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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Urlaub - Anspruch bei Arbeitsunfähigkeit
Urlaub - Anspruch bei Arbeitsunfähigkeit
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Nach der früheren Rechtsprechung des BAG verfiel der Anspruch auf den gesetzlichen Erholungsurlaub, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes nicht genommen werden konnte. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dies mit Art. 7 der EG-Richtlinie Nr. 2003/88 jedoch nicht vereinbar. In der Folge des Urteils vom (20.01.2009 - Rs C 350-06) wurden viele Einzelfragen, die sich in dem Zusammenhang ergaben, durch die Gerichte entschieden. Der Beitrag gibt Ihnen alle wichtigen Informationen.
2. Arbeitsunfähigkeit und Urlaubsanspruch
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (§ 1 BUrlG). Mit dieser Generalklausel wird zum einen der Anspruch des Arbeitnehmers auf zeitweise Freistellung von der Arbeitsleistung, zum anderen aber auch ihr Zweck festgelegt. Der Zweck wird mit dem Begriff "Erholungsurlaub" jedoch nur im sozialpolitischen Sinne umschrieben; für den Urlaubsanspruch ist nicht Voraussetzung, dass ein konkretes Erholungsbedürfnis vorliegt bzw. anzunehmen ist.
Insbesondere ist die Forderung von Urlaub durch den Arbeitnehmer nicht allein schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil er in dem betreffenden Jahr keine oder nur eine geringe Arbeitsleistung erbracht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, 22.10.1987 - 8 AZR 83/86). Dies gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG) als auch für tarifvertraglich festgelegte zusätzliche Urlaubstage, soweit im Tarifvertrag keine abweichende Festlegung getroffen wurde (BAG, 18.03.2003 - 9 AZR 190/02).
Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht daher auch, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Arbeitsunfähigkeit im betreffenden Jahr keine oder nur eine geringe Arbeitsleistung erbracht hat.
Die Gewährung des Urlaubs setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich von der Arbeitsleistung befreit werden kann. Ist er arbeitsunfähig, besteht schon aus diesem Grund keine Arbeitspflicht und dementsprechend kann auch kein Urlaub gegeben werden. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub jedoch im laufenden Jahr genommen werden. Eine Übertragung ist nur bis zum 31.03. des Folgejahres zulässig, wenn eine rechtzeitige Gewährung aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen des Arbeitnehmers nicht möglich ist. Die Übertragungsfrist kann zugunsten des Arbeitnehmers durch Tarifvertrag verlängert werden (vgl. § 13 BUrlG).
Nach früherer Rechtsprechung war der Urlaubsanspruch erloschen, wenn er wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraumes nicht genommen werden konnte (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BAG, 24.11.1987 - 8 AZR 140/87). Es bestand auch kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Allerdings waren abweichende Regelungen in Tarifverträgen möglich und vorrangig.
3. Neuere Rechtsprechung
Der EuGH (20.01.2009 - Rs C 350-06) entschied nach einer Vorlage des LAG Düsseldorf, dass die deutsche Rechtslage mit Art. 7 der EG-Richtlinie 2003/88 nicht vereinbar ist. Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindesturlaub von vier Wochen zusteht. Daraufhin hat auch das BAG (24.03.2009 - 9 AZR 983/07) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und sich der Entscheidung des EuGH angeschlossen. Zunächst war damit zumindest für die gesetzlichen Urlaubsansprüche eine zeitlich unbegrenzte Übertragung möglich.
