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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Tarifvertrag - Bezugnahme
Tarifvertrag - Bezugnahme
Inhaltsübersicht
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- 4.
- 5.Rechtsprechungs-ABC
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Information
1. Allgemeines
Der organisierte Arbeitgeber unterliegt der Tarifbindung ebenso wie seine organisierten Mitarbeiter. Die Tarifgebundenheit setzt - wenn es kein Firmentarifvertrag mit dem Arbeitgeber als Tarifvertragspartei ist - eine Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband und eine Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in der Gewerkschaft voraus. Das Arbeitsleben zeigt jedoch, dass nicht alle Arbeitgeber und nicht alle Arbeitnehmer organisiert und damit tarifgebunden sind. Hier stellt sich dann die Frage, ob und wie einzelne tarifliche Regelungen, ein bestimmter Tarifvertrag oder gleich alle Tarifverträge einer Branche in das Arbeitsverhältnis einbezogen werden können. Wenn kein Fall normativer Tarifwirkung vorliegt, haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit, in ihrem Arbeitsvertrag eine entsprechende Bezugnahmeklausel zu vereinbaren.
Praxistipp:
Bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf tarifliche Regelungen ist immer zu unterscheiden, wer mit wem aus welchem Grund diese Vereinbarung trifft. Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohnehin tarifgebunden, ist eine arbeitsvertragliche Bezugnahme (eigentlich) nicht erforderlich. Vereinbart ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer eine Bezugnahme auf tarifliche Regelungen, ist das in der Regel eine konstitutive - das Tarifrecht im Arbeitsvertrag erst verankernde - Absprache. Vereinbart dagegen ein tarifgebundener Arbeitgeber mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer die Anwendbarkeit tariflicher Regelungen, ist so eine Vereinbarung in den meisten Fällen bloß als "Gleichstellungsabrede" gewollt. Die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter sollen im Betrieb genau so gestellt werden wie die tarifgebundenen. Und wenn der Arbeitgeber - aus welchen Gründen auch immer - aus der Tarifbindung fällt, soll auch die vertragliche Bezugnahme bei den "Gleichgestellten" ihr Ende finden.
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen nicht gleich alle Branchentarifverträge arbeitsvertraglich einbeziehen. Sie haben die Möglichkeit, bloß einen oder nur ein paar von mehreren Tarifverträgen zum Inhalt ihres Arbeitsverhältnisse zu machen. Sie dürfen sogar einzelne Regelungen aus den Tarifwerken herausnehmen und die Geltung dieser einzelnen Regelungen für ihr Arbeitsverhältnis vereinbaren. Bis zur großen Schuldrechtsreform 2002 waren zwischen tarifgebundenem Arbeitgeber und nicht tarifgebundenem Arbeitnehmer vereinbarte Bezugnahmeklauseln in der Regel nur "Gleichstellungsabreden". Von dieser Rechtsauffassung hat sich das BAG für Verträge, die nach dem 31.12.2001 geschlossen wurden, seit Jahren verabschiedet. Vertrauensschutz gibt es nur noch für bis 31.12.2001 geschlossene Altverträge. Für Neuverträge gilt: Wer heute nur eine Gleichstellung - und keine dynamische Bezugnahmeklausel (!) - will, muss das in seiner Bezugnahmeklausel deutlich machen.
2. Die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
Tarifverträge, die materielles Arbeitsrecht - also den Abschluss, den Inhalt und die Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses - regeln, gelten nach Maßgabe der §§ 3, 4 TVG nur für die Tarifgebundenen. Da nicht jeder Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist und auch nicht Gewerkschaftsmitglied sein muss, ist es an der Tagesordnung, dass es in ein und demselben tarifgebundenen Betrieb
tarifgebundene (organisierte) und
nicht tarifgebundene (nicht organisierte)
Arbeitnehmer gibt. Daneben gibt es Arbeitgeber, denen die Tarifbindung völlig fehlt - sei es, weil sie kein oder ein OT-Mitglied ihres Arbeitgeberverbandes sind.
Grundsätzlich können
nicht tarifgebundene Arbeitgeber und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer sowie
tarifgebundene Arbeitgeber und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer
die Anwendung tariflicher Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis via Arbeitsvertrag regeln. Für tarifgebundene Arbeitgeber und ihre tarifgebundenen Arbeitnehmer gelten die Tarifverträge wegen §§ 3, 4 TVG auch ohne Bezugnahme.
Praxistipp:
Arbeitgeber wissen bei Vertragsschluss in der Regel nicht, ob ihr Bewerber Mitglied der Gewerkschaft ist. Um hier ein 2-Klassen-System zu vermeiden, ist es angezeigt, eine Gleichstellungsabrede in die Arbeitsverträge aufzunehmen - wenn man das will. Es besteht grundsätzlich keine rechtliche Verpflichtung dazu. Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit dürfen Arbeitgeber vor Vertragsschluss nicht (s. dazu BAG, 28.03.2000 - 1 ABR 16/99).
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, in ihrem Arbeitsvertrag
einen einzelnen Tarifvertrag,
mehrere ausgewählte Tarifverträge,
gleich das ganze Tarifwerk einer Branche oder
auch nur einzelne tarifliche Bestimmungen/Regelungen
in Bezug zu nehmen.
So besteht überhaupt keine Notwendigkeit, im Arbeitsvertrag auf sämtliche Tarifverträge zu verweisen, "die für den Arbeitgeber und die bei ihm beschäftigten tarifgebundenen Gewerkschaftsmitglieder normativ gelten. Die Bestimmung des Umfangs der vertraglichen Bezugnahme ist allein Sache der Vertragsparteien" (BAG, 11.12.2013 - 4 AZR 473/12). Wer zu wenig tarifliche Regelungen in Bezug nimmt, bekommt jedoch ein Problem: "Die Vereinbarung einer tariflichen Vergütung kann [zum Beispiel] ohne (allgemeine) Bezugnahmeklausel eine tarifliche Ausschlussfristenregelung nicht zur Anwendung bringen" (BAG, 25.02.2015 - 5 AZR 481/13).
Praxistipp:
Im Lauf eines Arbeitsverhältnisses kann es immer wieder mal zum Streit darüber kommen, ob ein Tarifvertrag - und wenn ja, welcher - im Arbeitsvertrag in Bezug genommen wurde. Um diesen Streit von Anfang zu vermeiden, ist es angezeigt, die Bezugnahmeklausel in jedem Fall eindeutig und schriftlich zu vereinbaren - z.B.: "Auf das Arbeitsverhältnis finden - soweit in diesem Arbeitsvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen werden - der Manteltarifvertrag <Bezeichnung> vom <Datum> und der Entgelttarifvertrag <Bezeichnung> vom <Datum> in ihrer jeweils geltenden Fassung (= dynamische Verweisungsklausel) Anwendung."
Neben einer ausdrücklichen schriftlichen Abmachung im Arbeitsvertrag kann eine Bezugnahme u.a. auch durch
schlüssiges Verhalten,
eine Gesamtzusage,
eine betriebliche Übung oder
eine Betriebsvereinbarung
erfolgen. Es gibt kein Formerfordernis.
Praxistipp:
Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf tarifliche Regelungen hat auf der einen Seite den Vorteil, dass Arbeitgeber nicht alles selbst regeln und vereinbaren müssen. Die Tarifvertragsparteien nehmen ihnen insoweit eine Menge Arbeit ab und regeln von der Arbeitszeit über das Entgelt, von Mehrarbeit und Überstunden bis hin zu den Zulagen alles, was für sie an Arbeitsbedingungen im konkreten Fall wichtig ist.
Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will mit einer Bezugnahmeklausel erreichen, dass das Arbeitsverhältnis mit den in Bezug genommenen Regeln (aus)gestaltet wird. Eine Tarifgebundenheit i.S.d. §§ 3, 4 TVG mit unmittelbarer und zwingender Geltung von Tarifnormen gibt es bei ihm ja nicht. Aber was will ein tarifgebundener Arbeitgeber mit einer Bezugnahmeklausel erreichen? Nun, grundsätzlich ist es so, dass er
seine tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer
in seinem Betrieb nach einheitlichen Regeln behandeln möchte (= Gleichstellung).
Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden und kennen sie die Organisationszugehörigkeit des jeweils anderen, kann eine Bezugnahmeklausel möglicherweise nur deklaratorisch gewollt sein. Der Tarifvertrag gilt hier ja schon nach § 3 TVG. Anders, wenn die Tarifbindung unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers gewollt ist (s. dazu unbedingt BAG, 22.04.2009 - 4 AZR 100/08 - unter Verzicht auf eine Differenzierung und mit der Annahme, dass stets von der konstitutiven Wirkung einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahmeklausel auszugehen ist). Bei nicht tarifgebundenen Vertragspartnern ist eine Bezugnahmeklausel in der Regel ohnehin konstitutiv. Die Anwendung tariflicher Regeln soll wegen der arbeitsvertraglichen Abmachung erfolgen - und kann - im Gegensatz zur normativen Wirkung - mit den Mitteln des Individualarbeitsrechts auch wieder geändert oder zurückgefahren werden.
3. Wirkung der Bezugnahme
Grundsätzlich wird der in Bezug genommen Tarifvertrag Inhalt des Arbeitsvertrags:
die Bezugnahme auf einzelne Tarifregelungen führt dazu, dass nur diese einzelnen Tarifregelungen Vertragsbestandteil werden;
die Bezugnahme auf einzelne Tarifverträge führt dazu, dass nur diese einzelnen Tarifverträge - und nicht alle - Vertragsbestandteil werden;
die Bezugnahme auf alle Tarifverträge einer Branche führt dazu, dass alle Tarifverträge Vertragsbestandteil werden.
Beispiele für die Anwendung tariflicher Ausschlussfristen:
Arbeitgeber A und Mitarbeiter M sind nicht tarifgebunden. Sie vereinbaren in § 18 ihres Arbeitsvertrags: "Für den Verfall von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gilt die Regelung über die Ausschlussfristen im Manteltarifvertrag <Bezeichnung> vom <Datum>." Das heißt: A und M haben nur die tarifliche Verfallklausel arbeitsvertraglich einbezogen, keine anderen tariflichen Regelungen. M kann also nach dieser Vereinbarung keine "Bezahlung nach Tarif" verlangen.
Arbeitgeber G und Arbeitnehmer N sind nicht tarifgebunden. Sie vereinbaren in § 5 ihres Arbeitsvertrags: "Die Vergütung des Arbeitnehmers erfolgt nach Maßgabe des Entgelttarifvertrags <Bezeichnung> vom <Datum> in seiner jeweils gültigen Fassung." Das heißt: G und N haben nur den Entgelttarifvertrag einbezogen, keinen anderen Tarifvertrag und keine andere tarifliche Regelung. Auf N's Arbeitsverhältnis findet damit weder der einschlägige Manteltarifvertrag noch ein Tarifvertrag über Sonderzahlungen etc. Anwendung. Auch etwaige im Manteltarifvertrag vorgesehene Ausschlussfristen greifen hier nicht. Ihre Geltung ist nicht vereinbart.
Arbeitgeber B und Mitarbeiter T sind nicht tarifgebunden. Sie vereinbaren in § 3 ihres Arbeitsvertrags: "Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des <..>-Handwerks in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung." Das heißt: Soweit T's Ansprüche nicht arbeitsvertraglich geregelt sind, ergeben sie sich aus den Branchentarifverträgen. Dabei kann es sich um Urlaub, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, T's Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge uvm. handeln. B und T haben - wenn man so will - die Ausgestaltung ihres Arbeitsverhältnisse in weiten Teilen den Tarifvertragsparteien überlassen. Für rückständige Ansprüche T's würde dann auch im Manteltarifvertrag vereinbarte tarifliche Ausschlussfristen gelten.
Die in Bezug genommenen Tarifregelungen wirken nur arbeitsvertraglich. Sie wirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht unmittelbar und zwingend (= normativ) nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG - sondern bloß schuldrechtlich. Das heißt: Die Parteien können den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses privatautonom auch wieder ändern.
