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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Betriebliches Eingliederungsmanagement - Maßnahmen
Betriebliches Eingliederungsmanagement - Maßnahmen
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) kann beiden Parteien des Arbeitsvertrages nutzen: Dem gesundheitlich angeschlagenen Mitarbeiter kann der Arbeitsplatz längerfristig und ohne allzu umfangreiche Einschränkungen erhalten werden. Der Betrieb kann von geringeren Ausfallzeiten profitieren und damit nicht nur Kosten einsparen, sondern auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Die Grundsätze, die bei dem Verfahren zu beachten sind, entnehmen Sie bitte dem Beitrag Betriebliches Eingliederungsmanagement - Allgemeines. Hier erhalten Sie einen Überblick über die möglichen Maßnahmen sowie die Erfolgskontrolle.
2. Erarbeitung der Handlungsalternativen
Nach der Analyse der gesundheitlichen und beruflichen Situation und der daraus folgenden Feststellung der beruflichen Beeinträchtigungen des Mitarbeiters erarbeiten die einbezogenen Teilnehmer am BEM die Handlungsalternativen. In die Überlegungen müssen alle Maßnahmen einbezogen werden, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit des Beschäftigten auf Dauer zu sichern. Danach kann die passende Lösung ausgewählt werden. Sie soll einerseits geeignet sein, die Probleme zumindest weitgehend zu beseitigen und andererseits die Akzeptanz des Mitarbeiters und des Betriebes finden. In Betracht kommen alle Optionen, die die Arbeitsunfähigkeit beenden und dem Mitarbeiter dauerhaft einen leidensgerechten Arbeitsplatz bieten. Die Lösungen sind daher immer individuell für den Mitarbeiter und abgestimmt auf die Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens zu entwickeln.
Droht ein Arbeitnehmer im Rahmen des BEM ernstlich und im Zustand freier Willensbildung einen Selbstmord oder einen Amoklauf an, so kann dies seine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, 29.06.2017 – 2 AZR 47/16). Eine solche Drohung stellt eine erhebliche Verletzung der Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB dar, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.
3. Maßnahmen
3.1 Überblick
Die wichtigsten Handlungsoptionen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Beispiele für Maßnahmen im Rahmen des BEM
Nr. | Maßnahme | Kurzbeschreibung |
1 | Durchführung einer Präventions- bzw. Rehabilitationsmaßnahme | Siehe 3.2. |
2 | Begleitende medizinische Behandlung | Z.B. Orthopädische Behandlung, Reha-Sport, Psychosoziale Betreuung, Psychotherapie. |
3 | Leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsumgebung und der Arbeitsmittel | Der Arbeitsplatz wird so gestaltet, dass der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung trotz der gesundheitlichen Einschränkungen weiter erbringen kann. Sinnvoll ist es in diesem Fall, mit Zustimmung des Betroffenen den Vorgesetzten hinzuzuziehen. Siehe 3.3. |
4 | Beschaffung geeigneter Hilfsmittel | Benötigt der Mitarbeiter für seine bisherige Berufstätigkeit Hilfsmittel (wie z.B. Greifhilfen), sollte die Beschaffung in die Wege geleitet werden. Ggf. ist der zuständige Rehabilitationsträger (Rentenversicherung, Unfallversicherung, Bundesagentur für Arbeit) einzuschalten. Siehe 3.4. |
5 | Stufenweise Wiedereingliederung | Siehe 3.5. |
6 | Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz | Falls ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist, sollte dem Mitarbeiter ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden. Er sollte möglichst seiner Qualifikation entsprechen und zumutbar, in der Regel gleichwertig sein. Siehe 3.6. |
7 | Anpassung der Organisation und/oder der Arbeitszeit | Z.B. Umsetzung von Wechsel- in Tagschicht oder auf einen Arbeitsplatz, bei dem die Belastung für die Gesundheit nicht vorhanden ist. |
8 | Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen | Sind insbesondere zu prüfen, wenn neue Aufgaben zugewiesen werden. |
9 | Personenbedingte Kündigung | Siehe 5. |
3.2 Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen
Die Träger der Rentenversicherung erbringen im Rahmen der Prävention medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit an Versicherte, die erste gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen, wodurch die ausgeübte Beschäftigung gefährdet wird. Damit sollen ein späterer Rehabilitationsbedarf und eine frühzeitige Erwerbsunfähigkeit vermieden werden. Erste gesundheitliche Beeinträchtigungen in diesem Sinne sind beispielsweise beginnende Funktionsstörungen von Bewegungsorganen, inneren Organen oder psychische Beeinträchtigungen. Diese können sich durch Faktoren aus dem Arbeitsumfeld ergeben, etwa durch Art und Umfang der Arbeitsbelastung oder Lärm am Arbeitsplatz. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können ihre Ursache aber auch in der Person des Beschäftigten haben, z.B. wie sie oder er mit emotional belastenden Situationen im Berufsleben umgehen oder schwierige persönliche Lebensumstände (z.B. der Pflege von Angehörigen) bewältigen (Bundestags-Drucksache 18/9787 S. 32). Die Voraussetzungen liegen oft vor, wenn häufig kürzere Krankheitsausfälle eintreten, die auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind, aber nicht als Dauerzustand anzusehen sind.