Das LAG Hamm legte dem EuGH die Frage vor, ob eine tarifvertragliche Regelung, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsieht, mit Europarecht vereinbar ist. Mit Urteil vom 22.11.2011 (C 214/10 - KHS) hat der EuGH dies bejaht und ausgeführt, dass nationale Regelungen, die eine Begrenzung des Übertragungszeitraums auf 15 Monate vorsehen, europarechtlich nicht zu beanstanden sind (siehe hierzu auch BAG, 18.09.2012 – 9 AZR 623/10). Das BAG hat diese Frist daraufhin auch ohne tarifvertragliche Regelung für den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte angewandt (BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 353/10). § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG sei bei langjährig erkrankten Arbeitnehmern unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Der Anspruch auf Urlaub - bzw. auf Urlaubsabgeltung verfällt daher auch bei Langzeitkranken mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres (siehe auch BAG, 16.10.2012 – 9 AZR 63/11). Eine darüber hinausgehende Übertragungsmöglichkeit besteht jedoch nicht (EuGH, 22.11.2011 - C-214/10-KHS; BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 353/10; LAG Sachsen-Anhalt, 19.10.2018 – 5 Sa 77/16). Für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruch kann von der 15-Monats-Frist abgewichen werden. Aus der tariflichen Klausel muss sich aber deutlich ergeben, dass die Tarifparteien den Verfall des Mehrurlaubs abweichend von den gesetzlichen Regelungen festlegen wollten (LAG Hamm, 20.05.2020 – 5 Sa 1682/19).
Nach der Rechtsprechung des EuGH (03.05.2012 - C 337/10) gelten diese Grundsätze auch bei Beamten für den in der EU-Richtlinie geregelten Mindesturlaub von vier Wochen. Auch bei ihnen ist der Urlaub abzugelten, obwohl das Beamtenrecht eine finanzielle Entschädigung nicht vorsieht. Das BVerwG (31.01.2013 – 2 C 10.12) hat sich dem angeschlossen. Nach der Entscheidung trifft dies nur für den gesetzlichen Mindesturlaub zu, ausgenommen sind zusätzliche Urlaubsansprüche, Arbeitsverkürzungstage und der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 208 SGB IX. Das Gericht betont, dass Urlaubsansprüche nur abzugelten sind, wenn sie nicht verfallen sind. Ein solcher Verfall trete jedenfalls 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Außerdem sei der Mindesturlaubsanspruch auch dann erfüllt, wenn der Beamte in dem fraglichen Jahr zwar nicht den Urlaub für dieses Jahr, aber noch "alten", aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub nehmen konnte (ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, 13.12.2012 – 6 A 528/11).
In einer weiteren, wegweisenden Entscheidung hat das BAG die bisher nur in Bezug auf arbeitsunfähige Mitarbeiter ergangene Rechtsprechung auch auf Mitarbeiter ausgedehnt, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig sind. Haben sie noch Anspruch auf Urlaub, ist dieser auch dann abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG), wenn der Anspruch auf Freistellung bereits verfallen ist (BAG, 19.06.2012 - 9 AZR 652/10). Nach Auffassung des Gerichts ist kein Grund ersichtlich, weshalb hinsichtlich der Abgeltungsansprüche für arbeitsfähige Mitarbeiter etwas Anderes gelten soll, als für erkrankte Arbeitnehmer. Für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung sind die Fristen des BUrlG nicht anzuwenden. Evtl. entgegenstehende Klauseln in Arbeitsverträgen unterliegen nach dem Urteil als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB und können daher unwirksam sein.
Hat ein Arbeitnehmer jedoch mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass er unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand von der Arbeitsleistung freigestellt wird, besteht Anspruch auf Urlaubsabgeltung nur, soweit er während dieser Zeit arbeitsunfähig krank war (EuGH, 20.07.2016 – C 341/15).
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Beschäftigten von sich aus den Urlaub zu gewähren. Tut er dies nicht und verfällt der Anspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, hat der Arbeitgeber Schadenersatz zu leisten. Der EuGH geht in seiner Rechtsprechung mit Blick auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG noch weiter: Der Urlaubsanspruch geht danach nicht unter, wenn der Mitarbeiter keinen Urlaubsantrag gestellt hat, der Arbeitgeber seinerseits es aber unterlassen hat, ausdrücklich auf den drohenden Verfall hinzuweisen und es so dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, seinen Urlaub doch noch rechtzeitig zu nehmen (EuGH, 06.11.2018 – C – 619/14 und C - 684/16). Dem hat sich das BAG angeschlossen – hinzuweisen ist auf den konkreten Resturlaubsanspruch und den Zeitpunkt des Verfalls; offen bliebt bis wann der Arbeitnehmer darauf hinzuweisen ist (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 und 9 AZR 423/16). Der konkrete Hinweis des Arbeitgebers muss neben der taggenauen Angabe des Resturlaubs die Aufforderung enthalten, den Urlaub zu nehmen. Außerdem muss über das Erlöschen des Anspruchs mit Ablauf des Kalenderjahres aufgeklärt werden (BAG, 21.05.2019 – 9 AZR 259/18). Für die praktische Ausübung der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers gibt es keine festen Vorgaben. Der Arbeitgeber ist frei in der Wahl der Mittel, muss sie aber so einsetzen, dass sie zweckentsprechend und geeignet sind, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller Umstände darüber frei zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt oder nicht (BAG, 21.05.2019 - 9 AZR 579/16). Die Information, der zustehende Resturlaub könne einer Tabelle auf dem Firmenserver entnommen werden, genügt der Hinweispflicht des Arbeitgebers nicht (BAG, 25.06.2019 - 9 AZR 546/17). Andererseits ist bei einer fehlerhaften Angabe der noch zustehenden Urlaubstage in Formularen oder Tabellen lediglich eine Hinweis- und Dokumentationsfunktion, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf falsch ausgewiesene Urlaubstage nicht begründet (BAG, 21.05.2019 – a.a.O.).