Praxistipp:
Es gibt Fälle, in denen die Parteien des Arbeitsvertrags zwar einen Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen haben, es aber trotzdem einen Tarifvertrag gibt, der für ihr Arbeitsverhältnis normative Wirkung hat. Dieses Problem wird man dann nach dem Günstigkeitsprinzip lösen.
Was genau von den Vertragspartnern gewollt ist und welche Wirkung die Bezugnahmeklausel hat, muss im Zweifel durch Auslegung ermittelt werden. Unterschieden werden vom Ansatz her:
statische Bezugnahme - es wird nur auf die aktuelle tarifliche Regelung/den aktuellen Tarifvertrag/die aktuellen Tarifverträge verwiesen, die Inbezugnahme späterer tariflicher Regelungen ist nicht beabsichtigt;
kleine dynamische Bezugnahme - es wird zwar auf eine tarifliche Regelung/einen Tarifvertrag/mehrere Tarifverträge in der jeweiligen Fassung verwiesen, es bleibt aber offen, wie lange diese Bezugnahme gelten und ob auch ein etwaiger Tarifwechsel oder Folgetarifvertrag erfasst sein soll;
große dynamische Bezugnahme - es wird auf eine tarifliche Regelung/einen Tarifvertrag/mehrere Tarifverträge in der jeweiligen Fassung und etwaige für den Betrieb des Arbeitgebers geltende Folge-/Wechseltarifverträge verwiesen (Tarifwechsel- oder Transformationsklausel).
Praxistipp:
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel muss möglichst konkret sein. Will man nur einige tarifvertragliche Regelungen in Bezug nehmen, ist es sinnvoll, die maßgeblichen Tarifbestimmungen wörtlich in den Arbeitsvertrag zu übernehmen. Dagegen ist es nicht sinnig, einen ganzen Tarifvertrag abzuschreiben. Der Arbeitsvertrag wird damit viel zu umfangreich. Hier hilft man sich dann mit einer Bezugnahmeklausel, die konkret auf die einschlägigen Tarifverträge verweist.
Die Auslegung einer Bezugnahmeklausel erfolgt nach den §§ 133, 157 BGB:
"Für die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bedeutet dies, dass ihr Bedeutungsinhalt in erster Linie anhand des Wortlauts zu ermitteln ist. Bei der arbeitsvertraglichen dynamischen Inbezugnahme eines bestimmten Tarifvertrages in seiner jeweiligen Form ist der Wortlaut zunächst eindeutig und es bedarf im Grundsatz keiner weiteren Heranziehung von Auslegungsfaktoren (...). Lediglich wenn von den Parteien weitere Tatsachen vorgetragen werden oder sonst ersichtlich sind, die Zweifel an der wortgetreuen Auslegung der Vertragsklausel begründen können, weil sie für beide Seiten erkennbar den Inhalt der jeweils abgegebenen Willenserklärungen in einer sich im Wortlaut nicht niederschlagenden Weise beeinflusst haben, besteht Anlass, die Wortauslegung in Frage zu stellen." (BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05).
Dabei steht immer der Gedanke im Vordergrund, dass Arbeitsrecht Arbeitnehmerschutzrecht ist.
4. Änderung der BAG-Rechtsprechung
Jahre lang galt die Rechtsprechung des BAG zum Thema Gleichstellungsabrede (= Gleichstellung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Mitarbeitern durch einen tarifgebundenen Arbeitgeber) in puncto Dynamik/Statik als gefestigt. Dann hat das BAG nach der großen Schuldrechtsreform 2002 im Jahr 2004 eine Änderung seiner Rechtsprechung angekündigt:
"1. Für die Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen ("Altverträge") gilt weiter die Auslegungsregel, wonach die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt. 2. Der Senat beabsichtigt, diese Auslegungsregel nicht auf die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge anzuwenden" (BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04).
Grund: Mit dem neu eingeführten § 305c Abs. 2 BGB - "Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders." - bleibt die Dynamik im Zweifel über das Ende der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bestehen - ob bei Vertragsschluss so gewollt oder nicht.
Mit einer 2007 getroffenen Entscheidung hat sich das BAG dann tatsächlich von seiner bisherigen Rechtsprechung verabschiedet:
"Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird" (BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05 1. Leitsatz - "unbedingte zeitdynamische Verweisung").
Und weiter:
"Ist die Klausel jedoch vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden, ist sie aus Gründen des Vertrauensschutzes wie eine sog. 'Gleichstellungsabrede' im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung auszulegen" (BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05 2. Leitsatz).
Im Ergebnis muss nun bei der Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln immer darauf geachtet werden, in welcher Zeit sie geschlossen wurden, ob es sich also um einen Alt- oder Neuvertrag handelt.
4.1 Das bis zum 31.12.2001 geltende Recht (Altverträge)
Bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ab dem 01.01.2002 galt nach der früheren BAG-Rechtsprechung für tarifgebundene Arbeitgeber die - widerlegbare - Vermutung, "es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen" (BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13).
Das BAG nahm früher an, mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel "sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen." Das wiederum führt dazu, dass solche Bezugnahmeklauseln ohne weitere Anhaltspunkte
im Text des Arbeitsvertrags oder
in den Begleitumständen bei Abschluss des Arbeitsvertrags
lediglich als so genannte Gleichstellungsabrede ausgelegt wurden. "Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei" (BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 - mit Hinweis auf die ständige BAG-Rechtsprechung, insbesondere BAG, 23.02.2011 - 4 AZR 536/09).
Problem: Die dynamische Verweisungsklausel muss eigentlich ihre Wirkung verlieren, wenn die Tarifbindung des tarifgebundenen Arbeitgebers endet, auch wenn dieser Punkt in der Klausel nicht hinterlegt ist. Das kann - je nach Formulierung - jedoch zu Zweifeln bei der Auslegung führen der Bezugnahmeklausel führen.
Beispiel:
Der tarifgebundene Arbeitgeber A vereinbart mit seinen nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern, dass sich der Inhalt ihrer Arbeitsverhältnisse nach den einschlägigen Branchentarifverträgen bestimmt. Dann beendet A seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Mit Ende seiner Tarifbindung gelten die Tarifverträge bei den organisierten (tarifgebundenen) Arbeitnehmern statisch weiter. Bei den nicht tarifgebundenen Mitarbeitern kann die Bezugnahmeklausel nun im Ergebnis nicht dazu führen, dass auf ihre Arbeitsverhältnisse wegen der dynamischen Verweisung auch die Folgetarifverträge anzuwenden sind - und auf die Arbeitsverhältnisse der organisierten Arbeitnehmer nicht. Eine Gleichstellungsabrede darf daher nicht zu dem Ergebnis führen, dass nicht organisierte Arbeitnehmer besser - und eben nicht mehr gleich - gestellt sind als organisierte.
Das BAG hat diese Rechtsprechung für arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln, die seit dem 01.01.2002 nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind und noch vereinbart werden, aufgegeben. Die frühere Auslegungsregel wird "lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln" angewendet, "die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind" (BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 - mit Hinweis auf BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04; BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05; bestätigt durch BVerfG, 26.03.2009 - 1 BvR 3564/08 u. BVerfG, 21.04.2009 - 1 BvR 784/09).
Arbeitgeber haben für vor dem 01.01.2002 geschlossene "Altverträge" keinen Vertrauensschutz mehr, wenn sie die Bezugnahmeklausel mit dem Arbeitnehmer nach dem 31.12.2001 erneut vereinbaren. "Bei der Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen 'Altvertrags' ist dies der Fall, wenn die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist" (BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 - mit Hinweis auf BAG, 08.07.2015 - 4 AZR 51/14; BAG, 13.05.2015 - 4 AZR 244/14 u. BAG, 24.02.2010 - 4 AZR 691/08 - s. dazu auch BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 151/15 - mit ausführlicher Beantwortung der Frage, wann ein nach dem 31.12.2001 geschlossener Änderungsvertrag ein "Neuvertrag" i.S.d. jetzt maßgeblichen BAG-Rechtsprechung ist).
4.2 Das ab dem 01.01.2002 geltende Recht (Neuverträge)
Das BAG wendet die frühere Auslegungsregel für arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln, die nach dem 31.12.2001 vereinbart werden, nicht mehr an. Für Bezugnahmeklauseln ab dem 01.01.2002 gilt:
Soll die Auslegungsregelung für "Altverträge" für eine Vertragsänderung nach dem 31.12.2001 Anwendung finden, ist darauf abzustellen, "ob die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist" (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 - mit Hinweis auf BAG, 24.02.2010 - 4 AZR 691/08 u. BAG, 18.11.2009 - 4 AZR 514/08).
Eine bloße Vertragsänderung bedeutet nicht zwingend, dass damit gleich "alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden." Ob eine
Bestätigung der bereits getroffenen Absprachen oder deren
Erneuerung
gewollt ist, "ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen" (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 - mit Hinweis auf BAG, 19.10.2011 - 4 AZR 811/09). "Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass "alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben" (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 - mit Hinweis auf BAG, 30.07.2008 - 10 AZR 606/07). Regelungen dieser Art stehen der Annahme eines "Altvertrags" und damit einer Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes entgegen (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 - mit Hinweis auf BAG, 18.11.2009 - 4 AZR 514/08). Als Folge der geänderten Rechtsprechung wirken die Bezugnahmeklauseln dynamisch ("in ihrer jeweils geltenden Fassung"). Das Auslegungsergebnis einer Gleichstellungsabrede wird durch die tatsächliche Durchführung des Vertrags gestützt (BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 151/15 - mit weiteren Hinweisen zur Abgrenzung Alt-/Neuvertrag und einer anzunehmenden dynamischen Bezugnahme).
Wer als Arbeitgeber nach dem 31.12.2001 "nur" eine Gleichstellung will, muss das unmissverständlich klar machen und deutlich vereinbaren.
Praxistipp:
Mit dieser Klausel bleibt eine "kleine dynamische Bezugnahmeklausel" bloß eine Gleichstellungsabrede ohne Dynamik: "Soweit in diesem Arbeitsvertrag keine andere Regelung getroffen wurde, finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gebunden ist, in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Diese Bezugnahme gilt nur, so lange und so weit, wie der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Ausschließlicher Zweck dieser Bezugnahme ist die Gleichstellung tarifgebundener - organisierter - Arbeitnehmer mit nicht tarifgebundenen - nicht organisierten - Arbeitnehmern. Sobald die Tarifbindung des Arbeitgebers endet oder wegfällt, gelten die in Bezug genommenen Tarifverträge ausschließlich mit dem Inhalt, den sie beim Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers hatten. Sie werden dann statischer Bestandteil dieses Arbeitsvertrags. Ein Anspruch auf die Weitergabe zukünftiger Tarifentwicklungen wird mit dieser Absprache ausgeschlossen."
Was immer zu beachten ist: § 310 Abs. 4 BGB schließt die Anwendung der §§ 305 ff. BGB - die AGB-Bestimmungen des BGB - auf Tarifverträge aus - aber nicht die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf die arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede. Sie muss den Anforderungen der AGB-Kontrolle des BGB gerecht werden. Eine unwirksame Bezugnahmeklausel macht nicht den ganzen Arbeitsvertrag unwirksam, § 306 Abs. 1 BGB. Überraschende und mehrdeutige Klauseln werden jedoch kein Vertragsbestandteil, § 305c Abs. 1 BGB. Und Zweifel bei der Auslegung - so § 305c Abs. 2 BGB - gehen zu Lasten des Verwenders. Das ist in der Regel der Arbeitgeber.
