Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
Politische Betätigung - Allgemeinpolitische Betätigung im Betrieb
Politische Betätigung - Allgemeinpolitische Betätigung im Betrieb
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.
- 7.
Information
1. Meinungsfreiheit im Betrieb
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.10.1998 -1 BvR 1685/92 klargestellt, dass das Grundrecht aus Art. 5 GG jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Der Grundrechtsschutz bezieht sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form einer Äußerung. Allein eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit. Diese Grundsätze gelten auch im Arbeitsverhältnis (BVerfG, 16.10.1998 a.a.O.).
Art. 5 Abs. 1 GG verlangt, dass die Gerichte die grundrechtsbeschränkende Norm ihrerseits wieder im Licht der Meinungsfreiheit auslegen und anwenden, damit die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 15. A. 2015 - Art. 5 GG Rn. 28 ff.). Das schließt es aus, an eine Äußerung allein wegen deren Form ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände negative arbeitsrechtliche Konsequenzen zu knüpfen.
Die Meinungsfreiheit ist allerdings auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorbehaltlos geschützt. Sie findet unter anderem in den allgemeinen Gesetzen sowie in dem Recht der persönlichen Ehre eine Schranke (Art. 5 Abs. 2 GG). Jedoch scheidet allein Schmähkritik oder Formalbeleidigung von vornherein aus dem Schutzbereich des Grundrechts aus (BVerfG, 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91).
Schmähkritik genießt nicht den Schutz von Art. 5 Abs. I Satz 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung - unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext - jedoch nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19; Rn. 87).
Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19; Rn. 93).
Ist eine Äußerung hingegen weder als Schmähung noch als Formalbeleidigung einzustufen, hat das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit einerseits und des Rechtsguts, in dessen Interesse die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist, andererseits vorzunehmen.
2. Abgrenzung allgemeinpolitischer Betätigung zu parteipolitischer Betätigung
Eine Abgrenzung einer allgemeinpolitischen Betätigung im Betrieb zu einer parteipolitischen Betätigung im Betrieb ist aus folgenden, im Gesetz verankerten, Gründen notwendig:
§ 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG schränkt - bezogen auf den Betrieb und auf Arbeitgeber und Betriebsrat - deren Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG ein.
2.1 Parteipolitische Betätigung im Betrieb
Da durch eine parteipolitische Betätigung im Betrieb der Arbeitsablauf und der Betriebsfrieden besonders gefährdet werden können, verbietet § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat jede parteipolitische Betätigung im Betrieb. Eine konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens ist nach der Rechtsprechung für das Verbot einer parteipolitischen Betätigung nicht erforderlich (BAG, 22.07.1980 - 6 ABR 5/78; BVerfG, 28.04.1976 - 1 BvL 71/73).
Aus diesem Grund sind dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat parteipolitische Betätigungen im Betrieb generell untersagt wegen der abstrakten Gefährdung des Betriebsfriedens. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens zu befürchten ist.
Bei Betätigungen parteipolitischer Art ist - anders als bei sonstigen Betätigungen - stets eine Gefährdung des Betriebsfriedens und der Zusammenarbeit im Betrieb anzunehmen. Dies beruht auf der Erwägung, dass das Eintreten für oder gegen eine politische Partei in besonderem Maße geeignet ist, zu Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft zu führen und sich nachteilig auf das Betriebsklima und die Zusammenarbeit auszuwirken. Eine Gefahr der Polarisierung der Belegschaft besteht bei Äußerungen allgemeinpolitischer Art ohne Bezug zu einer bestimmten politischen Partei nicht in gleicher Weise (BAG, 17.03.2010 - 7 ABR 95/08).
Verboten ist dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat jede Betätigung mit parteipolitischem Inhalt, d.h. ein Eintreten für oder gegen eine Partei. Unter den Begriff der Partei i.S.v. § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sind vor allem zu verstehen Parteien gem. Art. 21 GG und § 2 Abs. 1 ParteienG. Vgl. dazu weiter im Einzelnen Politische Betätigung - Parteipolitische Betätigung im Betrieb.
