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BSG, 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - Leistungen nach dem AsylbLG; Gewährung nur eingeschränkter Leistungen; Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers; Beschaffung von Ausreisepapieren als Voraussetzung für die Ausreise; Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung
Bundessozialgericht
Urt. v. 12.05.2017, Az.: B 7 AY 1/16 R
Wenn Zugereiste 19mal nicht antworten und dann nicht erscheinen, geht's ans Eingemachte
Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz darf "ausreisepflichtigen" Asylbewerbern, die bei der Beschaffung eines Passes als Voraussetzung für ihre Abschiebung nicht mitwirken, der Leistungsumfang auf das "unabweisbar Gebotene" reduziert werden. Dieses Urteil des BSG erging gegen einen aus Kamerun stammenden (abgelehnten) Asylbewerber, dessen Antrag bereits 2004 abgelehnt worden waren, der aber seitdem an der Erlangung von Passpapieren kein Interesse gezeigt hatte und er deshalb noch nicht abgeschoben werden konnte. Er führte die Ausländerbehörde dadurch an der Nase herum, dass er 19mal auf deren Briefe nicht reagierte. Bei einer "Vorführung" in der kamerunischen Botschaft schwieg er, zu einer weiteren Vorführung erschien er erst gar nicht. Das BSG bestätigte die darauf (nach einem Jahrzehnt) erlassene Verfügung der Ausländerbehörde, dem Mann nur noch Sachleistungen "zur Sicherung der physischen Existenz" (Unterkunft, Kleidung, Ernährung) zu bewilligen, nicht aber Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, etwa Kosten für Telekommunikation oder öffentlichen Nahverkehr oder auch Freizeitaktivitäten). Immerhin konnte er dagegen mit anwaltlicher Hilfe - wenn auch erfolglos - noch kostenfrei durch drei Instanzen klagen.
Quelle: Wolfgang Büser
Leistungen nach dem AsylbLG; Gewährung nur eingeschränkter Leistungen; Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers; Beschaffung von Ausreisepapieren als Voraussetzung für die Ausreise; Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung
Fundstellen:
BSGE 123, 157 - 170
Breith. 2018, 662-674
FEVS 2018, 250-263
InfAuslR 2017, 455-461
info also 2017, 284-285
KommJur 2017, 8 (Pressemitteilung)
NDV-RD 2018, 34-39
NVwZ 2017, 9 (Pressemitteilung)
NZS 2017, 7-8
NZS 2017, 875
SAR 2017, 139-151
SGb 2017, 403
SGb 2018, 376-382
WzS 2017, 293
ZAR 2017, 385-386
ZfF 2017, 260
ZfSH/SGB 2017, 364 (Pressemitteilung)
ZfSH/SGB 2017, 690-696
BSG, 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R
Redaktioneller Leitsatz:
1. Die Anspruchseinschränkung in § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. erweist sich als verhältnismäßig. Die in § 48 Abs. 3 AufenthG normierte Mitwirkungspflicht verlangt dem Leistungsberechtigten im Grundsatz nichts Unzumutbares ab; ihm steht insoweit auch vor Augen, dass und welches Verhalten von ihm verlangt wird und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen.
2. Die Mitwirkung an der Beschaffung von Ausreisepapieren als Voraussetzung für die Ausreise entspricht zwar regelmäßig nicht seinem Willen, zwingt ihn jedoch auch nicht dazu, eine entsprechende "Willensbildung" vorzutäuschen oder zu entwickeln, sondern zu einem Verhalten, das anknüpft an den Ausgang eines nach rechtsstaatlichen Maßstäben geführten Asylverfahrens; nach dessen erfolglosem Ausgang ist dem lediglich noch geduldeten Leistungsberechtigten aber die Pflicht auferlegt, das in seiner Sphäre Liegende zur Ausreise beizutragen.
3. Der Gesetzgeber knüpft mit der Leistungseinschränkung ferner nicht an den Erfolg einer endgültigen Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung des jeweiligen Leistungsberechtigten an, sondern an das "Ob" der Erfüllung der individuell geforderten Mitwirkungshandlung: Die erforderliche Kausalität des Fehlverhaltens für die an diese Obliegenheit geknüpfte Leistungseinschränkung entfällt in dem Moment, in welchem der Betreffende seinen Mitwirkungspflichten nachkommt, oder andere, nicht in seiner Sphäre liegenden Gründe die Abschiebung verhindern.
4. Eine Leistungsminderung auf das unabweisbar Gebotene kann dann nicht mehr auf § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. gestützt werden; durch Einhaltung der gesetzlichen Pflichten erlangt der Leistungsberechtigte also unmittelbar wieder einen Anspruch auf Leistungen in voller Höhe.