Die Präventionsleistungen sollen helfen, eine gesundheitsbewusste Lebensführung umzusetzen, eine Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden und damit auch den Anforderungen des Arbeits- und Berufslebens besser gerecht zu werden. Die Leistungen bieten die Rentenversicherungsträger berufsbegleitend vor Ort an.
Durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation soll bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden. Ist die Erwerbsfähigkeit bereits gemindert soll diese wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden. Im Gegensatz zu den Präventionsleistungen besteht also bereits eine deutliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit. Der Rentenversicherungsträger stellt in erster Linie medizinisch-berufliche und therapeutische Leistungen zur Verfügung, mit denen die Basis für eine Wiedereingliederung in den Beruf geschaffen wird. Die Leistungen werden entweder in Vollzeit ambulant vor Ort oder in stationären Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Voraussetzung ist eine Mindestversicherungszeit in der Rentenversicherung.
Praxistipp:
Die Formulare für Anträge auf Präventionsleistungen (G 0180, G 0185, G 0190) und für Leistungen der medizinischen Rehabilitation (G 0100ff.) gibt es bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger. Sofern Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen in Betracht kommen, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Mitarbeitern das Integrationsamt hinzugezogen (§ 167 Abs. 2 S. 45 SGB IX). Damit kann eine gezielte Beratung über die sinnvollen Maßnahmen erfolgen: Rehabilitationsträger und Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern darauf hin, dass eine Behinderung bzw. das Entstehen einer chronischen Krankheit vermieden wird (§ 3 Abs. 1 SGB IX).
3.3 Umgestaltung des Arbeitsplatzes
Sehr häufig hängen Mitarbeiter an ihrer langjährig ausgeübten Tätigkeit und scheuen vor neuen Aufgaben zurück. Oft hat sich auch Spezialwissen entwickelt, sodass der Arbeitsplatz nicht ohne weiteres neu besetzt werden kann. Daher sollte – soweit der Mitarbeiter nicht ausdrücklich etwas anderes wünscht – in erster Linie versucht werden, den Arbeitsplatz leidensgerecht umzugestalten. Mögliche Maßnahmen dafür siehe 3.4. Ggf. kann der Mitarbeiter auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt werden. Ist dies nicht möglich, ist zu prüfen, ob in dem Unternehmen eine andere Verwendung des Arbeitnehmers erfolgen kann (siehe 3.6 – LAG Berlin-Brandenburg, 03.12.2021 – 21 Ta 1158/21).
3.4 Beschaffung von Hilfsmitteln
Oft kann bereits eine geringfügige Umgestaltung des Arbeitsplatzes die bestehenden gesundheitlichen Probleme weitgehend aus der Welt schaffen. Bei Rückenleiden kann z.B. oft bereits ein orthopädischer Bürostuhl, ein entsprechend ausgerichteter Bildschirm oder eine Hebehilfe wertvolle Unterstützung leisten. Soweit nicht der Arbeitgeber oder die gesetzliche Krankenversicherung zur Kostenübernahme verpflichtet ist, kann auch der Rentenversicherungsträger die Kosten ganz oder teilweise übernehmen. Keine Leistungspflicht besteht, wenn ein anderer Träger zuständig ist (wie z.B. bei Folgen eines Arbeitsunfalles die gesetzliche Unfallversicherung).
