Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Pflegezeit - Sozialversicherung während Freistellung
Pflegezeit - Sozialversicherung während Freistellung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Im Hinblick darauf, dass die Versorgung pflegebedürftiger Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, hat der Gesetzgeber die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen der Solidargemeinschaft übertragen. Da die Personalverantwortlichen in den Unternehmen häufig die erste Anlaufstelle der Betroffenen sind, gibt der Beitrag die wichtigsten Informationen hierzu. Weitergehende Auskünfte geben die Kranken- und Pflegekassen.
2. Pflegezeit und sonstige Freistellungen (§ 3 PflegeZG)
2.1 Umfang der Freistellung
Die Auswirkungen auf den Versicherungsschutz in der Sozialversicherung sind davon abhängig, in welchem zeitlichen Umfang der Beschäftigte die Freistellung in Anspruch nimmt.
2.2 Vollständige Freistellung
Im Fall der vollständigen Freistellung endet die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung mit deren Beginn (§ 7 Abs. 3 S. 4 SGB IV).
2.2.1 Renten- und Arbeitslosenversicherung
In der Arbeitslosenversicherung tritt während einer Pflegezeit Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 b SGB III ein. Voraussetzung ist, dass ein Pflegebedürftiger mit mindestens Pflegegrad 2 nicht erwerbsmäßig mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage in der Woche in der häuslichen Umgebung, gepflegt wird. Außerdem müssen Leistungen nach dem SGB XI (Pflegeversicherung), dem SGB XII (Sozialhilfe) oder gleichartige Leistungen von dem Pflegebedürftigen bezogen werden. Die Pflegeperson muss unmittelbar zuvor in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen sein oder Leistungen von ihr bezogen haben. Fraglich ist, welcher zeitliche Rahmen für die "Unmittelbarkeit" der vorherigen Versicherung bzw. des Leistungsbezuges gilt. Hierzu wurde von der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Frist von maximal einem Monat, die in den Verwaltungsanweisungen der Bundesagentur festgelegt ist, auf aus Gründen der Verwaltungspraxis grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (siehe LSG Nordrhein-Westfalen, 28.01.2016 – L 9 AL 286/14). Das BSG hat dies im Revisionsverfahren bestätigt, aber entschieden, dass der unbestimmte Rechtsbegriff „unmittelbar“ nicht allein nach zeitlichen Kriterien, sondern auch nach sachlichen Zusammenhängen auszulegen ist (BSG, 23.02.2017 – B 11 AL 3/16 R). Entscheidend ist daher auch, welche Umstände im Einzelfall zur Unterbrechung der vorherigen Versicherungspflicht geführt haben. Nach dem Urteil kann eine Lücke im Versicherungsschutz von fünf Monaten u.U. noch als "unmittelbar" angesehen werden.
Soweit der Beschäftigte während der Pflegezeit den pflegebedürftigen nahen Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 2 nicht erwerbsmäßig mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage zu Hause pflegt und er nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist, zahlt die Pflegeversicherung zusätzlich Rentenversicherungsbeiträge (§ 44 SGB XI, § 3 Nr. 1a SGB VI). Weitere Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen gegen die Pflegeversicherung hat. Bei der Feststellung der zeitlichen Voraussetzungen können die Pflegezeiten bei gleichzeitiger Pflege mehrerer Personen zusammengerechnet werden.
2.2.2 Kranken- und Pflegeversicherung
In der Kranken- und Pflegeversicherung besteht nach dem Wegfall des Verdienstes aus dem Beschäftigungsverhältnis häufig eine beitragsfreie Familienversicherung über den Ehegatten oder den Lebenspartner (§ 10 SGB V). Das Pflegegeld ist bei der Ermittlung des (die Mitversicherung ggf. ausschließenden) Gesamteinkommens nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht anzurechnen. Die Familienversicherung sollte bei der zuständigen Krankenkasse beantragt werden. Besteht ausnahmsweise auf Grund einer anderen Vorschrift während der Pflegezeit Versicherungspflicht (z.B. wegen Bezuges einer Witwenrente) wird dadurch die Kranken- und Pflegeversicherung aufrechterhalten.
Besteht keine Familienversicherung (z.B. für Alleinstehende), wird durch den Wegfall der Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung eine obligatorische Anschlussversicherung in Form einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse ausgelöst. Der Arbeitnehmer kann diese jedoch innerhalb von zwei Wochen nach einem Hinweis der Krankenkasse abwählen. Voraussetzung dafür ist, dass eine ausreichende anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht. Durch die Anschluss- bzw. Familienversicherung ist der Beschäftigte auch pflegeversichert.
