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BAG, 28.05.2019 - 8 AZN 268/19 - Beschr�nkung der Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht im Urteilstenor; Beachtung des Grundsatzes der Parit�t bei der Revisionszulassung durch das Landesarbeitsgericht
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 28.05.2019, Az.: 8 AZN 268/19
Beschr�nkung der Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht im Urteilstenor; Beachtung des Grundsatzes der Parit�t bei der Revisionszulassung durch das Landesarbeitsgericht
Verfahrensgang:
vorgehend:
LAG Berlin-Brandenburg - 27.11.2018 - AZ: 7 Sa 963/18
Rechtsgrundlagen:
Fundstellen:
BAGE 167, 32 - 35
ArbR 2019, 451
AuR 2019, 487
BB 2019, 2099
EzA-SD 18/2019, 15
FA 2019, 355-356
FA 2019, 313
MDR 2019, 1510-1511
NJW 2019, 2792-2793
NJW-Spezial 2019, 596
NZA 2019, 1311-1312
PersV 2019, 470-472
RENOpraxis 2019, 219-220
ZAP 2019, 911-912
BAG, 28.05.2019 - 8 AZN 268/19
Orientierungssatz:
- 1.
Das Landesarbeitsgericht kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich oder rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränken. Es kann die Revision auf den Anspruchsgrund beschränkt zulassen, wenn ein Grundurteil hierüber hätte ergehen können. Dass Grundurteile im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht selbständig anfechtbar sind (§ 61 Abs. 3 ArbGG), ändert daran nichts (Rn. 5, 7).
- 2.
Will das Landesarbeitsgericht die Revision in einem solchen Fall auf den Anspruchsgrund und auf eine Partei beschränkt zulassen, hat es auch die Beschränkung der Revisionszulassung auf den Anspruchsgrund in den Urteilstenor aufzunehmen. Unterlässt es dies und hat es über die Höhe der Forderung auch zum Nachteil der anderen Partei entschieden, etwa weil der Klage der Höhe nach nur teilweise stattgegeben wurde, entfaltet die Beschränkung der Revisionszulassung auf die eine Prozesspartei im Hinblick auf die Anspruchshöhe aus Gründen der Parität keine Wirkungen. Insoweit ist die Revision für beide Parteien zugelassen (Rn. 8).
- 3.
Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach stellt einen rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs dar, über den durch Grundurteil entschieden werden kann, da die Höhe der Entschädigung bis zum Ende des Rechtsstreits summenmäßig zu bestimmen ist (Rn. 6).
Amtlicher Leitsatz:
1. Streiten die Parteien �ber die Zahlung einer Entsch�digung nach � 15 Abs. 2 AGG, kann das Landesarbeitsgericht die Revision auf den Anspruchsgrund beschr�nkt zulassen. Aus � 61 Abs. 3 iVm. � 64 Abs. 7 ArbGG folgt nichts Abweichendes. Die Beschr�nkung der Revisionszulassung auf den Anspruchsgrund ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Fehlt es hieran, ist die Revision auch hinsichtlich der H�he zugelassen.
2. Hat das Landesarbeitsgericht die Revision sowohl im Hinblick auf den Anspruchsgrund als auch im Hinblick auf die Anspruchsh�he nur f�r eine Prozesspartei zugelassen und hat es �ber die H�he der Forderung auch zum Nachteil der anderen Partei entschieden, ist die Beschr�nkung der Revisionszulassung auf die eine Prozesspartei im Hinblick auf die Anspruchsh�he aus Gr�nden der Parit�t unwirksam.
In Sachen
Kl�gerin, Berufungskl�gerin und Nichtzulassungsbeschwerdef�hrerin,
pp.
beklagtes, berufungsbeklagtes und nichtzulassungsbeschwerdegegnerisches Land,
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 28. Mai 2019 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Kl�gerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. November 2018 - 7 Sa 963/18 - wird als unzul�ssig verworfen.
Die Kl�gerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.159,88 Euro festgesetzt.
Gr�nde
1
Die auf grunds�tzliche Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen (� 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) gest�tzte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzul�ssig und deshalb zu verwerfen.
