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BAG, 13.12.1978 - GS 1/77 - Interessenausgleich; Sozialplan; Nachteilsausgleich; Betriebsänderungen; Geltung im Konkurs; Abfindung; Verlust des Arbeitsplatzes; Bevorrechtigte Konkursforderungen; Konkurseröffnung; Nachteilsausgleich
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 13.12.1978, Az.: GS 1/77
Interessenausgleich; Sozialplan; Nachteilsausgleich; Betriebsänderungen; Geltung im Konkurs; Abfindung; Verlust des Arbeitsplatzes; Bevorrechtigte Konkursforderungen; Konkurseröffnung; Nachteilsausgleich
Verfahrensgang:
nachgehend:
BVerfG - 19.10.1983 - AZ: 2 BvR 485/80
Rechtsgrundlagen:
§ 111 BetrVG 1972
§ 113 BetrVG 1972
§ 76 Abs. 5 BetrVG 1972
§ 3 KO
§ 6 KO
§ 22 KO
§ 26 KO
§ 59 KO
§ 60 KO
§ 61 KO
§ 87 KO
§ 107 KO
§ 117 KO
§ 129 KO
§ 132 KO
§ 133 KO
§ 138 ff. KO
§ 170 KO
§ 204 KO
Fundstellen:
BAGE 31, 177
BAGE 31, 176 - 211
DB 1979, 261-268 (Volltext mit amtl. LS)
JZ 1979, 192-199
MDR 1979, 345-347 (Volltext mit amtl. LS)
NJW 1979, 774-782 (Volltext mit amtl. LS)
BAG, 13.12.1978 - GS 1/77
Amtlicher Leitsatz:
- 1.
Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch im Konkurs des Unternehmers.
- 2.
- a)
Ansprüche aus einem Sozialplan auf Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sind bevorrechtigte Konkursforderungen im Sinne des § 61 KO.
- b)
Sie haben Rang vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO.
- c)
Es kommt nicht darauf an, ob die Betriebsänderung vor oder nach der Konkurseröffnung stattgefunden hat, auch nicht darauf, ob der Sozialplan vor oder nach der Konkurseröffnung zustande gekommen ist.
- 3.
Dies gilt auch für den Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 BetrVG.
In der Sache
hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 1978
durch
den Präsidenten Professor Dr. Müller,
den Vizepräsidenten Professor Dr. Stumpf,
die Vorsitzende Richterin Professorin Dr. Hilger,
den Vorsitzenden Richter Professor Dr. Auffarth,
die Richter am Bundesarbeitsgericht Siara und Hillebrecht und
die ehrenamtlichen Richter Gröbing, Kehrmann, Mager und Dr. Osswald
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch im Konkurs des-Unternehmers.
- 2.
- a)
Ansprüche aus einem Sozialplan auf Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sind bevorrechtigte Konkursforderungen im Sinne des § 61 KO.
- b)
Sie haben Rang vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO.
- c)
Es kommt nicht darauf an, ob die Betriebsänderung vor oder nach der Konkurseröffnung stattgefunden hat, auch nicht darauf, ob der Sozialplan vor oder nach der Konkurseröffnung zustande gekommen ist.
- 3.
Dies gilt auch für den Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 BetrVG.
Gründe
1
Tatbestandlicher Teil
2
A
Dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts liegen mehrere Revisionsverfahren vor, in denen über die konkursrechtliche Einordnung der durch einen Sozialplan gemäß § 112 BetrVG 1972 begründeten oder aus § 113 Abs. 3 BetrVG 1972 abgeleiteten Abfindungsansprüche zu befinden ist. Hierzu gehören die folgenden Revisionsverfahren:
3
1.
In der Sache 5 AZR 96/76 - Rechtsanwalt Dr. Sch. ./. H. - ist am 9. September 1974 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, der Firma S. in S., eröffnet worden. Konkursverwalter ist der Beklagte. In dem Werk G. der Gemeinschuldnerin, in dem bis zur Konkurseröffnung voll gearbeitet wurde, war seit 35 Jahren der Kläger beschäftigt. Eine Weiterführung des Unternehmens war nach der Konkurseröffnung nicht mehr möglich. Der Beklagte legte daher den Betrieb still und kündigte am 11. September 1974 den Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin, darunter dem Kläger; dabei teilte er mit, daß bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist der Gehaltsanspruch bestehe.
4
Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Beklagten über die Aufstellung eines Sozialplanes blieben erfolglos. Die vom Betriebsrat angerufene Einigungsstelle beschloß am 9. Dezember 1974 den folgenden Sozialplan gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG 1972:
"1)
Zur Milderung vor sozialen Härten, infolge der Konkurseröffnung bei der Fa. S. GmbH, mit den Werken in S. und G., die sich aus den Entlassungen von Arbeitnehmern nach der Konkurseröffnung vom 9.9.74 ergeben, werden folgende Mittel aus dem Sozialplan zur Verfügung gestellt: DM 600.000,-.2)
Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialplan hat, wer am Tage der Konkurseröffnung sich bei der Fa. S. in ungekündigter Stellung befunden hat und am 1.10.74 mindestens 2 Jahre der Firma angehört hatte.3)
...4)
...5)
...6)
...7)
Alle nach dieser Vereinbarung (Sozialplan fällig werdenden Abfindungszahlungen sind lohnsteuer- und sozialversicherungsabgabenfrei und sind ein Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in der Fa. S..8)
...9)
Diese Vereinbarung gilt für alle vom Konkursverwalter bereits veranlaßten oder noch zu veranlassenden betriebsbedingten Personalmaßnahmen.10)
Sollte sich nach Befriedigung sämtlicher Konkursforderungen ein Überschuß ergeben, so ist der Sozialplan um diesen Betrag aufzustocken.Tabelle und Anhang zum Sozialplan der Firma S.
a) Arbeitnehmer mit einem Lebensalter ab 35 - 39 - 1 Grundbetrag " 40 - 43 - 2 Grundbeträge " 44 - 48 - 3 " " 49 - 53 - 4 " " 54 - 58 - 6 " " 59 - 62 - 7 " " 63 - 3 b) Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit ab 2 - 4 Jahren - 1 Grundbetrag " 5 - 9 " - 2 Grundbeträge " 10 - 14 " - 3 " " 15 - 19 " - 4 " " 20 - 24 " - 5 " " 25 - 29 " - 6 " " 30 - 34 " - 7 " " 35 - 39 " - 8 " " 40 " - 9 " 1 Grundbetrag = DM 485,- Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen werden die Grundbeträge nach Buchstaben a) und b) dieser Tabelle nebeneinander gewährt."
5
Der vorstehende Beschluß der Einigungsstelle ist von keiner Seite im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren angefochten worden.
6
Für den 59 Jahre alten Kläger errechnet sich nach dem Sozialplan eine Abfindung von 6.305,- DM. Diesen Betrag macht er in einem zugleich für seine Arbeitskollegen geführten Musterprozeß mit dem Antrag geltend, festzustellen, daß sein Anspruch aus dem Sozialplan gemäß dem Spruch der Einigungsstelle vom 9. Dezember 1974 eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO sei.
7
Der Beklagte Konkursverwalter hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Er hält die Sozialplanforderung des Klägers nicht für eine Masseschuld, sondern nur für eine nicht bevorrechtigte Konkursforderung, die der Kläger nach den §§ 138 ff. KO im Konkursverfahren anmelden müsse.
9
Beide Vorinstanzen haben dem Klagebegehren entsprochen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
10
2.
In dem Verfahren 5 AZR 743/75 - Rechtsanwalt B. ./. K. - wurde am 13. November 1974 über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers, der Firma W. G. Bauunternehmung GmbH & Co. KG, K., das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Konkursverwalter ist der Beklagte.
11
Der Betrieb der Gemeinschuldnerin wurde im Zusammenhang mit ihrem wirtschaftlichen Zusammenbruch stillgelegt. Es ist streitig, ob bereits die Gemeinschuldnerin den Betrieb stillgelegt hat oder ob dies erst durch den beklagten Konkursverwalter geschehen ist.
12
Am 19. Februar 1975 hat die vom Betriebsrat angerufene Einigungsstelle den folgenden Sozialplan beschlossen:
"Die Einigungsstelle einigt sich über den folgenden Sozialplan und zwar für die Betriebsangehörigen der Firma W. G., Bauunternehmen, und der Fa. G. Verwaltungs GmbH, wobei darüber Einigkeit besteht, daß für die Betriebsangehörigen der G. Verwaltungs GmbH auch von der Fa. W. G., Bauunternehmen, diese Ansprüche zu erfüllen sind. Es wird ein Höchstbetrag von 380.000,- DM verteilt und zwar nach folgenden Gesichtspunkten:
Anspruchsberechtigt sind die Beschäftigten, die nach dem 29.19.1974 25 Jahre alt waren und zu späteren Terminen infolge gesetzlicher oder einzelner tariflicher Bestimmungen ausschieden und zum Entlassungstermin mindestens 5 Jahre dem Betrieb angehörten, soweit sie zu diesen Zeitpunkt noch nicht 50 Jahre alt waren.
Waren sie bereits 50 Jahre alt, bedarf es nur einer Betriebsangehörigkeit von 3 Jahren. Sämtliche Ansprüche kommen in Fortfall, wenn die oder der Anspruchsberechtigte fristlos aus wichtigem Grunde entlassen wird.
Die Zahlungen aus der Sozialplan bestehen aus:
1.
einem Grundbetrag (Sockelbetrag),2.
einem Zuschlag für Betriebszugehörigkeit,3.
einem Zuschlag auf Grund des Lebensalters,4.
einem Kinderzuschlag.
1.) Grundbetrag: Für alle Beschäftigten, die am 29.10.1974 25 Jahre alt waren und dem Betrieb mindestens 5 Jahre angehörten, soweit sie über 50 Jahre alt waren, mindestens 3 Jahre dem Betrieb angehörten 500,- DM 2.) Zuschlag für Betriebszugehörigkeit ab 6. Beschäftigungsjahr pro volles Beschäftigungsjahr 100,- DM 3.) Zuschlag auf Grund Lebensalters: 35-44 Jahre 250,- DM 45-54 Jahre 500,- DM 55-59 Jahre 750,- DM ab 60 Jahre 1.000,- DM Stichtag für die Berechnung der Jahre ist der Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. 4.) Kinderzuschlag für jedes auf der Steuerkarte 1974 eingetragene Kind 100,- DM Alle Zahlungen sind als Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach dem Kündigungsschutzgesetz zu zahlen."
13
Dem im Jahre 1928 geborenen Kläger, der von 1959 bis zum 31. Januar 1975 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt war, steht nach dem Sozialplan ein Abfindungsanspruch in Höhe von 2.300,- DM zu. Im vorliegenden Verfahren verlangt er vom Beklagten die Zahlung dieses Betrages als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Der Beklagte, der den Spruch der Einigungsstelle nicht angefochten hat, hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Er hält den Abfindungsanspruch des Klägers nur für eine nicht bevorrechtigte Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO.
15
Beide Vorinstanzen haben dem Klagebegehren entsprochen. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts sind Abfindungsansprüche aus Sozialplänen auch dann Masseschulden gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, wenn der Betrieb schon vor der Konkurseröffnung stillgelegt worden ist. Es reicht nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts dafür aus, daß der Sozialplan nach Konkurseröffnung zustande gekommen ist. In einer Hilfsbegründung hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei erst nach der Konkurseröffnung im Sinne des § 111 Nr. 1 BetrVG 1972 stillgelegt worden. Auch auf der Grundlage dieser Annahme hat es den Abfindungsanspruch des Klägers als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO bewertet.
16
Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
17
3.
Der Kläger M. des dritten Verfahrens-Rechtsanwalt H. ./. M. - (5 AZR 94/77) war bis zum 2. Februar 1975 bei der Firma B. in K. als Arbeitnehmer beschäftigt. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 24. Januar 1975 das Konkursverfahren eröffnet. Konkursverwalter ist der Beklagte.
18
Der Beklagte legte den Betrieb still und entließ den Kläger im Zuge der Stillegung am 2. Februar 1975 fristlos. Die Entlassung wurde später im Wege eines gerichtlichen Vergleichs in eine fristgerechte Kündigung zum 31. März 1975 umgewandelt. Einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat hat der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung und vor der Betriebsschließung nicht versucht.