Praxistipp:
Die Formulare für Anträge auf Hilfsmittel (G 0100ff. - Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte - Rehabilitationsantrag) gibt es bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger.
3.5 Stufenweise Wiedereingliederung
Durch die stufenweise Wiedereingliederung wird der erkrankte Mitarbeiter allmählich wieder an die Anforderungen seines Arbeitsplatzes herangeführt. Voraussetzung für eine solche Maßnahme ist, dass sie nach ärztlicher Feststellung medizinisch sinnvoll und voraussichtlich geeignet ist, den Mitarbeiter wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Liegen diese Voraussetzungen vor, soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben (§ 74 SGB V). Der Arzt soll in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des MDK einholen. Die stufenweise Wiedereingliederung darf grundsätzlich nur mit Zustimmung des Betriebsarztes erfolgen (Nr. 4 der Anlage zur Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie). Die Richtlinie enthält weitere Detailregelungen zur Durchführung der Maßnahme.
Nach § 74 S. 2 SGB V muss spätestens ab einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen die ärztliche Feststellung, dass eine stufenweise Wiedereingliederung sinnvoll ist, regelmäßig mit der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Dabei sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. Die Feststellung darf der Arzt nur aufgrund einer Untersuchung treffen. Von einer Empfehlung dieser Maßnahme ist abzusehen, wenn diese zu nachteiligen gesundheitlichen Folgen führen kann oder der Versicherte die stufenweise Wiedereingliederung ablehnt (§ 7 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung).
Praxistipp:
Die Richtlinie finden Sie unter www.g-ba.de/Richtlinien.
Da die stufenweise Wiedereingliederung in der Regel erst in Frage kommt, wenn die Entgeltfortzahlung abgelaufen ist, bemüht sich meistens die Krankenkasse um die Durchführung und kommt auf den Betrieb zu. Die stufenweise Wiedereingliederung kann auch vom Arbeitgeber oder vom Mitarbeiter angeregt werden.
Der Arbeitnehmer ist während der Maßnahme weiterhin arbeitsunfähig und erhält Krankengeld von der Krankenkasse bzw. eine sonstige Entgeltersatzleistung von einem anderen Träger. Das Wiedereingliederungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art. Es ist nicht auf eine Arbeitsleistung im üblichen Sinn gerichtet, sondern soll es als Maßnahme der Rehabilitation dem Mitarbeiter ermöglichen, die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen (LAG Rheinland-Pfalz, 03.02.2016 – 7 Sa 220/15).
Grundsätzlich besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben, insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Vielmehr ist das Wiedereingliederungsverhältnis ein Vertragsverhältnis eigener Art, zu dessen Begründung es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf, wobei für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn es um die stufenweise Wiedereingliederung einer schwerbehinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben geht. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mitzuwirken und eine schwerbehinderte Person entsprechend den Angaben im ärztlichen Wiedereingliederungsplan zu beschäftigen. Die (krankheitsbedingte) Unfähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung schließt einen Beschäftigungsanspruch nicht aus (LAG Rheinland-Pfalz, 30.05.2022 - 3 Sa 208/21).
In der Regel beginnt die stufenweise Wiedereingliederung mit einer kurzen Arbeitszeit (z.B. zwei Stunden je Arbeitstag), die dann allmählich gesteigert wird. Die Gesamtdauer der stufenweisen Wiedereingliederung soll sechs Monate nicht übersteigen. Eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ist nicht nur dann gegeben, wenn die Befähigung zu einer vollschichtigen Tätigkeit erreicht wird (LSG Bayern, 25.04.2018 – L 13 R 64/15). Daher kommt die Maßnahme auch für Teilzeitbeschäftigte infrage.
Den Beginn der Maßnahmen, die einzelnen Belastungsschritte, ggf. während der Wiedereingliederung zu vermeidende Tätigkeiten, sowie den Zeitpunkt, zu dem die volle Einsatzfähigkeit erreicht sein soll, legt der behandelnde Arzt in einem Plan fest (siehe BAG, 13.06.2006 – 9 AZR 229/05). Dieser ist aber nicht in Stein gemeißelt: Je nach Entwicklung der Leistungsfähigkeit muss der ursprüngliche Plan häufig angepasst werden. Vorgesehen auf dem Vordruck, den der Arzt verwendet, ist, dass die Parteien des Arbeitsvertrages ihr Einverständnis erklären. Es sollten auch evtl. Rücktrittsrechte des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers und evtl. flankierende Maßnahmen geregelt werden.