2
I. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzul�ssig, da sie auf ein rechtliches Ergebnis gerichtet ist, das bereits eingetreten ist. Gegen das in der Beschwerde bezeichnete Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist das Rechtsmittel der Revision im Hinblick auf die Anspruchsh�he auch f�r die Kl�gerin zugelassen. Insoweit ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beschr�nkung der Zulassung auf das beklagte Land wirkungslos. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Revision im verk�ndeten Tenor der Entscheidung ausdr�cklich nur f�r das beklagte Land zugelassen und sie f�r die Kl�gerin ausdr�cklich nicht zugelassen. Allerdings hat das Berufungsgericht die Revision f�r das beklagte Land nicht auf den Anspruchsgrund beschr�nkt, sondern umfassend und damit auch im Hinblick auf die H�he zugelassen. Dies f�hrt, da nicht nur das beklagte Land, sondern auch die Kl�gerin durch die anzufechtende Entscheidung wegen der Anspruchsh�he betroffen ist, insoweit zur Unwirksamkeit der Beschr�nkung der Revisionszulassung auf das beklagte Land mit der Folge, dass im Hinblick auf die Anspruchsh�he die Revision f�r beide Parteien zugelassen ist.
3
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision f�r das beklagte Land nicht auf den Anspruchsgrund beschr�nkt, sondern umfassend und damit auch �ber die H�he der Forderung zugelassen. Der Urteilstenor l�sst eine Beschr�nkung auf den Anspruchsgrund nicht erkennen. Nach � 72 Abs. 1 Satz 2 iVm. � 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG ergibt sich der Umfang der Revisionszulassung aus dem Urteilstenor, weshalb weder eine nachtr�gliche Beschr�nkung der mit dem Tenor verk�ndeten unbeschr�nkten Zulassung der Revision in den Entscheidungsgr�nden (vgl. BAG 19. M�rz 2003 - 5 AZN 751/02 - zu II 2 der Gr�nde, BAGE 105, 308), noch eine nachtr�gliche Erweiterung der mit dem Tenor verk�ndeten beschr�nkten Zulassung der Revision m�glich ist (vgl. BAG 22. M�rz 2018 - 8 AZR 190/17 - Rn. 19).
4
2. Das Landesarbeitsgericht h�tte die Revision f�r das beklagte Land auf den Anspruchsgrund beschr�nkt zulassen k�nnen.
5
a) Das Berufungsgericht kann die Zulassung der Revision zwar nicht auf einzelne Anspruchsgrundlagen, Rechtsfragen oder Elemente des geltend gemachten Anspruchs, wohl aber auf einen tats�chlich oder rechtlich selbst�ndigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschr�nken (vgl. BAG 15. Januar 2015 - 5 AZN 798/14 - Rn. 5, BAGE 150, 279). Es kann die Revision auf den Anspruchsgrund beschr�nkt zulassen, wenn �ber den Anspruch ein Grundurteil h�tte ergehen k�nnen (vgl. BGH 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03 - zu II 1 der Gr�nde). Ein Grundurteil scheidet allerdings wesensm��ig bei Anspr�chen aus, die der H�he nach bis zum Ende des Rechtsstreits nicht summenm��ig zu bestimmen sind (vgl. BGH 28. M�rz 2006 - VI ZR 50/05 - Rn. 10).
6
b) Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Entsch�digung nach � 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach stellt einen rechtlich selbst�ndigen Teil des Gesamtstreitstoffs dar, �ber den - ebenso wie bei Schmerzensgeldanspr�chen (vgl. BGH 28. M�rz 2006 - VI ZR 50/05 - Rn. 10) - durch Grundurteil entschieden werden und auf den auch der Revisionskl�ger selbst seine Revision beschr�nken k�nnte. Auch bei einem der H�he nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Entsch�digungsanspruch nach � 15 Abs. 2 AGG geh�rt der Betrag des Anspruchs zum Streitgegenstand, denn insoweit kann nicht nur der Anspruchsgrund, sondern auch der zu beziffernde Betrag streitig sein. Deshalb darf �ber einen solchen Antrag grunds�tzlich entsprechend � 304 ZPO durch Grundurteil entschieden werden.
7
c) Dass im Arbeitsgerichtsprozess ein Grundurteil nicht selbst�ndig anfechtbar ist (� 61 Abs. 3 iVm. � 64 Abs. 7 ArbGG), f�hrt zu keiner anderen Bewertung (so auch GMP/M�ller-Gl�ge 9. Aufl. � 72 Rn. 41; aA D�well/Lipke/ D�well 4. Aufl. � 72 Rn. 55). � 61 Abs. 3 ArbGG �ndert die f�r den Zivilprozess der ordentlichen Gerichtsbarkeit geltenden Verfahrensregelungen nur zum Teil ab. Er schr�nkt die Zul�ssigkeit eines Grundurteils an sich nicht ein, sondern beschr�nkt nur dessen Wirkung und damit auch dessen rechtliche und praktische Bedeutung (vgl. BAG 1. Dezember 1975 - 5 AZR 466/75 - zu 2 der Gr�nde). Die Frage nach einer auf den Anspruchsgrund beschr�nkten Revisionszulassung ist deshalb von der Frage nach der selbst�ndigen Anfechtbarkeit eines Grundurteils zu unterscheiden.