Der Arbeitgeber muss auf den drohenden Verfall auch hinweisen, wenn es sich um Urlaub aus den vergangenen Jahren handelt (LAG Köln, 09.04.2019 – 4 Sa 242/18).
Zur Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin bei seither ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen kann, hat das Bundesarbeitsgericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 401/19). Der EuGH soll auch die Rechtslage klären, wenn der betroffene Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können. In einem weiteren Ersuchen wird eine Vorabentscheidung beantragt, ob und zu welchem Zeitpunkt der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub im Urlaubsjahr bis zum Zeitpunkt, an dem volle Erwerbsminderung eingetreten ist, zumindest teilweise hätte nehmen können (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 245/19). In beiden Fällen ist auch zu klären, wie die Rechtslage ist, wenn der jeweilige Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten zur Realisierung des Urlaubsanspruchs nicht erfüllt hat.
Die Rechtslage ist in Bezug auf vertraglichen Mehrurlaub nur dann anders, wenn die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers abweichend von den Vorgaben des BUrlG ausgestaltet wurden. Für einen solchen Regelungswillen müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen diese, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf den arbeitsvertraglichen Mehrurlaub auszugehen (BAG, 25.06.2019 a.a.O.).
Verfällt der Urlaubsanspruch, ohne dass der Arbeitgeber seine Hinweispflichten erfüllt hat, ist Schadenersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten; bei Beendigung des Arbeitsverhältnis ist er abzugelten (LAG Berlin-Brandenburg, 12.06.2014 – 21 Sa 221/14). Für den Anspruch auf Abgeltung kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber zu dem Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubsanspruchs im Verzug befand. Dieser Rechtsprechung steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen hat. Denn wenn Beschäftigte von sich keine Urlaubswünsche äußern, kann der Arbeitgeber nachfragen. Äußern Beschäftigte auch auf Nachfrage keine Urlaubswünsche, kann der Arbeitgeber den Urlaub einseitig verbindlich festlegen. Dies gilt jedoch nur für den gesetzlichen Mindesturlaub (LAG Berlin-Brandenburg, 07.05.2015 - 10 Sa 86/15 u. 10 Sa 108/15). Auch nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung bestehen die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs fort (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 321/16). Dagegen besteht die Pflicht des Arbeitgebers, den Mitarbeiter rechtzeitig auf einen drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs hinzuweisen nicht bei langfristig erkrankten Arbeitnehmern. Diese Pflicht besteht erst wieder nach Genesung in Bezug auf die konkreten Ansprüche des Arbeitnehmers (LAG Hamm, 24.07.2019 – 5 Sa 676/19 – Revision anhängig beim BAG unter dem Az.: 9 AZR 401/19; LAG Rheinland-Pfalz, 15.01.2020 – 7 Sa 284/19 – Revision anhängig unter dem Az. 9 AZR 107/20). Eine Belehrung als Obliegenheit des Arbeitgebers ergibt nach der Entscheidung nur dann Sinn, wenn die Arbeitnehmerin in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies ist im Falle einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall (a. M. ArbG Berlin, 13.06.2019 – 42 Ca 3229/19).