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Bezugnahme auf Tarifverträge in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet dargestellt:
5.1 AGB-Auslegung
Ein objektiv-generalisierender Auslegungsmaßstab entscheidet, wenn es um die Bestimmung des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen geht. AGB sind - abzustellen ist immer auf ihren objektiven Inhalt und ihren typischen Sinn - so auszulegen, wie sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise von verständigen und redlichen Vertragspartnern verstanden werden. Maßgeblich dabei: Die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders (s. dazu BAG, 23.03.2017 - 6 AZR 705/15). Die AGB-Auslegung beginnt vorranging mit dem Vertragswortlaut (BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 851/15 - hier: dynamische Verweisung auf AVR-Caritas).
5.2 AGB-Kontrolle - 1
Die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB ist gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB für Tarifverträge ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch bei arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen Tarifverträgen keine AGB-Kontrolle stattfindet. Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kann wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur stattfinden, wenn in AGB "von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden." Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB "Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich." Und das gilt unabhängig davon, aufgrund welcher Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Er muss das Arbeitsverhältnis allerdings nach seinem Geltungsbereich fachlich, persönlich und räumlich erfassen (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19 – mit Hinweis auf BAG, 03.07.2019 – 10 AZR 300/18 u. BAG, 27.06.2018 – 10 AZR 290/17).
5.3 AGB-Kontrolle - 2
Die tarifliche Öffnungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG mit seiner Erweiterung nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG durch Bezugnahme hat Grenzen. Zwar können eine Verlängerung der Höchstdauer und/oder die Anhebung der Zahl zulässiger Verlängerungen auch durch einen Haustarifvertrag geregelt werden. Ist ein Arbeitnehmer in so einem Fall jedoch nicht tarifgebunden, muss die Anwendung dieses Tarifvertrags im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Wird dort unter der Überschrift "Sonstiges" auf einen Haustarifvertrag Bezug genommen, ist das eine Regelung, die nicht durch die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB kommt. So eine Klausel ist an dieser Stelle überraschend – und wies im konkreten Fall auch noch Auslegungszweifel auf (LAG Sachsen, 01.12.2020 – 3 Sa 165/20 – mit dem Ergebnis, dass die Entfristungsklage des befristet eingestellten Mitarbeiters begründet war).
5.4 AGB-Prüfung
Der Arbeitsvertrag von Arbeitnehmer N enthielt die Klausel "Das Arbeitsverhältnis unterliegt im Übrigen den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer im Omnibusverkehr in ihrer jeweils letzten Fassung. Die Tarifverträge können im Büro eingesehen werden." N hielt die Klausel im Nachhinein für unwirksam, weil sich aus ihr nicht ergebe, auf welche Tarifverträge der Arbeitsvertrag denn nun genau Bezug nehme. Mit dieser Meinung stand N dann jedoch vor dem Revisionsgericht ziemlich allein da.
Die Klausel in N's Arbeitsvertrag ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Dafür spricht zum einen ihr Erscheinungsbild, zum anderen die mehrfache Verwendung. Dynamische Verweisungen auf die einschlägigen Tarifverträge sind im Arbeitsleben üblich – die Klausel ist also nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Sie verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: "Eine Regelung, die auf einen Tarifvertrag verweist, ist weder unverständlich noch unklar. Dies gilt auch dann, wenn die Verweisung dynamisch ausgestaltet ist. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist von den Arbeitnehmern durch Einsicht in die Tarifverträge feststellbar" (BAG, 16.06.2021 – 10 AZR 31/20 – mit Hinweis auf BAG, 20.03.2019 – 7 AZR 98/17 u. BAG, 26.10.2016 – 7 AZR 140/15).
5.5 Änderungskündigung/-angebot = Neuvertrag?
Hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausgesprochen und der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter dem in § 2 Satz 1 KSchG genannten Vorbehalt angenommen, "kommt die Änderung des Arbeitsvertrags zustande, die unter der gemäß § 8 KSchG auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der gerichtlich festzustellenden Sozialwidrigkeit steht". Das bedeutet im Ergebnis, dass zwar eine Kontinuität des Arbeitsverhältnisses selbst anzunehmen ist, aber eine Diskontinuität der beiden unmittelbar aneinandergereihten Arbeitsverträge. Das spricht dafür, stets insgesamt einen Neuvertrag anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot akzeptiert - auch wenn, so die BAG-Rechtsprechung, bei einer Änderungsschutzklage der Streitgegenstand nicht die Kündigung, sondern der Inhalt des für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen ist (BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 208/17 - mit Hinweis auf BAG, 26.01.2012 - 2 AZR 102/11).
5.6 Anerkennungstarifvertrag
Der Arbeitgeber hatte mit der Gewerkschaft einen Anerkennungstarifvertrag geschlossen und darin vereinbart: "Es werden im Rahmen dieses Anerkennungstarifvertrages alle Tarifverträge von der Firma anerkannt und angewendet, welche von der IG BCE im Bereich der westdeutschen chemischen Industrie abgeschlossen wurden bzw. werden. Im einzelnen umfasst dies folgende Tarifverträge: … Bundesentgelttarifvertrag … Die anerkannten Tarifverträge gelten in ihrer jeweils aktuellen Fassung." Der Arbeitsvertrag des klagenden Arbeitnehmers enthielt eine Bezugnahme auf den Anerkennungstarifvertrag (auch Haustarifvertrag genannt). Der Anerkennungstarifvertrag wurde in der Folgezeit gekündigt. Das bedeutet für den Arbeitnehmer: "Enthält ein Arbeitsvertrag eine - dynamische - Bezugnahmeklausel auf einen Anerkennungstarifvertrag, der dynamisch auf einen Verbandstarifvertrag verweist, endet die dynamische Anwendung des Verbandstarifvertrags für das Arbeitsverhältnis, sobald der Anerkennungstarifvertrag nur noch nachwirkt" (BAG, 22.03.2017 - 4 AZR 462/16 - Leitsatz).
5.7 Arbeitnehmerüberlassung - 1
§ 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. sah vor, dass im Geltungsbereich eines Tarifvertrags mit abweichenden Regelungen nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können. Das ist vom Grundsatz her eine gute Sache, aber kein Grund, sich - bildlich gesprochen - nur die Rosinen herauszupicken: "Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung ("Equal-Pay") kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF nur dann abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist" (BAG, 16.10.2019 - 4 AZR 66/18 - Pressemitteilung).
5.8 Arbeitnehmerüberlassung - 2
§ 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a. F. (bis 31.03.2017) sah vor, dass für den Entleihzeitraum eine vollständige Inbezugnahme des zwischen den jeweiligen Tarifpartnern abgeschlossenen Tarifwerks für die Arbeitnehmerüberlassung erfolgt. Unschädlich sind in diesem Zusammenhang allenfalls vertragliche Regelungen über Gegenstände, die keine verdrängende Wirkung haben, weil sie tariflich nicht geregelt sind, oder über Vertragsbestimmungen, die zugunsten von Mitarbeitern von tariflichen Bestimmungen abweichen. Die wären auch bei beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 4 Abs. 3 TVG - Günstigkeitsprinzip - zulässig. "Denn die arbeitsvertragliche Vereinbarung der tariflichen Regelungen iSd. § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF ersetzt nur die - in der Leiharbeitsbranche häufig fehlende - beiderseitige Tarifgebundenheit, ermöglicht jedoch nicht, bei der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz beiderseits tarifgebundene Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer und solche, die es nicht sind, unterschiedlich zu behandeln" (BAG, 16.12.2019 - 5 AZR 131/19).
5.9 Arbeitnehmerüberlassung - 3
§ 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG a. F. verpflichtet Verleiher (und das gilt sowohl bei beiderseitiger Tarifgebundenheit als auch bei arbeitsvertraglicher Inbezugnahme eines entsprechenden Tarifvertrags) den Leiharbeitnehmern „die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen“ - und somit alle tariflich geschuldeten Arbeitsbedingungen - zu gewähren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bloß die Anwendung des gesamten tariflichen Regelwerks - das bei unterstellter Tarifgebundenheit beider Parteien auf das Arbeitsverhältnis unmittelbar Anwendung finden würde - bei der Arbeitnehmerüberlassung die Vermutung begründet, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden (s. dazu BAG, 16.10.2019 - 4 AZR 66/18). "Vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG kann grundsätzlich auch der - vormalige - Leiharbeitnehmer sein, der vom Entleiher mit unveränderter Tätigkeit als Stammarbeitnehmer übernommen wird" (BAG, 16.12.2020 - 5 AZR 131/19 - Leitsatz).
5.10 "Arbeitsvertragliche Nachvollziehung"
"Die Tarifvertragsparteien können Ansprüche aus den zwischen ihnen vereinbarten tariflichen Inhaltsnormen nicht davon abhängigmachen, das die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien eine vertragliche Bezugnahme auf die für den Arbeitgeber jeweils gültigen Tarifverträge vereinbaren. Eine solche 'arbeitsvertragliche Nachvollziehung' von Tarifverträgen als Anspruchsvoraussetzung umgeht die gesetzlich angeordnete unmittelbare Wirkung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG sowie das in § 4 Abs. 3 TVG verankerte Günstigkeitsprinzip und ist daher unwirksam" (BAG, 13.05.2020 - 4 AZR 489/19 – Leitsatz).
5.11 Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)
Die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschlands (AVR) sind kein Tarifvertrag i.S.d. TVG. Trotzdem dürfen der kirchliche Arbeitgeber und seine Arbeitnehmer in ihren Arbeitsverträgen auf diese AVR in ihrer "jeweils geltenden Fassung" Bezug nehmen. Geht der kirchliche Betrieb - hier: Rettungsdienst - dann via Betriebsübergang auf einen weltlichen Arbeitgeber über, heißt das: Der Betriebserwerber tritt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Mit der weiteren Folge, dass er nun wegen der dynamischen AVR-Bezugnahme die AVR-Entgeltsteigerungen vornehmen muss (BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 683/16 - mit dem Hinweis, dass die dynamische Geltung der AVR nicht davon abhängt, dass der "neue" Arbeitgeber ein kirchlicher ist).
5.12 Auslegung
Bei der Auslegung von Tarifverträgen sind die für Gesetze geltenden Auslegungsregeln anzuwenden. Fehlt in einem verweisenden Tarifvertrag eine ausdrückliche Regelung für den Verweis, muss via Auslegung ermittelt werden, ob 1. die Tarifnormen, auf die er Bezug nimmt, i.S. einer Gleichstellung mit ihrem jeweiligen Geltungszustand anzuwenden sind, oder 2. ob die zwingende Wirkung der Regelungen, auf die er Bezug nimmt, nicht schon durch ihre Kündigung, sondern erst durch die Kündigung des Verweisungstarifvertrags beseitigt werden soll.
"Ist mit der Verweisung eine Gleichstellung mit der Entwicklung der in Bezug genommenen Tarifnormen - wie häufig bei einem Anerkennungstarifvertrag - in der Weise gewollt, dass der Verweisungstarifvertrag (lediglich) die Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers ersetzen soll, spricht das in der Regel dafür, dass auch der Geltungszustand der in Bezug genommenen Tarifnormen auf die Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich des Verweisungstarifvertrags durchschlägt" (BAG, 27.09.2017 - 4 AZR 630/15 - mit Hinweis auf BAG, 07.05.2008 - 4 AZR 229/07 u. BAG, 29.08.2007 - 4 AZR 561/06).
5.13 Ausschlussfrist
Die Vereinbarung tarifvertraglicher Ausschlussfristen ist nach § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG auch für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Betriebsvereinbarung zulässig. Auch wenn der anzuwendende Tarifvertrag zwischen den Vertragspartnern nicht nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gilt: Die vertragliche Bezugnahme genügt. Auch in diesem Fall "ist eine Ausschlussfrist i.S.v. § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG tariflich vereinbart, soweit die Bezugnahme sich nicht bloß auf Ausschlussfristen oder einzelne tarifliche Regelungskomplexe beschränkt" (BAG, 26.09.2017 - 1 AZR 717/15 - mit Hinweis auf BAG, 27.01.2004 - 1 AZR 148/03).
