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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Arbeitsunfall
Arbeitsunfall
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Begriff des Arbeitsunfalls ist in § 8 SGB VII definiert. Ein Unfall ist danach ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.
Ein Arbeitsunfall ist der Unfall eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit.
Versichert sind alle Tätigkeiten, die vom Standpunkt des Versicherten aus dem Unternehmer objektiv dienlich sein können. Dazu gehören Bewerbungen, Dienstreisen, Wege von und zur Arbeit sowie Vorbeugeuntersuchungen. Voraussetzung für die Einstufung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist aber in jeden Fall, dass zum Zeitpunkt des Unfalls bereits ein aktives Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Einzelfall ist dabei entscheidend, ob zum Unfallzeitpunkt schon eine Tätigkeit aufgenommen wurde - der Abschluss eines Arbeitsvertrages allein begründet noch keinen Versicherungsschutz (BSG, 21.05.1996- 12 RK 67/94). Für die Praxis bedeutet dies, dass wenn ein Arbeitnehmer auf dem ersten Weg zu einer neuen Arbeitsstelle einen Unfall erleidet und er deswegen seine Tätigkeit nicht aufnehmen kann, dies noch nicht als Arbeitsunfall gilt, da er noch keine den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit ausgeübt hat.
Versicherungsschutz kann auch noch bestehen, wenn das Unfallopfer seine Tätigkeit bereits beendet hat. Wer nach Dienstsschluss noch dienstliche Post aus dem Briefkasten entnimmt und diese zur weiteren Bearbeitung an den zuvor verlassenen Arbeitsplatz bringt, handelt allein aus beruflichen Motiven und ist deshalb versichert, wenn er auf diesem Weg einen Unfall erleidet (SG Heilbronn, 17.05.2013 - S 3 U 2912/12).
Ein Arbeitsunfall liegt aber immer nur vor, wenn ein Ursachenzusammenhang zwischen der vorgenommenen Handlung und dem eingetretenen körperlichen Schaden besteht. Das bedeutet für die Praxis, dass in aller Regel keine gesundheitlichen Vorschädigungen vorhanden gewesen sein dürfen. Eine bestimmte Handlung oder eine Bewegung des betroffenen Mitarbeiters mag zwar ein Schmerzereignis verursachen, stellt aber, wie es im besten Bürokratendeutsch heißt, keine Gelegenheitsursache im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar (SG Karlsruhe, 30.09.2010 - S 4 U 2813/09).
Für die Praxis ergibt sich daraus, dass es zwar bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung kommen kann, jedoch kein Arbeitsunfall anerkannt wird, wenn gesundheitliche Vorschäden bereits vorhanden waren und es nur noch eines bestimmten Auslösers bedurft hätte. Dies gilt umso mehr, wenn die konkrete Arbeitstätigkeit für sich genommen die körperlichen Schäden gar nicht hätte verursachen können.
Hinweis:
Erleidet ein Arbeitnehmer infolge eines Amoklaufs an seiner Betriebsstätte gesundheitliche Schäden, kann ein Arbeitsunfall durchaus anerkannt werden.
Voraussetzung ist aber, dass die Beweggründe des Täters, die zu dem Unfallereignis geführt haben, nicht ausschließlich dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind, sondern zumindest ein gewisser Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Opfers vorhanden ist. Können die genauen Motive einer Gewalttat am Arbeitsplatz nicht vollständig aufgeklärt werden, hat das Opfer Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beweislast für das Vorliegen allein privater Motive liegt beim Unfallversicherungsträger. Kann der Nachweis nicht geführt werden, hat das Opfer Leistungsansprüche (SG Berlin, 22.02.2011 - S 25 U 406/10; noch nicht rechtskräftig!).