2.2 Allgemeinpolitische Betätigung im Betrieb
In seiner Entscheidung vom 17.03.2010 hat das Bundesarbeitsgericht es offen gelassen, ob schon das Eintreten für oder gegen eine bestimmte politische Richtung unabhängig von einem konkreten Bezug zu einer politischen Partei unter das Verbot der parteipolitischen Betätigung fällt (BAG, 17.03.2010 - 7 ABR 95/08). Jedenfalls erfasse - so das BAG - das Verbot nicht jede Äußerung allgemeinpolitischen Inhalts. Äußerungen allgemeinpolitischer Art, die eine politische Partei, Gruppierung oder Richtung weder unterstützen noch sich gegen sie wenden, fallen nicht unter das Verbot des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.
Bezüglich einer allgemeinpolitischen Betätigung eines Arbeitnehmers im Betrieb gilt, dass sich aus der allgemeinen Regelung des § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und zum Schutz und zur Förderung des Vertragszwecks ergibt (BAG, 20.06.2013 - 2 AZR 583/12). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Arbeitnehmer schrankenlos seine private Lebensführung und sein dienstliches Verhalten an den Interessen des Arbeitgebers auszurichten hätte. Jedoch gilt gerade im Hinblick auf die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB ganz generell ein Mindestmaß an Loyalitätsobliegenheiten des Arbeitnehmers.
Der Arbeitnehmer darf deshalb bei einer - an sich zulässigen - politischen Betätigung nicht seine - rechtlich zulässig - vereinbarten Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzen durch Störungen des Betriebs- oder Arbeitsablaufs , z.B. durch Unterbrechung seiner Arbeit, durch mangelhafte Arbeitsausführung, agitatorische Einwirkung auf Mitarbeiter, Kunden oder Lieferanten oder durch unzulässige Verletzung des Eigentums des Arbeitgeber oder Verwendung von Arbeitsmitteln des Arbeitgebers (z.B. Firmenfahrzeug, Telefon, Telefax oder E-Mail).
Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder als eine Schmähung darstellt (BAG, 12.01.2006 - 2 AZR 21/05).
Auch unsachliche Äußerungen, die aber weder eine Formalbeleidigung noch eine Schmähung oder einen Angriff auf die Menschenwürde eines der Repräsentanten des Arbeitgebers darstellen, sind von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Eine allgemeine Kritik an den allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einerseits und am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen andererseits ist, auch wenn sie - etwa in Betriebsversammlungen - überspitzt und polemisch ausfällt, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und kann deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen. Dies gilt umso mehr, wenn die Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll dann grundsätzlich eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Äußerung sprechen (BVerfG, 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88; BVerfG, 25.08.1994 - 1 BvR 1423/92).
Kritik am Arbeitgeber, vor allem in politischen Fragen, ist also vom Grundsatz her von der Meinungsfreiheit gedeckt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. A. 2015 - Art. 10 GG, Rn. 37). Dies gilt jedoch nicht für eine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung, auch nicht für den öffentlich gegenüber dem Arbeitgeber vorgebrachten, offensichtlich unwahren Vorwurf, dieser habe eine Straftat begangen.
Beispiel:
Der Sachgebietsleiter im Wohnungsamt wirft dem Bürgermeister in einer Personalversammlung - zu Unrecht - vor, dieser habe Rechtsbeugung (Verbrechen mit Vorsatz gem. § 339 StGB) im Fall eines Bescheids über einen Antrag auf Zweckentfremdung über Wohnraum (Abriss) begangen (BAG, 06.11.2003 - 2 AZR 177/02).
Weitergehende Verhaltensanforderungen im dienstlichen wie im außerdienstlichen Bereich können sodann aufgrund der Eigenart und des Inhalts des Arbeitsverhältnisses bestehen, was etwa für Arbeitnehmer in Tendenzbetrieben, im kirchlichen Bereich, aber gerade auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst anerkannt ist (BAG, 28.10.2010 - 2 AZR 293/09).
Arbeitsvertragliche Einschränkungen - auch ohne ausdrückliche Vertragsklauseln - können sich auch ergeben für bestimmte Berufe mit standesrechtlichen Bindungen (z.B. für Angestellte bei einem Notar) und in Ausnahmefällen auch bei Arbeitnehmern mit herausgehobenen oder repräsentativen Funktionen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. A. 2015 - Art. 10 GG, Rn. 38).
Zum Begriff des Betriebs siehe Stichwort Politische Betätigung - Parteipolitische Betätigung im Betrieb.
3. Formen politischer Betätigung
Eine allgemeinpolitische Betätigung kann erfolgen in Form verschiedener Aktivitäten:
Werbung oder Agitation für eine politische Richtung - wörtlich, schriftlich, bildlich oder auf Bild- und Tonträgern,
Betätigung gegen andere politische Richtungen - ebenso wörtlich, schriftlich, bildlich oder auf Bild- und Tonträgern,
Verteilen von Informationsmaterial (z.B. Flyer, Zeitungen, Druckschriften),
Organisation von allgemeinpolitischen Resolutionen, Abstimmungen oder von Geld- und Unterschriftensammlungen, Anschläge oder Plakate jeder Art,
Ansteck-Plaketten (Sticker) an der Kleidung,
Aufnäher auf der Kleidung,
sichtbare Tätowierungen,
Aufkleber oder Folien.
4. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Besondere und weitergehende Verhaltensanforderungen als gegenüber einem privaten Arbeitgeber können sich im dienstlichen wie auch im außerdienstlichen Bereich aus der Eigenart und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergeben, so für Arbeitnehmer in Tendenzbetrieben, im kirchlichen Bereich, aber gerade auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst (BAG, 28.10.2010 - 2 AZR 293/09).
Dies wird für den öffentlichen Dienst dokumentiert durch tarifliche Regelungen wie z.B. in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L, wonach der Beschäftigte sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muss. Daraus werden für den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Verhaltensobliegenheiten bzw. Unterlassungspflichten hergeleitet, die auch sein dienstliches Verhalten betreffen. Der Beschäftigte muss sein außerdienstliches und sein dienstliches Verhalten so einrichten, dass das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes nicht in Zweifel gezogen wird. Der Beschäftigte hat sich so zu verhalten, dass das Ansehen des Arbeitgebers nicht durch derartige Zweifel beschädigt wird und das Vertrauen der Bürger in den öffentlichen Dienst keinen Schaden erleidet. Dies kann dann der Fall sein, wenn das Verhalten des Beschäftigten in der Öffentlichkeit als Fehlverhalten gewertet wird. Wie weitgehend sich der Beschäftigte bei seiner privaten Lebensführung und seinem dienstlichen Verhalten danach zu richten hat und er über die Vorschriften der §§ 241 Abs. 2 BGB, 3 TV-L als allgemeine Schrankenregelungen in seinem Persönlichkeitsrecht und in seinem Recht auf Meinungsfreiheit dadurch eingeschränkt werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei auf die Stellung des öffentlich Bediensteten und seine ihm obliegenden Funktionen, dem arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis, abzustellen ist (BAG, 23.10.2008 - 2 AZR 483/07).
Erhebliche Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten, auch wenn es sich um außerdienstliches Verhalten handelt, können im öffentlichen Dienst nicht nur zu einer Abmahnung, sondern darüber hinaus zu einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung führen.
Beispiele:
Eintreten für eine verfassungswidrige Partei (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 479/09);
strafbare Volksverhetzung, z.B. durch Verbreiten von ausländerfeindlichen Flugblättern (BAG, 14.02.1996 - 2 AZR 274/95);
Beschimpfung und Verächtlichmachung der Verfassung und deren Organe (BAG, 06.09.2012 - 2 AZR 372/11);
auffälliges Tragen einer Anti-Atomkraft-Plakette durch einen Lehrer im Unterricht (BAG, 02.03.1982 - 1 AZR 694/79);
einem Arbeitnehmer, dessen Verhalten Anlass für die Annahme bietet, dass er gewaltbereit ist bzw. Gewalt - auch zur Austragung von Konflikten - akzeptiert, kann die persönliche Eignung als Erzieher in einem kommunalem Kindergarten fehlen (LAG Baden-Württemberg, 11.02.2016 - 16 Sa 43/15).
Auch strafbares außerdienstliches Verhalten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen, selbst wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Generelle Wertungen lassen sich nicht treffen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 684/13).
5. Besonderheiten für Tendenzträger
Das Grundrecht der Pressefreiheit gewährleistet die Freiheit der publizistischen Betätigung. Der Schutz umfasst das Recht für das Unternehmen, die inhaltliche Tendenz einer Zeitung festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen . Dies schließt die Befugnis ein, das Beschäftigungsverhältnis zu einem mit der Herstellung des Presseprodukts als Tendenzträger unmittelbar befassten Mitarbeiter aus tendenzbezogenen Gründen beenden zu können (BVerfG, 14.01.2008 - 1 BvR 273/03).
Die Pressefreiheit steht nach Art. 5 Abs. 2 GG unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze. Hierzu zählen auch die Vorschriften über den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Die Vorschriften über den gesetzlichen Kündigungsschutz bleiben grundsätzlich auch für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu einem tendenztragenden Pressemitarbeiter maßgeblich (BAG, 16.01.1997 - 2 AZR 98/96).
Die Auslegung und Anwendung der allgemeinen Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG ist Sache der zuständigen Fachgerichte. Doch müssen diese die hierbei betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (BVerfG, 14.01.2008 - 1 BvR 273/03). Dies verlangt in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit auf der einen Seite und den von den Vorschriften des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgütern der Pressemitarbeiter auf der anderen Seite.
Besondere Anforderungen bestehen deshalb für Arbeitnehmer in Tendenzunternehmen.
Tendenzbetriebe sind Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
1. politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen oder
2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet (§ 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Beispiel:
Beispiele für Tendenzbetriebe sind Geschäftsstellen von politischen Parteien und Parteizentralen, Presseunternehmen sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten, gemeinnützige Vereine, Privatschulen oder Einrichtungen der Caritas, des Roten Kreuzes, der Malteser oder anderer karitativer Einrichtungen.
Ein Tendenzträger wie z.B. ein Journalist einer Tageszeitung, ist verpflichtet sowohl bei der Arbeitsleistung als auch im außerdienstlichen Bereich nicht gegen die Tendenz des Unternehmens zu verstoßen. Er muss sich deshalb solcher Äußerungen enthalten, die der Tendenz des Unternehmens nachhaltig zuwiderlaufen und damit betriebliche Interessen des Unternehmens erheblich berühren (BAG, 23.10.2008 - 2 AZR 483/07). Er muss auch auf die politische Zielsetzung seines Unternehmens Rücksicht nehmen (BAG, 02.03.1982, in DB 1982, 2142).
Beispiele:
Ein Rundfunkreporter kann sich nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, wenn er im Zusammenhang mit der Absetzung seines Beitrags im Rundfunk danach in der Öffentlichkeit unwahre und ehrenrührige Behauptungen über den für seinen Beitrag verantwortliche Abteilungsleiter und damit über seinen Arbeitgeber verbreitet (BAG, 11.08.1982 - 5 AZR 1089/79).