5.14 AVR-Bezugnahme
Im '93er Arbeitsvertrag von Mitarbeiter M stand: "Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung." 2003 kam es zu einem Betriebsübergang. Eine arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf die AVR gilt auch nach Übergang des Betriebs auf einen weltlichen Erwerber (hier: Klinikum) weiter. Die Kirchenzugehörigkeit des Arbeitgebers ist keine auflösende Bedingung für die Bezugnahme. Der Betriebserwerber kann - so die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind - eine Anpassung des Arbeitsvertrags via Änderungskündigung gem. § 2 KSchG oder durch eine darauf gerichtete Änderungsvereinbarung erzielen" (BAG, 21.06.2018 - 6 AZR 38/17 - mit Hinweis auf EuGH, 27.04.2017 - C-680/15 u. C-681/15).
5.15 BAT-Bezugnahme
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 31.03.1995 sieht vor: "Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen." Das heißt für die Auslegung: Der beklagte Arbeitgeber war hier bei Abschluss des Arbeitsvertrags im März 1995 noch wegen §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG und seiner Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband an den BAT gebunden. Diese Tarifgebundenheit war mit Ausschluss aus dem Verband zum 31.03.1999 beendet. Die danach vorgenommenen Änderungen des BAT und die in den Jahren 2005 und 2006 erfolgte BAT-Ablösung "durch den TVöD und den TV-L werden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst" (BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 - mit dem Ergebnis, dass der klagende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die höhere "tarifliche" Vergütung hatte).
5.16 Belastung Dritter
"Eine dynamische Anwendbarkeit von Tarifverträgen mittels Personalüberleitungsvereinbarung kann für den Fall eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 BGB nicht ohne die Beteiligung bzw. die Zustimmung des neuen Arbeitgebers für die Zeit nach dem Betriebsübergang vereinbart werden" (s. dazu LAG München, 26.06.2008 - 4 Sa 3/08). "Dies gilt schon deshalb, weil insbesondere eine dynamische Bezugnahme auf Entgelttarifverträge regelmäßig eine fortwährende Belastung für den neuen Arbeitgeber mit sich bringt, da die nachfolgenden Tarifverträge in aller Regel Entgelterhöhungen vorsehen" (s. dazu BAG. 09.11.2005 - 5 AZR 128/05). Auch der 4. BAG-Senat geht von dem allgemeinen Grundsatz aus, "dass für nicht am Vertrag beteiligte Dritte vertraglich keine Lasten begründet werden können" (BAG, 22.04.2009 - 4 ABR 14/08). "Anderes würde seine rechtsgeschäftliche Willens- und Handlungsfreiheit in einer nicht zu rechtfertigenden Weise beeinträchtigen und stünde in unüberbrückbarem Gegensatz zum Grundsatz der Privatautonomie und zur allgemeinen Handlungsfreiheit" (BAG, 13.12.2017 - 4 AZR 202/15 - mit Hinweis auf BAG, 30.10.2003 - 8 AZR 491/02).
5.17 Betriebliche Altersversorgung
Verweist die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag, der mit einem bestimmten Datum unverwechselbar konkretisiert worden ist, kann das für eine statische Bezugnahme sprechen, wenn die vertragliche Abmachnung keine Jeweiligkeitsklausel enthält. Aber: arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf Versorgungsvorschriften, die außerhalb des Arbeitsvertrags liegen, werden in der Regel als dynamisch angesehen (s. dazu BAG, 19.09.2007 - 4 AZR 710/06). Bestehen keine gegenteiligen Anhaltspunkte, verweisen sie auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Nur wenn derartige Bezugnahmen als dynamische Verweisung verstanden werden, ist das eine sachgerechte Annahme. Diese Annahme wird den Interessen der Parteien regelmäßig gerechter als die Interpretation der Bezugnahmeklausel als statische Verweisung auf einen ganz bestimmten Tarifvertrag in einer ganz bestimmten Fassung. Nur so wird die einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle Arbeitnehmer gewährleistet (s. dazu BAG, 23.04.2013 - 3 AZR 23/11). "Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen" (BAG, 17.06.2014 - 3 AZR 386/13 - mit Hinweis auf BAG, 23.04.2013 - 3 AZR 23/11 u. BAG, 18.09.2012 - 3 AZR 415/10).
5.18 Betriebliche Übung
Tarifverträge können auch im Wege einer betrieblichen Übung in Bezug genommen werden (s. dazu BAG, 09.05.2007 - 4 AZR 275/06 u. BAG, 19.01.1999 - 1 AZR 606/98). Betrieblichen Übung bedeutet "die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers ..., aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden" (s. dazu BAG, 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 u. BAG, 23.03.2011 - 4 AZR 268/09). Dabei komme es nicht mal darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. "Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat" (s. dazu BAG, 23.03.2011 - 4 AZR 268/09 u. BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 653/05). Die Annahme einer betrieblichen Übung ist ausgeschlossen, "wenn der Arbeitgeber zu den ihrer - möglichen - Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war" (s. dazu BAG, 10.12.2013 - 3 AZR 832/11). Bei einer Bezugnahme durch betriebliche Übung müssen im Verhalten des Arbeitgebers Anhaltspunkte dafür erkennbar sein, dass er bestimmte Tarifverträge unabhängig von einer vermeintlich bestehenden Rechtspflicht anwenden will (BAG, 11.07.2018 - 4 AZR 443/17).
5.19 Betriebsübergang - 1
"1. Der Betriebserwerber ist nach einem Betriebsübergang an die von einem nicht tarifgebundenen Betriebsveräußerer vereinbarte dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag unverändert gebunden. Diese Dynamik entfällt nicht, wenn der Betriebserwerber nicht durch die Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition tarifgebunden ist und deshalb auf die künftigen Tarifverhandlungen keinen Einfluss nehmen kann. 2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob diese Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit Art. 3 RL 2001/23/EG (...) und Art. 16 GRC (...) vereinbar ist. " (BAG, 17.06.2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Leitsätze).
5.20 Betriebsübergang - 2
"Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen in Verbindung mit Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Betriebsübergangs die Fortgeltung der sich für den Veräußerer aus einem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten auf die zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer privatautonom vereinbarte Klausel erstreckt, wonach sich ihr Arbeitsverhältnis nicht nur nach dem zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden Kollektivvertrag, sondern auch nach den diesen nach dem Übergang ergänzenden, ändernden und ersetzenden Kollektivverträgen richtet, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht" (EuGH, 27.04.2017 - C-680/15 u. C-681/15 - Leitsatz - Deutschland).
5.21 Betriebsübergang - 3
Haben Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsvertrag eine dynamisch auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisende Klausel vereinbart, wird die vereinbarte Dynamik nicht allein wegen eines nachfolgenden Betriebsübergangs hinfällig. Die Klausel wirkt in dem auf den Betriebserwerber übergegangenen Arbeitsverhältnis weiterhin dynamisch. Der Betriebserwerber ist vor dieser Rechtsfolge auch EU-rechtlich nicht zu schützen. Es bleibt ihm unbenommen, die Dynamik mit den Instrumenten des Arbeitsrechts - Änderungsvertrag, Änderungskündigung - anzupassen oder zu neutralisieren (BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 95/14).
5.22 Betriebsübergang - 4
Betriebserwerber und Arbeitnehmer werden durch § 613a BGB nicht daran gehindert, ihre vertraglichen Arbeitsbedingungen nach einem Betriebsübergang einvernehmlich zu ändern. Sie haben sogar die Möglichkeit, eine zuvor mit dem Betriebsveräußerer vereinbarte dynamische Bezugnahmeklausel abzuändern. Eine nach dem Betriebsübergang in puncto Vergütung getroffene Änderungsvereinbarung muss nicht wegen einer möglichen Umgehung des § 613a BGB durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein (BAG, 07.11.2007 - 5 AZR 1007/06). "Soweit das Gesetz in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine Sperrfrist von einem Jahr für die - auch einvernehmliche - Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vorsieht, gilt dies ausschließlich für diejenigen Rechte und Pflichten, die vor dem Betriebsübergang zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer aufgrund eines normativ geltenden Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung verbindlich waren" (BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 443/15).
5.23 Betriebsübergang - 5
Der Betriebserwerber tritt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers aus den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen oder Arbeitsverträgen ein. "Eine dynamische Bezugnahmeklausel geht als vertragliche Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer regelmäßig auf das nach dem Betriebsübergang bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unter Aufrechterhaltung der Dynamik über" (s. dazu BAG, 23.09.2009 - 4 AZR 331/08). Der Betriebserwerber wird damit im Verhältnis zu den übergehenden Mitarbeitern so gestellt, als hätte er alle dem Arbeitsverhältnis/-vertrag zugrunde liegenden Willenserklärungen - einschließlich der Erklärung, ein bestimmtes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung zum Inhalt des Arbeitsvertrags zu machen - selbst gegenüber den übernommenen Mitarbeitern abgegeben (BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 208/17 - mit Hinweis auf BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 95/14).
5.24 Betriebsvereinbarung - 1
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A und Mitarbeiter M hatten 1992 in einer Zusatzvereinbarung zu ihrem 91er Arbeitsvertrag vereinbart: Die Vergütung beträgt "monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto." In einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag nahmen A und M im März 1993 auf eine zuvor geschlossene Betriebsvereinbarung aus Februar 1993 Bezug, die vorsah, dass "analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT vom 11. Januar 1961" gelten. A's Rechtsnachfolger kündigte 2001 die Betriebsvereinbarung. In der Folgezeit meinte M, ihm stünde jetzt eine Vergütung nach dem TVöD/VKA beziehungsweise dem TV-L zu.
Das BAG dazu: A und M haben seinerzeit arbeitsvertraglich eine Vergütung nach dem BAT beziehungsweise seinen nachfolgenden Tarifveträgen vereinbart. Diese Vereinbarung konnte durch die 93er Betriebsvereinbarung nicht abgeändert werden. "Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung unterlag die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelte". Eine individualvertraglich abgemachte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen kann zu Lasten des Arbeitnehmers nicht via Betriebsvereinbarung abgeändert werden (BAG, 11.04.2018 - 4 AZR 119/17 - Pressemitteilung).
5.25 Betriebsvereinbarung - 2
Arbeitsverträge dürfen durchaus betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet werden - was zu dem Ergebnis führt, dass arbeitsvertragliche Absprachen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen geändert werden können. Aber: "In einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag geregelte Arbeitsbedingungen sind schon dann nicht - konkludent - "betriebsvereinbarungsoffen" ausgestaltet, wenn und soweit die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbart haben, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen. Das ist bei einer einzelvertraglich vereinbarten - dynamischen - Verweisung auf einen Tarifvertrag stets der Fall" (BAG, 11.04.2018 - 4 AZR 119/17 - Leitsätze).
5.26 Betriebsverfassungsrechtliche Regelungen
Gem. § 1 TVG können zum Inhalt eines Tarifvertrags auch Rechtsnormen gehören, die betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln. Bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen - also Regelungen, die sich auf die Einrichtung und Organisation der Betriebsvertretung und deren Rechte und Befugnisse beziehen - genügt es schon, wenn nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Aber: "Durch eine vertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge werden betriebsverfassungsrechtliche Tarifregelungen nicht wirksam für das Arbeitsverhältnis vereinbart. Die Arbeitsvertragsparteien haben mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht die Kompetenz, betriebsverfassungsrechtliche Regelungen zu vereinbaren. Die Bezugnahmeabrede ist mangels Regelungskompetenz nach § 134 BGB insoweit nichtig. Die in der vertraglichen Vereinbarung enthaltene Verweisung auf die tariflichen Inhaltsnormen wird von der Teilnichtigkeit grundsätzlich nicht erfasst" (BAG, 20.01.2021 - 4 AZR 283/20 - Leitsätze).