Keine Anerkennung als Arbeitsunfall findet auch ein Sturz mit Verletzungen auf der Verfolgungsjagd eines Diebes, wenn das Motiv des Verletzten die Wiedererlangung des zuvor gestohlenen Eigentums war. Handelte der Verfolger dagegen nicht aus eigenen Motiven, sondern um den Straftäter zu stellen und der Polizei zu übergeben, kann es sich durchaus um einen Arbeitsunfall handeln, denn nach § 2 Abs.1 Nr. 13 SGB VII ist versichert, wer sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, persönlich einsetzt. Kommen beide Motive zum Tragen, hängt die Frage des Versicherungsschutzes vom Einzelfall ab: Ein Arbeitsunfall soll nur dann vorliegen, wenn die Verfolgung auch ohne eigen Motive aufgenommen worden wäre (SG Berlin, 12.03.2013 - S 163 U 279/10, noch nicht rechtskräftig!).
Auch ein erlittener Schock bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit und die darauf folgende posttraumatische Belastungsstörung können einen versicherten Arbeitsunfall darstellen, z.B. durch einen Blitzseinschlag in unmittelbarer Nähe der Beschäftigung (SG Stuttgart, 15.05.2013- S 21 U 233/09).
Keine Leistungsansprüche bestehen für psychische oder posttraumatische Beeinträchtigungen, die ein Mitarbeiter zwar infolge des Ereignisses erleidet, jedoch ohne bei diesem selbst vor Ort gewesen zu sein (VG Stuttgart, 04.08.2010 - 12 K 960/10). Mitarbeiter, die beispielsweise an ihrem freien Tag von einem Amoklauf an ihrem Arbeitsplatz erfahren, können nicht die gesetzliche Unfallversicherung in Anspruch nehmen, auch wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen unmittelbar durch das Schadensereignis hervorgerufen werden.
Kündigungen nach einem Arbeitsunfall, der eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, sind zumindest in der Probezeit nicht treuwidrig. Der betroffenen Arbeitnehmer kann sich im Streitfall auch nicht darauf berufen, dass die Unfallursache unklar sei oder er den Unfall nicht verursacht habe. Es gibt keine Rechtsgrundlage, nach der ein Arbeitgeber eine Kündigung erst dann aussprechen darf, wenn die Ermittlungen zum Unfallhergang abgeschlossen sind, wenn das KSchG noch nicht anwendbar ist. Während der Probezeit ist es dem Arbeitgeber sogar gestattet, den zu erwartenden Arbeitsaufall als Anlass für eine Kündigung zu nehmen (ArbG Solingen, 10.05.2012 – 2 Ca 198/12). In der Praxis wird allerdings kaum ein Arbeitgeber einen Grund für eine Kündigung in der Probezeit angeben, schon gar nicht bei einem tragischen Hintergrund.
2. Dienstreisen und betriebliche Veranstaltungen
Für betriebliche Veranstaltungen besteht üblicherweise Versicherungsschutz. Voraussetzung ist gem. § 7 Abs. 1 SGB VII, dass sich der Arbeitsunfall "infolge" einer versicherten Tätigkeit ereignet hat. Dazu muss das Verhalten, bei dem es zu einem Unfall gekommen ist, einer versicherten Tätigkeit zugerechnet werden können und diese Tätigkeit muss den Unfall herbeigeführt haben. Unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalles muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Unfallopfers und der versicherten Tätigkeit bestehen (BSG, 01.07.1997 -2 RU 36/96).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) stehen Geschäfts- und Dienstreisen außerhalb des Betriebsortes, wenn sie den Interessen des Unternehmens dienen sollen, in diesem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit und stehen versicherungsrechtlich insoweit der betrieblichen Arbeit gleich. Das bedeutet aber nicht, dass während einer Dienstreise oder einer betrieblichen Veranstaltung ein vollständiger Versicherungsschutz "rund um die Uhr" gegeben ist. In zahlreichen und an dieser Stelle vollständig nicht darzustellenden Urteilen ist mehrfach entschieden worden, dass auch während einer Dienstreise Tätigkeiten verrichtet werden, die eher privaten Natur sind und nicht im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit stehen.