19
Der Kläger verlangt eine Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG 1972 in Höhe von 16.616,- DM netto, die der Beklagte seiner Ansicht nach als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO zu zahlen hat. Der Abfindungsbetrag ist auf der Grundlage einer 19-Jährigen Betriebszugehörigkeit und eines halben Monatseinkommens je Beschäftigungsjahr errechnet.
20
Der Beklagte hält die Klage für nicht begründet. Seiner Ansicht nach hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht im Falle der Betriebsstillegung durch einen Konkursverwalter. Er ist allenfalls bereit, den Abfindungsanspruch als gewöhnliche Konkursforderung anzuerkennen.
21
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.
22
Das Landesarbeitsgericht ist der Ansicht, der Konkursverwalter habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach den §§ 111 bis 113 BetrVG 1972 zu beachten und daher vor der Stillegung des Konkursbetriebes einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen. Es bewertet alle Tätigkeiten und Unterlassungen des Konkursverwalters innerhalb des Pflichtenkreises der §§ 111, 112 BetrVG 1972 als "Handlungen" i.S. des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO und reiht demgemäß den Anspruch des Klägers aus § 113 Abs. 3 BetrVG 1972 in den Kreis der Masseschulden nach der letzteren Vorschrift ein.
23
B
1.
Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluß vom 25. Mai 1977 für die Entscheidung der Verfahren unter A 1 und 2 folgende Fragen dem Großen Senat vorgelegt:
"1. a)
Gilt die Regelung des § 112 BetrVG 1972 über den Sozialplan, soweit darin Abfindungen als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorgesehen sind, auch im Konkurs des Arbeitgebers?b)
Falls diese Frage verneint wird: Sind dennoch zustande gekommene Sozialpläne wirksam?2.
Falls die, Sozialpläne nach § 112 BetrVG 1972 auch im Konkurs des Arbeitgebers Abfindungen vorsehen können, die den Verlust des Arbeitsplatzes auszugleichen bestimmt sind:a)
Sind derartige Abfindungsansprüche, die nach Konkurseröffnung in einem zwischen dem Konkursverwalter und dem Betriebsrat gemäß § 112 BetrVG 1972 zustande gekommenen Sozialplan begründet worden sind, dann Masseschulden nach § 59 Abs. 1 KO, wenn der Konkursverwalter den Betrieb im Sinne des § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG 1972 stillgelegt hat?b)
Falls die Frage zu 2 a) bejaht wird:Sind die Abfindungsansprüche auch dann Masseschulden nach § 59 Abs. 1 KO, wenn bereits der Gemeinschuldner den Betrieb stillgelegt hatte, der Sozialplan jedoch erst nach Konkurseröffnung zustande gekommen ist?
c)
Falls die Fragen zu 2 a) und 2 b) verneint werden:Sind die Abfindungsansprüche bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO?"
24
2.
Für die Entscheidung des Verfahrens unter I A 3 hat der Fünfte Senat mit Beschluß vom 20. Juli 1977 folgende Fragen dem Großen Senat vorgelegt:
"1.
Gilt die Regelung der §§ 111, 112 Abs. 1 bis 3 BetrVG 1972 über den Interessenausgleich im Fall einer Betriebsstillegung auch im Konkurs des Arbeitgebers?2.
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes nach § 113 Abs. 3 i.Verb, mit § 113 Abs. 1 BetrVG 1972, wenn der Konkursverwalter den Betrieb stillgelegt hat, ohne einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben?3.
Falls die Frage zu 2) bejaht wird: Ist ein solcher Anspruch Masseschuld nach § 59 Abs. 1 KO?4.
Falls die Frage zu 3) verneint wird: Ist der Abfindungsanspruch bevorrechtigte Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO?"
25
C
Der Große Senat hat die Verfahren in beiden Vorlagesachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
26
D
In der öffentlichen Sitzung vom 23. Mai 1978 hat der Große Senat die Parteien aller drei Ausgangsverfahren mündlich angehört.
27
Erwägungen des Großen Senats
28
Teil I Zulässigkeit der Anrufung
29
Der Fünfte Senat hat die Anrufung des Großer Senats mit der grundsätzlichen Bedeutung aller vorgelegten Fragen nach § 45 Abs. 2 ArbGG begründet. Der Große Senat hat seine Zuständigkeit geprüft und bejaht sie in Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung (BAG 23, 292 [299] = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Teil II A mit weiteren Nachweisen).
30
Teil II Geltung der §§ 111 bis 113 BetrVG im Konkurs des Arbeitgebers
31
Die §§ 111 bis 113 BetrVG sind auch im Konkurs des Arbeitgebers (Unternehmers) anzuwenden.
32
A
Entwicklung des Problems
33
1.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 17. September 1974 (AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlicher Sammlung bestimmt), die an seine Entscheidung zum früheren Recht (BAG 23, 62 [72] = AP Nr. 8 zu § 72 BetrVG) anschließt, die Geltung der genannten Bestimmungen der §§ 111 bis 113 BetrVG auch im Konkurs des Arbeitgebers bejaht.
34
Die Instanzrechtsprechung ist dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts weitgehend gefolgt oder hatte sich schon vorher auf denselben Standpunkt gestellt (LAG Hamm AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 und EzA Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972; Arbeitsgericht Arnsberg, BB 1973, 1306; LAG Düsseldorf, DB 1976, 2072).
35
2.
Auch die Literatur zum Betriebsverfassungsgesetz und zur Konkursordnung hat sich großenteils dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen (Ammermüller, DB Beil. 10/1975, S. 9 Fußn. 61; Böhle-Stamschräder, Konkursordnung, 12. Aufl., § 6 Anm. 15 c, § 59 Anm. 1 b; Brill, AR-Blattei, Konkurs, IV B II; Bürger-Oehmann-Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts für die tägliche Praxis, 3. Aufl., Konkurs, S. 13; Dietz-Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., § 111 Anm. 57, § 112 Anm. 39; Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 25 ff.; Erdmann-Jürging-Kammann, Betriebsverfassungsgesetz, § 111 RdNr. 14; Fabricius, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 111 RdNr. 48 ff.; Fitting-Auffarth-Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl., § 111 Anm. 26 a, § 112 Anm. 15 a; Galperin-Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., § 111 Anm. 17; Gamillscheg, Festschrift Bosch, 1976, S. 209 [217]; Gnade-Kehrmann-Schneider, BetrVG, § 113 Anm. 9; Hanau, ZfA 1974, 112 ff.; Heinze, DB 1974, 1814 ff. und ArbuR 1976, 33 ff., 41; Körnig, DB 1975, 1411 ff., 1459 ff.; Mentzel-Kuhn, Konkursordnung, 8. Aufl., § 59 RdNr. 2 e; Richardi, Sozialplan und Konkurs 1975, S. 36 ff.; derselbe DB 1976, Beilage 6, S. 3 ff.; derselbe Anm. zu AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 9 ff.; Rose, Mitbestimmungsgespräch 1975, 84 ff.; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 1972, S. 61; Schils, KTS 1976, 267; weitere Nachweise bei Martin Schlüter: "Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG", S. 91 ff.; von Stebut, DB 1975, Beilage 9, S. 4; Stege-Weinspach, BetrVG, 3. Aufl., 4.4415, S. 553; Teubner, BB 1974, 982 (988) [BAG 14.03.1974 - 2 AZR 90/73]; Uhlenbruck, BB 1973, 1360 ff., 1362 [BAG 05.04.1973 - 5 AZR 574/72]; derselbe KTS 1973, 81 und DB 1974, 628; Weller, BB 1977, 599 ff.; Zeuner, JZ 1976, 1 ff., 7; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 353).
36
Von denjenigen, die näher das Problem behandeln, sind insbesondere zu erwähnen Richardi. (Beilage Nr. 6/76 zu DB), Zeuner (JZ 1976, 5) und Uhlenbruck (KTS 1973, 81 ff., 84 f.). Richardi führt u.a. aus, die gesetzliche Regelung der §§ 111 ff. BetrVG sei so gestaltet, daß bei jeder Betriebsänderung die Aufstellung eines Sozialplanes erzwungen werden könne, ohne Rücksicht auf den Grund der Betriebsänderung. Eine teleologische Reduktion des § 112 BetrVG sei angesichts der Gesetzesmaterialien nicht angebracht. Der Gesetzeszweck der Entschädigung des Arbeitnehmers für den Verlust des Arbeitsplatzes schließe es aus, die Aufstellung eines Sozialplanes als "konkurswidrig" anzusehen. Zeuner weist daraud hin, daß die Vorschriften des § 117 KO über die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis des Konkursverwalters dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen gemäß betriebsverfassungsgesetzlichen Bestimmungen kein Ende setzen. Schließlich meint Uhlenbruck, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe bei allen Betriebsänderungen, unabhängig von deren Ursachen. Es sei auch unerheblich, wer den Konkursantrag stelle.
37
3.
Die Auffassung des Ersten Senats wird im Schrifttum jedoch auch abgelehnt. Gegen die Aufstellung von Sozialplänen mit Abfindungsansprüchen im Konkursfall - ebenso gegen die Anerkennung von Ansprüchen aus § 113 Abs. 3 BetrVG - wendet sich grundsätzlich Berges in Festschrift für Friedrich Weber, 1975, 57 ff., 59, 73. Er spricht sich bereits dagegen aus, daß ein Interessenausgleich anzustreben sei. Berges führt aus, der Abschluß eines Sozialplanes im Konkurs scheitere daran, daß der Mitbestimmungstatbestand in § 111 BetrVG die Fortführung des Unternehmens voraussetze, die Betriebsänderung also im Dienst einer unternehmerischen Zielsetzung stehen müsse; daran fehle es im Konkursfalle. Außerdem sei die Vereinbarung eines Sozialplanes mit Abfindungen mit dem Konkurszweck nicht vereinbar; die Rechtsmacht des Korkursverwalters sei im Interesse der Konkursgläubiger durch der Konkurszweck begrenzt. Denselben Standpunkt vertreten Ritze, BB 1976, 325 ff., und H.J. Müller, KTS 1974, 69 ff.
38
Am umfassendsten und alle Argumente aufgreifend wird der Gegenstandpunkt von Beuthien vertreten (RdA 1976, 147 ff.). In seinen Kernpunkten soll er hier wie folgt kurz wiedergegeben werden:
39
a)
Interessenausgleich und Sozialplan setzen eine Betriebsänderung voraus, die aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung getroffen werde, die eine Wahlmöglichkeit voraussetze. Die Stellung eines Konkursantrags sei nicht beteiligungspflichtig. Der Konkursverwalter habe gemäß § 117 KO zu verfahren. Der Unternehmenszweck schlage von einem wirtschaftlich werbenden in einen wirtschaftlich verwertenden um. Die §§ 111 bis 113 BetrVG seien betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften ohne konkursrechtlichen Aussagewert. Im Konkurs gehe es nicht um eine Rationalisierung des Unternehmens, sondern um dessen Liquidierung.
40
b)
Über die endgültige Schließung des Betriebes entscheide in jedem Fall die Gläubigerversammlung nach §§ 129 Abs. 2, 132 Abs. 1 KO in alleiniger Zuständigkeit als konkursrechtliches Selbstverwaltungsorgan mit originären Rechten. Arbeitgeberfunktionen nähme die Gläubigerversammlung nicht wahr.
41
c)
Die Kompetenzverteilung zwischen Konkursverwalter und Gläubigerversammlung (§§ 129, 132 Abs. 1 KO) sei durch die §§ 111 ff. BetrVG nicht geändert worden. Diese Vorschriften regelten nicht den Gläubigerkonflikt im Konkurs.
42
d)
Angesichts des Genehmigungskatalogs von Maßnahmen des Konkursverwalters durch den Gläubigerausschuß oder die Gläubigerversammlung (§§ 133, 134 KO), der den Sozialplan nicht erwähne, aber zahlreiche Maßnahmen geringerer Bedeutung, müsse davon ausgegangen werden, daß der Konkursverwalter nicht die Aufgabe habe, einen inhaltlich unbegrenzten und die Gläubigerversammlung für die Zukunft bindenden Sozialplan aufzustellen.