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer kann nach § 164 Abs. 4 SGB IX eine anderweitige Tätigkeit auch im Rahmen einer Wiedereingliederung verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung eines behandelnden Arztes vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Maßnahme ergeben. Aus dieser muss für den Arbeitgeber hinreichend deutlich hervorgehen, dass mit der Durchführung des Wiedereingliederungsplans eine betrieblich nutzbare Tätigkeit wiedererlangt werden kann (BAG, 16.05.2019 – 8 AZR 530/17). Liegen die Voraussetzungen vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, an der Wiedereingliederung mitzuwirken (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, 30.05.2022 - 3 Sa 208/21). Versäumt der Arbeitgeber schuldhaft, eine behinderungsgerechte Beschäftigung eines Schwerbehinderten zu ermöglichen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung (LAG Berlin-Brandenburg, 23.05.2018 – 15 Sa 1700/17).
Liegen aber die Voraussetzungen für eine stufenweise Wiedereingliederung nicht vor, weil aufgrund des Gesundheitszustandes des Mitarbeiters zu befürchten ist, dass eine Beschäftigung entsprechend dem Wiedereingliederungsplan nicht möglich ist, besteht auch bei Schwerbehinderten kein Anspruch auf die Maßnahme. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände die Befürchtung hegen durfte bzw. musste, dass dem Beschäftigten aus der Maßnahme nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX Anspruch auf eine Beschäftigung haben, bei der sie ihre Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Dementsprechend hat der Mitarbeiter in solchen Fällen auch keinen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens (hier: Verdienstausfall wegen der unterbliebenen Arbeitsaufnahme - BAG, 16.05.2019 – 8 AZR 530/17).
Da die stufenweise Wiedereingliederung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation anzusehen ist, besteht nach § 60 Abs. 5 SGB V auch Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Fahrten zum Arbeitsort und zurück (SG Dresden, 17.06.2020 – S 18 KR 967/19).
3.6 Versetzung
Wenn die Weiterarbeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist, kann dem Mitarbeiter ein anderer, leidensgerechter Arbeitsplatz zugewiesen werden. Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, einen leidensgerechten Arbeitsplatz erst zu schaffen (BAG, 28.06.2017 – 5 AZR 563/16). Er muss sich aber ggf. bemühen, eine vorhandene, geeignete Stelle freizumachen. Dabei handelt es sich arbeitsrechtlich um eine Versetzung. Diese Möglichkeit ist allerdings in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Zunächst muss die Zuweisung arbeitsrechtlich zulässig sein bzw. der Arbeitnehmer muss dem zustimmen (siehe hierzu auch Arbeitsunfähigkeit - Versetzung- Kündigung).
Es ist zu prüfen, ob ein vergleichbarer oder von der beruflichen Qualifikation her adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, kann dem Mitarbeiter eine Stelle angeboten werden, die seiner gesundheitlichen Situation und seinen Fähigkeiten entspricht. Unabhängig von der Zustimmung des Arbeitnehmers ist die Versetzung arbeitsrechtlich zulässig, wenn der neue Arbeitsplatz dem entspricht, was arbeitsvertraglich vereinbart ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist (BAG, 14.10.2020 – 5 AZR 649/19). Dann kann der Arbeitgeber auch einseitig im Rahmen des Weisungsrechts nach § 106 GewO den anderen Arbeitsplatz zuweisen, soweit dies den Grundsätzen des billigen Ermessens entspricht. Bei der Ausübung des Ermessens muss er auf Behinderungen (§ 106 S. 3 GewO) und damit auf krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters Rücksicht nehmen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber neben den Interessen des Betriebes auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Es bedarf nach der Rechtsprechung einer Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen; es müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit beachtet werden und die neue Tätigkeit muss zumutbar sein. Dass die Versetzung dem billigen Ermessen entspricht, muss der Arbeitgeber ggf. beweisen. Entspricht die Weisung nicht den genannten Grundsätzen, ist der Arbeitnehmer nicht daran gebunden. Dann hat er einen Anspruch auf Beschäftigung mit seiner bisherigen Tätigkeit (BAG, 18.10.2017 – 10 AZR 47/17).