Das Verfallen ist auch für Resturlaubsansprüche für frühere Jahres ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachkommt, den Mitarbeiter nicht konkret auf den Resturlaub hinweist und ihn auffordert, diesen zu nehmen. Dies gilt selbst dann, wenn die Vertragsparteien sich früher auf einen (rechtlich unzulässigen) Verzicht auf den Urlaub geeinigt hatten und der Arbeitgeber daher der Meinung war, der Urlaubsanspruch bestehe nicht mehr (LAG Köln, 09.04.2019 – 4 Sa 242/18). Die bei Arbeitsunfähigkeit eingezogene Begrenzung auf 15 Monate (BAG, 18.09.2012 – 9 AZR 623/10 und 07.08.2012 – 9 AZR 353/10) greift nach dem Urteil nicht in den Fällen, in denen der Arbeitgeber seine Hinweispflicht verletzt und - anders als in Krankheitsfällen - von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers profitiert hat.
Weist der Arbeitgeber jedoch nach, dass sein Mitarbeiter aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall einer Urlaubsabgeltung nicht entgegen (EuGH, 06.11.2018 – C – 219/16 und C – 684/16). Dies gilt sowohl für öffentliche wie auch für private Arbeitgeber. Dem hat sich das BAG für das nationale Recht angeschlossen (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 321/16 und 9 AZR 423/16).
4. Konsequenzen
Daraus ergeben sich für den Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, folgende Konsequenzen:
An die Stelle des Anspruchs auf den gesetzlichen Jahresurlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG) tritt ein reiner Geldanspruch auf Abgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Für diesen Anspruch gilt - ebenso wie für den Anspruch auf Urlaub selbst - ein verlängerter Übertragungszeitraum von 15 Monaten. Abzugelten sind alle Ansprüche, die bei Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anwendung des verlängerten Übertragungszeitraumes von 15 Monaten noch nicht verfallen sind (s. auch LAG Schleswig-Holstein, 02.12.2015 – 3 Sa 218/15 sowie LAG Rheinland-Pfalz, 24.11.2016 – 2 Sa 258/16). Die Vereinbarkeit eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten durch einzelstaatliche Vorschriften oder Gepflogenheiten mit Unionsrecht hat der EuGH nochmals bestätigt (EuGH, 15.11.2017 - C-214/16; siehe hierzu auch BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 353/10). Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt, seinen Urlaub zu nehmen, ist die Ansammlung von Ansprüchen nicht auf einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten begrenzen. Indes sieht der EuGH in Fällen wie dem entschiedenen keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitgebers und lässt die unbegrenzte Übertragung des Urlaubs zu. Zu berücksichtigen ist, dass beim Ausscheiden des Arbeitnehmers im zweiten Halbjahr Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht (§ 5 Abs. 1 BUrlG). Dies gilt jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für darüber hinausgehende vertragliche Urlaubsansprüche können abweichende Regelungen getroffen werden (BAG, 21.05.2019 – 9 AZR 579/16).
Beispiel:
Der Arbeitnehmer war vom 30.06.2018 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2020 arbeitsunfähig krank. Seine Hinweispflicht hat der Arbeitgeber erfüllt. Beim Ausscheiden bestehen noch folgende gesetzliche Urlaubsansprüche:
Für 2018 = 10 Arbeitstage;
für 2019 = 20 Arbeitstage;
für 2020 = 20 Arbeitstage.
Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 2018 ist am 31.03.2020 verfallen. Somit sind 40 Urlaubstage abzugelten.
Der Urlaub ist grundsätzlich auch dann abzugelten, wenn der während des Urlaubsjahres ausgeschiedene Arbeitnehmer seinen Urlaubsabgeltungsanspruch erstmals nach Ablauf des Urlaubsjahres geltend macht. Ein Verfall gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG tritt nicht ein (BAG, 19.06.2012 – 9 AZR 652/10). Der Umstand, dass der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat, zieht nicht automatisch den Verlust seines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nach sich. Nur wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Mitarbeiter aus freien Stücken auf den Urlaub verzichtet hat, obwohl er ihn hätte nehmen können, besteht kein Anspruch auf Abgeltung (EuGH, 06.11.2018 C-619/16 und C-684/16). Das BAG hat sich dem angeschlossen – hinzuweisen ist auf den konkreten Resturlaubsanspruch und den Zeitpunkt des Verfalls; offen bliebt bis wann der Arbeitnehmer darauf hinzuweisen ist (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15). Siehe auch oben unter 3.