So steht z.B. nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen ein privates Tennisspiel während einer Dienstreise nicht im betrieblichen Interesse, sodass es am dienstlichen Zusammenhang fehlt (LSG Nordrhein-Westfalen, 18.06.1996 - L 15 U 159/95). Eine Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Art Sportreise auf Einladung des Arbeitgebers dient ebenfalls eher privaten als dienstlichen Interessen. Im Ausgangsfall dagegen erlitt der Arbeitnehmer während einer Ski-Reise einen Unfall, die er im Auftrage seines Arbeitgebers angetreten hatte. Das Unternehmen hatte zu Werbezwecken und zur Imagepflege verschiedene Kunden zu einer Ski-Reise eingeladen, die der Arbeitnehmer im Firmeninteresse und zur Anbahnung von Geschäftskontakten zu betreuen hatte. Das BSG hat darin eine überwiegend geschäftlichen Interessen dienende Tätigkeit gesehen und von daher den gesetzlichen Unfallschutz bejaht. Allgemein gelten in solchen Fällen die Grundsätze des § 528 RVO zur Ausübung einer gemischten Tätigkeit.
Auch bei speziellen Dienstreisen ist man nicht rund um die Uhr im Einsatz für den Arbeitgeber. Das BSG stellte in diesem Zusammenhang klar, dass höchstpersönliche Verrichtungen in aller Regel in keinem Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit stehen, und wies die Schmerzensgeldklage einer Lehrerin ab, die auf einer Klassenfahrt einen Duschunfall erlitten hatte(BSG, 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R). Die Klägerin hatte argumentiert, als Betreuerin auf einer Klassenfahrt wegen ihrer besonderen Fürsorge- und Aufsichtspflicht rund um die Uhr im Dienst zu sein. Dieser Auffassung folgte das BSG nicht und betonte, dass auch bei besonderen Dienstfahrten Zeiten für private Freiräume verbleiben würden. Zudem sei die Tätigkeit, die zu dem Unfallereignis geführt habe, rein privater Natur gewesen, ein sachlicher Bezug zur Berufsausübung habe dagegen nicht bestanden.
Schwierigkeiten bereitet die versicherungsrechtliche Beurteilung von Veranstaltungen, die der Arbeitgeber organisiert hat und in denen Mitarbeitern neben einem betrieblichen Veranstaltungsteil auch ein oft beachtliches Freizeitprogramm geboten wird. Entscheidend ist die Beurteilung des Einzelfalls und im Detail, ob der Unfall bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit erfolgt ist. Versicherungsschutz besteht in diesem Zusammenhang aber nicht schon wegen der Teilnahme an einer vom Arbeitgeber veranlassten Veranstaltung. Vielmehr ist nach der aktuellen Rechtsprechung die Teilnahme an einer Freizeit- und Erholungsveranstaltung nicht bereits deshalb unfallversichert, weil sie vom Arbeitgeber durchgeführt und finanziert wird. Unfälle während einer reinen Freizeitveranstaltung wären also nicht versichert.
Nach Ansicht des Hessischen LSG muss die Veranstaltung mindestens dazu geeignet sein, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander zu fördern. Dies setzt voraus, dass grundsätzlich alle Beschäftigten im Stande sind, an der Veranstaltung teilzunehmen. Können jedoch, beispielsweise wegen der besonderen Anforderungen an die körperliche Fitness, nicht alle Beschäftigten an dem Programmpunkt teilnehmen, wird auch der Gemeinschaftszweck nicht erreicht werden können. Für diesen Teil einer betrieblichen Veranstaltung besteht dann kein Versicherungsschutz (Hessisches LSG, 30.04.2009 – L 3 U 249/08).