Für die Wirksamkeit einer Versetzung ist die Durchführung eines BEM keine Voraussetzung. Dies gilt auch, wenn die Versetzung auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt den Grundsätzen des billigen Ermessens entspricht (BAG, 18.10.2017 – 10 AZR 47/17).
Wird im Rahmen des BEM-Verfahrens eine Beschäftigungsmöglichkeit ins Auge gefasst, der der Betriebsarzt nach einer Eignungsuntersuchung jedoch wegen der gesundheitlichen Situation des Arbeitnehmers nicht zustimmt, stellt sich die Frage, wie diese Einschätzung im Verhältnis zu Facharztgutachten zu werten ist. Der betroffene Arbeitnehmer verlangte in einem vom BAG entschiedenen Rechtsstreit die Beschäftigung entsprechend der im BEM-Verfahren entwickelten Lösung. Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei der Äußerung des Betriebsarztes um ein Privatgutachten, das zwar als qualifizierter Beweisvortrag zu werten sei, dem aber in Bezug auf die Richtigkeit der Aussagen nicht die Kraft eines Beweismittels zukomme. Daher muss vom LAG, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wurde, in eine entsprechende Beweisaufnahme eintreten (BAG, 22.08.2018 – 5 AZR 592/17).
Praxistipp:
Damit ggf. belegt werden kann, dass die Grundsätze des billigen Ermessens beachtet wurden, ist es sinnvoll, die Abwägung schriftlich in einem Vermerk darzustellen.
Hat ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit positivem Ergebnis stattgefunden, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die betreffende Empfehlung umzusetzen (LAG Schleswig-Holstein, 11.04.2018 – 6 Sa 361/17). Kündigt er, ohne das versucht zu haben, muss er darlegen, warum die Maßnahme entweder undurchführbar war oder selbst bei einer Umsetzung nicht zu einer Reduzierung der Ausfallzeiten geführt hätte (siehe auch BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 755/13).
Wenn die neue Tätigkeit nicht dem entspricht, was arbeitsrechtlich vereinbart ist, kann der neue Arbeitsplatz ggf. auch durch eine Änderungskündigung realisiert werden (siehe auch unter 5.).
Eine Zuordnung des Arbeitnehmers aufgrund der gesundheitlichen Umstände zu einer anderen Schicht (Versetzung von Nacht- zu Wechselschicht) ist bei ansonsten gleich bleibender Tätigkeit ebenfalls ohne ein an sich erforderliches BEM zulässig und wirksam (BAG, 18.10.2017 – 10 AZR 47/17).
Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 ArbZG hat der Arbeitgeber den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz u.a. dann umzusetzen, wenn nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet. Für die Gesundheitsgefährdung ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet und kann sich der Untersuchung nach § 6 Abs. 3 ArbZG bedienen (LAG Baden-Württemberg, 09.01.2018 – 19 TaBV 2/17).
Weist der Arbeitgeber einem als schwerbehinderter Mensch anerkannten Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, befristet eine leidensgerechte Beschäftigung in Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 106 Satz 3 GewO zu, gerät er in Annahmeverzug, wenn es die ursprünglich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr gibt und er nach Befristungsablauf sein Direktionsrecht nicht neu ausübt (LAG Niedersachsen, 25.09.2019 - 17 Sa 300/19). Aus dem Annahmeverzug resultiert ein Anspruch auf Vergütung.
Nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX hat ein schwerbehinderter Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Anlass für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs kann auch eine krankheitsbedingte Veränderung des Leistungsvermögens in Bezug auf die bisherige Beschäftigung sein. Unterlässt es der Arbeitgeber, dem Beschäftigten eine Vertragsänderung mit einer behinderungsgerechten Beschäftigung anzubieten, kann dies einen Anspruch auf Vergütung als Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB begründen. Ein solcher Anspruch setzt jedoch - anders als der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung - Verschulden des Arbeitgebers voraus (BAG, 14.10.2020 - 5 AZR 649/19). Insbesondere muss der Arbeitnehmer die aus seiner Sicht geeigneten Einsatzmöglichkeiten nachweisen. Darauf muss sich der Arbeitgeber substantiiert einlassen; der Arbeitnehmer kann jedoch die Gegenmeinung widerlegen. Unterlässt der Arbeitgeber ein gebotenes BEM, verschärft sich dessen Darlegungslast (LAG Berlin-Brandenburg, 03.12.2021 - 21 Ta 1158/21).
