09). Darüber hinaus kann sich der Anspruch auf Kostenerstattung auch aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) ergeben.
Die Ermittlungen müssen erforderlich gewesen sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer weigert, an der Aufklärung des Sachverhalts im notwendigen Umfang mitzuwirken.
Im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind Detektivkosten nur erstattungsfähig (als Prozesskosten im Sinne von §§ 12a ArbGG, 91 ff. ZPO) soweit der Arbeitnehmer im Rechtsstreit unterlegen ist und die Kosten in unmittelbarer Beziehung zu einem konkret bevorstehenden Rechtsstreit stehen. Sie müssen also der Vorbereitung des Prozesses dienen; nur dann sind sie notwendige Kosten des Rechtsstreits, die die unterlegene Partei zu erstatten hat (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 226/08). Außerdem muss das Ergebnis der Überwachung ein im Rahmen des Rechtsstreites verwertbares Beweismittel sein ((BGH, 15.05.2013 – XII ZB 107/08)). Hieran fehlt es, wenn ein umfassendes persönliches Bewegungsprofil durch GPS erstellt wurde, wenn eine persönliche punktuelle Beobachtung ausgereicht hätte. Die entstandenen Kosten müssen dann insgesamt nicht erstattet werden, weil die Beobachtung als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht anzusehen ist und das Ergebnis als Beweismittel nicht verwertet werden kann.
Beispiel:
Der Mitarbeiter A. eines Hamburger Werkes für Flugzeuginstandsetzungen hat Urlaub für zwei Wochen beantragt, um seinem Sohn bei Renovierungsarbeiten an seinem Eigenheim in Augsburg zu helfen. Der Antrag wurde aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt, da eine Reihe termingebundener Aufträge zu erledigen waren. A. erklärt seinem Vorgesetzten, dann erinnere er sich an sein Rückenleiden. Prompt kommt zu Beginn des gewünschten Urlaubs eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. In den ersten Tagen der Abwesenheit wurden mehrere unangekündigte Besuche in der Wohnung durchgeführt; A. war jedoch jedes Mal nicht zu Hause. Die daraufhin beauftragte Detektei in Augsburg ermittelt, dass A. am Eigenheim seines Sohnes schwere körperliche Tätigkeiten (Maurerarbeiten) ausübt.
3. Konkreter Verdacht
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten ist zunächst, dass der Arbeitgeber wegen eines konkreten Tatverdachts einen Detektiv mit der Überwachung beauftragt (vgl. BAG, 17.09.98 - 8 AZR 5/97; 26.09.2013 – 8 AZR 1026/12). Diese Voraussetzung dürfte im Beispiel des Mitarbeiters A. vorgelegen haben, da aufgrund des Ablaufs der Verdacht besteht, dass dieser die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat.
Praxistipp:
Nicht erstattungsfähig sind sog. Vorsorgekosten, die unabhängig von Pflichtverletzungen einzelner Arbeitnehmer entstehen. Beschäftigt also ein Unternehmen einen fest angestellten Hausdetektiv, können die Kosten dafür nicht einzelnen, "überführten" Mitarbeitern in Rechnung gestellt werden (BAG, 03.12.1985 - 3 AZR 277/84).
4. Vorsätzliche Pflichtverletzung
4.1 Allgemeines
Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt werden (vgl. BAG, 17.09.98 - 8 AZR 5/97; BAG, 29.06.2017 – 2 AZR 597/16) oder aber zumindest der begründete Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehen (vgl. BAG, 26.09.2013 – 8 AZR 1026/12). A. verletzt in dem Beispiel seine vertragliche Nebenpflicht, Schaden vom Betrieb abzuwenden und dazu die Kosten von Entgeltfortzahlung möglichst gering zu halten. Bei Rückenbeschwerden muss zumindest davon ausgegangen werden, dass die ausgeführten Arbeiten das Leiden (soweit es tatsächlich besteht) verschlimmern bzw. die Heilung verzögern. Die Pflicht zur Schadensabwendung wird auch vorsätzlich verletzt.