43
e)
Das rechtliche Gehör der Konkursgläubiger vor der Einigungsstelle sei nicht gesichert. Diese Stelle sei kein geeignetes Organ, um den Interessenkonflikt zwischen Betriebsrat und unternehmensfremden Gläubigern zu sichern.
44
f)
Für einen Sozialplan im Konkurs mit Abfindungsansprüchen fehle ein klarer gesetzlicher Zuteilungsmaßstab, eine Vergleichsgröße. § 112 Abs. 4 BetrVG statuiere keine Sozialpflichtigkeit der Unternehmensgläubiger.
45
Hingewiesen sei außerdem auf die differenzierender Stellungnahmen von Bötticher, BB 1975, 977 ff.; Henckel, Arm. EzA § 113 BetrVG 1972 Nr. 1; Otto, SAE 1976, 22 ff., und Weitnauer, ZfA 1977, 111 ff. [129].
46
B
Stellungnahme
47
Ob ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit Abfindungsansprüchen im Konkursfalle zulässig sind, ist keine konkursrechtliche, sondern eine betriebsverfassungsrechtliche Frage, die durch Auslegung der §§ 111 bis 113 BetrVG 1972 zu klären ist.
48
1.
Weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesmaterialien findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die gesetzgeberische Ansicht zu dieser Frage. Auch über die Absicherung eines etwaigen Sozialplans im Konkurs des Arbeitgebers ist nichts gesagt, obwohl dies die wichtigste Frage ist (Hanau, ZfA 1974, 112). Als Hinweis auf die Einbeziehung des Konkursfalles in die gesetzliche Regelung käme allenfalls die Streichung des § 112 Abs. 2 Satz 2 des Regierungsentwurfs zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 in Betracht. Danach sollte der Betriebsrat bei Betriebsänderungen nicht mitbestimmen, wenn diese "durch nicht geplante Einschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb, insbesondere auf Grund einer Verärderung der Auftragslage oder der wirtschaftlicher Lage des Betriebs bedingt sind" (BT-Drucksache VI/1786, S. 23). Diese Einschränkung ist nicht in das Gesetz übernommen worden, weil die Mehrheit des Ausschusses das Korrektiv für zu unbestimmt hielt. Sie befürchtete, daß hierdurch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu stark eingeschränkt werden könnte (BT-Drucksache zu VI/2729, S. 32). Aus dieser Streichung lassen sich daher keine Rückschlüsse auf einen Willen des Gesetzgebers zur Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG im Konkurs ziehen.
49
Das Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl. I, 1481) erwähnt den Sozialplan und Interessenausgleich mit keinem Wort. Die Materialien zu diesem Gesetz schweigen ebenfalls (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache VII/1750 - sowie Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucksache VII/2260), obwohl die Sicherung des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers das Hauptanliegen dieses Gesetzes bildet. Somit hat der Gesetzgeber das Problem nicht ausdrücklich geregelt.
50
2.
Der Erste Senat hat im Urteil vom 17. September 1974 (a.a.O.) die Stillegung des Betriebes des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter als mitbestimmungspflichtig angesehen, weil mit der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Konkursvermögen auf den Konkursverwalter übergegangen seien, dieser vielmehr zugleich auch die Rechte und Pflichten übernommen habe, die sich aus der Arbeitgeberstellung des Gemeinschuldners ergäben; dazu gehöre auch die Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Gemeinschuldners. Der Konkursverwalter habe "daher" bei allen seinen Rechtshandlungen, die die Arbeitnehmer berührten, das Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß §§ 111 ff. BetrVG zu beachten.
51
Diese Begründung bedarf der Ergänzung. Der Konkursverwalter rückt gemäß § 6 KO in den gesamten Pflichtenkreis des Arbeitgebers ein. Es ist aber weiter zu fragen, ob die Maßnahmen, die Konkursverwalter, Gläubigerausschuß oder Gläubigerversammlung zur Verwertung des Betriebes gemäß §§ 117 ff. KO beschließen und durchführen, den Begriff der Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG erfüllen.
52
3.
Bei der inhaltlichen Prüfung des § 111 BetrVG ergibt sich, daß zu den dort genannten Betriebsänderungen auch solche gehören, die im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren durchgeführt werden. Das folgt aus dem allgemeinen Schutzzweck der Norm. Sie will alle im einzelnen aufgezählten nachteiligen Maßnahmen für die Belegschaft erfassen, die dem unternehmerischen Verantwortungsbereich zuzurechnen sind. Dem unternehmerischen Verantwortungsbereich sind auch alle solchen Maßnahmen zuzuordnen, die sich aus einer wirtschaftlichen Notlage ergeben und mehr oder minder durch die wirtschaftliche Situation diktiert werden. Aus diesem Grunde sind alle Maßnahmen, die ein Arbeitgeber selbst noch vor dem späteren Zusammenbruch seines Betriebes durchführt, solche, die unter den Begriffskatalog des § 111 BetrVG fallen, sofern sie im einzelnen die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.
53
Müssen solche Maßnahmen nach einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens vom Konkursverwalter durchgeführt werden, so setzt der Konkursverwalter, wenn er sich im Rahmen von § 117 KO hält, eine an sich dem Gemeinschuldner zufallende unternehmerische Aufgabe fort. Er vollzieht nur das, was ohne Konkursverfahren der Gemeinschuldner tun müßte. Deshalb kann die soziale Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern, wie sie in § 111 BetrVG mit seinen Folgeregelungen in § 112 und § 113 BetrVG gestaltet worden ist, nicht mit der Konkurseröffnung enden.
54
Dies gilt zunächst für den Interessenausgleich, der Bestandteil der Abwicklung ist. Der Konkursverwalter hat nicht nur Betriebsvermögen zu verwalten, sondern sich auch um die dort arbeitenden Menschen zu kümmern. Interessen und Schutz der Belegschaft dürfen im Konkursfall nicht geringer geachtet werden als die Verteilung des Vermögens. Deshalb überzeugt das Argument nicht, die §§ 111 bis 113 BetrVG seien schon deshalb im Konkursfall nicht anwendbar, weil der Konkursverwalter nicht mehr werbend tätig zu sein habe, seine Funktion vielmehr auf die Abwicklung beschränkt sei.
55
Die Einschaltung des Betriebsrates ist bei einer konkursbedingten Stillegung oder Einschränkung des Betriebes sogar in besonderem Maße geboten. Zum einen sind die Arbeitsplätze und damit das soziale Schicksal der Belegschaft aufs äußerste gefährdet. Zum anderen ist der Konkursverwalter vielfach ein Außenstehender, der die Belegschaft nicht kennt und der deshalb auf die Unterstützung durch den Betriebsrat, z.B. bei Umsetzungen oder der sozialen Auswahl bei Kündigungen angewiesen ist.
56
Auch der Sozialplan und die Sozialplanabfindung haben im Konkursfall ihren Platz. Abfindungen können nach § 112 BetrVG in einem Sozialplan vorgesehen werden. Sie sind eine Entschädigung dafür, daß der Arbeitnehmer infolge einer von ihm hinzunehmenden Betriebsänderung seinen Arbeitsplatz einbüßt und im Laufe des Arbeitsverhältnisses erworbene Vorteile verliert (Hanau, ZfA 1974, 100, 102; Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 112 Anm. 11). Sie ist zugleich auf die Zukunft gerichtet und hat Überleitungs- und Vorsorgefunktion für die Zeit nach Durchführung der (nachteiligen) Betriebsänderung (Wiedemann-Willemsen, Anm. AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972). Mit dieser Zweckrichtung ist sie auch im Konkursfall als sachgerechte Folge der Liquidierung des Betriebes notwendig. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des erworbenen Besitzstandes lassen sich Abfindungen auch den Konkursgläubigern gegenüber verständlich machen.
57
4.
Bei dieser Sicht der §§ 111 ff. BetrVG verliert die Argumentation von Beuthien. (RdA 1976, 148) sowie von Berges (Festschrift für Weber, S. 57 ff.) und H.J. Müller (KTS 1974, 69 ff.) ihr Gewicht, daß der Konkursverwalter bei einer von ihm durchgeführten Betriebsänderung keine unternehmerische Entscheidung im Sinne der genannten Norm treffe. Im Ansatzpunkt ist es richtig, daß Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG unternehmerische Entscheidungen voraussetzen (Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 111 Anm. 9, und Dietz-Richardi, a.a.O., § 111 Anm. 2 ["unternehmerisch-wirtschaftliche Entscheidungen"]). Es ist auch richtig, daß der Konkursverwalter - jedenfalls in vielen Fällen - keine echte Wahlfreiheit hat; er hat den gesetzlichen Verwertungsauftrag (§ 117 KO) durchzuführen. Es mag auch sein, daß infolge dieses Auftrages der Unternehmenszweck nach Konkurseröffnung von einem wirtschaftlich-werbenden in einen wirtschaftlichverwaltenden umschlage (so Beuthien, a.a.O.; ferner Henckel, EzA, § 113 BetrVG 1972, Nr. 1 S. 15 und 18, "Mit der Konkurseröffnung erfährt das Vermögen des Gemeinschuldners einen Funktionswandel: Ist es vorher werbendes und haftendes Vermögen, so hat es von der Konkurseröffnung an nur noch Haftungsfunktion"). Es mag schließlich zutreffen, daß das Konkursunternehmen vielfach nicht mehr am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt. Mit allen diesen Argumenten wird die Rechtslage einseitig aus der Position des Konkursverwalters betrachtet. Stattdessen ist zu fragen, welchem wirtschaftlichen Verantwortungsbereich das Handeln des Konkursverwalters zuzurechnen ist. Die Antwort kann nur sein, daß es dem Gemeinschuldner und bisherigen Arbeitgeber zuzurechnen ist; denn gegen diesen richtet sich das Konkursverfahren als die im Interesse aller Gläubiger zweckmäßige Gesamtvollstreckung.
58
Es ist auch zu eng, wenn Beuthien (RdA 1976, 147 ff.) meint, der Sozialplan solle nur verhindern, daß die Betriebsrationalisierung auf den Rücken eines Teiles der Belegschaft ausgetragen werde, obwohl diese keineswegs weniger tüchtig zu sein brauche als diejenigen Arbeitnehmer, die weiterhin beschäftigt werden. Es gibt auch Rationalisierungsmaßnahmen, die aus wirtschaftlichen Gründen die Stillegung eines ganzen Betriebes erzwingen (vgl. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG). Auch eine solche Stillegung des gesamten Betriebes ist nach der gesetzlicher Regelung sozialplanpflichtig. Nichts anderes kann aber dann für die wirtschaftlich unumgängliche Stillegung eines ganzen Betriebes im Rahmen des Konkursverfahrens gelten, deren wirtschaftliche Folgen, wie gesagt, dem Betriebsinhaber zuzurechnen sind.
59
5.
Gegen die Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG läßt sich nicht einwenden, die Schließung des Konkursbetriebes sei keine "planmäßige" Betriebsänderung im Sinne dieser Vorschriften. Dies hat der Erste Senat bereits überzeugend in der Entscheidung vom 17. September 1974 dargelegt. Das Wort "geplant" hat hier eine rein zeitliche Bedeutung. Es soll damit nur sichergestellt werden, daß der Betriebsrat bei einer geplanten Betriebsänderung in einem möglichst frühen Entscheidungsstadium beteiligt wird. Es besagt nicht, daß die dem Betriebsrat eingeräumter Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte wegfallen, wenn eine Betriebsänderung ohne vorausgegangene Planung durchgeführt werden muß. Dieser Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts ist im Schrifttum unwidersprochen geblieben (für ihn auch Beuthien, a.a.O., S. 148).
60
6.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates läßt sich mit dem Verfahren der Konkursordnung vereinbaren.
61
a)
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann nicht daran scheitern, daß die Konkurseröffnung nicht nur auf einen Antrag des Gemeinschuldners selbst, sondern auch eines Drittgläubigers herbeigeführt werden kann. Es läßt sich nicht einwenden, im letzten Fall fehle bei einer folgenden Betriebsänderung eine unternehmerische Entscheidung, wie sie die §§ 111 ff. BetrVG fordern. Wenn man unter den Begriff der Betriebsänderung alle dem unternehmerischen Verantwortungsbereich zuzurechnenden Maßnahmen einordnet, wird es gleichgültig, auf wessen Initiative der Konkurs eröffnet worden ist (so im Ergebnis auch Beuthien, RdA 1976, 148 unter III 1).