Im Rahmen der Versetzung sind die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung zu beachten (§ 99 BetrVG, § 75ff. BPersVG). Wird der Arbeitgeber wegen der fehlenden Mitbestimmung zur Aufhebung einer Versetzung verpflichtet, kann er eine erneute Versetzung unter Beachtung der Rechte des Betriebsrates vornehmen. Einer vorherigen tatsächlichen Rückversetzung des Arbeitnehmers bedarf es nicht, wenn die neue Versetzung aus dringenden sachlichen Gründen vorläufig durchgeführt wird (LAG Köln, 21.05.2021 – 9 TaBV 42/20).
Teilweise enthalten auch Tarifverträge Versetzungsklauseln. Solche tarifvertraglichen Regelungen können das Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränken. Sie sind ggf. vorrangig vor Betriebsvereinbarungen und Sozialplänen anzuwenden (LAG Berlin-Brandenburg, 20.04.2018 – 6 Sa 1586/17). Durch eine tarifvertragliche Klausel kann das Direktionsrecht des Arbeitgebers aber auch erweitert werden: Aus einer tariflichen Regelung, wonach die Vereinbarung alternierender Telearbeit von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann, ergibt sich, dass die Arbeitgeberin keine Ermessens- und Billigkeitserwägungen bei der individuellen Ausübung des Widerrufsrechts einhalten muss (LAG Köln, 14.08.2020 - 9 TaBV 11/20).
Siehe auch Arbeitsunfähigkeit - Versetzung- Kündigung und Versetzung bei Krankheit des Arbeitnehmers.
4. Ergebnis
Ist ein Ergebnis gefunden, sollte festgelegt werden, wer von den Beteiligten die einzelnen Schritte durchführt. Die angestrebten Maßnahmen sollten zwischen dem Beratungsgremium und dem betroffenen Mitarbeiter schriftlich vereinbart werden. Dabei sollte auch angegeben werden, wer für was zuständig ist und wann das Ergebnis kontrolliert wird.
Praxistipp:
Eine schriftliche Dokumentation ist in jedem Fall sinnvoll. Denn bei Streitigkeiten ist es wichtig, dass der Arbeitgeber die Durchführung des BEM und die vereinbarten Maßnahmen belegen kann. Auch wenn der Mitarbeiter das BEM insgesamt ablehnt, abbricht oder den angebotenen Lösungen nicht zustimmt, sollte dies aus Beweisgründen dokumentiert werden.
Niederschriften über die Besprechungen des BEM-Gremiums dürfen nicht in die Personalakte aufgenommen werden. Dort darf allenfalls der Start oder der Abschluss des Verfahrens, sowie eine evtl. arbeitsrechtlich relevante Einigung (wie z.B. die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz) festgehalten werden. Außerdem sollte auch anhand geeigneter, vorher festgelegter Kennzahlen eine Erfolgskontrolle stattfinden.
5. BEM und Kündigung
Ist keine Lösung möglich und können daher die Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit nicht beseitigt werden, kommt als letztes Mittel eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Dabei ist das BEM keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
Die krankheitsbedingte Kündigung kann jedoch unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitgeber zuvor kein BEM angeboten hat (siehe hierzu LAG Düsseldorf, 20.10.2016 – 13 Sa 356/16 u. LAG Rheinland-Pfalz, 23.05.2013 - 8 Sa 540/20, siehe auch Arbeitsunfähigkeit - Versetzung- Kündigung). Der Arbeitgeber muss in solchen Fällen nicht nur die objektive Nutzlosigkeit von Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes aufzeigen, sondern auch, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können (BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 u. BAG, 21.11.2018 – 7 AZR 394/17). Eine nicht angebotene BEM-Maßnahme macht also die Kündigung nicht unwirksam, schränkt aber die Verhältnismäßigkeit zu Lasten des Arbeitgebers ein (LAG Rheinland-Pfalz, 13.04.2021 - 8 Sa 240/20). Ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass ein BEM zu einem positiven Ergebnis geführt hätte, muss sich der Arbeitgeber u.U. vorhalten lassen, er habe gekündigt, ohne Alternativen zu prüfen, mit dem Ergebnis, dass die Kündigung unwirksam ist (LAG Hamburg, 08.06.2017 – 7 Sa 20/17). Den Arbeitgeber trifft also auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das BEM entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte erbringen können. Es obliegt ihm, die tatsächlichen Umstände im Einzelnen dafür darzulegen und zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, weshalb weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können (BAG, 27.07.2011 - 7 AZR 402/10 u. BAG, 21.11.2018 – 7 AZR 394/17). Eine gesteigerte Darlegungslast des Arbeitgebers ergibt sich folglich insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung (BAG, 17.04.2019 - 7 AZR 292/17). Das BAG sieht in dem Verfahren auch bei häufigen Kurzerkrankungen eine Chance, mildere Mittel für die Beseitigung der Leistungsstörung (wie z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes) zu finden. Wird es unterlassen, muss der Arbeitgeber daher umfassend darlegen und beweisen, warum es in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Auch wenn dem Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zugebilligt wurde, ist ein BEM durchzuführen. In dessen Rahmen ist umfassend und ernsthaft zu ermitteln, ob es alternative Einsatzmöglichkeiten gibt (BAG, 13.05.2015 – 2 AZR 565/14).