Dies gilt auch für andere, gesetzlich geregelte Urlaubsansprüche, wie z.B. den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, nach § 208 Abs. 1 SGB IX (BAG, 23.03.2010 - 9 AZR 128/09, 16.10.2012 – 9 AZR 63/11).
Nimmt der Arbeitnehmer nach beendeter Arbeitsunfähigkeit seine Arbeit wieder auf, muss er den aufgelaufenen und noch nicht verfallenen Urlaub im laufenden Urlaubsjahr nehmen. Eine Übertragung auf das folgende Jahr ist nur unter den Voraussetzungen und im zeitlichen Rahmen des § 7 Abs. 3 BUrlG möglich (BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 425/10). Dies gilt jedenfalls, soweit der Arbeitnehmer so rechtzeitig wieder gesund wird, dass er den aufgelaufenen Urlaub bis zum Jahresende nehmen kann. Zu beachten ist allerdings die Pflicht des Arbeitgebers, ihn ausdrücklich auf den drohenden Verfall hinzuweisen und ihn damit in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub noch rechtzeitig zu nehmen. Zu berücksichtigen sind ggf. auch Sonderregelungen in Tarifverträgen, die zum Teil gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG längere Übertragungszeiträume vorsehen.
Die oben dargestellten Regelungen gelten auch, wenn der Mitarbeiter über das Ende des Arbeitsvertrages hinaus krankgeschrieben ist. Der Abgeltungsanspruch ist als reine Geldforderung anzusehen und unterliegt daher evtl. tarif- oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen (BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 352/10, 9 AZR 365/10 und 9 AZR 475/10; siehe auch LAG Düsseldorf, 12.09.2014 – 10 Sa 1329/13, sehe hierzu auch unter Urlaub - Ende des Arbeitsverhältnisses). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht nach den Urteilen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird sofort fällig. Die Tarifvertragsparteien können aber einen anderen Fälligkeitszeitpunkt, wie z.B. das Ende des Monats, in dem das Arbeitsverhältnis endet, vereinbaren (BAG, 08.04.2014 – 9 AZR 550/12). Ist im Rahmen einer Ausschlussklausel für die Geltendmachung von Ansprüchen die Schriftform vereinbart, wird diese auch gewahrt, wenn die Klage innerhalb der Frist beim Arbeitsgericht eingeht (LAG Düsseldorf, a.a.O.). Darüber hinaus ist bei Neuverträgen ab 01.10.2016 hinsichtlich der Form, in der der Anspruch geltend zu machen ist, § 309 Nr. 13 BGB zu beachten (soweit es sich um einen Formulararbeitsvertrag handelt und daher die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen anzuwenden sind). Danach ist eine Vertragsklausel, die für Erklärungen eine strengere Form als die Textform vorsieht, unwirksam.
Die Verjährung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung richtet sich nach den allgemeinen Regeln, d.h. es gilt eine dreijährige Frist, die jeweils mit Schluss des Urlaubsjahres beginnt (LAG Düsseldorf, 18.08.2010 - 12 Sa 650/10). Tarifliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen sind zu beachten (vgl. hierzu BAG, 10.12.2013 – 9 AZR 494/12).
Das Entstehen von Urlaubsansprüchen darf einzelvertraglich oder tarifvertraglich nicht ausgeschlossen werden (§ 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG, siehe auch LAG Rheinland-Pfalz, 05.08.2015 – 4 Sa 52/15). Evtl. Klauseln sind in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG i.V. m. § 134 BGB unwirksam (BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 10/17). Grundsätzlich ist es aber zulässig, dass der Arbeitnehmer auf seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung verzichtet. Von praktischer Bedeutung ist dies, wenn nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung vereinbart wird, mit der Klausel, dass damit alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt sind. Der Verzicht umfasst dann auch eine grundsätzlich zustehende Urlaubsabgeltung. Dies gilt auch, wenn die offenen Urlaubstage durch eine längerdauernde Arbeitsunfähigkeit aufgelaufen sind (BAG, 14.05.2013 – 9 AZR 844/11). Das Unionsrecht steht nach der Entscheidung des BAG einem Verzicht des Arbeitnehmers auf die Urlaubsabgeltung nicht entgegen.