62
b)
Geht man von diesem Begriff der Betriebsänderung aus, entstehen keine unlösbaren Schwierigkeiten daraus, daß über die endgültige Schließung des Konkursbetriebes die Gläubigerversammlung zu bestimmen hat (§ 129 Abs. 2 KO). Die Frage wird im Schrifttum besonders lebhaft diskutiert. Es wird gesagt, die Gläubigerversammlung trete nicht in die Stellung des Unternehmers ein, sie sei vielmehr ein Organ der konkursrechtlichen Selbstverwaltung, der Betriebsrat habe daher ihr gegenüber keine Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte; in der Gläubigerversammlung könnten auch die Arbeitnehmer selbst vertreten sein; es wäre sinnwidrig, einen solchen, auch von Arbeitnehmern getragenen Beschluß in irgendeiner Form der Mitbestimmung zu unterwerfen (so vor allem Beuthien, a.a.O., 149). Alle diese Bedenken sind nicht berechtigt. Im Rahmen der Gesamtvollstreckung, wie sie sich im Konkursverfahren vollzieht (s. hierzu Jäger-Henckel, Konkursordnung, 9. Aufl., § 1 Anm. 12 ff., § 3 Anm. 2 und Jäger-Lent, Konkursordnung, 8. Aufl., Einleitung III vor § 1 KO) werden Konkursverwalter und Gläubigerversammlung bei der Betriebsstillegung in gleicher Funktion tätig. Sie handeln nach demselben gesetzlichen Auftrag. Daher können auch die Rechtsfolgen ihres Handelns nicht verschieden beurteilt werden. Die Stillegung des Konkursbetriebes ist dem unternehmerischen Verantwortungsbereich zuzuordnen, gleichgültig von welchem Konkursorgan sie letztlich verfügt wird.
63
Daraus ist zu folgern, daß auch bei einer von der Gläubigerversammlung oder dem Gläubigerausschuß (§ 129 Abs. 2 Satz 2 KO) verfügten Betriebsstillegung der Konkursverwalter als das für den Gemeinschuldner handelnde Organ kraft gesetzlicher Verpflichtung einen Sozialplan zu vereinbaren hat (so auch Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 111 Anm. 26 a; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 40 f.; Teubner, BB 1974, 988; Weller, BB 1977, 601; a.M. Zeuner, JZ, 1976, 5; Fabricius, Gemeinschafts-Kommentar, § 111 RdNr. 54 ff.; von Stebut, DB 1975, Beilage 9, S. 4; Rumpff, a.a.O., S. 61).
64
c)
Die §§ 133, 134 KO unterwerfen eine ganze Reihe von Maßnahmen des Konkursverwalters, die wesentlich geringere Bedeutung als der Abschluß eines Sozialplans haben, der Genehmigungspflicht durch Gläubigerausschuß bzw. Gläubigerversammlung. Der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 hat nicht durch eine Änderung der Konkursordnung klargestellt, daß in den Genehmigungskatalog dieser Vorschriften die Zustimmung zu einem Sozialplan des Konkursverwalters falle.
65
Daraus ergibt sich kein unaufhebbarer innerer Widerspruch. Der Sozialplan ist analog einem Vergleich nach § 133 Nr. 2 KO zu behandeln; vor dem Abschluß hat der Konkursverwalter daher die Genehmigung des Gläubigerausschusses einzuholen. Es liegt in der Hand der Gläubigerversammlung, über die Bestellung eines Gläubigerausschusses zu beschließen und damit die Genehmigungspflicht herbeizuführen (§ 87 Abs. 2 KO). Ebenso kann das Konkursgericht nach § 87 Abs. 1 KO von Amts wegen einen Gläubigerausschuß bestellen.
66
Allerdings besteht die Genehmigungspflicht nur dann, wenn der Konkursverwalter selbst den Sozialplan abschließt, entfällt also, wenn die Einigung darüber durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Es liegt dann allein im pflichtgemäßen Ermessen des Konkursverwalters, u.U. gegen den Spruch der Einigungsstelle das Beschlußverfahren einzuleiten. Ein selbständiges Recht der Gläubigerversammlung hierzu läßt sich nach dem Verfahrensrecht der Konkursordnung nicht annehmen. Die Gläubigerversammlung kann allerdings die Entlassung des Konkursverwalters gemäß § 84 Abs. 1 KO beantragen, falls dieser das Beschlußverfahren nicht einleiten will.
67
d)
Keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats im Konkurs ergeben sich daraus, daß die betroffenen Konkursgläubiger nicht ausdrücklich in das Verfahren über den Abschluß des Sozialplans eingeschaltet sind. Das Betriebsverfassungsrecht bietet hinreichende Möglichkeit, den Anspruch der Konkursgläubiger auf das rechtliche Gehör zu wahren. Es ist freilich nicht möglich, der Gläubigerversammlung unmittelbare Rechte gegenüber der Einigungsstelle einzuräumen. Da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sich nur gegen den Konkursverwalter richtet, ist er der allein Beteiligte des Einigungsstellenverfahrens.
68
Nach herrschender Meinung brauchen die Beisitzer der Einigungsstelle nicht Angehörige des Betriebes zu sein (Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 76 Anm. 7). Im Interesse der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze ist der Konkursverwalter verpflichtet, für die Einigungsstelle auch Konkursgläubiger oder deren Vertreter zu benennen. Es kann nicht ohne Rechtsfolgen bleiben, wenn der Konkursverwalter dieser Pflicht nicht nachkommt. Ein Beschluß der Einigungsstelle, der ohne Beteiligung von Konkursgläubigern zustande gekommen ist, beruht auf einem Rechtsfehler, der auch nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG in jedem Verfahren zu beachten ist.
69
e)
Die Regelung der §§ 111, 112 BetrVG ist auf den Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als Vertreter der durch eine Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zugeschnitten. Dieser Konflikt entfällt im Konkursfall. An seine Stelle tritt das Spannungsverhältnis zwischen den vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmern und den übriger Konkursgläubigern, das zu regeln Aufgabe der Konkursordnung ist. Sozialpläne im Konkurs sind nur dann frei von Rechtsfehlern, wenn sie diese veränderte Sachlage berücksichtigen. Ein Sozialplan, der, wie Richardi es für richtig hält (Sozialplan und Konkurs, S. 87), im Konkurs nur die Interessen, der Arbeitnehmer berücksichtigt, wäre ein einseitiger Zugriff einer bestimmten Gruppe von Gläubigern auf die Konkursmasse (dagegen Bötticher, BB 1975, 977 ff. unter I; Beuthien, RdA 1976, 147 ff., 153 unter VII; Weitnauer, Sozialplan im Konkurs, ZfA 1977, 111 ff., 132 ff.; Mentzel-Kuhn, KO, 8. Aufl., § 22 Anm. 12; Uhlenbruck, Anm. AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972). Das wäre nicht nur mit dem Grundprinzip der Konkursordnung, sondern auch mit § 112 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unvereinbar, der verlangt, daß die Entscheidung für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbar ist. Im Konkursfall treten an die Stelle der Interessen des Unternehmens die der Konkursgläubiger. Dabei sind auch die Arbeitnehmer wegen rückständiger Forderungen (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO) als Konkursgläubiger zu berücksichtigen, sofern die Forderungen nicht schon in den Sozialplan mit aufgenommen sind.
70
f)
Der vorstehenden Auslegung der §§ 111, 112 BetrVG läßt sich nicht entgegenhalten, sie führe zu einer "konkurszweckwidrigen" Aushöhlung der Konkursmasse. Soweit es um die Zulässigkeit von Sozialplanabfindungen geht, ist das Betriebsverfassungsgesetz mit seinen sozialen Schutzzwecken ein selbständiges Rechtsgebiet gegenüber der Konkursordnung. Der Satz, daß Konkursrecht vor Betriebsverfassungsrecht gehe (so z.B. Berges in Festschrift für Friedrich Weber, S. 57 ff., 61; Uhlenbruck, BB 1973, S. 1361; Beuthien, RdA 1976, S. 147 f. unter Fußn. 7), ist, soweit es um die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG auch im Konkurs geht, nicht richtig. Die Konkursabwicklung führt im übrigen nicht automatisch zur sofortigen und totalen Stillegung des Betriebes. Vielmehr wird der Betrieb häufig-zumindest zeitweise und (oder) teilweise - fortgeführt.
71
Es sind zudem Fälle denkbar, in denen Sozialplanabfindungen überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang gerechtfertigt sind, weil die Rücksicht auf Dritte (z.B. Konkursgläubiger, im Restbetrieb verbleibende Arbeitnehmer) dies gebietet. Das gilt insbesondere für ausscheidende Arbeitnehmer, denen keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen.
72
7.
Sind nach den Vorschriften der §§ 111, 112 BetrVG Interessenausgleich und Sozialplan im Konkurs des Unternehmers erforderlich, so muß notwendigerweise auch die Regelung über der Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Konkursverwalter durchgreifen. Die letztere Vorschrift dient der Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Betriebsänderungen. Es handelt sich regelmäßig um Kündigungen, die zwar betriebsbedingt i.S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sind, aber die gesetzlichen Folgen der Verletzung des Beteiligungsverfahrens nach §§ 111, 112 BetrVG auslösen. Daraus ergibt sich die Antwort auf die dem Großen Senat im Vorlagebeschluß vom 20. Juli 1977 unter Nr. 2 gestellte Frage: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG, wenn der Konkursverwalter den Betrieb stillgelegt hat, ohne einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben.
73
Der Große Senat kann nur im Grundsatz die Geltung des § 113 Abs. 3 BetrVG auch zu Lasten des Konkursverwalters bejahen. Es ist nach den Vorlagebeschlüssen nicht seine Aufgabe zu prüfen, ob in bestimmten Fällen der Anspruch auf Nachteilsausgleich entfallen kann, etwa dann, wenn die Schließung des Betriebes unumgänglich ist und nicht mehr - auch nicht hinsichtlich der Modalitäten - durch einen Interessenausgleich zu beeinflussen gewesen wäre. Diese Frage ist auch nach der Entscheidung des Ersten Senats vom 17. September 1974 (a.a.O. unter Ziff. 3 der Gründe) in der Literatur unverändert streitig (s. den Meinungsstand bei Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 113 Anm. 6).
74
Teil III Konkursrechtliche Einordnung der durch einen Sozialplan begründeten und der sich aus § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG 1972 ergebenden Abfindungsansprüche nach geltendem Recht
75
Der Große Senat ist der Auffassung, daß diese Ansprüche bevorrechtigte Konkursforderungen mit einem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO sind.
76
A
Für die konkursrechtliche Einordnung der Abfindungsansprüche sind allein die Vorschriften der Konkursordnung maßgebend; insoweit besteht weithin Meinungsübereinstimmung. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Abfindungsanspruch besteht und welchen Zwecken er dient. Das Konkursrecht entscheidet, mit welchem Rang und wie ein solcher Anspruch im Konkurs geltend zu machen ist. Auf jedem Sektor hat das jeweilige Rechtsgebiet dabei selbständige Bedeutung (Uhlenbruck, RdA 1976, 248 [251] und Anm. EzA § 59 Nr. 1 KO; Beuthien, RdA 1976, 147 ff. [158]; Schlüter, Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG, S. 111).
77
Masseschuldenkatalog und die gesetzliche Rangordnung des § 61 Abs. 1 KO stehen nicht zur Disposition, der Partner eines Sozialplans, auch nicht der Einigungsstelle, da es sich insoweit um zwingendes Recht handelt. Sozialpläne können den Rang der Abfindungsansprüche nicht selbst bestimmen, sondern sind an das Gesetz gebunden (wegen Kündigungsmöglichkeit vgl. Teil V 2).