Der Arbeitgeber ist auch grundsätzlich verpflichtet, einen Vorschlag, auf den sich die Teilnehmer eines BEM geeinigt haben, umzusetzen, ehe er eine Kündigung ausspricht (BAG, 10.12.2009 – 2 AZR 198/09).
Wichtig ist es, dass die Einladung zum BEM schriftlich und inhaltlich korrekt erfolgt. Kann der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nicht nachweisen, dass die Einladung dem Arbeitnehmer persönlich ausgehändigt, bzw. per Post übersandt wurde, scheitert eine krankheitsbedingte Kündigung bereits an den erforderlichen Formalitäten für das BEM (LAG Baden-Württemberg, 28.07.2021 – 4 Sa 68/20).
Bei dem Gespräch geht es darum, wie der Arbeitgeber den Mitarbeiter bei der Bewältigung der Krankheit unterstützen kann und wie weitere Erkrankungen verhindert werden können. Es handelt sich um einen rechtlich regulierten "Suchprozess", der individuell angepasste Lösungen der Probleme ermitteln soll (BAG, 10.12.2009 – 2 AZR 400/08).
Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen in mehreren Stufen auf ihre Rechtswirksamkeit hin zu prüfen. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochenlöhnen übersteigen (LAG Rheinland-Pfalz, 26.01.2021 – 6 Sa 124/20). Als kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers aufgrund zu erwartender Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers sind vor allem gem. § 12 EFZG unabdingbare Entgeltfortzahlungskosten nach §§ 3, 4 EFZG zu berücksichtigen. Unter diese Vorschriften fallen auch "arbeitsleistungsbezogene" Sondervergütungen mit reinem Entgeltcharakter. Leistungen, mit denen ausschließlich die erbrachte und/oder eine künftig erwartete Betriebstreue und nicht auch eine bestimmte Arbeitsleistung honoriert werden soll, gehen kündigungsrechtlich nicht zulasten des Arbeitnehmers. Der mit diesen Leistungen vom Arbeitgeber verfolgte Zweck wird durch die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht gestört. Der hierfür notwendige Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt von dem krankheitsbedingten Ausfall unberührt, der Arbeitgeber erhält gleichwohl die volle von ihm angestrebte Gegenleistung. Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen, § 4a EFZG), stellen selbst dann keine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung dar, wenn sie nicht allein für den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern auch für eine Arbeitsleistung im Bezugszeitraum gezahlt werden. Zwar führt die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers insofern zu einer - teilweisen - Störung des Austauschverhältnisses. Doch ist diesbezüglich durch die Möglichkeit von Kürzungsvereinbarungen gem. § 4a EFZG eine abschließende Risikozuweisung erfolgt (BAG, 22.07.2021 - 2 AZR 125/21). Nach der Rechtsprechung ist dann zur Erstellung der Gesundheitsprognose - vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Umstände des Einzelfalls - regelmäßig ein Referenzzeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung bzw. vor Einleitung des Verfahrens zur Beteiligung einer bestehenden Arbeitnehmervertretung zugrunde zu legen (BAG, 25.04.2018 – 2 AZR 6/18). Aber auch ein Referenzzeitraum von zwei Jahren vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen kann eine hinreichende Basis der negativen Prognose zukünftiger Arbeitsunfähigkeiten sein (LAG Düsseldorf, 17.05.2022 - 14 Sa 825/21). Aufgrund häufiger Kurzerkrankungen ist eine außerordentliche, personenbedingte Kündigung nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber zu nicht mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitszeit mit Entgeltfortzahlung belastet wird, weil dann kein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung i.S.d. BAG-Rechtsprechung vorliegt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 18.08.2021 – 3 Sa 6/21). Der Rückschluss von einer bereits länger bestehenden Arbeitsunfähigkeit auf eine voraussichtlich dauerhafte Leistungsunfähigkeit ist im Regelfall erst möglich, wenn der Arbeitnehmer etwa 18 Monate ununterbrochen krank war (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 21.06.2022 - 5 Sa 259/21).