5.27 Branchentarifvertrag
Im Arbeitsvertrag von Mitarbeiter M stand: "Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels und die Gesamtbetriebsvereinbarungen bzw. die Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung." Nach Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband schloss der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft ver.di einen "Zukunftstarifvertrag" als Firmentarifvertrag. Trotzdem gilt: "Nehmen Arbeitsvertragsparteien individualvertraglich auf die jeweils geltenden Tarifverträge einer bestimmten Branche Bezug, handelt es sich dabei in der Regel um eine zeitdynamische Bezugnahme auf die entsprechenden Flächentarifverträge, die Haustarifverträge eines einzelnen Arbeitgebers nicht erfasst" (BAG, 11.07.2018 - 4 AZR 533/17 - Leitsatz - mit dem Ergebnis, dass der Anspruch auf Zahlung von Entgeltdifferenzen begründet war).
5.28 Darlegungslast
Macht eine Partei im Prozess geltend, dass die arbeitsvertragliche Regelung günstiger als die tarifliche sei, trägt sie nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen für diesen Umstand die Darlegungslast. Ist die arbeitsvertragliche Regelung eine Bezugnahmeklausel, muss die Partei zunächst den Inhalt dieser Klausel darlegen. Doch damit nicht genug: Die Partei muss auch die in Bezug genommenen Tarifverträge konkret bezeichnen und deren Inhalt vortragen. Nur dadurch versetzt die Partei das Gericht in die Lage, den erforderlichen Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Die Arbeitsgerichte ermitteln den Inhalt von Tarifverträgen, die bloß arbeitsvertraglich in Bezug genommen worden sind, nicht selbst (s. dazu BAG, 25.10.2017 - 4 AZR 375/16 u. BAG, 08.07.2015 - 4 AZR 51/14). "Hingegen sind die unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge 'Normen', deren Inhalt nach § 293 ZPO [schon] von Amts wegen zu ermitteln ist" (BAG, 12.12.2018 - 4 AZR 123/18).
5.29 Dienstvereinbarung
§ 84 Abs. 1 Satz 1 SächsPersVG sagt: "Dienstvereinbarungen sind zulässig, soweit sie dieses Gesetz vorsieht." Das unterscheidet Dienst- von BetrVG-Betriebsvereinbarung, die keine Beschränkung dieser Art kennen. § 84 Abs. 1 Satz 1 SächsPersVG begrenzt den Abschluss von Betriebsvereinbarungen ausdrücklich auf die SächsPersVG-Mitbestimmungstatbestände, die den Abschluss von Dienstvereinbarung erlauben. Die Betriebspartner dürfen keine Dienstvereinbarung contra legem schließen. So fehlt ihnen die Regelungsbefugnis, eine Dienstvereinbarung abzuschließen, mit der für einen Betriebserwerber die Verpflichtung geschaffen werden soll, zukünftig in übergegangenen Arbeitsverhältnissen bestimmte Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden (BAG, 13.12.2017 - 4 AZR 202/15).
5.30 Einzel-/Gesamtbezugnahme
Nehmen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsvertrag insgesamt auf einen – einschlägigen (Anm. d. Verf.) – Tarifvertrag Bezug, der u.a. auch eine Ausschlussklausel enthält, wird die in diesem Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfristenregelung keiner AGB-Kontrolle mehr unterzogen. Die Verweisung im Arbeitsvertrag zielt hier nicht auf einzelne tarifliche Regelungen oder Teilkomplexe eines Tarifwerks, sondern auf den gesamten Tarifvertrag. Für die Gesamtheit aller Regelungen in diesem Tarifvertrag spricht dann die Vermutung, dass darin die divergierenden Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern angemessen ausgeglichen sind (s. dazu BAG, 21.05.2014 – 4 AZR 50/13). Das führt dazu, dass die vereinbarte Globalverweisung gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB privilegiert und eine AGB-Kontrolle danach ausgeschlossen ist (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19 – mit Hinweis auf BAG, 03.07.2019 – 10 AZR 300/18 u. BAG, 18.09.2012 – 9 AZR 1/11).
5.31 Einzelhandelstarif-Bezugnahme
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 12.11.1997 sieht vor: "Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages." Der Arbeitgeber wechselte per 01.11.2004 in eine OT-Mitgliedschaft. Im März 2005 schloss er mit seinem Arbeitnehmer eine Änderungsvereinbarung, die mit "Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen Ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter." überschrieben war und die Änderung von "bislang tarifvertraglich bestimmten Regelungen zu Arbeitszeit, Zuschlägen, Sonderzahlungen und Urlaub" betraf.
Das heißt für die Auslegung: Mit der Änderungsvereinbarung im März 2005 liegt eine Neuvereinbarung der 1997er Bezugnahmeklausel vor. In der 2005er Änderungsvereinbarung "wird einleitend ausdrücklich ausgeführt, dass der Arbeitsvertrag einvernehmlich 'wie folgt geändert wird' und '[d]ie dabei nicht genannten Regelungen [weiter] gelten […]'." Von der gewählten Formulierung werden alle entsprechenden Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erfasst - mit "Ausnahme der Regelungen zu Arbeitszeit, Zuschlägen, Sonderzahlungen und Urlaub." Dem Wortlaut der Änderungsvereinbarung zufolge ist "eine ausdrückliche Vereinbarung über eine weitere Geltung dieser Regelungen" getroffen worden (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 - mit dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer hier Anspruch auf den Differenzlohn zwischen tatsächlich gezahlter und tariflich zustehender Vergütung hatte).
5.32 Erfolgsbeteiligung
Der vereinfachte Fall: Der Arbeitsvertrag von Mitarbeiterin M enthielt in § 5 Nr. 3 die Klausel: "Darüber hinaus besteht, wenn und soweit dies nach dem jeweils anwendbaren Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung vorgesehen ist, ein Anspruch auf eine variable Erfolgsbeteiligung." Arbeitgeber A hatte mit der Gewerkschaft ver.di einen Entgelttarifvertrag geschlossen, der in § 7 detaillierte Regelungen über eine Erfolgsbeteiligung mit einem so genannten "Garantiebetrag" enthielt. A meinte, der per 28.02.2017 ausgeschiedenen M stünde in puncto Erfolgsbeteiligung u.a. deswegen kein Garantiebetrag zu, weil ihr Arbeitsverhältnis vor Ablauf des für das Geschäftsjahr 2016 maßgeblichen Stichtags - 31.03.2017 - endete.
Gem. § 5 Nr. 3 des Arbeitsvertrags lässt sich ein Anspruch auf eine variable Erfolgsbeteiligung bejahen, wenn und soweit dies nach dem "jeweils anwendbaren Tarifvertrag ..." vorgesehen ist. Diese Vertragsklausel ist dahin auszulegen, "dass der anwendbare Tarifvertrag derjenige ist, der in betrieblicher, örtlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht einschlägig" ist und der den Arbeitgeber bindet. Der arbeitsvertragliche Anspruch auf eine variable Erfolgsbeteiligung besteht nach § 5 Nr. 3 des Arbeitsvertrags nur dann, wenn der einschlägige Tarifvertrag diese Entgeltkomponente regelt - und das tut § 7 des Entgeltvertrags (BAG, 30.01.2019 - 10 AZR 406/18 - mit dem Ergebnis, dass M hier Anspruch auf den Garantiebetrag der tariflichen Erfolgsbeteiligung hatte).
5.33 Ergänzende Vertragsauslegung
Vom Arbeitgeber verwendete Bezugnahmeklauseln sind bisweilen unklar und/oder mehrdeutig. Das könnte dann der Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung sein. Nur: Diese setzt voraus, dass die zu beurteilende Vereinbarung "eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist." Das wiederum lässt sich nur bejahen, wenn die Vertragspartner "einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig hielten, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausgestellt hat." Planwidrig ist so eine Lücke allerdings bloß dann, "wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, wenn also ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist" (BAG, 28.04.2021 – 4 AZR 230/20 – mit Hinweis auf BAG, 20.01.2021 – 4 AZR 283/20; BAG, 06.07.2011 – 4 AZR 706/09 u. BAG, 19.05.2010 – 4 AZR 796/08).
5.34 Feststellungsantrag zur Anwendbarkeit
Bei Vergütungsrechtsstreitigkeiten entscheidet oft die Frage, ob ein bestimmter Tarifvertrag anwendbar ist und der Arbeitnehmer Entgeltansprüche nach diesem Tarifvertrag hat. Der Arbeitnehmer kann eine Leistungsklage mit einer bezifferten Forderung erheben oder - wenn die besonderen Voraussetzungen vorliegen - auch eine Feststellungsklage. Nur: "Bei einem Antrag auf Feststellung, dass ein bestimmter Tarifvertrag, ggf. in seiner jeweiligen Fassung, auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, muss sich die Identität des Tarifvertrags regelmäßig aus seiner Bezeichnung, den tarifschließenden Parteien und dem Abschlussdatum ergeben" (BAG, 25.01.2017 - 4 AZR 517/15 - Leitsatz).
5.35 Flächen- vs. Haustarifvertrag - 1
"1. Eine Bezugnahmeklausel, die auf konkret bezeichnete Flächentarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung verweist, kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht ergänzend dahingehend ausgelegt werden, sie erfasse auch später abgeschlossene Haustarifverträge. Es fehlt an der für eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. 2. Eine Partei, die geltend macht, vertraglich in Bezug genommene tarifliche Entgeltregelungen seien günstiger als die unmittelbar und zwingend geltenden Bestimmungen, muss nicht nur den Inhalt der Bezugnahmeklausel, sondern auch die in Bezug genommenen Entgeltregelungen darlegen, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, den erforderlichen Günstigkeitsvergleich für die maßgebende Sachgruppe vorzunehmen" (BAG, 12.12.2018 - 4 AZR 123/18 - Leitsätze).
5.36 Flächen- vs. Haustarifvertrag - 2
Der vereinfachte Fall: Der 2006er Arbeitsvertrag von Mitarbeiterin M sah in Ziffer 2. vor: "Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von EUR 779,23 brutto für 54,70 Std./monatlich = 16 % der tariflichen Monatsarbeitszeit. Im vorstehenden Betrag sind enthalten: nach Tarifgruppe GB 3 / St. 01.04.00 EUR ____ brutto". Und Ziffer 14. des Arbeitsvertrags enthielt u.a. die Regelung: "Im übrigen gelten die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel ... in ihrer jeweiligen Fassung." Arbeitgeber A und die Gewerkschaft ver.di vereinbarten 2016 einen "Zukunftstarifvertrag", der u.a. eine Aussetzung der tariflichen Lohnerhöhungen vorsah. A meinte, er brauche M keine Vergütung mehr nach dem Einzelhandelstarifvertrag zu zahlen und gab die tariflichen Lohnerhöhungen nicht weiter.
Der Arbeitsvertrag enthält keine Bezugnahme auf den "Zukunftstarifvertrag". Die Auslegung der Bezugnahmeklausel ergibt, dass der Einzelhandelstarifvertrag Anwendung findet - und das in seiner jeweiligen Fassung. Ziffer 2. des Arbeitsvertrags bezieht sich, "wie sich aus der ergänzenden Regelung in Nr. 14 des Arbeitsvertrags ergibt, auf die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel und damit auf den entsprechenden Flächentarifvertrag" (s. dazu BAG, 11.07.2018 - 4 AZR 533/17), also den Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel. "Eine solche Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt darf ein Arbeitnehmer redlicherweise dahingehend verstehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch sein, sondern solle sich entsprechend den Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern" (BAG, 12.12.2018 - 4 AZR 123/18 - mit Hinweis auf BAG, 25.01.2017 - 4 AZR 520/15 u. BAG, 08.07.2015 - 4 AZR 51/14).