78
Abfindungen aus einem Sozialplan, der aus zwingenden gesetzlichen Gründen auch vom Konkursverwalter gemäß §§ 111, 112 BetrVG abgeschlossen werden muß, und Ansprüche auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG wegen Verletzung der betriebsverfassungsgesetzlichen Pflichten des Konkursverwalters können nur bei formaler Betrachtungsweise in den Katalog der Masseschulden bzw. in das Rangsystem der vor Konkurseröffnung entstandenen Konkursforderungen eingeordnet werden. Das gilt insbesondere für die Einordnung unter § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO einerseits, § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO andererseits. Das BetrVG 1972 hat Ansprüche geschaffen, die in das herkömmliche System der Konkursordnung nicht passen. Diese durch die neue Rechtsentwicklung im Arbeitsrecht entstandene Regelungslücke der Konkursordnung zu schließen, ist legitime Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen und insbesondere des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BVerfGE 34, 269 [284 f.] = AP Nr. 21 zu Art. 2 GG; BAG 22, 125 [137 f.] = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG 24, 177 [142 ff.] = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt; eine nachträgliche Regelungslücke in der Konkursordnung nehmen für einzelne Fallgestaltungen auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 62 und Weitnauer, SAE 1978, 18, 19 an). Der Große Senat ist der Auffassung, daß die Abfindungsansprüche aus Sozialplänen und Nachteilsausgleich weder zu den Masseschulden, insbesondere nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, zählen noch zu "allen übrigen Konkursforderungen" im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO gehören. Im einzelnen gilt folgendes:
79
B
Keine Einordnung der Abfindungsansprüche aus nachkonkurslichen Sozialplänen unter § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO
80
1.
Meinungsstand
81
a)
Der Erste Senat betrachtet in der Entscheidung vom 17. September 1974 Abfindungsansprüche aus nachkonkurslichen Sozialplänen (und aus § 113 Abs. 3 BetrVG) als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Er bewertet als Handlungen des Konkursverwalters alle solche, die einen Rechtserfolg auslösen. Zu diesen Handlungen gehöre auch die in § 129 Abs. 2 KO eingeräumte Befugnis, den Betrieb zu schließen und die hierfür erforderlichen Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte vorzunehmen, also auch die Pflicht des Konkursverwalters, mit dem Betriebsrat die Stillegung des Betriebes zu beraten und einen Interessenausgleich zu versuchen, sowie einer Sozialplan aufzustellen. Die Abfindungsansprüche würden durch das gemeinsame Handeln von Konkursverwalter und Betriebsrat begründet. Die Sozialplaneinigung sei Rechtsgrundlage derartiger Ansprüche, nicht jedoch das Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner; hieran "knüpfe" die Abfindung lediglich an. Der Erste Senat sieht sich in seiner Auffassung nicht dadurch gehindert, daß Ersatzansprüche eines vom Verwalter gekündigten Arbeitnehmers nach §§ 22, 26 Satz 2 KO einfache Konkursforderungen sind: diese Bestimmungen seien zu einer Zeit entstanden, als an eine wirtschaftliche Mitbestimmung und an einen Sozialplan noch nicht zu denken gewesen sei. Der dem Mitbestimmungsrecht zugrunde liegende soziale Schutzgedanke habe gegenüber diesen konkursrechtlichen. Bestimmungen Vorrang.
82
b)
Der Auffassung des Ersten Senats treten nicht alle Stimmen bei, die die Zulässigkeit nachkonkurslicher Sozialpläne bejahen. Aus dieser Gruppe lehnen seinen Standpunkt ab: Zeuner, JZ 1976, 1 ff.; Uhlenbruck, BB 1973, 1360 ff. [BAG 05.04.1973 - 5 AZR 574/72] und Anm. zu EzA § 59 Nr. 1 KO; Fabricius-GK, § 112 Anm. 72 bis 75; Galperin-Löwisch, § 112 Anm. 74. Abgelehnt wird er ferner von allen, die nachkonkursliche Sozialpläne für nicht erzwingbar halten. Zu den Hauptargumenten gehört, daß der entscheidende Rechtsgrund der Sozialplanansprüche konkursrechtlich bereits vor Konkurs gelegt worden sei, damit die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 KO gegeben und die Einstufung als einfache Konkursforderung geboten sei. Auch geboten Sinn und Zweck des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO eine restriktive Auslegung. § 59 stehe unter dem deutlichen Prinzip, Masseschulden nur dort anzuerkennen, wo der Konkursmasse nach der Konkurseröffnung etwas zugeflossen sei oder weiter zufließe (Bötticher, BB 1975, 980; Beuthien, RdA 1976, 157). Die Vorschrift bezwecke, es dem Verwalter zu ermöglichen, zur Verwaltung und Verwertung der Masse zu Außenstehenden und nicht vom Konkurs Betroffenen rechtsgeschäftliche Beziehungen aufzunehmen. Hingewiesen wird auch überall auf die Parallele zu §§ 22, 26 KO.
83
c)
Bei denjenigen, die sich dem Ersten Senat anschließen, steht der Wortlaut des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO im Vordergrund der Argumentation. Richardi sieht zwar deutlich den möglichen Widerspruch zu dem Grundgedanken der §§ 22, 26 KO, aus dem man allgemein folgern könne, daß die "konkursrechtliche Privilegierung als Masseschuld nicht eintreten solle, wenn es sich um die Abwicklung bereits bestehender Rechtsbeziehungen des Gemeinschuldners mit seinen Gläubigern handele". Er erkennt an, daß dies der für § 59 KO ursprünglich zunächst "maßgebende Grundgedanke" gewesen, dieser aber durch die Rechtsentwicklung außerhalb der Konkursordnung sowie durch die Einfügung der Nr. 3 in § 59 Abs. 1 KO auf Grund des Konkursausfallgeldgesetzes beseitigt worden sei. Die §§ 22, 26 KO hätten, so gesehen, der Charakter einer Ausnahmeregelung, die sich nicht verallgemeinern lasse (Beilage Nr. 6/76 zu DB Nr. 10 unter III 2).
84
Die Gruppe derjenigen, die sich dem Standpunkt des Ersten Senats anschließen, ist in sich selbst nicht geschlossen. Es werden Unterschiede gemacht, je nachdem, ob die Betriebsänderung bereits vor Konkurseröffnung abgeschlossen war oder nicht. Im ersteren Fall verneint auch Richardi die Möglichkeit einer Einstufung der Abfindungsansprüche in § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, weil dieser Fall notwendigerweise nicht anders behandelt werden könne, als der, daß Betriebsänderung und Sozialplan vor Konkurseröffnung lägen (Sozialplan und Konkurs, S. 81 unter IV 1 a). Derselben Ansicht ist Hanau (ZfA 1974, 89 ff. [115 f.]), allerdings mit der Begründung, der Anspruch auf den Sozialplan entstehe bereits mit der Betriebsänderung.
85
2.
Stellungnahme
86
Das geltende Konkursrecht läßt es entgegen der an sich möglichen Wortinterpretation nicht zu, den - freiwilligen oder erzwungenen - Sozialplanabschluß unter den Begriff der Geschäfte oder Handlungen i.S. des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO aufzunehmen. Die Bestimmung ist ihrem Sinn und Zweck nach restriktiv auszulegen.
87
a)
Die Vorschriftzwill die Handlungsfreiheit des Konkursverwalters im geschäftlichen Verkehr mit Dritten sichern und es ihm ermöglichen, hierzu die erforderlichen Rechtsgeschäfte abzuschließen. Ständen die Gläubiger aus diesen Rechtsgeschäften nur im gleichen Rang wie Konkursgläubiger, so würde sich kaum jemand zu Verträgen mit dem Konkursverwalter bereit finden; nur Bargeschäfte wären praktisch noch möglich. Eine sachgemäße Geschäftsführung des Konkursverwalters wäre damit sehr erschwert (Jäger-Lent, KO, 8. Aufl., § 59 Anm. 1; Mentzel-Kuhn, KO, 8. Aufl., § 59 I, 1).
88
Nur bei einer allein dem Wortlaut folgenden Auslegung könnte man auch den Sozialplanabschluß zu den Handlungen des Konkursverwalters nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO zählen. Der Wortlaut ist jedoch im Zusammenhang mit Sinn und Zweck der Norm zu betrachten (§ 133 BGB); dies gilt auch für die Auslegung von Gesetzen (BGHZ 17, 266 [276]; 18, 44 [49]) und insbesondere für einen so allgemeinen Begriff wie den der "Geschäfte oder Handlungen". Danach kann der Sozialplanabschluß nicht zu dem von diesem Begriff erfaßten Kreis von Handlungen des Konkursverwalters gerechnet werden. Der Konkursverwalter handelt nicht im Rahmen seiner ihm durch die Konkurseröffnung zufallenden Aufgaben, das Vermögen des Gemeinschuldners zu erfassen, zu verwalten und zu verwerten (§ 117 Abs. 1 KO); er wickelt nur Verpflichtungen ab, die in der auf ihn übergegangenen Arbeitgeberstellung wurzeln und die an sich - gäbe es nicht den Konkurs - der Arbeitgeber selbst hätte erledigen müssen.
89
Durch die Einfügung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO in den Masseschuldenkatalog der Konkursordnung ist der Grundgedanke des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO entgegen der Ansicht von Richardi nicht verändert worden. Die neue Vorschrift beschränkt sich darauf, einen Teil der bisher lediglich nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigten Forderungen in Masseschulden umzuwandeln. Das ist ein Fremdkörper im herkömmlichen System der Masseschulden, wie allgemein anerkannt ist; damit läßt sich nicht die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe auch für die Tatbestände der Nr. 1 des § 59 Abs. 1 KO die bisherigen konkursrechtlichen Grundsätze aufgegeben.
90
b)
Die vorstehende Auslegung des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO wird bestätigt durch die Vorschrift des § 26 Satz 2 KO, wonach derjenige, der wegen Nichterfüllung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses - dazu gehört auch der Fall des § 22 Abs. 2 KO (vorzeitige Kündigung eines Dienstverhältnisses) - Schaden erleidet, die Schadenersatzforderung nur als einfache Konkursforderung geltend machen kann. Über den Grund dieser Regelung heißt es in der Motiven zur Konkursordnung (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV, Konkursordnung, S. 108):
"Wenn endlich das Konkursverfahren der Erfüllung oder der Fortdauer einseitiger Verträge des Gemeinschuldners Schranken setzt, so kann über die Natur des dem Gläubiger zustehenden Anspruchs nicht füglich gezweifelt werden. Hier liegt recht eigentlich der Fall einer Konkursforderung vor (Titel 8).
Da aber auch in den übrigen Fällen die Wirksamkeit und der Inhalt des obligatorischen Rechtsverhältnisses trotz des durch den Konkurs eintretenden Unterbleibens der weiteren Erfüllung bestehen bleibt und in Folge dieses Unterbleibens sich in einen Entschädigungsanspruch auflöst, so bildet ohne Unterschied der Fälle dieser Anspruch das Surrogat der kontraktlichen Rechte, wie sie zur Zeit der Konkurseröffnung bestanden. Hieraus folgt, daß der Berechtigte wegen seiner Schadersforderung stets und auch in dem Fall des § 16, sowie in dem Fall einer im Konkursverfahren erfolgenden Aufkündigung oder Aufhebung eines Pacht-, Mieth- oder Dienstvertrages als Gläubiger des Gemeinschuldners, nicht als Massegläubiger, anzusehen ist und deshalb seine Forderung nur als Korkursgläubiger geltend machen kann. ..."
91
§ 26 Satz 2 KO ist, wie die Motive zeigen, keine Ausnahmeregelung, sondern gibt einen allgemeinen konkursrechtlichen Grundgedanken wieder. Maßnahmen des Konkursverwalters, die nicht seiner Verwaltertätigkeit - der Ermittlung und der Verteilung der Teilungsmasse - zuzurechnen sind, sondern sich nur als Ausübung von Rechten aus einem bereits bestehenden Dauerschuldverhältnis darstellen, werden grundsätzlich nicht in den Kreis der Handlungen und Geschäfte nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO aufgenommen. Die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen erscheint nicht als eine typische Verwaltertätigkeit, sondern wird rechtlich als Rechtsfolge der auf des. Verwalter übergegangenen Parteistellung im Schuldverhältnis - daher "als Surrogat" der Rechtsstellung des Gemeinschuldners - angesehen. Es ist daher nach geltendem Konkursrecht zu unterscheiden zwischen. Handlungen des Konkursverwalters, bei deren er als Liquidator in Rechtspositionen der Gläubiger des Gemeinschuldners eingreift, und solchen, bei denen er selbst nach seinem Ermessen als Urternehmer auftritt; im ersterer Falle werden durch das Handeln des Konkursverwalters Konkursforderungen, im zweiten Masseschulden begründet (Bötticher, BB 1975, 981). Der Abschluß von Sozialplänen und der Versuch eines Interessenausgleichs sind gesetzlich vorgeschrieben und deshalb nicht in das Ermessen des Konkursverwalters gestellt.