Im Streitfall hatte ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu einem Meeting geschickt, auf dem - neben einer Schulung - auch das Gemeinschaftsgefühl gefördert werden sollte. Dazu wurde u.a. eine Canyoning-Tour angeboten, an der jedoch - anders als an der Schulung - nicht alle Mitarbeiter teilnehmen mussten. Während der Tour verletzte sich eine Mitarbeiterin, deren Ansprüche im Anschluss von der zuständigen Berufsgenossenschaft abgelehnt wurden. Ihr Argument, die Teilnahme an der gefährlichen Tour sei wenn nicht auf Wunsch oder gar auf Weisung, zumindest aber aufgrund einer Erwartungshaltung ihres Arbeitgebers erfolgt, ließ das LSG jedoch nicht gelten, da die verletzte Mitarbeiterin alternativ auch an einem anderen Programmpunkt teilnehmen konnte. Die Richter betonten zudem, dass die Teilnahme an einer Canyoning-Tour auch nicht als betrieblichen Tätigkeit anzusehen sei, da sie nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der verletzten Mitarbeiterin gehört habe.
Generell kann man sagen, dass Betriebssport oder ähnliche sportliche Bestandteile einer dienstlichen Veranstaltung zwar versichert sein können, allerdings nur in engen Grenzen. Für den Versicherungsschutz reicht es dabei nicht aus, wenn die sportliche Betätigung während einer dienstlichen Veranstaltung stattgefunden hat, nicht einmal wenn die Kosten vom Arbeitgeber übernommen wurden, der den Mitarbeitern sogar eine Anreise im Dienstwagen ermöglicht hat. Weiterhin muss nämlich das Sportprogramm allen Mitarbeitern und nicht nur einer begrenzten Teilnehmergruppe offen stehen. Interne Sportwettbewerbe oder Meisterschaften fallen deshalb nicht unter den gesetzlichen Unfallschutz (Bayerisches Landessozialgericht, 22.02.2011 - L 3 U 445/10). Teilnehmer an einem solchen Sportprogramm tragen deshalb das Risiko eines Unfalls selbst.
Dagegen sind Unfälle auf Weihnachtsfeiern oder ähnlichen betrieblichen Veranstaltungen üblicherweise versichert, auch wenn es sich nicht um offizielle dienstliche Veranstaltungen handelt. Auch außerhalb der Arbeitszeit besteht nämlich Versicherungsschutz für sog. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Davon ist nach ständiger Rechtsprechung immer dann auszugehen, wenn die Feier die Betriebsverbundenheit unter Kollegen und mit den Chefs fördern soll, der Arbeitgeber die Feier billigt oder beispielsweise durch Übernahme der Organisation fördert, er selbst oder die Vorgesetzten auch teilnehmen oder dies zumindest fest eingeplant haben und alle Betriebsangehörigen - bei großen Betrieben wenigstens alle einer Abteilung - an der Veranstaltung teilnehmen können (SG Berlin, 16.12.2010 - S 163 U 562/09). Auch Verletzungen, die sich ein Arbeitnehmer auf dem Weg von einem Veranstaltungsort zu einem Restaurant zuzieht, gelten als Arbeitsunfall, wenn beide Orte im Rahmen der Veranstaltung aufzusuchen waren.
Veranstaltungen oder Feierlichkeiten, die dagegen nicht vom Arbeitsgeber selbst, sondern von den Arbeitnehmern oder Dritten, wie z.B. den Kursteilnehmern in einer Bildungseinrichtung organisiert werden, werden dann nicht als betriebliche Veranstaltungen angesehen, wenn sie zwar vom Arbeitgeber akzeptiert werden, letztlich aber im eigenen Interesse der Organisatoren durchgeführt werden (SG Berlin, 09.12.2010 - S 98 U 794/08). Für die Beurteilung kommt es sicher auf die genauen Umstände des Einzelfalls an:
Die bloße Ankündigung des Arbeitgebers oder ein Aushang, dass die Feier stattfindet muss nicht unbedingt bedeuten, dass es sich um eine betriebliche Veranstaltung handelt. Auch sanfter Druck der Kollegen an der Feierlichkeit teilzunehmen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Kommt man aber nach umfassender Abwägung zu dem Ergebnis, dass der betriebliche Charakter nicht im Vordergrund steht, besteht auch kein Versicherungsschutz.