5.37 Flächen- vs. Haustarifvertrag - 3
"Eine Bezugnahmeklausel, die - zeitdynamisch - auf konkret bezeichnete Flächentarifverträge verweist, mag im Falle des späteren Abschlusses eines Haustarifvertrags aus Sicht einer der Vertragsparteien als 'lückenhaft' empfunden werden". So eine "Regelungslücke" ist jedoch nicht planwidrig (mit der Folge, dass der Vertrag über eine ergänzende Vertragsauslegung anzupassen wäre). "Haustarifverträge im Allgemeinen und auch Sanierungstarifverträge im Speziellen sind" - wie auch in diesem Fall zum maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses - "nicht unüblich." Dass irgendwann im Arbeitsleben mal ein Bedürfnis zum Abschluss solcher Verträge entsteht, ist nicht unvorhersehbar. "Hätten die Parteien deren Anwendbarkeit sicherstellen wollen, wäre ihnen eine entsprechende Formulierung unbenommen gewesen" (BAG, 12.12.2018 - 4 AZR 123/18).
5.38 Formularklausel
Klauseln im Arbeitsvertrag, die dynamisch auf einschlägige Tarifverträge Bezug nehmen, sind keine überraschenden Klauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Sie verletzen auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht. "Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist" (s. dazu BAG, 23.07.2014 - 7 AZR 771/12 u. BAG, 24.09.2008 - 6 AZR 76/07). Bezugnahmeklauseln dieser Art entsprechen einer im Arbeitsleben üblichen Regelungstechnik. Sie dienen zukunftsgerichtet den Interessen beider Vertragsparteien. Insoweit genügt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG auch der bloße allgemeine Hinweis auf Tarifverträge (s. dazu BAG, 18.03.2015 - 7 AZR 272/13 u. BAG, 24.09.2008 - 6 AZR 76/07).
Selbst wenn sie dynamisch ausgestaltet ist, führt die Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerkes für sich genommen noch nicht zur Intransparenz der Vertragsklausel. Das im Transparenzgebot ausgeprägte Bestimmtheitsgebot will lediglich, "dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird." Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden und in Bezug genommenen tariflichen Regelungen müssen bestimmbar sein (s. dazu BAG, 18.03.2015 - 7 AZR 272/13; BAG, 23.07.2014 - 7 AZR 771/12 u. BAG, 24.09.2008 - 6 AZR 76/07). "Eine Regelung, die auf .. [einen] Tarifvertrag verweist, ist ... weder unverständlich noch unklar. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist von den Arbeitnehmern durch Einsicht in die Tarifverträge feststellbar" (BAG, 26.10.2016 - 7 AZR 140/15 - mit Hinweis auf BAG, 23.07.2014 - 7 AZR 771/12).
5.39 Geänderter Altvertrag
Verweist eine Bezugnahmeklausel auf bestimmte Tarifverträge "in der jeweils gültigen Fassung", ist das nach ständiger BAG-Rechtsprechung regelmäßig eine so genannte "kleine dynamische Verweisungsklausel". So eine Klausel erfasst dann - zumindest - auch die in Bezug genommenen änderndern Tarifverträge (s. dazu BAG, 22.02.2012 - 4 AZR 24/10 u. BAG, 06.07.2011 - 4 AZR 501/09). Von seiner früheren Rechtsprechung - nur eine "Gleichstellungsabrede" für Nichttarifgebundene - hat sich das BAG schon vor Jahren verabschiedet. Es wendet diese Rechtsprechung aus Vertrauensschutzgründen nur noch für Verträge an, die bis zum 31.12.2001 geschlossen wurden.
Aber: Für Altverträge gilt die frühere Rechtsprechung nicht, wenn diese Verträge nach dem 31.12.2001 geändert worden sind. Bei Auslegung geänderter Verträge kommt es entscheidend darauf an, "ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Nur wenn dies der Fall ist, wird die jeweilige Klausel von der Vertragsänderung erfasst" (s. dazu BAG, 08.07.2015 - 4 AZR 51/14 u. BAG, 24.02.2010 - 4 AZR 691/08). Für eine entsprechende Willensbildung der Parteien spricht, wenn sie "eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung" gemacht haben und sie "trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten." Das kann z.B. durch die ausdrückliche Erklärung geschehen: "Alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag bleiben unberührt" (s. dazu BAG, 30.07.2008 - 10 AZR 606/07). "Eine solche Regelung hindert die Annahme eines 'Altvertrags' und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes" (BAG, 07.12.2016 - 4 AZR 414/14 - mit Hinweis auf BAG, 18.11.2009 - 4 AZR 514/08 - bestätigt durch BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 151/15).
5.40 Gesetzliche Geltungsanordnung
§ 6c Abs. 3 Satz 3 SGB 2 sieht für den Personalübergang von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf so genannte Optionskommunen vor: "Vom Zeitpunkt des Übertritts an sind die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden." Diese gesetzliche Geltungsanordnung verdrängt sogar arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auf BA-Tarifverträge. Sind beim kommunalen Arbeitgeber TVöD/VKA anzuwenden, gelten diese Tarifverträge mit dem Übergang unabhängig von der vertraglichen Bezugnahme(BAG, 11.12.2019 - 4 AZR 310/16).
5.41 Gesetzlicher Personalübergang
Das Sozialgesetzbuch II regelt in § 6c SGB II den Übergang von Personal bei Zulassung weiterer kommunaler Träger und bei Beendigung der Trägerschaft. "Vom Zeitpunkt des Übertritts an", so § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II, "sind [dann] die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden." Das bedeutet trotz Bezugnahmeklausel: "§ 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II erstreckt im Fall eines gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse unabhängig von der Tarifgebundenheit dieser Beschäftigten. In deren Arbeitsverträgen enthaltene Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge der Bundesagentur für Arbeit werden kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung vollständig verdrängt" (BAG, 11.12.2019 - 4 AZR 310/16 - Leitsatz).
5.42 In der Regel: dynamisch
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrer Bezugnahmeklausel keine konkret nach Datum festgelegte Fassung des in Bezug genommen Tarifvertrags benannt, führt das nach ständiger BAG-Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass der Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung Anwendung finden soll (s. dazu u.a. BAG, 12.12.2012 - 4 AZR 65/11 u. BAG, 17.01.2006 - 9 AZR 41/05). Die Parteien brauchen keine ausdrückliche "Jeweiligkeits-Klausel" zu vereinbaren (s. dazu BAG, 20.04.2012 - 9 AZR 504/10). "Die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag oder einen Teil davon ist deshalb bei Fehlen anderer eindeutiger Hinweise, die für eine statische Bezugnahme sprechen, in der Regel dynamisch zu verstehen" (BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 443/15 - mit Hinweis auf BAG, 12.12.2012 - 4 AZR 65/11 u. BAG, 25.02.2015 - 5 AZR 481/13).
5.43 Inhalts- und zeitdynamische Verweisung
"Die Wirksamkeit einer inhalts- und zeitdynamischen Bezugnahmeklausel setzt voraus, dass die in Bezug genommenen Tarifnormen eindeutig bestimmbar sind. Dies ist bei der Bezugnahme auf mehrere Tarifwerke solange der Fall, wie diese den gleichen Inhalt haben. Entfällt die Bestimmbarkeit, weil zuvor übereinstimmende Tarifwerke verschiedener Gewerkschaften zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund nachfolgender tariflicher Vereinbarungen inhaltlich auseinanderfallen und lässt sich der Bezugnahmeklausel – ggf. auch im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung – keine Kollisionsregelung entnehmen, führt dies regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit der Verweisungsklausel, sondern lediglich zum Wegfall ihrer Dynamik" (BAG, 28.04.2021 – 4 AZR 229/20 – Leitsatz).
5.44 "In ihrer jeweiligen Fassung"
Verweist ein Anerkennungstarifvertrag auf andere Tarifverträge "in ihrer jeweiligen Fassung", stellt das in erster Linie nur klar, dass der Verweisungstarifvertrag automatisch Änderungen der Bezugsobjekte erfassen soll. Dazu bedarf es dann keiner nachfolgenden - neuen - Verweisungsanordnung. Durch die Bezugnahme wird allerdings nicht geregelt, wie die in Bezug genommenen Tarifnormen bis zum Abschluss neuer Tarifnormen gelten sollen, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag gekündigt wurde. "Die Verweisung kann zum einen dahingehend verstanden werden, dass das in Bezug genommene Tarifrecht jeweils zwingend gelten soll, bis es durch eine tarifliche Neuregelung ersetzt wird. Zum anderen kann sie sich auch auf den Geltungszustand erstrecken mit der Folge, dass die durch den Ablauf des in Bezug genommenen Tarifrechts eintretende Nachwirkung auf die dem Verweisungstarifvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisse durchschlägt" (BAG, 27.09.2017 - 4 AZR 630/15 - mit Hinweis auf BAG, 29.08.2007 - 4 AZR 561/06).
5.45 Jeweiligkeits-Klausel
Nachdem das BAG seine frühere Rechtsprechung zur dynamischen Verweisung geändert hat (s. o. Gliederungspunkt 4.), ist eine Klausel im Arbeitsvertrag, die nach ihrem Wortlaut einschränkungslos auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung verweist, regelmäßig dahingehend auszulegen, "dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung gelten soll und dass diese Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind" (s. dazu BAG, 05.07.2017 - 4 AZR 867/16 u. BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05). Lediglich auf Bezugnahmeklauseln, die vor Inkrafttreten der großen Schuldrechtsreform vereinbart worden sind, wird noch die alte Auslegungsregel angewendet (BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 739/15 - mit Hinweis auf BAG, 07.12.2016 - 4 AZR 414/14).
5.46 Kirchliche Regelungen - 1
Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen - z.B. die AVR - sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die - da ihnen in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen die normative Wirkung fehlt - nur über eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag Geltung entfalten (s. dazu BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 683/16; BAG, 20.11.2012 - 1 AZR 179/11 u. BAG, 22.02.2012 - 4 AZR 24/10). Über diese Bezugnahme kommen auch kirchliche Dienstvereinbarungen ins Spiel: "Die arbeitsvertragliche Verweisung auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen oder einen kirchlichen Tarifvertrag beinhaltet regelmäßig die Vereinbarung der Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und der auf dessen Grundlage abgeschlossenen Dienstvereinbarungen, wenn das in Bezug genommene Regelwerk von der Anwendbarkeit des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts ausgeht" (BAG, 22.03.2018 - 6 AZR 835/16 - Leitsatz).
5.47 Kirchliche Regelungen - 2
"1. Vollständig in Bezug genommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen unterliegen keiner Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2. Sehen kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Ausschlussfrist vor, ist dies als wesentliche Vertragsbedingung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG schriftlich niederzulegen. Der pauschale Verweis auf die Geltung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen reicht hierfür nicht aus" (BAG, 30.10.2019 - 6 AZR 465/18 - Leitsätze).
5.48 Kirchliche Regelungen - 3
Kirchliche Arbeitgeber schließen keine Tarifverträge. Sie gehen den so genannten Dritten Weg: bei ihnen erfolgt die Arbeitsrechtssetzung durch paritätisch besetzte arbeitsrechtliche Kommissionen. Ihre Arbeitsvertragsrichtlinien – AVR – sind Kollektivvereinbarungen besonderer Art (s. dazu BAG, 11.07.2019 – 6 AZR 40/17 – und BAG, 19.04.2012 – 6 AZR 677/10). Kollektivvereinbarungen, die keine normative Wirkung haben. Das weltliche Recht ordnet für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Wirkung an. Eine § 4 Abs. 1 TVG entsprechende Bestimmung gibt es für sie nicht (s. dazu BAG, 22.03.2018 – 6 AZR 835/16 – und BAG, 13.11.2002 – 4 AZR 73/01). "Mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen können kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen im Arbeitsverhältnis wirksam vereinbart werden" (BAG, 08.09.2021 – 10 AZR 322/19 – mit Hinweis auf BAG, 30.10.2019 – 6 AZR 465/18 – und BAG, 15.11.2018 – 6 AZR 240/17).
5.49 Nachwirkende Tarifverträge
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 15.09.2005 sah vor, dass sich „das Arbeitsverhältnis ... nach dem … (TVK) vom 01. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen (bestimmt)." In der Folgezeit ging es zwischen den Parteien um die Frage, ob ein am 22.06.2005 bereits gekündigter Tarifvertrag, der noch einen Ortszuschlag vorsah, auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden war.