92
c)
Würden Abfindungsansprüche aus nachkonkurslichen Sozialplänen als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO anerkannt, wären unausgewogene Ergebnisse unvermeidlich. Nach der Rangordnung der Massegläubiger in § 60 Abs. 1 KO werden Masseschulden i.S. von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO dann, wenn die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht, an erster Rangstelle zusammen mit den Masseschulden i.S. von § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO befriedigt. Sie haben damit Vorrang vor den neugeschaffenen Masseschulden i.S. von § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO, also vor den rückständigen Lohnbezügen der Arbeitnehmer für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung. Ansprüche auf rückständigen Lohn könnten damit wegen der Pflicht zur vorrangigen Deckung der Abfindungsansprüche ganz oder teilweise ausfallen. Dies erscheint nicht angemessen, weil der Anspruch auf den täglichen. Lohn in etwa denselben konkursrechtlichen Schutz verdient wie der auf die Abfindung.
93
Unausgewogen wäre das Rangsystem des Masseschuldenkatalogs auch dann, wenn man nur die erste Ranggruppe für sich allein betrachtet. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO sind die Masseschulden i.S. von § 59 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KO gleichgestellt mit der Folge, daß eine quotenmäßige Verteilung zu erfolgen hätte, wenn die Masse nicht ausreicht. Es könnte dann dazu kommen, daß die laufenden Lohnbezüge aus Arbeitsverhältnissen, die - aus welchen Gründen auch immer - vom Konkursverwalter fortgeführt werden, quotenmäßig gekürzt werden müßten. Dies erscheint gegenüber den weiter tätigen Arbeitnehmern, die auf den täglichen Lohn angewiesen sind, unangemessen (vgl. Zeuner, JZ 1976, 1 ff. [8]). Solche Auswirkungen können nicht durch Vereinbarung eines Rangrücktritts der Abfindungsansprüche im Sozialplan behoben werden. Rangregelungen im Sozialplan können die zwingende Vorschrift des § 60 Abs. 1 KO nicht abändern (vgl. oben Teil III A).
94
d)
Die konkursgerechte Abwicklung von Firmenzusammenbrüchen wäre behindert, wenn die Masseschulden durch Aufnahme der Abfindungen in deren beste Rangklasse gegenüber den ursprünglichen Zielen der Konkursordnung erheblich vermehrt würden. Nach § 107 Abs. 1 KO ist die Eröffnung des Konkursverfahrens abzulehnen, wenn nach dem Ermessen des Gerichts eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist; eröffnete Verfahren sind nach § 204 Abs. 1 KO einzustellen, wenn die Masse nicht ausreicht. Wären die Abfindungen als Masseschulden zu befriedigen, müßte man damit rechnen, daß sich die Zahl der Fälle erhöhte, in denen die Eröffnung des Konkursverfahrens überhaupt wegen Fehlens einer ausreichenden Masse abgelehnt oder das bereits eröffnete Verfahren wieder eingestellt wird (§§ 107, 204 KO). Dies wäre ein erheblicher Nachteil nicht nur für alle übrigen Konkursgläubiger, sondern auch für die Arbeitnehmer, die nur in einem geordneten Konkursverfahren die Befriedigung der Abfindungsansprüche erwarten können.
95
Allerdings kann ein Konkursgläubiger - neuerdings auch ein Massegläubiger nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO (vgl. § 103 Abs. 2 KO i.d.F. des Art. 2 § 1 Nr. 4 des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974) - den Eröffnungsantrag stellen und durch Vorschießen der in § 58 Nr. 1 und 2 bezeichneten Massekosten die Abweisung des Eröffnungsantrags vermeiden (§ 107 Abs. 1 KO). Hierzu würden die Gläubiger aber meist nicht bereit sein, wenn sie wegen der Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer keine oder nur geringe Aussicht auf Deckung des eigenen Anspruchs haben (vgl. Uhlenbruck, Arm. zu EzA, § 59 Nr. 1 KO).
96
e)
Würden Abfindungsansprüche als Masse schulden - gleich nach welcher Ziffer des Masseschuldenkatalogs - angesehen, so ergäben sich schließlich aus der Rangregelung des § 60 Abs. 1 KO erhebliche verfahrensmäßige Schwierigkeiten. Die Rangregelung ist mit keinem Verbot der Einzelvollstreckung für Massegläubiger verbunden, wie es für Konkursgläubiger gilt (§ 14 Abs. 1 KO); auch ist für Masseschulden kein konkursrechtliches Feststellungs- und Verteilungsverfahren (§§ 138 ff., §§ 149 ff. KO) vorgesehen. Jeder Massegläubiger kann daher selbständig der Konkursverwalter in Anspruch nehmen. Das Prinzip der Einzelvollstreckung, das dem zuerst vollstreckender. Gläubiger der Vorrang einräumt, eignet sich nicht für die Abwicklung eines Sozialplanes, weil es dieegleichmäßige Befriedigung aller Arbeitnehmer gefährdet. Hinzu kommt die Gefahr eines Verteilungsstreits (vgl. Böhle-Stamschräder, KO, 12. Aufl., § 60 Bem. 4), der die baldige Auszahlung der Abfindung erheblich behindern könnte.
97
Schwierigkeiten ergeben sich ferner, wenn der Konkursverwalter im Erkenntnisverfahren verurteilt worden ist oder wenn er die Masseschuld erfüllt, sich nachher jedoch die Unzulänglichkeit der Masse herausstellt. Er hat zwar die Möglichkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO (bei Erfüllung die der sog. verlängerten Vollstreckungsabwehrklage vgl. RGZ 61, 259 [262 f.]), jedoch erheben sich dabei zahlreiche Zweifelsfragen, z.B. über den Nachweis und die Erkennbarkeit der Unzulänglichkeit der Masse. Außerdem behindert die Durchführung einer solchen Klage die Verwaltungsarbeit des Konkursverwalters. Mitunter wird auch ein erstrittener Rückzahlungsanspruch des Konkursverwalters gar nicht mehr durchsetzbar sein.
98
C
Keine Einordnung der Abfindungen aus nachkonkurslichen Sozialplänen unter § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO
99
Nach der genannten Vorschrift sind Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen dann Masseschulden, wenn ihre Erfüllung zur Masse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß.
100
1.
Meinungsstand
101
Für den Fall, daß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO unanwendbar sein sollte, setzt sich vor allem Hanau (ZfA 74, 117 f.) für die Anwendung des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO ein. Er argumentiert: Verlange der den Betrieb fortführende Konkursverwalter die weitere Erfüllung der Arbeitsverträge, so gehörten zu den vorweg aus der Masse zu befriedigenden Ansprüchen auch Sozialplanabfindungen wegen einer vom Verwalter vorgenommenen Betriebsänderung. In diesem Falle gelte der erste Fall der genannten Norm. Verzichte der Verwalter auf Fortsetzung der Verträge, dann müßten sie nach der zweiten Fallgruppe auch nach Konkurseröffnung bis zum Erlöschen des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden. Richardi (Sozialplan, S. 81) lehnt die Ansicht von Hanau ab, weil es nach Nr. 2 nicht auf den Entstehungsgrund der Ansprüche, nicht also auf den Sozialplanabschluß ankomme, sondern auf das Arbeitsverhältnis, das der maßgebliche Anknüpfungspunkt sei. Nr. 2 betreffe nur die Ansprüche, die nach Konkurseröffnung als Gegenleistung für erbrachte Dienste entstünden. Auch Beuthien (RdA 1976, 159) und Weitnauer (ZfA 1977, 139 f.) lehnen die Anwendung von § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO ab.
102
2.
Stellungnahme
103
Eine Einordnung der Abfindungsansprüche unter § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO ist nach geltendem Recht nicht möglich. Die Vorschrift erklärt die nach der Verfahrenseröffnung zeitanteilig entstehenden Gegenansprüche des Gläubigers für die aus dem Schuldverhältnis geschuldeten Leistungen zu Masseschulden. Dies ist durch einen wichtigen praktischen Grund geboten; es könnte sonst keinem Dritten zugemutet werden, nach Konkurseröffnung aus dem schon vorher begründeten Schuldverhältnis weiter zur Masse zu leisten. Der Verwalter könnte ferner sein Wahlrecht nach § 17 KO - Verlangen nach Erfüllung oder Ablehnung der Erfüllung zweiseitiger Verträge - nicht mehr sachgemäß ausüben, vor allem bei massenützlichen Geschäften (Miete für Büroräume, Inanspruchnahme von Diensten pp.; vgl. Jäger-Lent, KO, § 59 Anm. 1). Allerdings ist die Wirkung des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO nicht auf massenützliche Geschäfte beschränkt. Auch dann, wenn der Verwalter die Schuldverhältnisse notgedrungen fortsetzen muß - bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist (§§ 19, 22 KO) -, ist der Anspruch des Gläubigers zeitanteilig Masseschuld, selbst wenn er z.B. die angemieteten Räume wegen sofortiger Betriebsschließung leer stehen lassen muß und keine Arbeitnehmer mehr beschäftigen kann. Es ist wegen der Fortdauer des Schuldverhältnisses unvermeidlich, hier zeitanteilig Masseschulden anzuerkennen.
104
Die Abfindungen könnten daher Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO nur sein, wenn man sie als Entgelt für die im nachkonkurslichen Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung zu bewerten hätte. Dies ist jedoch nicht möglich. Die Abfindung steht in keiner unmittelbaren Beziehung zu der Arbeitsleistung, ebensowenig wie das etwa bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung der Fall ist (BAG 24, 177 [183] = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt zu A II 2 a der Gründe). Die Abfindung läßt sich daher auch nicht pro rata temporis auf die Zeit vor und nach Konkurseröffnung aufteilen.
105
D
Keine Einordnung der Abfindungen aus nachkonkurslichen Sozialplänen unter § 59 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO
106
1.
Änderungen der Konkursordnung
107
Nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 lit. a KO sind Masseschulden u.a. Ansprüche der Arbeitnehmer auf die Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Verfahrens (oder dem Ableben des Gemeinschuldners). Die Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO. Danach sind die Ansprüche der Arbeitnehmer auf die genannten Bezüge Konkursforderungen an erster Rangstelle wegen der Rückstände für das letzte Jahr vor Konkurseröffnung (oder dem Ableben des Gemeinschuldners). § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO ist durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl. I, 1481) eingefügt worden, ebenso wie § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO neu gefaßt worden ist. In § 61 Nr. 1 KO a.F. war der Wortlaut anders; es wurde dort von den rückständigen Forderungen auf Lohn, Kostgeld oder anderen Bezügen gesprochen. Die Änderung hat nur sprachliche Gründe; es erschien nicht angebracht, "den veralterten Sprachgebrauch" zu übernehmen. Die sprachlichen Änderungen sollten andererseits nicht zu einer Erweiterung oder Einengung von Ansprüchen des begünstigten Personenkreises führen, sondern der Auslegung des § 61 Nr. 1 Halbsatz 1 KO a.F. in der Rechtsprechung und im Schrifttum Rechnung tragen (so die Begründung des Gesetzentwurfes zu Art. 2 § 1 Nr. 1 a BT-Drucksache 7/1750, S. 16). Es kann daher davon ausgegangen werden, daß hinsichtlich des erfaßten Umfangs der Ansprüche der sachliche Inhalt der Norm unverändert geblieben ist.