Dessen ungeachtet kann auch nach dem Ende der Arbeitszeit noch Versicherungsschutz bestehen, wenn der Mitarbeiter seinen nach Dienstschluss angetretenen Heimweg unterbricht. Voraussetzung dafür ist aber ein sachlicher Zusammenhang. Dieser entfällt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aber immer dann, wenn die unversicherte Unterbrechung länger als zwei Stunden dauert. Diese Zwei-Stunden-Grenze gilt sowohl für Unterbrechungen vor Antritt des Weges wie auch für Unterbrechungen eines bereits begonnenen Weges. Somit kann auch nach der Teilnahme an einer weniger betrieblichen Veranstaltung auf dem Heimweg durchaus Versicherungsschutz bestehen, jedoch darf der Zeitraum zwischen Dienstende und dem Unfallereignis nicht länger als zwei Stunden betragen.
Praxistipp:
Versichert sind immer nur die Arbeitnehmer des Betriebes. Selbst wenn deren Partner oder Ehegatten auf ausdrücklicher Einladung an der Feierlichkeit teilnehmen, sind diese im Falle eines Unfalls nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert.
Die Teilnahme am Betriebssport ist dann versichert, wenn sie dem Ausgleich für die Belastungen während der Arbeit dient und die Grenze zum Wettkampfsport nicht überschritten wird (u.a. BSG, 08.12.1994 - 2 RU 40/93). Unterbricht der Versicherte die Tätigkeit für eine private Verrichtung, so besteht für diese Zeit kein Versicherungsschutz. Der Ausflug in die Umgebung während einer Dienstreise z.B. ist privater Natur und nicht versichert.
3. Wegeunfall
Unter einem Wegeunfall versteht man einen Unfall, der unmittelbar auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingetreten ist, § 7 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Dieser Wegeunfall gilt als Arbeitsunfall und unterfällt der gesetzlichen Unfallversicherung.
4. Anzeigepflicht
Alle Arbeitsunfälle, die mit einer mehr als dreitägigen Arbeitsunfähigkeit verbunden sind oder die im schlimmsten Fall tödlich enden, sind zwingend bei der Berufsgenossenschaft bzw. dem zuständigen Versicherungsträger anzuzeigen (§ 193 Abs. 1 SGB VII). Die Anzeige muss innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Unfallereignisses erfolgen (§ 193 Abs. 4 SGB VII). Der verletzte Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber eine Abschrift der Anzeige verlangen. Die gleichen Grundsätze gelten im Übrigen, wenn davon auszugehen ist, dass beim versicherten Arbeitnehmer eine Berufskrankheit vorliegt.
Praxistipp:
Arbeitgeber und Personalverantwortliche sollten mit dem Thema Arbeitsunfall offen umgehen. Die Unfallanzeige ist der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu geben, Betriebs- bzw. Personalrat müssen die Anzeige vor der Übermittlung an die Berufsgenossenschaft gegenzeichnen. Zudem sind die Sicherheitsfachkraft und der Betriebsrat zu informieren.
5. Verhalten des Versicherten
Der Versicherungsschutz kann ausgeschlossen sein, wenn das Verhalten des Versicherten in so hohem Maße vernunftwidrig und gefährlich ist, dass mit einem Unfall gerechnet werden musste. Dies wird etwa bei Volltrunkenheit angenommen.
Vom Grundsatz her verneint wird ein Arbeitsunfall bei Selbsttötung. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz jedoch dann, wenn die Selbsttötung eine Folge eines betriebsbedingten Ereignisses ist. Nicht ausreichend in diesem Zusammenhang ist aber der Umstand, dass sich ein Betrieb in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet und deshalb sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt werden musste (BSG, 08.10.1998 - B 241/98 R).
6. Haftung
Arbeitsunfälle - einschließlich Wegeunfälle - deckt die Unfallversicherung.