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG, 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 u. LAG Nürnberg, 18.02.2020 – 7 Sa 124/19). Dazu gehört auch, dass sie das letzte Mittel zur Beseitigung der Leistungsstörung ist. Insbesondere muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er seinen Pflichten im Rahmen des BEM ordnungsgemäß nachgekommen ist. Falls nein, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass es im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben hat, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken (LAG Rheinland-Pfalz, 26.01.2021 - 6 Sa 124/20). Stehen mildere Mittel zur Verhinderung weiterer Fehlzeiten zur Verfügung, wie z.B. die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, ist eine krankheitsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam (LAG Hessen, 19.07.2021 – 16 Sa 231/21). Denn es gilt das Ultima-ratio-Prinzip. Vor der Kündigung muss der Arbeitgeber prüfen, ob es mildere Mittel zur Beseitigung der Leistungsstörung gibt. Und die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen wären evtl. ein solches Mittel (BAG, 10.12.2009 – 2 AZR 198/09).
Wenn sich ein Arbeitgeber darauf beruft, dass ein BEM bei häufigen Kurzerkrankungen offensichtlich aussichtslos ist, hat er darzulegen, dass auch etwaige Vorschläge für Maßnahmen der Berufsgenossenschaften und der DGVU konkret nicht umsetzbar wären oder nicht zu einer Reduzierung der Fehlzeiten geführt hätten (LAG Berlin-Brandenburg, 26.09.2019 – 10 Sa 864/19).
Die objektive Nutzlosigkeit eines betrieblichen Eingliederungsmanagements schränkt damit die Pflicht des Arbeitgebers ein, ein BEM durchzuführen.
Daraus ergibt sich aber auch, dass die Kündigung ausnahmsweise ohne BEM wirksam sein kann, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalles davon auszugehen ist, dass der Mitarbeiter dem Verfahren ohnehin nicht zugestimmt hätte (LAG Berlin-Brandenburg, 27.02.2019 – 17 Sa 1605/18). Im Übrigen ist der Arbeitgeber nur dann berechtigt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement wegen der fehlenden Zustimmung des Arbeitnehmers zu unterlassen, wenn er den betroffenen Arbeitnehmer zuvor regelkonform um Zustimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ersucht hat. Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu ergreifen (BAG, 17.04.2019 - 7 AZR 292/17).
Von der Zustimmung des Integrationsamtes zur krankheitsbedingten Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers geht nicht die Vermutung aus, dass ein BEM nutzlos gewesen wäre (LAG Baden-Württemberg, 10.02.2022 – 17 Sa 57/21).
Wurde ein BEM durchgeführt, sind die Vorschläge des Gremiums für den Arbeitgeber zumindest dann verbindlich, wenn er eine personenbedingte Kündigung aussprechen will.
Soweit der Arbeitgeber eine Versetzung im Rahmen seines Weisungsrechts nicht durchsetzen kann und stimmt der Mitarbeiter einer einvernehmlichen Lösung nicht zu, kommt auch eine Änderungskündigung (§ 2 KSchG) in Betracht. Sie kann auch zur Herabsetzung der Arbeitszeit ausgesprochen werden, weil der Mitarbeiter einzelne Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Dies bedarf, a) einer negativen Prognose, b) einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen und c) einer billigerweise nicht hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers (LAG Berlin-Brandenburg, 08.05.2018 – 7 Sa 1588/17 – m.w.N.).