108
Als Begründung für die Umwandlung eines Teils der Ansprüche in Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO wird ausgeführt (a.a.O., S. 11):
"Gleichzeitig soll die Stellung des Arbeitnehmers im Falle des Konkurses seines Arbeitgebers auch durch Änderung konkursrechtlicher Vorschriften verbessert werden. Als kurzfristig zu verwirklichende gesetzgeberische Maßnahme bietet sich hier die Möglichkeit an, im Konkurs des Arbeitgebers die für sechs Monate rückständigen Lohnforderungen in Masse schulden umzuwandeln, die aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen sind. Eine solche Regelung hat ein Vorbild in § 46 Abs. 2 Buchst. a der österreichischen Konkursordnung. Darüber hinausgehende Verbesserungen des geltenden Rechts zugunsten der Arbeitnehmer im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bedürfen noch eingehender Prüfung. Dem Ergebnis dieser Prüfungen soll durch den vorliegenden Entwurf nicht vorgegriffen werden."
109
Die Tatbestände des § 59 Abs. 1 Nr. 3 und des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO n.F. unterscheiden sich nur durch den Bezugszeitraum. Die Gesetzesänderung hat den Begriff der "Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis" inhaltlich gegenüber dem früheren Recht nicht geändert. Gleichzeitig wurde die Rangfolge der Masseschulden und -kosten nach § 60 KO geändert.
110
2.
Meinungsstand
111
Abgesehen von den Stimmen, die für eine Einordnung der Abfindungsansprüche in § 59 Abs. 1 Nr. 1 oder auch 2 KO eintreten, halten insbesondere Kraushaar (ArbuR 1978, 33 [42]) und Körnig (DB 1975, 1411 [1415]) eine analoge Anwendung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO bzw. des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO n.F. für nachkonkursliche Sozialpläne für denkbar.
112
3.
Stellungnahme
113
Die §§ 61 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 59 Abs. 1 Nr. 3 KO beziehen sich auf Rückstände der genannten Bezüge für das letzte Jahr vor Konkurseröffnung. Daher kann man, wenn Betriebsschließung und Sozialplan in die Zeit nach Konkurseröffnung fallen, die unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften nach geltendem Recht nicht in Betracht ziehen. Nach der Absicht des Gesetzgebers erfassen die Tatbestände des § 59 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und des § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO das Arbeitsentgelt für die Dienstleistungen, die in die bevorrechtigte Zeit fallen. Die Sicherstellung der Bezüge für den täglichen Lebensunterhalt ist das gesetzgeberische Motiv für die Privilegierung. Das hat Friedrich Weber unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 61 Nr. 1 KO a.F. dargelegt (Anm. zu AP Nr. 6 zu § 61 KO); dies ist auch die Auffassung der Kommentare zum Konkursrecht (Mentzel-Kuhn, a.a.O., § 61 Anm. 33 und Jäger-Lent, a.a.O., § 61 Anm. 16 ff.), ebenso der Urteile des Vierten Senats (BAG 20, 1 = AP Nr. 5 zu § 61 KO) und des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22, 105 = AP Nr. 6 zu § 61 KO). Für rückständige Ruhegeldansprüche kommt es nach dem Urteil des Dritten Senats, da die unmittelbare Austauschbeziehung fehlt, darauf an, daß die Bezüge den Lebensunterhalt für die bevorrechtigte Zeit decken sollen (insoweit zustimmend: Friedrich Weber, a.a.O.).
114
Nach diesem konkursrechtlichen Grundgedanken lassen sich die Ansprüche auf Abfindungen aus vom Konkursverwalter abgeschlossenen Sozialplänen nicht den bevorrechtigten Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bzw. den Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO zuordnen. Man kann sie nicht als Leistung für den Vorrechtszeitraum von einem Jahr bzw. sechs Monaten konkretisieren; ihr Zweck ist es nicht, den Lebensunterhalt gerade für den Vorrechtszeitraum sicherzustellen. Auch eine Aufteilung pro rata temporis auf diese Zeiträume ist nach dem Normzweck nicht möglich.
115
E
Keine Einordnung der Ansprüche aus Sozialplanabfindungen unter § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO
116
Die bisherige Diskussion bewegt sich im wesentlichen in einem "entweder/oder". Diejenigen, die den Masseschuldcharakter der Sozialplanabfindungen verneinen, verweisen diese Ansprüche zumeist in die Reihe "aller übrigen Konkursforderungen" nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO. Der Große Senat hält weder die eine noch die andere Meinung für vertretbar.
117
Der Gesetzgeber der Konkursordnung mag in der damals berechtigten Vorstellung gelebt haben, durch den Auffangtatbestand des § 61 Nr. 6 KO a.F. (heute: § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO) alle nur denkbaren Forderungen von Konkursgläubigern erfaßt und damit ein lückenloses System geschaffen zu haben. Sämtliche Gläubiger, die weder Massegläubiger waren noch ein Vorrecht genossen, hatten im letzten Rang ihren Platz. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Rangordnung des § 61 KO noch der heutigen Rechts- und Wirtschaftsordnung allgemein gerecht wird. Darüber zu urteilen, ist der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht befugt. Es geht aber nicht an, daß Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes und damit der Existenzgrundlage nach der heutigen, auch das Betriebsverfassungsgesetz einschließenden Rechtsordnung nur unter "allen übrigen Konkursforderungen" an letzter Stelle stehen.
118
Ein solches Ergebnis würde die durch das Betriebsverfassungsgesetz begründeten Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes in einem wichtigen Anwendungsfall praktisch wertlos machen. Für das Jahr 1975 betrug die Deckungsquote bei nicht bevorrechtigten Konkursforderungen in allen erfaßten Konkursverfahren nur 2,3 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik. Deutschland, 1977, 131). Seit Jahren ist diese Deckungsquote geringer geworden. Sie hat sich seit 1970, als sie noch 9,0 % betrug, auf den angegebenen Stand ermäßigt (Statistisches Jahrbuch, a.a.O.).
119
Unter diesen Umständen wäre eine Einordnung der Sozialplanabfindungen unter den Auffangtatbestand des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO angesichts ihrer sozialen Bedeutung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Es wäre nicht sachgerecht und daher nicht folgerichtig, wollte man annehmen, daß zwar einerseits nach geltendem Betriebsverfassungsrecht auch im Konkursfall im Interesse des sozialen Schutzes Sozialpläne aufzustellen sind und Abfindungen ausgeworfen werden können, daß aber andererseits nach geltendem Konkursrecht diese Abfindungen im Konkursfall ohne realen Wert bleiben. Die Rangvorschriften der Konkursordnung sind hinter der Entwicklung der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung zurückgeblieben. Der Große Senat geht deshalb davon aus, daß der Gesetzgeber, der in der Abfindungsregelung der §§ 111 bis 113 BetrVG 1972 eine der wichtigsten Neuerungen des Betriebsverfassungsrechts herbeigeführt hat, hätte er das Problem der konkursrechtlichen Einordnung gesehen, diese Abfindungen sicher nicht in der letzten Rangstelle des § 61 Abs. 1 KO untergebracht hätte. Dann besteht aber insoweit in der Konkursordnung heute eine Lücke, die durch das neue Betriebsverfassungsrecht eingetreten und durch den Großen Senat zu schließen ist (vgl. BVerfGE 34, 269 [287 f.] = AP Nr. 21 zu Art. 2 GG; BAG 22, 125 [137] = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel und BAG 24, 177 [192 ff.] = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
120
F
Keine Einordnung der Ansprüche auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG 1972 unter die Masseschulden oder unter § 61 Abs. 1 Nr. 1 oder 6 KO
121
Mit den vorstehenden Erwägungen ist zugleich geklärt, daß auch Ansprüche auf Nachteilsausgleich nicht unter § 59 Abs. 1 insbesondere Nr. 1 KO eingeordnet werden können, obwohl es hier näher liegt, wegen Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Konkursverwalters eine pflichtwidrige Unterlassung und damit eine "Handlung des Konkursverwalters" anzunehmen (vgl. BAG Urteil vom 17. September 1974, AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 unter Ziffer 6 der Gründe). Sie fallen auch nicht unter § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO und ebensowenig unter den Auffangtatbestand des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO. Die konkursrechtliche Behandlung beider Arten der betriebsverfassungsrechtlichen Abfindungen kann nicht verschieden sein (vgl. die Ausführungen unten IV A 3); davon ist auch der Erste Senat in seinem Urteil vom 17. September 1974 zu Recht ausgegangen.
122
Teil IV Rechtsfortbildung
123
A.
1.
Damit steht der Große Senat vor der Aufgabe, diese Lücke im Wege der Rechtsfortbildung auszufüllen und die durch einen nachkonkurslichen Sozialplan begründeten Ansprüche auf Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in die Rangfolge der Konkursordnung einzuordnen. Dabei ist einerseits von der hohen sozialen Bedeutung dieser Abfindungen auszugehen; andererseits muß aber auch auf das Rangsystem der Konkursordnung Bedacht genommen werden. Der Große Senat verkennt nicht, daß die Konkursordnung kein arbeitsrechtliches Gesetz ist. Die Konkursordnung regelt nicht das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern gerade in den hier maßgebenden Bestimmungen der §§ 59 und 61 KO den Konflikt zwischen den Gläubigern des Gene in Schuldner s. Das entbindet den Großen Senat aber nicht von der Notwendigkeit, die aufgezeigte Lücke auszufüllen. Dies wiederum muß notwendigerweise zu einer Ergänzung der bisherigen konkursrechtlichen Rangregelung führen, welche die besonders schutzwürdige Stellung der Arbeitnehmer für vergleichbare Fallgestaltungen bereits in § 59 Abs. 1 Nr. 3 und § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anerkannt hat.
124
2.
Der Große Senat vermag keinen erheblichen Unterschied zwischen Zahlungsansprüchen aus einem Sozialplan für den Verlust des Arbeitsplatzes und Ansprüchen gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG in dem Sinne zu sehen, daß diese Ansprüche etwa in eine verschiedene Rangstelle im Rahmen der Konkursordnung einzuordnen wären. Zwar gibt § 113 BetrVG eine nach § 10 KSchG zu bemessende Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, wenn der Unternehmer es unterlassen hat, das Verfahren nach §§ 111, 112 BetrVG durchzuführen. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG spricht demgegenüber von "wirtschaftlichen Nachteilen infolge einer geplanten Betriebsänderung", die durch einen Sozialplan ausgeglichen werden sollen. Es ist denkbar, daß einzelne Arbeitnehmer infolge alsbaldiger anderweiter Arbeitsaufnahme überhaupt keinen wirtschaftlichen Nachteil haben oder sich sogar verbessern. Gleichwohl ist es zulässig und wird auch praktisch vielfach so gehandhabt, daß in Sozialplänen pauschaliert und u.U. gestaffelt (u.a. nach der Dauer der Betriebs Zugehörigkeit) Abfindungen gewährt werden, die einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes darstellen sollen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der einzelne Arbeitnehmer tatsächlich einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten hat. Auch eine solche, durch den Sozialplan geregelte pauschalierte Abfindung soll den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen, der in diesen Fällen ohne Nachprüfung im Einzelfall als ausgleichsbedürftiger wirtschaftlicher Nachteil gewertet werden kann (vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 112 Anm. 11; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 13, 14 und Anm. AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972; Vogt, BB 1975, 1581 [1584]; a.M. Galperin-Löwisch, a.a.O., § 112 Anm. 3, 21; Weitnauer, ZfA 1977, 111 [117]; Wiedemann-Willemsen, Anm. AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972). Unter diesem Gesichtspunkt ist eine unterschiedliche konkursrechtliche Behandlung beider Ansprüche ausgeschlossen. Die folgenden Ausführungen für Sozialplanansprüche gelten daher gleichermaßen für den Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG.
125
3.
Der Große Senat sieht sich aber veranlaßt darauf hinzuweisen, daß die Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan einerseits und nach § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG andererseits nicht beziehungslos nebeneinander bestehen. Die Zahlung beider Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes kann nicht nebeneinander verlangt werden (dafür z.B. Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O., § 112 Anm. 11, § 113 Anm. 15; dagegen Dietz-Richardi, a.a.O., § 113 Anm. 4; offen gelassen BAG 14.9.1976 - 1 AZR 784/75 - AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972). Die sanktionsweise nach § 113 BetrVG zu gewährende Abfindung tritt in Höhe des Nachteilsausgleichs an die Stelle der Sozialplanabfindung. Wird nachträglich noch ein Sozialplan aufgestellt, der die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer für den Verlust ihres Arbeitsplatzes vorsieht, so sind nach § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG zuerkannte Abfindungen anzurechnen (so auch Richardi, Anm. AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972).