Das BAG dazu: Auch bloß noch nachwirkende Tarifverträge können von Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich wirksam in Bezug genommen werden (s. dazu BAG, 18.09.2012 - 9 AZR 1/11; BAG, 09.05.2007 - 4 AZR 319/06; BAG, 20.09.2006 - 10 AZR 715/05 u. BAG, 29.01.1975 - 4 AZR 218/74). Dabei ist durch Auslegung der Bezugnahmeklausel zu ermitteln, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachwirkende Tarifverträge oder Tarifvertragsbestimmungen tatsächlich einbezogen haben (BAG, 09.05.2007 - 4 AZR 319/06). In dem entschiedenen Fall haben die Vertragspartner mit der Klausel "in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen" eine zeitdynamische Regelung getroffen. Somit gehören zum anwendbaren Tarifvertrag auch die nachwirkenden Tarifbestimmungen. Dieses Ergebnis entspricht der Regelung in § 4 Abs. 5 TVG, wonach die Rechtsnormen eines Tarifvertrags ja nach dessen Ablauf solange (weiter) "gelten", bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. "Inhaltlich beschränkt sich deren Geltung in diesem Zeitraum darauf, dass der Zustand der Tarifnormen bis zum Abschluss einer anderen Abmachung erhalten bleibt" (BAG, 30.01.2013 - 4 AZR 306/11 - mit Hinweis auf BAG, 10.03.2004 - 4 AZR 140/03).
5.50 Nahverkehrtarifvertrag - Bezugnahme
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 08./12.04.2002 sah vor: "Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe (BezTV-N RP) vom 08. Juni 2001 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden Betriebs- und Dienstvereinbarungen Anwendung." In der Folgezeit stritten die Parteien um die Arbeitszeit - 38,5 Stunden, wie vertraglich vereinbart, oder 39 Stunden, wie ein im Dezember 2008 von den Tarifpartnern geschlossener Überleitungstarifvertrag es ab dem 01.10.2009 vorsah.
Der Arbeitsvertrag enthält nach dem eindeutigen Klauselwortlaut eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel auf den BezTV-N RP. Die vollständige Anwendung dieses Tarifvertrags in der Vergangenheit stand zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch nicht in Streit. Zu einer anderen Auslegung der Bezugnahmeklausel in puncto Arbeitszeit käme man allenfalls, wenn sie Beschränkungen wie "im Übrigen" oder "soweit nicht in diesem Vertrag anderes vereinbart ist" enthielte. Die arbeitsvertragliche Regelung der Arbeitszeit mit 38,5 Stunden entsprach hier 1 : 1 der damaligen tariflichen Regelung. Auch die Gestaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen lässt die Annahme einer konstitutiven Regelung der Arbeitszeit mit 38,5 Stunden nicht zu (BAG, 10.07.2013, 10 AZR 898/11- mit dem Ergebnis, dass die Klage des Arbeitnehmer auf Feststellung einer 38,5-stündigen Arbeitszeit abgewiesen wurde).
5.51 Nur Vertragsrecht ...
Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht tarifgebunden, können Tarifverträge im Wege einzelvertraglicher Bezugnahme im Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Mit ihrer Bezugnahme-Vereinbarung schaffen die Parteien des Arbeitsvertrags jedoch keine Tarifgebundenheit i.S.d. TVG (s. dazu BAG, 22.10.2008 - 4 AZR 784/07 – unter ausdrücklicher Aufgabe seiner vorangehenden Senatsrechtsprechung). Ein Tarifvertrag, der von Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich in Bezug genommen wurde, gilt nur als Vertragsrecht. "Die Tarifnormen finden so Anwendung, als hätten die Parteien sie privatautonom vereinbart" (s. dazu BAG, 16.05.2018 - 4 AZR 209/15). So ist deutlich zu unterscheiden, ob der Tarifvertrag infolge echter Tarifgebundenheit oder bloß arbeitsvertraglich gilt. Dabei steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, ob er mit nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern überhaupt Bezugnahmeklauseln vereinbart. "Er ist nicht gehindert, untertarifliche Bedingungen zu verabreden" (BAG, 13.10.2021 - 4 AZR 403/20 – mit Hinweis auf BAG, 18.03.2009 - 4 AZR 64/08).
5.52 Posttarifvertrag - Bezugnahme
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 01.03.1991 sah vor: "Für das Arbeitsverhältnis gelten - der 'Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang)' und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost oder - der 'Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb)' und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV Ang oder dem des TV Arb ergibt sich in Anwendung des § 1 TV Ang bzw. des § 1 TV Arb aus der jeweils ausgeübten Tätigkeit."
Das heißt für die Auslegung: Die verwendete Bezugnahmeklausel ist eine so genannte Gleichstellungsabrede i.S.d. früheren BAG-Rechtsprechung. Sie bezieht sich "auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die Deutsche Bundespost, gebunden war (ausf. zu einer inhaltlich identischen Bezugnahme BAG, 06.07.2011 - 4 AZR 501/09)." Aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergibt sich die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zwar nicht unmittelbar, "sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung" (mit Hinweis auf BAG, 06.07.2011 - 4 AZR 706/09; BAG, 22.02.2012 - 4 AZR 579/10; BAG, 14.12.2011 - 4 AZR 179/10 u. BAG, 16.11.2011 - 4 AZR 822/09). Das führt hier zu dem Ergebnis: "Die Tarifverträge der DT AG finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme ... auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24. Juni 2007, dem Tag vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte, Anwendung" (BAG, 10.12.2014 - 4 AZR 991/12).
5.53 Rechtscharakter von "Bezugsnormen"
Tarifnormen, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen wird, sind rechtlich gesehen einzelvertragliche Abreden. Bei der inhaltlichen Bewertung sind normativ geltende und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel anwendbare Tarifnormen grundsätzlich streng voneinander zu unterscheiden (s. dazu BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 95/14; BAG, 17.06.2015 - 4 AZR 95/14 (A) u. BAG, 23.09.2009 - 4 AZR 331/08). "Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen" (s. dazu BAG 12.12.2018 - 4 AZR 123/18). Obwohl dieses Günstigkeitsprinzip im TVG nur unvollkommen geregelt ist, ist es doch "Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht" (BAG, 11.12.2019 - 4 AZR 310/16 - mit Hinweis auf BAG, 16.09.1986 - GS 1/82 u. BAG, 05.03.2013 - 1 AZR 417/12).
5.54 Sachgrundlose Befristung
Der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung und -förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vom 04.10.2005 enthielt die Regelung "Befristete oder zweckbestimmte Arbeitsverhältnisse sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, wobei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate und die zulässige Anzahl der Verlängerung auf bis zu sechs ausgedehnt wird. Die Verlängerung eines in dieser Form befristeten Arbeitsverhältnisses über zwei Jahre bedarf der Zustimmung des Betriebsrats." Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber G und Mitarbeiter M nahmen in ihrem Arbeitsvertrag auf diese Regelung Bezug.
Die Anzahl der Verlängerungen und/oder die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung kann gem. § 14 Abs. 3 TzBfG in Tarifverträgen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden. Das hatten die Tarifvertragsparteien in dem oben dargestellten Fall getan. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Tarifpartner haben mit ihren 48 Monaten und der bis zu 6-maligen Verlängerung ihre von § 14 Abs. 3 TzBfG eröffnete Regelungsbefugnis nicht überschritten. Und G und M? Sie haben eine wirksame tarifliche Regelung in ihrem Arbeitsvertrag wirksam in Bezug genommen und ihren befristeten Arbeitsvertrag im Rahmen der tariflichen Regelung gehalten. Und da es in G's Betrieb keinen Betriebsrat gab, konnte auch kein Betriebsrat zustimmen (BAG, 21.03.2018 - 7 AZR 428/16 - mit dem Ergebnis, dass M's Entfristungsklage gescheitert ist).
5.55 Stichtagsregelung
Der Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung kann in Tarifverträgen - auch wenn diese Sonderzahlung zum Teil Vergütung für geleistete Arbeit ist - vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums im Folgejahr abhängig gemacht werden (hier: 31.03.). Nehmen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsvertrag auf den entsprechenden Tarifvertrag in seiner Gesamtheit Bezug, findet keine AGB-Kontrolle der einbezogenen tariflichen Rückzahlungsklausel statt. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall bei vorzeitigem Ausscheiden verpflichtet, die Sonderzahlung zurückzuzahlen (BAG, 27.06.2018 - 10 AZR 290/17 - mit dem Hinweis, dass eine gleichlautende arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel nicht durch die AGB-Kontrolle käme).
5.56 Tarifliche Bezugnahmeklausel - 1
Es ist nicht gerade selten, dass ein betrieblicher Versorgungstarifvertrag auf einen anderen BAV-Tarifvertrag oder - wie in diesem Fall auf die Satzung der VBL - verweist. Dabei endet die dynamische Verweisung mit dem Tarifende und insoweit mit Beginn des Nachwirkungszeitraums. Es gibt keine Geltungslegitimation für die Einbeziehung nachlaufender Änderungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags. Die in § 4 Abs. 5 TVG geregelte Nachwirkung ist statisch (s. dazu BAG, 12.12.2007 - 4 AZR 996/06). "Ein Arbeitgeber ist an nach der Beendigung des Tarifvertrags und damit nach Eintritt der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG vereinbarte Änderungen des Tarifvertrags oder des dynamisch in Bezug genommenen Tarifvertrags nicht mehr gebunden, auch wenn diese Änderungen zurückwirken" (s. dazu BAG, 19.09.2007 - 4 AZR 711/06). Und das gilt "auch bei einer Verweisung auf die Satzungen der VBL, die ihrerseits auf tariflichen Regelungen beruhen" (BAG, 21.03.2017 - 3 AZR 86/16).
5.57 Tarifliche Bezugnahmeklausel - 2
Der für die hier vorgestellte Entscheidung maßgebliche Metall-Manteltarifvertrag enthielt die Regelung: "Ansprüche aus diesem Tarifvertrag setzen voraus, dass die Einführung des Tarifvertrags auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird." Danach folgte eine spezielle Bezugnahmeklausel, die in dem ebenfalls anzuwendenden Entgeltrahmentarifvertrag wortgleich wiederholt wurde. Was bedeutet das in einem Fall, in dem die Arbeitsvertragspartner von Rechts wegen ohnehin tarifgebunden waren? "Die Parteien eines Tarifvertrags können in diesem nicht wirksam vereinbaren, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Einführung des Tarifwerks durch eine Bezugnahmeklausel auch individualvertraglich nachvollziehen. Eine solche Bestimmung liegt außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien" (BAG, 13.05.2020 - 4 AZR 489/19 - Pressemitteilung).
5.58 Tarifwechselklausel
Der im November 2014 geschlossene Arbeitsvertrag von Arbeitnehmer N enthielt in § 2 folgende Klausel: "Neben den Regelungen dieses Vertrages und den gesondert bestehenden betrieblichen Regelungen (Betriebsvereinbarungen, Richtlinien, Regelungsabreden, Arbeitsanweisungen etc.), finden auf das Arbeitsverhältnis, unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers, die für die Gesellschaft jeweils geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind gegenwärtig die einschlägigen Flächentarifverträge der 'Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen' und der Haustarifvertrag vom 27.02.2004." Was bedeutet das für Entgeltansprüche aus dem nachfolgenden 2016er ERA-Entgeltankommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens?
Via Auslegung der Vertragsklausel komm man zu dem Ergebnis, dass die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, an die der Arbeitgeber normativ gebunden ist (s. dazu BAG, 21.11.2012 - 4 AZR 85/11 u. BAG, 11.12.2019 - 4 AZR 310/16). Der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats zufolge liegt hier ein "eine sog. große dynamische Bezugnahmeklausel" vor, "die auch als Tarifwechselklausel bezeichnet wird." So eine Klausel erfasst nicht bloß benannte und bestehende Tarifverträge, "sondern soll - vorsorglich - auch andere Tarifverträge in Bezug nehmen, an die der Arbeitgeber (zukünftig) gebunden ist" (dazu: BAG, 22.04.2009 - 4 ABR 14/08). So eine Klausel hält auch der AGB-Prüfung nach den §§ 305 ff. BGB stand (BAG, 13.05.2020 – 4 AZR 528/19 – mit Hinweis auf BAG, 21.11.2012 - 4 AZR 85/11).