Der Zusammenschluss der Unternehmen in Berufsgenossenschaft als Träger der Unfallversicherung hat mehrere Vorteile:
Die Unternehmen sind weit gehend von der Haftung befreit
Der Geschädigte kann seine Ansprüche ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens geltend machen und durchsetzen
Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden auf diese Weise vermieden
Eine direkte Haftung des Arbeitgebers bei Personenschäden kommt nur dann in Betracht, wenn
dieser den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat (z.B. durch eine unverhältnismäßige Risikoabwägung bei der Übertragung einer besonderen, gefährlichen Arbeit an einen Arbeitnehmer) oder
sich der Arbeitsunfall während der Teilnahme des Arbeitnehmers am allgemeinen Verkehr ereignet hat (z.B. mangelhafte Pflege des Betriebsparkplatzes, erhebliche Mängel an einem Firmenfahrzeug).
Aber auch in diesen Fällen werden Leistungen aus der Unfallversicherung auf die Haftungsansprüche des Arbeitnehmers angerechnet. Entscheidungen der Arbeitsgerichte über Ersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber müssen daher den Abschluss des entsprechenden Verfahrens bei den Trägern der Unfallversicherung abwarten.
Neben einer zivilrechtlichen Haftung macht sich der Arbeitgeber darüber hinaus auch strafbar, wenn er gegen Vorschriften der Unfallverhütung verstößt und es dadurch zu einer Verletzung oder sogar zum Tode eines in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers kommt.
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern die Einhaltung von Schutzmaßnahmen so leicht wie möglich zu machen und ohne jede Einschränkung zu ermöglichen (z.B. indem er Schutzkleidung oder Schutzgeräte in ausreichender Zahl zur Verfügung stellt).
Nur eine einfache Aufklärung der Arbeitnehmer über die möglichen Gefahren allein befreit den Arbeitgeber nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Selbst wenn der Arbeitnehmer nach einer erfolgten Belehrung die von seiner Tätigkeit ausgehende Gefahr kennt und er sich dennoch dieser Gefahr selbst aussetzt, macht der Arbeitgeber sich strafbar, wenn er zuvor gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer eigenverantwortlich gehandelt hat und von seinem Arbeitgeber nicht zu seinem Verhalten gedrängt wurde (z. B. durch Drohung mit Kündigung oder durch Versprechen einer Extraprämie (OLG Naumburg, 25.03.1996 - 2 Ss 27/96).
Für Sachschäden haftet der Arbeitgeber bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit, ebenso für durch Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen verursachte Schäden. Leistungen der Unfallversicherung kommen hier nicht in Betracht.
Schließt der Arbeitgeber ohne Einwilligung des Arbeitnehmers eine zusätzliche - in der Regel private - Unfallversicherung ab, so ist er dem Arbeitnehmer gegenüber zur Herausgabe der Versicherungssumme verpflichtet.
7. Schmerzensgeld
Erleidet ein Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall eine Verletzung des Körpers oder seiner Gesundheit, kann er Schadensersatz verlangen sowie unter Umständen auch Schmerzensgeld. Allerdings ist die gesetzliche Einschränkung des § 104 Abs. 1 SGB VII zu beachten, die einen deutlichen Unterschied im Vergleich zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen darstellt.
Praxistipp:
Arbeitgeber sind nur dann zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet, wenn sie den Arbeitsunfall schuldhaft und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dazu reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber einen Unfall zwar für denkbar hält, aber davon ausgeht, dass es nicht dazu kommen wird. Für eine Haftung auf Schmerzensgeld muss er das Unfallereignis gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen haben. Selbst eine Missachtung der geltenden Unfallverhütungsvorschriften muss nicht zwingend bedeuten, dass der Arbeitgeber den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat und begründet daher nicht automatisch einen Anspruch auf Schmerzensgeld für den verletzen Arbeitnehmer (LAG Berlin-Brandenburg, 01.06.2010 - 12 Sa 320/10).
Nach den gleichen Grundsätzen sind Arbeitgeber auch nicht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, wenn ein bei ihnen beschäftigter Mitarbeiter bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeiten einen Arbeitsunfall verursacht und einen Kollegen oder dritte Personen gesundheitlich schädigt.
Siehe auch