Die Pflegeversicherung übernimmt im Rahmen der Anschlussversicherung die Mindestbeiträge für beide Versicherungszweige (Berechnungsgrundlage 2021 mindestens 1.096,67 EUR monatlich). Es wird ohne nähere Prüfung unterstellt, dass der Angehörige, der die Arbeitsbefreiung in Anspruch nimmt, auch tatsächlich die Pflege sicherstellt. Daher werden die Beiträge unabhängig davon gezahlt, in welchem Umfang die Pflege von dem Beschäftigten übernommen wird. Auch wenn ambulante Pflegedienste oder Tagespflegeeinrichtungen in Anspruch genommen werden, besteht der Anspruch.
Beschäftigte, die bisher privat versichert waren und die während der Pflegezeit nicht familienversichert sein können, erhalten ebenfalls den Zuschuss zu den Beiträgen.
Die Übernahme der Beiträge muss bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden.
2.3 Teilweise Freistellung
Besteht bei teilweiser Freistellung weiterhin Versicherungspflicht, wirkt sich die Pflegezeit nicht aus. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden von dem geringeren Arbeitsentgelt berechnet. Damit bleibt der Versicherungsschutz in allen Versicherungszweigen erhalten. In der Arbeitslosenversicherung ist durch § 150 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB III sichergestellt, dass sich der Verdienstausfall durch die Pflegezeit nicht nachteilig auf eine evtl. spätere Leistung der Bundesanstalt für Arbeit auswirkt. Unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der vollständigen Freistellung (siehe 2.2.1.) werden ggf. außerdem zusätzlich Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt.
Führt die teilweise Freistellung dazu, dass die Regelungen für geringfügige Beschäftigungen anzuwenden sind, gelten die Ausführungen für vollständige Freistellung (siehe 2.2.).
2.4 Befreiung von der Versicherungspflicht
Liegt das Gehalt des Arbeitnehmers über der Jahresarbeitsentgeltgrenze, kann bei teilweiser Freistellung durch die Herabsetzung der Arbeitszeit und die daraus folgende Verminderung der Vergütung Versicherungspflicht in der Krankenversicherung eintreten. Ist der Mitarbeiter privat krankenversichert, kann er dadurch seinen Versicherungsvertrag außerordentlich kündigen (§ 205 Abs. 2 VVG). Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall die Option, in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2a SGB V). Der Antrag kann innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei einer von dem Mitarbeiter wählbaren Krankenkasse gestellt werden. Die Befreiung gilt nur für die Dauer der Pflegezeit. Eine weitere Befreiungsmöglichkeit sieht das Gesetz vor, wenn nach Ende der Freistellung die Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger reduziert wird und dadurch Versicherungspflicht eintritt. Dies gilt aber nur, wenn der Mitarbeiter zuvor mindestens fünf Jahre wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war. Einzelheiten siehe auch § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V.
3. Kurzzeitige Freistellung (§ 2 PflegeZG)
Im Rahmen der kurzzeitigen Freistellung besteht Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (§ 44a Abs. 3 SGB XI). Die versicherungspflichtige Beschäftigung endet, weil der Anspruch auf Arbeitsentgelt wegfällt (§ 7 Abs. 3 S. 3 SGB IV). Es tritt jedoch in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Pflegeunterstützungsgeld ein. Die Pflegekasse übernimmt die Beiträge für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung; der Beschäftigte wird daran beteiligt. In der Pflegeversicherung besteht Beitragsfreiheit.
Wird dem Beschäftigten die Vergütung weiter gezahlt, liegt keine Unterbrechung vor, so dass ebenfalls durchgehend Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.
4. Anwendungsbereich
Die Ausführungen gelten auch für zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, ebenso wie für in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte. Bei den arbeitnehmerähnlichen Personen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG) gelten teilweise abweichende Regelungen, da sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stehen.
5. Meldungen und Beiträge
Einzelheiten zu den Meldungen gegenüber der zuständigen Krankenkasse und den Beiträgen zur Sozialversicherung vgl. Pflegezeit - Meldungen und Beiträge zur Sozialversicherung.
Siehe auch
Pflegezeit - AllgemeinesPflegezeit - Arbeitgeber mit mehr als 15 BeschäftigtenPflegezeit - Beschäftigung von ErsatzkräftenPflegezeit - KündigungsschutzPflegezeit - Kurzzeitige Freistellung: Umfang und AuswirkungenPflegezeit - Kurzzeitige Freistellung: VoraussetzungenPflegezeit - Meldungen und Beiträge zur SozialversicherungPflegezeit - Teilweise FreistellungPflegezeit - Vorzeitige Beendigung