Praxistipp:
Stand zu dem Zeitpunkt, an dem der Detektiv eingesetzt war, die Vertragspflichtverletzung bereits fest, scheidet eine Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers aus, weil die Überwachung keinen Beitrag mehr zur Beseitigung der Vertragsstörung leisten kann (BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 547/09). Dazu gehört auch, eine laufende Überwachung, soweit vertraglich möglich, zu beenden, wenn die Pflichtverletzung nachgewiesen wurde.
Besteht gegen einen Einkaufsleiter aufgrund von anonymen Meldungen von sogenannten Whistleblowern der Verdacht, er habe in erheblicher Weise gegen interne Compliance-Regeln verstoßen (hier: mehrfache Besuche von Champions-League-Spielen eines süddeutschen Fußballvereins auf Kosten von Geschäftspartnern des Arbeitgebers), so ist die Beauftragung einer auf Unternehmensstrafrecht spezialisierten Anwaltskanzlei durch den Arbeitgeber zur Aufklärung der Sachverhalte gerechtfertigt (LAG Baden-Württemberg, 21.04.2020 - 19 Sa 46/19).
4.2 Anspruch
Eine vorsätzliche Vertragspflichtverletzung und damit ein Anspruch auf Erstattung der Kosten durch den Arbeitnehmer wurden von der Rechtsprechung u.a. anerkannt:
Vorgetäuschte Krankheit: BAG, 17.09.1998 – 8 AZR 5/97; BAG, 29.06.2017 – 2 AZR 597/16
Genesungswidriges Verhalten: LAG Rheinland-Pfalz, 15.06.1999 – 5 Sa 540/99
Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen: BAG, 29.06.2017 – 2 AZR 597/16
5. Umfang des Erstattungsanspruchs
Der Einsatz des Detektivs muss wirtschaftlich sein. Maßstab dafür ist, ob ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber die Kosten zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ansehen konnte (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 226/08). Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem über die Überwachung durch einen Detektiv zu entscheiden war (BAG, 03.12.1985 - 3 AZR 277/84). Einzubeziehen in diese Abwägung sind dabei auch die Kosten, die in Zukunft bei Nichtaufdeckung der Pflichtverletzung zu erwarten wären.
Nach § 249 BGB erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit sie nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen sind. Ist die Ersatzpflicht dem Grunde nach gegeben, sind die entstandenen Kosten aber unverhältnismäßig hoch, ist der Schadenersatzanspruch auf die als notwendig anzusehenden Aufwendungen zu begrenzen (§ 254 BGB, BAG, 17.09.1998 - 8 AZR 5/97).
Bei der Betrachtung von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Überwachung muss im Fall des Herrn A. nicht nur auf die Höhe der Entgeltfortzahlung, sondern auch auf die Störung des Betriebsablaufs durch seinen Ausfall abgestellt werden. Darüber hinaus dürfte auch die Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen sein.
Praxistipp:
Dass die Voraussetzungen für die Kostenerstattungspflicht des Mitarbeiters vorliegen und der Einsatz wirtschaftlich war, muss der Arbeitgeber im Streitfall vor Gericht darlegen. Daher sollten die geschilderten Voraussetzungen vor Beauftragung einer Detektei intern sorgfältig geprüft und ggf. festgehalten werden.
Bei der Geltendmachung des Schadenersatzanspruches müssen evtl. arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen, die auch Formvorgaben enthalten können, beachtet werden (vgl. hierzu auch BAG, 07.06.2018 – 8 AZR 96/17).
Die Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers bezieht sich auf die Maßnahmen, die zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung erforderlich sind. Das ist der Fall, wenn das Ermittlungsergebnis den Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung veranlasst. Die Kosten für weitergehende Ermittlungen, die darauf gerichtet sind, Schadensersatzansprüche vorzubereiten, und die sich nicht auf einen konkreten Tatverdacht stützen, sind nicht erstattungsfähig. Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen, der auch einen Anspruch auf Erstattung vor- bzw. außergerichtlicher Kosten ausschließt (LAG Baden-Württemberg, 21.04.2020 - 19 Sa 46/19). Davon erfasst ist der Schadensersatz in Form von Beitreibungs- und Rechtsverfolgungskosten (BAG, 25.09.2018 - 8 AZR 26/18 - zu pauschalierten Beitreibungskosten nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB).