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Nichtzulassungsbeschwerde - Allgemeines
Nichtzulassungsbeschwerde - Allgemeines
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.Rechtsprechungs-ABC
- 6.1
- 6.2
- 6.3
- 6.4
- 6.5
- 6.6
- 6.7
- 6.8
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Information
1. Allgemeines
Der Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten ist dreizügig. Die erste Instanz ist das Arbeitsgericht, ihm folgen auf der zweiten Ebene die Landesarbeitsgerichte. Das Bundesarbeitsgericht thront über allen - hat aber nur beschränkte Zuständigkeiten. Es muss sich vorrangig um Revisionen kümmern - und um Nichtzulassungsbeschwerden (§ 72a ArbGG) in Fällen, in denen das Landesarbeitsgericht dieses Rechtsmittel nicht zugelassen hat. Die Möglichkeit, gegen ein zweitinstanzliches Urteil Revision einzulegen, besteht nach § 72 ArbGG nämlich bloß dann, wenn das Landesarbeitsgericht sie im Urteil zugelassen hat oder eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich war.
Praxistipp:
Die Nichtzulassungsbeschwerde öffnet keine weitere Tatsacheninstanz. Viele Beschwerdeführer versuchen trotzdem, mit ihr den Fall noch einmal inhaltlich aufzurollen. Dann wundern sie sich, wenn sie mir ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG scheitern - was aber nur folgerichtig ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann bloß Erfolg haben, wenn sie an den Zulassungsgründen für die Revision festgemacht wird: zum Beispiel, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 ZPO oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt.
Ein weiterer Zulassungsgrund ergibt sich aus § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG: das LAG-Urteil weicht von einer Entscheidung des BVerfG, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des BAG oder, solange in dieser Frage noch keine BAG-Entscheidung ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen LAG ab - und, was oft vergessen wird, beruht auch darauf. Ist die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich, wird das Beschwerdeverfahren nach § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG automatisch als Revisionsverfahren fortgesetzt. "In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision" (§ 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG).
2. Der verfahrensrechtliche Grundsatz
Endurteile der Landesarbeitsgerichte können mit der Revision angefochten werden, wenn sie im Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen worden ist, § 72 Abs. 1 ArbGG.
Die Revision ist zuzulassen, wenn
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG)
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des BAG oder, solange eine Entscheidung des BAG in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eine anderen Kammer desselben LAG oder eines anderen LAG abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) oder
ein absoluter Revisionsgrund gem. § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG).
Wenn das Landesarbeitsgericht die Revision nicht zulässt, kann diese Nichtzulassung mit einer Beschwerde angefochten werden, § 72a Abs. 1 ArbGG (= Nichtzulassungbeschwerde). Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist eine Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Grund: Das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ist auf die Revision ausgerichtet, die nach § 72 Abs. 4 ArbGG für das Verfügungsverfahren ausgeschlossen ist (BAG, 16.12.2004 - 9 AZN 969/04).
Wegen der Möglichkeiten, bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs noch im laufenden Verfahren 1. oder 2. Instanz Abhilfe zu schaffen, wird auf § 321a ZPO und § 78a ArbGG verwiesen.
Wer in einer Nichtzulassungsbeschwerde den Zulassungsgrund der entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG) geltend gemacht, muss die gesetzlichen Voraussetzungen dafür so substanziiert darlegen, dass das Revisionsgericht in der Lage ist, allein anhand der Beschwerdeschrift und des Berufungsurteils das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen (BAG, 20.01.2005 - 2 AZN 941/04).
Die Zulassung der Revision erfolgt im Urteilstenor. Geschieht das unbeschränkt, kann sie in den Entscheidungsgründen nicht mehr wirksam eingeschränkt werden (BAG, 19.03.2003 - 5 AZN 751/02). Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden, § 72 Abs. 3 ArbGG.
Hinweis: Der Bundestag hat mit dem "Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften" vom 12.12.2019 - BGBl. I 2019, S. 2633 ff. - ab dem 01.01.2020 einige Neuerungen eingeführt. So muss der Wert der mit der Revision beim BGH geltend zu machenden Beschwer nun 20.000 EUR überschreiten. Das betrifft allerdings nicht die arbeitsgerichtliche Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72a ArbGG.
3. Das Beschwerdeverfahren
Die Nichtzulassungsbeschwerde muss beim Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts eingelegt werden, § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils beigefügt werden, § 72a Abs. 2 Satz 2 ArbGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des vollständig abgefassten Urteils zu begründen (§ 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Die Begründung muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG enthalten:
bei § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit
bei § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des LAG abweicht
bei § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit dieser Verletzung.
Notfrist heißt, dass diese Frist nicht durch Parteivereinbarung abgekürzt oder verlängert werden kann. Sie wird auch nicht durch ein Ablehnungsgesuch - Befangenheitsantrag nach §§ 42, 44 ZPO - beeinträchtigt (BAG, 28.12.1999 - 9 AZN 739/99). Im Übrigen hat die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sogar aufschiebendeWirkung, § 72a Abs. 4 ArbGG. Damit wird der Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung gehemmt.
4. Die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde
Das LAG kann seine eigene Entscheidung nicht abändern, § 72a Abs. 5 Satz 1 ArbGG. Das BAG entscheidet mit den ehrenamtlichen Richtern durch Beschluss, der sogar ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG.
Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie
nicht statthaft war oder
nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, § 72a Abs. 5 Satz 3 ArbGG.
Dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts soll eine kurze Begründung beigefügt werden, § 72a Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Davon kann abgesehen werden, wenn die Begründung nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der §§ 72 Abs. 2 ArbGG - Zulassung der Revision - beizutragen.
Lehnt das BAG die Nichtzulassungsbeschwerde ab, wird das Urteil des LAG rechtskräftig nach § 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG; gibt es der Beschwerde statt, beginnt mit Zustellung seiner Entscheidung die Revisionsfrist zu laufen.
Wird der Beschwerde stattgegeben, wird das Beschwerdeverfahren als Revision fortgesetzt (§ 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG). In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision (§ 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG). Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die zweimonatige Revisionsbegründungsfrist (§ 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG).
5. Sofortige Beschwerde wegen nicht rechtzeitiger Urteilsabsetzung
Das Endurteil eines LAG kann durch sofortige Beschwerde angefochten werden, wenn es nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden ist (§ 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG). § 72a ArbGG findet in diesem Fall keine Anwendung (§ 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Die sofortige Beschwerde ist innerhalb eine Notfrist von einem Monat beim BAG einzulegen und zu begründen (§ 72b Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Die Frist beginnt mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des LAG-Urteils (§ 72b Abs. 2 Satz 2 ArbGG). § 9 Abs. 5 ArbGG - Rechtsmittelbelehrung - ist nicht anzuwenden (§ 72b Abs. 2 Satz 3 ArbGG).
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Nichtzulassungsbeschwerde ab dem 01.01.2011 in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt.
6.1 Absolute Revisionsgründe
Macht der Beschwerdeführer mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG einen absoluten Revisionsgrund geltend, muss er diesen absoluten Revisionsgrund - genommen aus dem Katalog des § 547 Nr. 1 bis Nr. 5 ZPO - in seiner Beschwerdebegründung darlegen. Es reicht nicht, diesen Grund nur zu benennen. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, dem Beschwerdegericht die Tatsachen, die den Verfahrensfehler des Berufungsgerichts belegen sollen, substanziiert vorzutragen (BAG, 05.06.2014 - 6 AZN 267/14).
6.2 Anhörungsfehler
§ 83 Abs. 3 ArbGG schreibt für das arbeitsrechtliche Beschlussverfahren u.a. vor, dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und "die Stellen zu hören sind, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz ... im einzelnen Fall zu beteiligen sind." Haben die Tatsacheninstanzen Arbeits- und Landesarbeitsgericht die Anhörung eines Beteiligten unterlassen, ist das ein Verfahrensfehler: Aber: "Einer darauf gestützten Zurückweisung bedarf es ... nicht, wenn eine bisher unterbliebene Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt wird und der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zum Verfahren zu äußern." Nur wenn das Rechtsbeschwerdegericht den Kreis der anzuhörenden Beteiligten nicht feststellen kann, hat es die Entscheidung des Beschwerdegerichts "aufzuheben und das Verfahren zur Nachholung einer möglichen Anhörung zurückzuverweisen" (BAG, 17.04.2012 - 1 ABR 84/10).
6.3 Anhörungsrüge - 1
Ein Gericht muss vor seiner Entscheidung nicht auf seine Rechtsauffassung hinweisen, die es seiner Entscheidung zugrundelegen will. Das verlangt - grundsätzlich - nicht mal das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG (s. dazu BVerfG, 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90). In besonderen Fällen kann Art. 103 Abs. 1 GG allerdings doch dazu führen, dass das Gericht einen entsprechenden Hinweis geben muss. So verstößt es beispielsweise gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, "wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte" (s. dazu BVerfG, 17.02.2004 - 1 BvR 2341/00; BVerfG, 07.10.2003 - 1 BvR 10/99; BAG, 18.09.2014 - 6 AZR 145/13 u. BAG, 08.12.2011 - 6 AZN 1371/11). Rügt der Revisionskläger dann eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO, muss er "darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte erteilen müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Hierzu muss er dartun, welchen entscheidungserheblichen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte" (BAG, 14.12.2016 - 7 AZR 797/14 - mit Hinweis auf BAG, 16.10.2013 - 10 AZR 9/13 u. BAG, 16.12.2010 - 2 AZR 770/09).
6.4 Anhörungsrüge - 2
"Mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, durch den eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, können nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch die angegriffene Entscheidung des letztentscheidenden Gerichts geltend gemacht werden (vgl. BVerfG, 16.11.2018 - 2 BvR 2172/18 - Rn. 7 [zu § 33a StPO]; 26.08.2008 - 2 BvR 1516/08 - Rn. 2 [zu § 321a ZPO]). Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss keine weiteren Ausführungen zur Begründung enthält. In einem solchen Fall müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich klar ergibt, dass Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Das ist in der Anhörungsrüge darzutun (§ 78a Abs. 2 Satz 5 ArbGG; vgl. BGH, 23.04.2019 - V ZR 335/17 - Rn. 2 [zu § 321a ZPO])" - (BAG, 25.06.2019 - 10 AZN 567/19 (F)).
6.5 Anhörungsrüge - 3
Die Anhörungsrüge ist in § 78a Abs. 1 ArbGG geregelt. Das Gesetz sieht vor: "Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat." Das Verhältnis zwischen Anhörungsrüge und Nichtzulassungsbeschwerde ist amtlich geklärt: "Die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG ist gegenüber der Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG vorrangig" (BAG, 23.10.2019 - 8 AZN 718/19 - Leitsatz).
6.6 Aussetzung wg. Allgemeinverbindlicherklärung
Lässt das LAG die Revision nicht zu, kann diese Nichtzulassung nach Maßgabe des § 72a ArbGG mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. Nach § 98 Abs. 6 ArbGG hat das Gericht ein Verfahren bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder eine Rechtsverordnung nach §§ 7, 7a AEntG oder § 3a AÜG wirksam ist. Für die Nichtzulassungsbeschwerde gilt: "Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG kommt im Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Revision nach § 72a ArbGG nicht in Betracht, da die Entscheidung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung abhängt" (BAG, 20.08.2014 - 10 AZN 573/14 - Leitsatz).
6.7 Beschränkte Zulassung?
Die Zulassung der Revision kann nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden. Möglich ist es dagegen, die Revision "auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs" zu beschränken (s. dazu BAG 28.05.2019 - 8 AZN 268/19 u. BAG, 15.01.2015 - 5 AZN 798/14): zum Beispiel auf ein selbstständig anfechtbares Teil- oder Zwischenurteil (s. dazu BAG, 28.05.2014 - 10 AZB 20/14; BAG, 24.09.1986 - 7 AZR 669/84; BAG, 28.05.1986 - 7 AZR 581/84; BGH, 12.02.2019 - VI ZR 141/18 u. BGH, 30.03.2007 - V ZR 179/06) oder auf den Gegenstand, auf "den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte" (s. dazu BGH, 25.06.2019 - I ZR 91/18 u. BGH, 12.02.2019 - VI ZR 141/18). "Letzteres setzt [allerdings] eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne voraus, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein" (BAG, 23.10.2019 - 8 AZN 636/19 - zur Klage eines Arbeitnehmers gegen den angeblichen Betriebserwerber).
6.8 Beschwerdefrist und Feiertag
Die Nichtzulassungsbeschwerde muss nach § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG innerhalb einer "Notfrist von einem Monat" eingelegt werden. Notfrist heißt: diese Frist kann selbst vom Gericht nicht verlängert werden. Da für den Fristablauf die BGB-Bestimmungen gelten, ist auch § 193 BGB anzuwenden. Danach tritt an die Stelle eines staatlich anerkannten allgemeinen Feiertags "der nächste Werktag". Soweit es den Fronleichnamstag betrifft: dieser Tag ist im Bundesland Thüringen, dem Sitz der Bundesarbeitsgerichts, kein gesetzlicher Feiertag. Die Verlängerungsregelung in § 193 BGB gilt hier nicht. Es kommt auf den Ort an, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, nicht auf den Ort, an dem der Rechtsmittelführer seinen Sitz hat (BAG, 24.08.2011 - 8 AZN 808/11).
6.9 Divergenz - 1
Will der Rechtsmittelführer seine Divergenzbeschwerde ordnungsgemäß begründen, muss er zunächst einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen von ihm abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BAG oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG aufgeführten Gerichte anführen. Dann muss er darlegen, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht. "Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur Begründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus" (BAG, 17.01.2012 - 5 AZN 1358/11).
6.10 Divergenz - 2
Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde verlangt die Geltendmachung einer Divergenz, dass der Beschwerdeführer gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG die Entscheidung bezeichnen muss, von der die anzufechtende Entscheidung abweicht. "Eine Abweichung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG setzt voraus, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zu einer Rechtsfrage einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem abstrakten Rechtssatz abweicht, den eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte zu der gleichen Rechtsfrage aufgestellt hat." Ein abstrakter Rechtssatz liegt allerdings bloß dann vor, "wenn durch fallübergreifende Ausführungen ein Grundsatz aufgestellt wird, der für eine Vielzahl von Fällen Geltung beansprucht." Soll sich so ein abstrakter Rechtssatz aus scheinbar einzelfallbezogenen Ausführungen ergeben, "müssen sich die voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätze aus der anzufechtenden und der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, dass nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben" (BAG, 24.10.2019 - 8 AZN 624/19 - mit Hinweis auf BAG, 26.07.1994 - 1 AZN 324/94).
6.11 Entscheidungserheblichkeit - 1
"1. Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG obliegt es dem Beschwerdeführer, die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgezeigten Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. 2. Dazu genügt es nicht, losgelöst vom Einzelfall das Bedürfnis nach einer Grundsatzentscheidung zu begründen. Es muss vielmehr dargelegt werden, dass das anzufechtende Berufungsurteil auf einer fehlerhaften Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht. 3. Kommt eine Entscheidungserheblichkeit nur für einen Teil der prozessualen Ansprüche in Betracht, so sind diese hinreichend bestimmt zu bezeichnen" (BAG, 15.03.2011 - 9 AZN 1232/10).
6.12 Entscheidungserheblichkeit - 2
Es ist Aufgabe des Beschwerdeführers, mit seinem Rechtsmittel eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Eine Rechtsfrage ist nur dann entscheidungserheblich, wenn sich das LAG mit ihr in seiner Entscheidung befasst und sie beantwortet hat, bei einer anderen Beantwortung jedoch unter Umständen eine günstigere Entscheidung für den Beschwerdeführer getroffen hätte. Hat das LAG eine Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich angenommen, "können sämtliche Fragen zu einzelnen Ansprüchen oder der nach der Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärten Anfechtung des Prozessvergleichs nicht mehr entscheidungserheblich sein" (BAG, 15.10.2012 - 5 AZN 1958/12).
6.13 Gegenvorstellung
Verwirft das BAG die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig, wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG). Gegen die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gibt es gegen den Verwerfungsbeschluss kein Rechtsmittel. Ließe man ein Rechtsmittel zu, liefe das auf eine rückwirkende Beseitigung der Rechtskraft des anzufechtenden Urteils hinaus - und das ist unzulässig. Eine "Gegenvorstellung" sehen weder ArbGG noch ZPO vor. "Eine Fortführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit zur Abhilfe und der Durchbrechung der Rechtskraft der anzufechtenden Entscheidung kommt nur im Wege der Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht" - und die konnten hier in der erhobenen "Gegenvorstellung" nicht gesehen werden (BAG, 10.10.2012 - 5 AZN 991/12 (A) - mit dem Hinweis, dass es sich um einen unzulässigen "Rechtsbehelf" handelt).
6.14 Gehörsrüge
Will der Revisionskläger einen Verstoß gegen Art. 103 GG rügen, kann er das auch mit der Behauptung, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör damit verletzt, dass es seine Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt habe. Der Rechtsmittelführer muss in diesem Fall aber genau darlegen, welchen Hinweis ihm das Gericht denn hätte geben müssen und wie er danach auf diesen Hinweis reagiert hätte. Dazu gehört es dann auch, dass er sagt, welchen Tatsachenvortrag und welche entscheidungserheblichen Ausführungen er gemacht hätte. Trifft seine Rüge zu, ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht bei korrekter Beachtung der Hinweispflicht und Berücksichtigung des danach möglicherweise erfolgten Vortrags anders entschieden hätte (BAG, 16.10.2013 - 10 AZR 9/13).
6.15 Grundsätzliche Bedeutung - 1
Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG lässt sich bejahen, wenn die Klärung der Rechtsfrage "entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen, z.B. wirtschaftlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt". Das heißt, eine Rechtsfrage kann keine grundsätzliche Bedeutung haben, wenn sie bloß einen Einzelfall betrifft. Sie muss sich halt "in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren". Das ist nicht allein deshalb der Fall, weil die Rechtsfrage "mehr als 20 Arbeitsverhältnisse bei dem beklagten Arbeitgeber" betrifft (BAG, 28.06.2011 - 3 AZN 146/11).
6.16 Grundsätzliche Bedeutung - 2
"Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrages ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend." Und trotzdem: "Die Beantwortung einer die Auslegung einer Tarifnorm betreffenden Rechtsfrage hat nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil eine rechtskräftige Entscheidung im Ausgangsverfahren die Bindungswirkung nach § 9 TVG auslöst" (BAG 10.07.2014 - 10 AZN 307/14 - mit dem Ergebnis, dass die Nichtzulassungsbeschwerde hier als unzulässig verworfen wurde).
6.17 Grundsätzliche Bedeutung - 3
Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die vom Gericht zu treffende Entscheidung von dieser klärungsfähigen und -bedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung a) von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder b) wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. "Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat." Sie ist klärungsfähig, "wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann. Sie ist klärungsbedürftig, "wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist." Ihre allgemeine Bedeutung kann bejaht werden, "wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt" (BAG, 03.05.2022 - 3 AZN 45/22 – mit Hinweis auf BAG, 19.01.2022 - 3 AZN 774/21; BAG, 08.12.2020 - 3 AZN 849/20 – und BAG, 23.07.2019 - 9 AZN 252/19).
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6.18 Klärungsbedürftigkeit
Eine Rechtsfrage ist klärungsfähig, wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann. Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, "wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist". Eine allgemeine Bedeutung der Rechtsfrage lässt sich annehmen, wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und "deshalb ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt". Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der allgemeinen Bedeutung und der Klärungsbedürftigkeit ist "grundsätzlich derjenige der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde". Ausnahme: die Rechtsfrage ist vom BAG erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde i.S.d. Beschwerdeführers beantwortet und damit geklärt worden (BAG, 27.03.2012 - 3 AZN 1389/11).
6.19 Maßgeblicher Zeitpunkt
Wird die Nichtzulassungsbeschwerde mit Hinweis auf eine grundsätzliche Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG oder eine entscheidungserhebliche Divergenz bezüglich anderer Entscheidungen i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG begründet, ist der für die Beurteilung der Klärungsbedürftigkeit dieser beiden Rechtsfragen maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich derjenige der Entscheidung des BAG über die Nichtzulassungsbeschwerde (s. dazu BAG, 23.07.2019 - 9 AZN 252/19 u. BAG, 27.03.2012 - 3 AZN 1389/11). "Davon ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Zulassungsgrund - die grundsätzliche Bedeutung bzw. die Divergenz - vor der Entscheidung deshalb entfällt, weil die Rechtsfrage in einem anderen Verfahren geklärt wurde, die Revision aber in der Sache Aussicht auf Erfolg hat" (BAG, 10.12.2020 - 9 AZN 82/20 – mit Hinweis auf BVerfG, 25.09.2018 - 1 BvR 453/17 und der Auffassung, dass ein Rechtsmittelgericht ein von der Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und den Beschwerdeführer damit ins Leere laufen lassen darf).
6.20 Nebenintervenient
Nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, "wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt." "Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist", sagt § 71 Abs. 3 ZPO, "wird der Intervenient im Hauptsacheverfahren zugezogen." Das bedeutet für die Nicht-Ladung: "Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt auch dann vor, wenn der Nebenintervenient vom Landesarbeitsgericht entgegen § 71 Abs. 3 ZPO nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde" (BAG, 26.04.2018 - 8 AZN 974/17 - Leitsatz).
6.21 Nutzung des EGVP
"Über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Bundesarbeitsgerichts kann eine Nichtzulassungsbeschwerde seit dem 1. Januar 2018 nur dann eingereicht werden, wenn die als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerdeschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen ist. Die gesetzliche Form ist nicht mehr gewahrt, wenn die qeS nur an dem an das EGVP übermittelten Nachrichtencontainer angebracht ist" (BAG, 15.08.2018 - 2 AZN 269/18 - Leitsatz).
6.22 Rechtliches Gehör - 1
"Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (...). Das Revisionsgericht muss dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung prüfen zu können" (BAG, 17.01.2012 - 5 AZN 1358/11).
6.23 Rechtliches Gehör - 2
Auch wenn der Kläger meint, das Gericht habe seinen Tatsachenvortrag entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen: Es ist auch von Verfassungs wegen nicht notwendig, dass das Gericht in seiner Entscheidung sämtliche Einzelpunkte des Parteivortrags in den schriftlichen Gründen ansprechen und ausdrücklich bescheiden muss.
Eine letztinstanzliche Entscheidung, die mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann, muss aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zwingend eine Begründung enthalten. Genauso wenig kann mit einer Nichtzulassungsbeschwerde verlangt werden, dass Entscheidungsgründe ergänzt werden. "Ansonsten hätten es die Parteien in der Hand, auf diesen Wege die Regelung des § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG auszuhebeln" (BAG, 09.04.2014 - 1 AZN 262/14 (F).
6.24 Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung
Das Landesarbeitsgericht muss eine Revision u.a. zulassen, "wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat" (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). "Rechtsfrage", das ist eine Frage, "die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat" (s. dazu BAG, 18.02.2020 - 3 AZN 954/19). Um die von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG verlangte grundsätzliche Bedeutung bejahen zu können, muss die Entscheidung des Rechtsstreits zunächst überhaupt von einer klärungsfähigen und -bedürftigen Rechtsfrage abhängen. Tut sie das, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Klärung a) von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder b) "wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt." Letzteres ist anzunehmen, wenn sich die Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann "und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt" (BAG, 19.01.2022 - 3 AZN 774/21 – mit Hinweis auf BAG, 08.12.2020 - 3 AZN 849/20).
6.25 Rechtsschutzbedürfnis
Auch die Nichtzulassungsbeschwerde braucht - wie jeder andere Rechtsbehelf - auf Seiten des Beschwerdeführers ein Rechtsschutzbedürfnis. Rechtsschutzbedürfnis heißt: Der Beschwerdeführer muss durch die anzufechtende Entscheidung (noch) beschwert sein. "Entfällt die mit der anzufechtenden Entscheidung verbundene Beschwer während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens" [hier: Rücktritt und Neuwahl des Betriebsrats im Wahlanfechtungsverfahren], entfällt auch das Rechtsschutzbedürfnis für die weitere Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde" (BAG, 15.02.2012 - 7 ABN 59/11).
6.26 Revisionsbeschwerde
Verwirft das Landesarbeitsgericht die Berufung mit Beschluss als unzulässig, findet die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss nur statt, wenn das LAG sie in dem Beschluss zugelassen hat, § 77 Satz 1 ArbGG. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 ArbGG entsprechend. Aber: "Lässt das Landesarbeitsgericht in dem Beschluss, der die Berufung als unzulässig verwirft, die Revisionsbeschwerde nicht zu, ist hiergegen nach § 77 Satz 1 ArbGG die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft" (BAG, 06.01.2015 - 6 AZB 105/14 - mit dem Hinweis, dass § 77 Satz 2 ArbGG nur auf § 72 Abs. 2 ArbGG verweist, nicht auf die in § 72a ArbGG geregelte Nichtzulassungsbeschwerde).
6.27 Richterliche Hinweispflicht
Das Gericht darf seine Entscheidung gem. § 139 Abs. 2 ZPO nur dann auf einen von einer Partei erkennbar übersehenen oder für unerheblich gehaltenen (oder vom Gericht anders als von beiden Parteien beurteilten) Gesichtspunkt stützen, wenn es die Parteien darauf hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Mit der richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO soll der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör konkretisiert und Überraschungsentscheidungen vermieden werden. "Die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO besteht auch gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien, wenn der Prozessbevollmächtigte der substanziierungspflichtigen Partei ersichtlich darauf vertraut, dass sein schriftlicher Vortrag ausreicht" (BAG, 15.11.2018 - 6 AZR 294/17 - mit Hinweis auf BGH, 27.09.2006 - VIII ZR 19/04 und dem Ergebnis, dass in diesem Fall ein Revisionsgrund i.S.d. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO vorlag).
6.28 Schriftsatz über beA
Die Zivilprozessordnung lässt das Einreichen von Schriftsätzen als elektronische Dokumente zu. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO gibt vor: "Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden." Das setzt einiges voraus: "Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt" (BAG, 05.06.2020 – 10 AZN 53/20 – Leitsatz – mit dem Ergebnis, dass die Nichtzulassungsbeschwerde hier nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden war).
6.29 Tode des Beschwerdeführers
"Ist ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen des Todes einer Partei ausgesetzt worden, sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme aufzufordern. Eine mündliche Verhandlung über die Aufnahme ist nicht erforderlich. Lehnen die Rechtsnachfolger die Aufnahme ab, ist durch Beschluss das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren für von den Rechtsnachfolgern aufgenommen zu erklären" (BAG, 13.04.2017 - 7 AZN 732/16 - Leitsätze).
6.30 Unterlassene Vereidigung
Das Deutsche Richtergesetz sagt in § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 DRiG: "Der ehrenamtliche Richter ist vor seiner ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung des Gerichts durch den Vorsitzenden zu vereidigen. Die Vereidigung gilt für die Dauer des Amtes, bei erneuter Bestellung auch für die sich unmittelbar anschließende Amtszeit." Und was gilt, wenn sich zwischen zwei Amtszeiten ein gewisser Unterbrechungszeitraum aufgetan hat? "Liegt zwischen zwei Amtszeiten eines ehrenamtlichen Richters eine zeitliche Lücke, muss er nach § 45 Abs. 2 vor seiner ersten Dienstleistung in der sich anschließenden Amtszeit erneut vereidigt werden" (BAG, 27.02.2020 – 2 AZN 1389/19 – Leitsatz – mit dem Ergebnis, dass die unterbliebene Vereidigung ein absoluter Revisionsgrund i.S.d. § 547 Nr. ZPO ist).
6.31 Verfahrensrüge
Das Revisionsgericht muss wegen § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur das Parteivorbringen zu beurteilen, das aus dem Urteil des Berufungsgerichts oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Das Revisionsgericht ist nach § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden, soweit keine zulässige und begründete Verfahrensrüge i.S.v. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erhoben worden ist. Für Verfahrensrügen dieser Art gilt:
Sie "muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung des Mangels enthalten, den die Revision geltend gemacht hat. Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge, das Tatsachengericht habe bei seiner Tatsachenfeststellung einen bestimmten Sachvortrag übersehen oder nicht hinreichend berücksichtigt, muss genau angegeben werden, aufgrund welchen Vortrags das Berufungsgericht zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen. Weiter ist darzulegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, das Berufungsgericht als bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte, sofern sich das nicht aus der Art des gerügten Verfahrensfehlers von selbst ergibt" (BAG, 21.11.2013 - 6 AZR 23/12).
6.32 "Vergessene" Zulassung
"Hat das Landesarbeitsgericht eine Entscheidung über die Zulassung der Revision getroffen und es versehentlich versäumt, diese Entscheidung in den Urteilstenor aufzunehmen, ist es nach § 64 Abs. 3a ArbGG grundsätzlich nicht gehindert, den Urteilstenor unter den Voraussetzungen des § 319 ZPO von Amts wegen im Wege des Berichtigungsbeschlusses zu ergänzen. Allerdings muss das Gericht den Parteien gegenüber bis zum Ablauf der Frist des § 64 Abs. 3a Satz 2 ArbGG sein Versehen offenbart und seine Absicht mitgeteilt haben, das Urteil entsprechend zu berichtigen" (BAG, 22.03.2018 - 8 AZR 779/16 - Leitsatz).
6.33 Verspätete Absetzung des Berufungurteils
Setzt das LAG sein Berufungsurteil nicht innerhalb von fünf Monaten ab, kann das Endurteil durch sofortige Beschwerde nach § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG angefochten werden. "§ 72a" ArbGG - die Nichtzulassungsbeschwerde - "findet keine Anwendung", sagt § 72b Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Das führt dazu, dass die sofortige Beschwerde das einzige Rechtsmittel gegen ein verspätet abgesetztes LAG-Urteil ist, in dem die Revision nicht zugelassen wurde. § 72b Abs. 1 Satz 2 ArbGG ordnet das ausdrücklich so an. Das heißt: Die Nichtzulassungsbeschwerde ist kraft besonderer gesetzlicher Anordnung in Fällen ausgeschlossen, in denen "das anzufechtende Urteil im Sinne des § 72b ArbGG verspätet abgesetzt wurde" (BAG, 24.02.2015 - 5 AZN 1007/14).
6.34 Verstoß gegen die Hinweispflicht
Rügt eine Partei im Revisionsverfahren, dass das Berufungsgericht seiner richterlichen Hinweispflicht aus § 139 ZPO nicht nachgekommen sei, dann ist sie im Revisionsverfahren verpflichtet, "im Einzelnen anzugeben, wie sie auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte." Zudem muss die Partei den zunächst unterbliebenen Sachvortrag nachholen. Zusammen mit der Verfahrensrüge muss sie für die erforderliche "Schlüssigkeit bzw. Substantiierung ihres Vortrags sorgen". Damit aber nicht genug: Die Partei hat auch darzutun, dass die Verletzung der Hinweispflicht entscheidungserheblich war (BAG, 24.10.2013 - 2 AZR 1057/12).
6.35 Vertrauen auf höchstrichterliche Rechtsprechung - 1
Selbst die höchstrichterliche Rechtsprechung bewirkt keine dem Gesetzesrecht entsprechende Rechtsbindung. Das führt dazu, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen regelmäßig bloß bei Hinzutreten weiterer Umstände entstehen kann (s. dazu BVerfG, 02.05.2012 - 2 BvL 5/10). Zudem gilt: "Das Vertrauen auf die geltende Rechtslage ist ohnehin nur schutzwürdig, wenn sie generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei einer Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen" (BAG, 20.11.2018 - 10 AZR 121/18 - mit Hinweis auf BVerfG, 02.05.2012 - 2 BvL 5/10).
6.36 Vertrauen auf höchstrichterliche Rechtsprechung - 2
Gibt es für eine bestimmte Rechtsfrage eine langjährige, gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, scheidet bei einem Betroffenen, der eine davon abweichende Rechtsansicht vertritt und seine betrieblichen Dispositionen daran ausrichtet, die Annahme eines schützenswerten Vertrauens aus, wenn es nachträglich zu einer rückwirkenden gesetzlichen Festschreibung dieser Rechtsanwendungspraxis kommt (s. dazu BVerfG, 15.10.2008 - 1 BvR 1138/06). Selbst mit Blick auf den von einer letztlich als ungültig erkannten Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) gesetzten Rechtsschein und mit Rücksicht auf den in der AVE zum Ausdruck gekommenen Rechtssetzungswillen des Normgebers können sich nicht tarifgebundene Arbeitgeber "nicht darauf verlassen, von einer entsprechenden Regelung jedenfalls für den Zeitraum dieses Rechtsscheins verschont zu bleiben" (BAG, 20.11.2018 - 10 AZR 121/18 - mit Hinweis auf BVerfG, 03.09.2009 - 1 BvR 2384/08).
6.37 Vertretungszwang
"Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG muss sich eine Partei vor dem Bundesarbeitsgericht grundsätzlich durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dieser Vertretungszwang gilt auch für die Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde im Beschlussverfahren" (BAG, 18.08.2015 - 7 ABN 32/15- Leitsatz). Der Vertretungszwang betrifft sowohl die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als auch ihre Begründung. Als Folge der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
6.38 Vorschriftswidrige Besetzung
Ein absoluter Revisionsgrund liegt nach § 547 Nr. 1 ZPO vor, "wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war". Auch wenn eine Verhandlung bereits geschlossen ist, kann das Gericht deren Wiedereröffnung anordnen (§ 156 Abs. 1 ZPO). Das bedeutet für § 547 Nr. 1 ZPO: "Der absolute Revisionsgrund ... liegt nicht vor, wenn nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung der Vorsitzende des Spruchkörpers ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter nach § 156 Abs. 1 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnet und die Berufungskammer nach einer neuerlichen mündlichen Verhandlung in der dafür vorgesehenen Besetzung entscheidet" (BAG, 31.07.2018 - 3 AZN 320/18 - Leitsatz).
6.39 "Vortragsverhinderung"
Das Grundgesetz gibt Verfahrensbeteiligten mit Art. 103 Abs. 1 GG "das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern." In besonderen Fällen kann es geboten sein, "die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will, damit sie bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht." Auf der anderen Seite: Die Verfahrensbeteiligten müssen – auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist – "grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen" (BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 255/20 (F) – mit Hinweis auf BVerfG, 27.09.2018 - 1 BvR 426/13).
6.40 Wiedereinsetzung
Hat ein Arbeitnehmer für das beabsichtigte Rechtsmittel Prozeskostenhilfe beantragt, ist er so lange schuldlos daran gehindert, das Rechtsmittel einzulegen, wie sein Prozesskostenhilfeverfahren noch läuft und er Anlass hat, darauf zu vertrauen, dass ihm die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Sobald die gerichtliche Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag getroffen ist, ist das Hindernis für die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels entfallen. "Für den ... Fall, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist verweigert wird, bleibt der Partei nach der Bekanntgabe der Entscheidung noch eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will" (BAG, 03.07.2013 - 2 AZN 250/13).