126
B.
Im einzelnen wird die durch den Großen Senat vorzunehmende Einordnung der Abfindungsansprüche in das konkursrechtliche System durch folgende Erwägungen bestimmt:
127
1.
Der Große Senat hält es nicht für gerechtfertigt, die Abfindungsansprüche als Masseschulden in den Katalog des § 59 Abs. 1 KO einzufügen. Dagegen sprechen alle oben (Teil III Abschn. B bis D) gegen eine Anerkennung dieser Ansprüche als Masseschulden nach geltendem Recht bereits angeführten Argumente. Dasselbe gilt für die Erwägungen gegen eine Einordnung als einfache Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO (vgl. Teil III E).
128
2.
Damit bleibt es allein möglich, die Abfindungsansprüche in den Katalog der bevorrechtigten Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 KO aufzunehmen. Dabei ist ihnen der Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zuzubilligen.
129
Wegen ihrer existentiellen Bedeutung für den einzelnen Arbeitnehmer ist den Sozialplanabfindungen Vorrang vor den Forderungen der öffentlichen Hand nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO einzuräumen. Es erscheint auch nicht angemessen, die Abfindungsansprüche gleichrangig mit den übrigen dort genannten Anspruchstatbeständen in § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO aufzunehmen. Nach § 61 Abs. 2 KO haben die in Abs. 1 unter einer Nummer zusammengefaßten Forderungen den gleichen Rang. Gleichrangige Konkursforderungen werden nach dem Verhältnis ihrer Beträge berichtigt. Die Abfindungsansprüche müßten deshalb, wenn sie innerhalb der Klasse des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO untergebracht wären, die nach Befriedigung der Masseschulden verbleibenden Mittel mit allen übrigen Gläubigern dieser Vorrechtsgruppe teilen. Dazu gehört auch die Bundesanstalt für Arbeit als Gläubigerin von Lohnansprüchen für das letzte Vierteljahr vor Konkurseröffnung, für die sie Konkursausfallgeld gezahlt hat. Diese Lohnansprüche - meist erheblichen Umfangs - gehen nach § 141 m Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes auf die Bundesanstalt für Arbeit über und sind gemäß § 59 Abs. 2 KO als Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen. Berücksichtigt man weiter, daß selbst bei bevorrechtigten Konkursforderungen für das Jahr 1975 die Deckungsquote im Durchschnitt nur 32,7 % betrug (Statistisches Jahrbuch 1977, 131), so wird deutlich, daß auch ein Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO in einer großen Zahl von Fällen den betroffenen Arbeitnehmern wenig bringen würde. Unter diesen Umständen kann nur die Einordnung in eine neue, vor allen anderen Konkursforderungen stehende Rangstelle den wirtschaftlichen Wert der Abfindungsansprüche einigermaßen erhalten. Das ist auch deshalb gerechtfertigt, weil nach geltendem Recht Warengläubiger und Geldgläubiger sich häufig durch Aus- und Absonderungsrechte hinreichend sichern können (vgl. auch BAG 22, 105 [107] = AP Nr. 6 zu § 61 KO [zu II 1 der Gründe]), und die Sozialpläne für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze verloren sind, wenigstens einen gewissen Ausgleich schaffen sollen.
130
3.
Es sprechen keine erheblichen Gründe gegen diese Lösung.
131
a)
Es ist nicht zu übersehen, daß rückständige Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO) zurückgedrängt werden, wenn die Abfindungsansprüche aus Sozialplänen ihnen gegenüber Vorrang genießen. Dies ist zwar eine unbefriedigende Folge. Sie ist aber hinzunehmen, weil die Arbeitnehmer neben der Sicherung nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO für Rückstände aus den letzten drei Monaten vor Konkurseröffnung auch durch das Konkursausfallgeld (§§ 141 a ff. AFG) gesichert sind. Falls sich besondere Härten ergeben, sollen Konkursverwalter und Betriebsrat prüfen, ob der Sozialplan bei der Bemessung seiner Leistungen einen Ausgleich dafür schaffen kann.
132
Auch rückständige Ansprüche auf Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d KO) müssen hinter den Sozialplanabfindungen zurücktreten. Das erscheint tragbar, weil die Ansprüche der Pensionäre durch die Insolvenzsicherung (§§ 7 ff. BetrAVG) geschützt sind. Anders als bei den Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verlieren, ist die Existenzgrundlage der Pensionäre nicht gefährdet.
133
b)
Der Große Senat verkennt nicht, daß mit der Zubilligung eines Vorrechts vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO für die Gläubiger von Sozialplanabfindungen notwendigerweise die Deckungsaussichten aller nachfolgenden Konkursforderungen mehr oder minder weiter geschmälert werden. Die Abfindungsansprüche können in der neuen Rangstelle nur auf Kosten aller nachfolgenden Konkursgläubiger befriedigt werden. Dies wird dazu führen, daß die gewöhnlichen Konkursgläubiger in noch größerem Umfange, als dies bisher der Fall war, leer ausgehen werden. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts ist nicht dazu berufen, die Rangfolge des § 61 Abs. 1 KO für nicht arbeitsrechtliche Ansprüche zu überprüfen. Es muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, bei der vielfach geforderten Reform des Konkursrechtes die entstandenen Ungerechtigkeiten zu beseitigen, z.B. durch Überprüfung des Rechts der Aussonderung und Absonderung (§§ 43 bis 51 KO).
134
4.
a)
Wenn nach alledem die Sozialplanabfindungen keine Masseschulden, sondern bevorrechtigte Konkursforderungen sind, so folgt daraus, daß sie im Anmeldeverfahren nach §§ 138 ff. KO geltend gemacht werden müssen. Die Anmeldung kann sowohl der einzelne Arbeitnehmer wie auch der Betriebsrat vornehmen, dessen Vollmacht, für die einzelnen Arbeitnehmer zu handeln, vermutet wird. Die Ansprüche aus § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG hat allerdings der einzelne Arbeitnehmer anzumelden.
135
b)
Die Ansprüche aus einem Sozialplan (§ 112 BetrVG) und Ansprüche auf Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG) dienen der Überbrückung der wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebsänderung für die davon betroffenen Arbeitnehmer, sie sind daher auch vielfach auf eine schnelle Realisierung angewiesen. Da die Abwicklung eines Konkursverfahrens aber erfahrungsgemäß oft Jahre in Anspruch nimmt, ist der Konkursverwalter nicht nur für berechtigt, sondern darüber hinaus für verpflichtet anzusehen, angemessene Vorauszahlungen mit Ermächtigung des Konkursgerichts zu leisten, so früh dies möglich ist (§ 170 KO; vgl. Mohrbutter, Handbuch des gesamten Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 2. Aufl., § 85 VI S. 921 f.).
136
C
Ansprüche aus Sozialplänen und auf Nachteilsausgleich aus der Zeit vor Konkurseröffnung
137
Unvermeidbar ist es, noch nicht erfüllte Abfindungsansprüche auch dann in die neu geschaffene Rangstelle der bevorrechtigten Konkursforderungen aufzunehmen, wenn sie noch durch Gemeinschuldner und Betriebsrat in vorkonkursuchen (aber noch nicht abgewickelten) Sozialplänen festgelegt oder wegen des unterbliebenen Versuchs eines Interessenausgleichs über die geplante Betriebsänderung gemäß § 113 Abs. 3 i.Verb.m. Abs. 1 BetrVG bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens begründet wurden, d.h. vorbehaltlich ihrer (noch) nicht erfolgten gerichtlichen Feststellung bereits entstanden sind (vgl. Urteil des Ersten Senats vom 20. Juni 1978 - 1 AZR 102/76 - [demnächst] AP Nr. 3 zu § 113 BetrVG 1972). Es wäre ein unvertretbares Ergebnis, Abfindungsansprüche unterschiedlich zu behandeln, je nachdem ob der Zeitpunkt von Betriebsänderung und (oder) Sozialplan mehr oder weniger zufällig vor oder nach Konkurseröffnung liegt. Dasselbe gilt, wenn die Betriebsänderung nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats noch vom Gemeinschuldner durchgeführt, ein Sozialplan aber erst nach Konkurseröffnung zustande gekommen oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist. Die ganz überwiegende Meinung sieht diese Problematik, nimmt aber an, daß derartige Ansprüche nicht bevorrechtigte Konkursforderungen seien. Ein solches Ergebnis könnte niemandem, insbesondere keinem der betroffenen Arbeitnehmer verständlich gemacht werden (vgl. Grunsky, RdA 1978, 174 f.). Außerdem wäre damit ein starker Anreiz gegeben, den Abschluß des Sozialplans möglichst in die Zeit nach Konkurseröffnung zu verlegen; das wiederum könnte die u.U. berechtigte Hoffnung vereiteln, den bedrohten Betrieb durch Teilstillegungen oder Veräußerung wirtschaftlich zu retten.
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Die konkursrechtliche Grundvorstellung, daß sämtliche Forderungen, die vor Konkurseröffnung "begründet" worden sind, nach § 3 KO Konkursforderungen sind und mangels ausdrücklicher Erwähnung in § 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO unter § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO einzuordnen seien, führt für die hier zu erörternden Abfindungsansprüche nicht zu sinnvollen Ergebnissen. Dieses Prinzip ist bereits durch die Einfügung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 in die Konkursordnung durchbrochen worden. Entscheidend ist, daß diese Abfindungen dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile dienen, die der Arbeitnehmer infolge seines Arbeitsplatzverlustes insbesondere für die Zukunft erleidet, selbst wenn bei der Höhe der Abfindung die Dauer der BetriebsZugehörigkeit eine Rolle spielt.
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Teil V Übergangsprobleme
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1.
Für bereits abgewickelte Sozialpläne oder für erfüllte Ansprüche auf Nachteilsausgleich muß es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und Praktikabilität bei der erfolgten Handhabung verbleiben. Die Rechtsfortbildung des Großen Senats erstreckt sich hierauf nicht, wie auch immer ihre konkursrechtliche Einordnung nach dem Eintritt des Konkursfalles bisher erfolgt sein mag (vgl. BAG 24, 177 [194] = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
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2.
Vor Verkündung des Beschlusses des Großen Senats aufgestellte, aber noch nicht abgewickelte Sozialpläne werden nicht immer den Anforderungen entsprechen, die an den Inhalt von Sozialplänen nach Auffassung des Großen Senats zu stellen sind; es kann z.B. die angemessene Berücksichtigung der Konkursgläubiger fehlen (vgl. oben II B 6 e). In einem solchen Falle sind Konkursverwalter und Betriebsrat verpflichtet zu prüfen, ob der bisherige, noch nicht erfüllte Sozialplan aufrechterhalten werden kann. Gegebenenfalls besteht das Recht, einen noch nicht erfüllten Sozialplan wegen veränderter Verhältnisse außerordentlich zu kündigen und damit den Weg für eine Neufestsetzung der Abfindungsansprüche für den Verlust des Arbeitsplatzes freizumachen. Dies muß auch für Sozialpläne gelten, die erst durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen und noch nicht abgewickelt sind.
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Auch wenn und soweit vor Verkündung des Beschlusses des Großen Senats abgeschlossene, aber noch nicht abgewickelte Sozialpläne etwa von einem von der Auffassung des Großen Senats abweichenden konkursrechtlichen Rang für Sozialplanansprüche ausgegangen sein sollten (vgl. Teil III A), können derartige Sozialpläne außerordentlich gekündigt werden.
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Bei Ansprüchen auf Nachteilsausgleich werden sich diese Übergangsprobleme kaum stellen. Entweder sind sie bereits erfüllt (vgl. oben V 1) oder ihre (gerichtliche) Festsetzung nach Verkündung des Beschlusses des Großen Senats wird im Rahmen des § 10 KSchG erfolgen und den Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO erhalten.
gez.: Dr. Müller
Dr. Stumpf
Dr. Hilger
Dr. Auffarth
Siara Hillebrecht
Dr. Osswald
Gröbing
Mager
Kehrmann
Verkündet am 13. Dezember 1978