Ein Zeitungsredakteur kann seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dadurch verletzen, dass er sich gegen eine Veröffentlichung in der Presse seines eigenen Arbeitgebers mit einer Gegendarstellung wendet und sich diese als eine unverhältnismäßige Reaktion auf einen Pressebericht darstellt (BAG, 23.10.2008 - 2 AZR 483/07).
6. Maßnahmen des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann auf eine rechtswidrige, allgemeinpolitische Betätigung eines Arbeitnehmers im Betrieb - unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen - wie folgt reagieren:
Ermahnung, d.h. schriftliche oder mündliche Rüge eines vertragswidrigen Verhaltens;
Abmahnung; d.h. Rüge eines vertragswidrigen Verhaltens mit Kündigungsandrohung bei weiteren vergleichbaren Verstößen;
verhaltensbedingte Kündigung;
personenbedingte Kündigung wegen Zweifel an der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst;
außerordentliche (fristlose) Kündigung;
Unterlassungsklage;
Schadensersatzklage, z.B. auf Schmerzensgeld bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts bei einer strafbaren Beleidigung.
Dem Arbeitgeber steht es frei, ob und wie er arbeitsrechtlich relevante Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers im Rahmen dessen politischer Betätigung im Betrieb ahndet oder nicht.
Eine Verpflichtung hierzu kann sich aber ergeben aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Ist in der politischen Betätigung eines Arbeitnehmers zugleich eine rechtswidrige Diskriminierung eines anderen Arbeitnehmers enthalten, verletzt jener gem. § 7 Abs. 3 AGG nicht nur eine Vertragspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. § 12 Abs.3 AGG verpflichtet den Arbeitgeber bei einem Verstoß eines Arbeitnehmers gegen das Benachteiligungsverbot von § 7 AGG, die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen.
Beispiel:
Ein Abteilungsleiter bedrängt und agitiert wiederholt in hitzigen Diskussionen über die Rechtfertigung eines Angriffskrieges den ihm untergeordneten Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit des angreifenden Staates besitzt. Im Zusammenhang und kurz nach diesen Diskussionen versetzt der Abteilungsleiter den Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz mit wesentlich ungünstigeren Arbeitszeitbedingungen im Schichtdienst.
Der Arbeitgeber darf hier zwar auf eine Ermahnung oder Abmahnung des Abteilungsleiter verzichten, muss aber gem. § 12 Abs. 3 AGG iVm. § 7 AGG die wegen der Benachteiligung unwirksame Versetzung des Arbeitnehmers zurücknehmen.
7. Fazit
Rechtswidrig ist somit eine politische Meinungsäußerung im Betrieb dann, wenn sie entweder nicht von der grundgesetzlich gewährten Meinungsfreiheit gedeckt ist, wenn sie gegen allgemeine Gesetze sowie gegen das Recht der persönlichen Ehre (Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähung) verstößt oder die Pflichten des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und den Vertragszweck verletzt, insbesondere bei einem Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.
Besondere und weitergehende Verhaltensanforderungen als gegenüber einem privaten Arbeitgeber können sich im dienstlichen wie auch im außerdienstlichen Bereich aus der Eigenart und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergeben, so für Arbeitnehmer in Tendenzbetrieben, im kirchlichen Bereich, aber gerade auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen.
Siehe auch
Politische Betätigung - AllgemeinesPolitische Betätigung - Akteure und VerbotsadressatenPolitische Betätigung - Arbeitnehmer im öffentlichen DienstPolitische Betätigung - AusländerPolitische Betätigung - Behandlung betriebsbezogener, politischer AngelegenheitenPolitische Betätigung - Friedenspflicht für Arbeitgeber und BetriebsratPolitische Betätigung - Gewerkschaftliche Betätigung im BetriebPolitische Betätigung - Rechtsfolgen bei VerstoßPolitische Betätigung - RechtsprechungsübersichtPolitische Betätigung - Schutznormen zugunsten der Arbeitnehmer