5.59 Teilweise Bezugnahme
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen in einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht gleich einen ganzen Tarifvertrag oder ein gesamtes Tarifwerk in Bezug nehmen. Verweist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung dynamisch auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk, dient das zwar dem Zweck "die Anwendung der jeweiligen Tarifnormen im Arbeitsverhältnis herbeizuführen, beinhaltet jedoch nicht eine vertragliche Vereinbarung über eine umfassende Behandlung des Arbeitnehmers als Gewerkschaftsmitglied" (mit Hinweis auf BAG, 18.03.2009 - 4 AZR 64/08 u. BAG, 09.05.2007 - 4 AZR 275/06). "Der Auslegung einer vor dem 1. Januar 2002 arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel als sog. Gleichstellungsabrede i.S.d. früheren Rechtsprechung des Senats steht nicht entgegen, dass die Bezugnahme nicht ein ganzes Tarifwerk umfasst, sondern lediglich einen einzelnen Tarifvertrag oder Teile hiervon" (BAG, 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 Leitsatz).
5.60 TVöD-Bezugnahme
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 12.05.2006 sah vor: "Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Krankenhäuser und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, einschl. des TV zur Überleitung in den TVöD, in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung."
Das heißt für die Auslegung: Hier liegt keine Gleichstellungsabrede i.S.d. früheren BAG-Rechtsprechung vor. Das BAG hat diese Rechtsprechung lediglich für nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ab dem 01.01.2002 arbeitsvertraglich vereinbarte Bezugnahmeregelungen aufgegeben. Bloß aus Gründen des Vertrauensschutzes wendet er die alte Auslegungsregelung noch für Bezugnahmeklauseln an, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform bis einschließlich 31.12.2001 vereinbart worden sind (mit Hinweis auf BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04; BAG, 18.04.2007 - 4 AZR 652/05; bestätigt durch BVerfG, 26.03.2009 - 1 BvR 3564/08 u. BVerfG, 21.04.2009 - 1 BvR 784/09). "Der Umstand, dass der Senat seine geänderte Rechtsprechung erstmals im Jahr 2007 angewandt hat, gebietet bereits deshalb keinen weitergehenden Anspruch auf Vertrauensschutz, weil der Senat seine Rechtsprechungsänderung schon im Jahr 2005 angekündigt hatte" (BAG, 26.08.2015, 4 AZR 719/13 - mit Hinweis auf BAG, 14.12.2005 - 4 AZR 536/04).
5.61 TVöD/VKA vs. Haustarifvertrag
Der vereinfachte Fall: Der Arbeitsvertrag von Arbeitnehmer A enthielt die Klausel: "Ab dem 1. Juli 2007 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen (TVöD-B) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Der gekündigte Beihilfetarifvertrag findet keine Anwendung." Dann stritten A und Arbeitgeber G um die Differenz einer Jahressonderzahlung, die nach G's Auffassung durch einen betrieblichen "Anwendungstarifvertag" eingedampft worden sei.
Nach Auffassung des BAG haben die Vertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis allein den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes für den Bereich kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) unterstellt. Die Bezugnahme erstreckte sich somit ausschließlich auf die von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA vereinbarten (Verbands-)Tarifverträge. Das können auch betriebsbezogene Sanierungsverträge sein - nur: Sie müssten dann unter Beteiligung des kommunalen Arbeitgeberverbands abgeschlossen werden, nicht allein zwischen Arbeitgeber und der Gewerkschaft ver.di. Haustarifverträge werden von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst (s. dazu BAG, 26.08.2015 - 4 AZR 719/13 u. BAG, 16.05.2018 - 4 AZR 209/15). Sie sind arbeitgeberseitig nicht von den Tarifvertragsparteien TVöD/VKA vereinbart. Auch der Hinweis des Arbeitgebers, er könne als OT-Arbeitgeber gar keinen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag schließen, führt zu keiner anderen Beurteilung (BAG, 11.07.2018 - 4 AZR 370/17 - mit dem Ergebnis, dass der klagende Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch durchsetzen konnte).
5.62 Unwirksamer Tarifvertrag - 1
Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 22.10.2007 sah vor: "Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zur Zeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag)." Nachdem das BAG der CGZP die Tariffähigkeit mehrmals abgesprochen hat, greift die Bezugnahmeklausel wegen der Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge insgesamt ins Leere. "Die in Bezug genommenen Tarifverträge können auf arbeitsvertraglicher Ebene keine Wirkung entfalten" (BAG, 25.09.2013 - 5 AZR 815/12).
5.63 Unwirksamer Tarifvertrag - 2
In den meisten Fällen vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bezugnahme auf einen wirksamen Tarifvertrag. Es kann aber auch anders kommen. Und dann? "Die Arbeitsvertragsparteien können grundsätzlich auch unwirksame Tarifverträge in Bezug nehmen. Für eine Annahme, sie hätten den Tarifvertrag nur für den Fall seiner Wirksamkeit in Bezug nehmen wollen, müssen sich aus der Auslegung des Arbeitsvertrags besondere Anhaltspunkte ergeben" (BAG, 30.08.2017 - 4 AZR 443/15 - Leitsatz).
5.64 Verbindlicher Tarifvertrag
Der vereinfachte Fall: Im Arbeitsvertrag von Mitarbeiter M stand die Klausel: "Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel - soweit sie für H verbindlich sind - sowie etwaige Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung." Arbeitgeber A betreibt einen Duty-Free-Shop. Er ist nicht tarifgebunden. Nachdem er einige Tarifentgelterhöhungen des NRW-Einzelhandels nicht an M weitergegeben hatte, klagte der auf das Differenzentgelt.
Im Ergebnis ohne Erfolg: "Macht ein tarifgebundener Arbeitgeber in einer von ihm formulierten Bezugnahmeklausel die Anwendbarkeit tariflicher Bestimmungen ausdrücklich davon abhängig, dass diese für ihn 'verbindlich' sind, bringt er damit in der Regel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass mit der Klausel nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer mit Gewerkschaftsmitgliedern bezweckt wird" (BAG, 05.07.2017 - 4 AZR 867/16 - Leitsatz - "bedingte zeitdynamische Verweisung"). A war nach dem Verbandsaustritt seines Rechtsvorgängers nicht (mehr) Mitglied des Arbeitgeberverbandes und die Einzelhandelstarifverträge waren für ihn nicht (mehr) "verbindlich". Die vereinbarte auflösende Bedingung war eingetreten.
5.65 Verknüpfung mit Entgeltgruppe
Wenn der Arbeitgeber in seinen vorformulierten Arbeitsvertragsformularen das darin genannte Arbeitsentgelt mit einer konkreten tariflichen Entgeltgruppe verknüpft, bringt er damit als Klauselverwender zum Ausdruck, dass er seine Mitarbeiter entsprechend den einschlägigen tariflichen Entgeltbestimmungen vergütet. "Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Zuordnung zu einer tariflichen Vergütungsgruppe redlicherweise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des genannten Gehaltstarifvertrags entwickeln" (s. dazu BAG, 13.05.2015 - 4 AZR 244/14). Eine pauschale Bezugnahme ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags kann in der Regel nur als dynamisch verstanden werden. Von dieser Auslegungsregel kann nur abgewichen werden, wenn es eindeutige Hinweise für eine statische Bezugnahme gibt (BAG, 11.04.2018 - 4 AZR 265/17 - mit Hinweis auf BAG, 07.12.2016 - 4 AZR 414/14 u. BAG, 25.02.2015 - 5 AZR 481/13).
5.66 Vertragsauslegung
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A und Arbeitnehmerin N schlossen 1995 einen Arbeitsvertrag mit folgender Klausel: "Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages." Seit November 2004 ist A OT-Mitglied seines Arbeitgeberverbandes. Im März 2005 schlossen er mit N eine "Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages" mit neuen Absprachen zu Arbeitszeit, Zuschlägen, Sonderzahlungen und Urlaub". In der Einleitung der Änderungsvereinbarung hieß es: "Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter." Der zuletzt gültige Lohntarifvertrag endete zum 31.03.2005 - danach gab A die tariflichen Lohnerhöhungen nicht mehr an N weiter (zahlte aber eine monatliche Ausgleichszahlung von 50,00 EUR).
Das BAG hat die 2005er "Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages" nicht als Neuvertrag i.S. seiner aktuellen Rechtsprechung angesehen (s. dazu BAG, 24.02.2010 - 4 AZR 691/08 u. BAG, 18.11.2009 - 4 AZR 514/08) und N's Ansprüche auf Differenzlohn bestätigt. Die Änderungsvereinbarung erstreckt sich ausschließlich auf die darin genannten Punkte. Die Regelung im Einleitungssatz der Vereinbarung hat nicht nur deklaratorische Wirkung. Wenn dem Inhalt eines Vertrags keine rechtsgeschäftliche Wirkung zukommen soll, muss das im Vertrag deutlich gemacht werden (s. dazu BAG, 21.08.2013 - 4 AZR 656/11). Der von A verwendete Wortlaut spricht gerade "für eine ausdrückliche Vereinbarung über eine weitere Geltung dieser [dabei nicht genannten] Regelungen". Auch der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft führt zu keinem anderen Ergebnis (BAG, 27.03.2018 - 4 AZR 151/15).
5.67 Verzichtserklärung
"Verzichtet ein nicht tarifgebundener Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber vorformulierten Erklärung auf Rechte aus einem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrag, ist dem Gebot der Abschlusstransparenz als Teilausprägung des Transparenzgebots nur dann genügt, wenn die Erklärung erkennen lässt, dass von den tariflichen Regelungen abgewichen werden soll" (BAG, 15.12.2016 - 6 AZR 478/15 - Leitsatz).
5.68 Weitergabe von Entgelterhöhungen
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A hatte mit Gewerkschaft G im Januar 2006 einen Haustarifvertrag geschlossen, der in vielen Punkten auf den TVöD Bezug nahm. Für die Jahre 2006 und 2007 war in dem Haustarifvertrag ein vom TVöD-Tabellenentgelt abweichendes Bemessungsentgelt festgelegt: zunächst 94 % des TVöD-Tabellenentgelts, ab 01.07.2006 dann 95,5 % und ab dem 01.07.2007 97 %. Im Zeitraum 2008 bis 2013 gab A die im TVöD vereinbarten Entgelterhöhungen an Mitarbeiterin M weiter, weil er sich irrtümlich dazu verpflichtet sah. M meinte, sie habe nun Anspruch auf weitere Lohnerhöhungen. Im Haustarifvertrag sei eine dynamische Bezugnahme geregelt.
Das vereinfachte Ergebnis: Das Bundesarbeitsgericht hat das von M erstrittene Berufungsurteil aufgehoben. Es sah keine Anspruchsgrundlage für M’s Forderung. Zum einen war ihre Berufungsbegründung in einigen Teile unzureichend und das Rechtsmittel insoweit schon unzulässig. Zum anderen konnte hier in der vorbehaltlosen Weitergabe von Entgelterhöhungen keine betriebliche Übung gesehen werden. A hat nicht mit Verpflichtungswillen gehandelt, sondern irrtümlich geglaubt, durch den Haustarifvertrag zur Weitergabe der Entgelterhöhungen verpflichtet zu sein. "Voraussetzung für die Begründung einer betrieblichen Übung wäre jedoch, dass die Bekl. in positiver Kenntnis einer anderweitig fehlenden Verpflichtung gezahlt hätte" (BAG, 19.02.2020 – 5 AZR 189/18).