Die Rechtslage ist in Bezug auf vertraglichen Mehrurlaub nur dann anders, wenn die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers abweichend von den Vorgaben des BUrlG ausgestaltet wurden. Für einen solchen Regelungswillen müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen diese, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf den arbeitsvertraglichen Mehrurlaub auszugehen (BAG, 25.06.2019 – 9 AZR 546/17). Die Tarifvertragsparteien können die Frage des Verfalls frei regeln (vgl. st. Rspr., BAG, 23.03.2010 - 9 AZR 128/09; BAG, 15.12.2015 - 9 AZR 747/14 u. BAG, 22.05.2012 - 9 AZR 575/10). Dies gilt auch, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig genommen werden kann (LAG Rheinland-Pfalz, 23.05.2018 – 2 Sa 434/17; LAG Hamm, 20.05.2020 – 5 Sa 1682/19). Ob die Tarifvertragsparteien den tariflichen Mehrurlaub gem. den Regeln über den gesetzlichen Mindesturlaub behandelt wissen oder abweichende Regeln schaffen wollten, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG, 22.05.2012 - 9 AZR 618/10). In beiden Fällen ist die Vereinbarung dahingehend auszulegen, dass das für den Mehrurlaubsanspruch geltende Fristenregime als speziellere Regelung vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen vorgeht (BAG, 19.06.2018 – 9 AZR 615/17). Nur wenn das eigenständige Fristenregime für den Mehrurlaub eine Ausschlussfrist vorsieht, ist diese zu beachten.
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und - entgegen § 3 Satz 1 MiLoG - auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde (BAG, 18.09.2018 – 9 AZR 162/18). Verlängert eine betriebliche Übung den tariflichen Übertragungszeitraum, so geht der nur aufgrund der betrieblichen Übung aufrechterhaltende Mehrurlaubsanspruch grundsätzlich am Ende des verlängerten Übertragungszeitraums auch dann unter, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank ist (BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 760/10). Denn die Regelung verstößt gegen das MiLoG (LAG Rheinland-Pfalz, 18.07.2019 – 5 Sa 26/19).
Vor dem Hintergrund der ggf. unterschiedlichen Behandlung des gesetzlichen Mindesturlaubs und der darüberhinausgehenden tariflichen oder vertraglichen Urlaubstage stellt sich die Frage, ob es sich bei bereits gewährtem Teilurlaub um den gesetzlichen oder den tariflichen bzw. vertraglichen Anspruch handelt. Haben die Vertrags- oder Tarifvertragsparteien keine Regelung hierzu getroffen, liegt bis zur Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs eine Anspruchskonkurrenz vor. Gewährt der Arbeitgeber Urlaub, erfüllt er beide Ansprüche ganz oder teilweise. § 366 Abs. 2 BGB ist nicht anzuwenden (BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 760/10).Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, genommener Urlaub werde zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet. Schließt man sich dem an, hat der Mehrurlaub in Bezug auf den Verfall eine größere Bedeutung.