8
3. Das Landesarbeitsgericht h�tte die Zulassung der Revision wegen der H�he des Anspruchs nicht auf das beklagte Land beschr�nken d�rfen. Zwar kann die Zulassung der Revision grunds�tzlich auf eine Prozesspartei beschr�nkt werden (vgl. etwa BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 480/97 - BAGE 89, 43) mit der Folge, dass die gegnerische Partei allein die M�glichkeit der Anschlussrevision hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dann anerkannt, wenn eine als grunds�tzlich angesehene Rechtsfrage vom Berufungsgericht nicht allein zum Nachteil der einen Prozesspartei entschieden wurde und deshalb auch die andere Partei von ihr nachteilig betroffen ist (vgl. BGH 26. September 2012 - IV ZR 108/12 - Rn. 7). Zwar k�nnte vorliegend einiges daf�r sprechen, dass das Landesarbeitsgericht, das seine Zulassungsentscheidung auf das Vorliegen des Zulassungsgrundes nach � 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gest�tzt hat, davon ausgegangen ist, dass sich nur im Hinblick auf den Anspruchsgrund und nicht auch im Hinblick auf die Anspruchsh�he (zumindest) eine Rechtsfrage grunds�tzlicher Bedeutung stellt; dennoch hat es im Tenor seiner Entscheidung - wie unter Rn. 3 ausgef�hrt - die Revision f�r das beklagte Land unbeschr�nkt, dh. sowohl im Hinblick auf den Anspruchsgrund als auch im Hinblick auf die Anspruchsh�he zugelassen. �ber die H�he des Anspruchs hat das Berufungsgericht indes nicht nur zum Nachteil des beklagten Landes, sondern ebenso zum Nachteil der Kl�gerin entschieden, weil es dieser nicht die von ihr begehrte Mindestentsch�digung iHv. 10.319,76 Euro, sondern lediglich 5.159,88 Euro zugesprochen und die Berufung der Kl�gerin im �brigen abgewiesen hat. Infolge der unbeschr�nkten Zulassung der Revision f�r das beklagte Land kann dieses mit der Revision demnach nicht nur die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts �ber den Anspruchsgrund, sondern auch dessen Entscheidung �ber die Anspruchsh�he angreifen. Aus Gr�nden der Parit�t muss Letzteres auch f�r die Kl�gerin gelten. Sie muss sich insoweit nicht auf die M�glichkeit der Anschlussrevision verweisen lassen. Soweit das Landesarbeitsgericht die Revision im Hinblick auf die Anspruchsh�he nur f�r das beklagte Land zugelassen hat, ist diese Beschr�nkung unwirksam; insoweit wirkt die Zulassung auch zugunsten der Kl�gerin. An diese Zulassung ist das Bundesarbeitsgericht nach � 72 Abs. 3 ArbGG gebunden.
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4. Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde auf ein rechtliches Ergebnis gerichtet, das bereits eingetreten ist, sie ist deshalb als unzul�ssig zu verwerfen. Aus dem Grundsatz der Meistbeg�nstigung folgt insoweit nichts Abweichendes. Der Kl�gerin bleibt es unbenommen, unter Beachtung der prozessualen Vorgaben Revision oder Anschlussrevision einzulegen. Sie ist prozessual nicht schutzlos gestellt. Durch den Fehler des Berufungsgerichts entstehen ihr keine prozessualen Nachteile (vgl. BGH 8. Mai 2018 - XI ZR 538/17 - Rn. 13).
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II. Von einer weiteren Begr�ndung zum sonstigen, vom Senat gepr�ften Vorbringen der Kl�gerin wird abgesehen, da sie nicht geeignet w�re, zur Kl�rung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen ist (� 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG). Weitergehende Ausf�hrungen sind auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. BVerfG 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - BVerfGK 18, 301).
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus � 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf � 63 Abs. 2 GKG.
Schlewing
Vogelsang
Roloff
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