Das BAG hat dem EuGH zur Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU die Frage vorgelegt, ob dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich des bis zum Tod zustehenden Mindesturlaubs zusteht (BAG, 18.10.2016 – 9 AZR 196/16 [A]). Die nationale Rechtslage steht dem nach den Ausführungen des BAG entgegen, weil § 7 Abs. 4 BUrlG eine Abgeltung nur vorsieht, soweit der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Eine Abgeltung des Urlaubs im bestehenden Arbeitsverhältnis ist ausgeschlossen. Vor dem Tod hat der Arbeitnehmer daher keine Anwartschaft auf eine Urlaubsabgeltung, die nach § 1922 Abs. 1 BGB Teil der Erbmasse werden könnte. Nach der Entscheidung des EuGH können sich Erben sowohl gegenüber einem öffentlichen wie auch einem privaten Arbeitgeber auf das Unionsrecht berufen und eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub verlangen. Soweit das nationale Recht eine solche Möglichkeit ausschließt, darf des wegen der Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht nicht angewandt werden (EuGH, 06.11.2018 – C-569/16 und C-570/16). Daraufhin hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Freistellung zwar mit dem Tod untergeht, aber als Abgeltungsanspruch erhalten bleibt und auf die Erben übergeht. Dies gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub wie auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer nach § 208 SGB IX. Ebenso einschlossen kann der tarifliche bzw. vertraglich Zusatzurlaub sein, wenn der Tarif- oder Arbeitsvertrag die Frage der Vererbung der Ansprüche nicht ausdrücklich abweichend regelt. Dies folge aus der richtlinienkonforme Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG (BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 45/16 und 9 AZR 328/16). Da das Vermögen des Verstorbenen nach § 1922 Abs. 1 BGB als Ganzes auf die Erben übergeht, gilt jedoch eine tarifliche Ausschlussfrist, die den Abgeltungsanspruch erfasst, auch gegenüber den Erben (BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 149/17). Der Abgeltungsanspruch der Erben entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird gleichzeitig fällig.
Von dem errechneten Betrag der Urlaubsabgeltung sind grundsätzlich noch die Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten. Die Urlaubsabgeltung ist als Arbeitslohn zu versteuern. Es liegen auch keine außerordentlichen Einkünfte vor; eine Besteuerung als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten kommt daher nicht in Betracht (FG Hamburg, 19.03.2019 – 6 K 80/18).
Die Urlaubsabgeltung ist als Arbeitsentgelt i.S.d. Sozialversicherung nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB V zu betrachten (BAG, 19.06.2018 – 9 AZR 615/17). Im Hinblick auf die BAG-Rechtsprechung zum Übergang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auf die Erben spielt es keine Rolle mehr, ob der Anspruch darauf aus Anlass einer regulären Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder durch den Tod des Arbeitnehmers entstanden ist. Für die Beiträge zur Sozialversicherung wird die Urlaubsabgeltung in beiden Fällen als Einmalzahlung betrachtet, d.h. sie ist dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum im laufenden Kalenderjahr zuzuordnen, auch wenn sie erst später ausgezahlt wird. Zu berücksichtigen ist dabei auch die März-Klausel (siehe Einmalzahlung – Beiträge einsparen). Hat das Arbeitsverhältnis bereits im Vorjahr geendet und erfolgt die Auszahlung nach dem 31.03., sind ausnahmsweise keine Beiträge mehr zu zahlen. Da die Urlaubsabgeltung als Einmalzahlung betrachtet wird, fallen die Umlagen bei Krankheit und Mutterschaft nicht an. In Bezug auf Urlaubsabgeltungen für einen verstorbenen Arbeitnehmer haben die Krankenkassen ihre frühere, abweichende Auffassung aufgegeben (TOP 1 des Besprechungsergebnisses vom 20.11.2019). Die neue Rechtsauffassung ist auf alle nach dem 22.01.2019 gezahlten Urlaubsabgeltungen anzuwenden. Erfolgte die Zahlung davor, bleibt es bei der früheren Rechtslage; daher sind keine Beiträge zu zahlen (TOP 04 des Besprechungsergebnisses vom 12.11.2014).
Die Rechtsprechung zum Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit gilt nach Auffassung des (VG Koblenz, 24.01.2014 – 5 K 1135/13.KO) nur für Urlaubsansprüche, die wegen Beginn des Ruhestandes nicht realisiert werden können und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen sind. Sie ist nicht anwendbar, wenn der Urlaub krankheitsbedingt nicht vor Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit genommen werden kann. Die Situation des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit sei mit der des Eintritts in den Ruhestand tatsächlich, nicht aber rechtlich vergleichbar. Daher hat ein Beamter keinen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs, wenn dieser bei dem späteren Eintritt in den Ruhestand wegen der vom BVerwG angewandten 18-Monats-Frist bereits verfallen ist.
Den Verfall des Urlaubsanspruchs kann der Arbeitnehmer nicht durch eine fristlose Kündigung abwenden. Nach § 626 BGB ist Voraussetzung für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund u.a., dass dem Kündigenden unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Obwohl durch den drohenden Verfall des Anspruchs auf Urlaub bzw. auf Urlaubsabgeltung ein finanzielles Interesse des Arbeitnehmers durchaus eingeräumt wurde, entschied das ArbG Siegburg, dass es an dem Arbeitnehmer gewesen sei, bei bestehender Arbeitsunfähigkeit den Verfall durch eine ordentliche Kündigung zu vermeiden (ArbG Siegburg, 22.11.2018 - 5 Ca 1305/18).
Eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen kommt nicht in Betracht, es sei denn, eine Rechtsvorschrift ordnet dies an (BAG, 08.05.2018 – 9 AZR 578/17).
Nicht genommener Urlaub verfällt im Heimarbeitsverhältnis weder mit Ablauf des Kalenderjahres noch mit dem Ende der Beschäftigung, sondern ist unabhängig von einem Verzug des Heimarbeitgebers nach § 12 BUrlG abzugelten (siehe auch LAG Niedersachsen, 15.11.2018 – 6 Sa 1225/17; BAG, 20.09.2019 – 9 AZR 41/19).
Zur Höhe der Abgeltung siehe Urlaub - Ende des Arbeitsverhältnisses.
5. Tarifliches Urlaubsgeld
In einem weiteren Urteil (BAG, 19.05.2009 - 9 AZR 477/07) machte das BAG deutlich, dass der Anspruch auf Abgeltung des wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfallenen Urlaubs nur dann in Betracht kommt, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor der Urlaubsanspruch realisiert werden kann. Besteht das Arbeitsverhältnis noch, kann der Arbeitnehmer daher sein tarifliches Urlaubsgeld erst verlangen, wenn der Anspruch auf Urlaubsvergütung fällig ist.
6. Urlaub bei ruhendem Arbeitsverhältnis
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht mangels einer gesetzlichen Kürzungsregelung auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung bezieht und daher keine Arbeitsleistung erbringt (BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 und 18.09.2012, 9 AZR 623/10 siehe auch ArbG Hamburg, 10.05.2016 – S 1 Ca 272/15). Auch dann verfällt der Urlaubsanspruch spätestens nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres. Dies gilt auch, wenn eine tarifvertragliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während dieser Zeit ruht. Dagegen besteht nach dem Urteil kein Anspruch auf den zusätzlichen tariflichen Urlaub, wenn dieser nach den Regelungen des Tarifvertrages (hier: TVöD) bei ruhendem Arbeitsverhältnis entsprechend gekürzt wird. Dies gilt auch für den zusätzlichen Urlaub nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (LAG Berlin-Brandenburg, 06.07.2012 – 10 Sa 368/12). Siehe hierzu aber LAG Berlin-Brandenburg, 16.05.2019 – 5 Sa 1709/18) Kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub besteht während der Zeit, in der die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis wegen unbezahltem Sonderurlaub ruhen (BAG, 19.03.2019 – 9 AZR 315/17). Der Zeitraum des unbezahlten Sonderurlaubs ist bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs regelmäßig mit "null" Arbeitstagen in Ansatz zu bringen (BAG, 19.03.2019 – 9 AZR 406/17). An der früheren Rechtsprechung zu dieser Frage (BAG, 06.05.2014 – 9 AZR 678/12) hält das BAG nicht mehr fest.
Auch bei weiter bestehendem, aber ruhenden Arbeitsverhältnis und Bezug von Arbeitslosengeld wegen Leistungsminderung kann der Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs beanspruchen, soweit er nicht verfallen ist (LAG Schleswig-Holstein, 06.12.2012 – 4 Sa 173/12).
Im Rahmen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer beim Blockmodell bei Übergang in die Freistellungsphase kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Denn mit Beginn der Freistellungsphase endet nicht das Arbeitsverhältnis, was gem. § 7 Abs. 4 BUrlG Voraussetzung für den Anspruch auf Abgeltung ist (BAG, 16.05.2017 – 9 AZR 572/16). Darüber hinaus entstehen während der Freistellungsphase keine neuen Urlaubsansprüche, die am Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten wären (BAG, 24.09.2019 – 9 AZR 481/18; LAG Köln, 13.12.2018 – 7 Sa 269/18 – Revision beim BSG anhängig unter dem Az.: 9 AZR 33/19).