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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigungsschutz - leitende Angestellte
Kündigungsschutz - leitende Angestellte
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der KSchG-Kündigungsschutz gilt auch für leitende Angestellte. Die Kündigung dieser Arbeitnehmer muss ebenfalls sozial gerechtfertigt sein. Das heißt: sie muss betriebs-, personen- oder verhaltensbedingt sein. Wer leitender Angestellte ist, lässt sich oft nur schwer feststellen. § 14 Abs. 2 KSchG nennt "Betriebsleiter", "Geschäftsführer" und "ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind."
Praxistipp:
Bei Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen leitender Angestellter ist manchmal ein anderer Maßstab anzulegen als bei den Kündigungen einfacher Arbeitnehmer. Man muss bei den "Leitenden" berücksichtigen, dass sie irgendwie auch Arbeitgeberfunktion haben, unternehmerische Aufgaben wahrnehmen und deswegen zwischen ihnen und dem Rest der Mannschaft oft ein Spannungsverhältnis besteht. Da fällt die Interessenabwägung in Sachen Kündigung manchmal zu Gunsten des Arbeitgebers aus.
Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung der Funktion "leitender Angestellter" enthält § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG. Für die Angestellten in leitender Stellung, die § 14 Abs. 2 KSchG aufzählt, ist es in jedem Fall wichtig, dass sie Personalkompetenz haben. Diese Personalkompetenz darf nicht nur auf wenige Maßnahmen beschränkt sein, sondern muss sowohl im Außenverhältnis zu den Mitarbeitern als auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber einiges Gewicht haben. Nur dann hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, seinen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ohne Begründung zu stellen (§ 14 Abs. 2 KSchG), um sich so - wenn auch gegen Zahlung einer Abfindung - schneller von einem gekündigten "Leitenden" zu trennen.
2. Merkmale leitender Angestellte
Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer und haben - wenn auch vielfach ihrer Position entsprechend eingeschränkt - Arbeitnehmerrechte.
Das KSchG zählt in § 14 Abs. 2
Geschäftsführer,
Betriebsleiter und
ähnliche leitende Angestellte,
soweit sie zur "selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind", als Angestellte in leitender Stellung. Mit der Bezeichnung "Geschäftsführer" und "Betriebsleiter" in § 14 Abs. 2 KSchG sind keine Organvertreter gemeint (s. dazu § 14 Abs. 1 KSchG und das Stichwort Kündigungsschutz - Arbeitnehmer). Die Begriffe sind von der Funktion her auszulegen: Betrieb leiten, Geschäft führen. Das Tatbestandsmerkmal "zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt" bezieht sich sowohl auf die "Betriebsleiter" und "Geschäftsführer" iSd. § 14 Abs. 2 KSchG als auch auf "ähnliche leitende Angestellte" (BAG, 18.10.2000 - 2 AZR 465/99; BAG, 27.09.2001 - 2 AZR 176/00).
Leitende Angestellte iSd. des § 14 Abs. 2 KSchG müssen nicht unbedingt auch leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG. Danach ist "Leitender", "wer nach seiner Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
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zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
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Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
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regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein."
Weitere Abgrenzungskriterien und Bewertungshilfen gibt § 5 Abs. 4 BetrVG.
3. Leitende Angestellte im KSchG
Das KSchG macht von seinem Grundsatz, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sein müssen, für leitende Angestellte keine Ausnahme. Auch sie sind Arbeitnehmer. Auch ihre Kündigung muss
sein. § 14 Abs. 2 KSchG schließt § 1 KSchG für leitende Angestellte gerade nicht aus (BAG, 10.10.2002 - 2 AZR 598/01). Nur § 3 KSchG - Kündigungseinspruch durch den Betriebsrat - gilt für sie nicht. Soweit leitende Angestellte iSd. des § 14 Abs. 2 KSchG betroffen sind, kann der Arbeitgeber seinen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG bei ihnen ohne Begründung stellen.
Praxistipp:
Das KSchG erlaubt in § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers, "wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen .. [ihm] und [seinem] Arbeitnehmer nicht erwarten lassen." Der Arbeitgeber muss diese Gründe im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen. Es sei denn, er stellt den Auflösungsantrag gegen einen Angestellten in leitender Stellung iSd. § 14 Abs. 2 KSchG. Das erleichtert die Trennung in diesem Bereich erheblich - wenn auch nur gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung.
Im umgekehrten Fall, dass der leitende Angestellte einen Auflösungsantrag stellt, gilt § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG - und das ohne Einschränkung:
"Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen."
Die Personalkompetenz der "ähnlich leitenden Angestellten" muss
entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen,
nicht nur im Außen-, sondern auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber bestehen,
einen wesentlichen Teil der Tätigkeiten des Angestellten ausmachen und
darf nicht bloß auf dem Papier stehen, sondern muss tatsächlich ausgeübt werden (BAG, 19.04.2012 - 2 AZR 186/11).
Der "ähnliche leitende Angestellte" iSd. § 14 Abs. 2 KSchG muss die Rechtsmacht zum selbstständigen Abschluss von Arbeitsverträgen und ihrer Beendigung haben. Die Möglichkeit, nur auf die Zusammensetzung des Mitarbeiterkreises Einfluss nehmen zu können, reicht zur Bejahung der Personalkompetenz nicht aus (BAG, 14.04.2011 - 2 AZR 167/10). Ebenso wenig kann von einer ausreichenden Personalkompetenz ausgegangen werden, wenn der Angestellte nur in Einzelfällen Personalgespräche führt und schriftliche Arbeitsverträge unterschreibt, das Letztentscheidungsrecht dann aber doch beim GmbH-Geschäftsführer liegt (BAG, 24.03.2011 - 2 AZR 674/09). § 14 Abs. 2 KSchG greift auch nicht, wenn der leitende Angestellte nur einen eng umgrenzten Personenkreis einstellen und entlassen darf (LAG Rheinland-Pfalz, 11.01.2008 - 9 Sa 489/07).
Praxistipp:
Bei der Charakterisierung eines Arbeitnehmers als Angestellter in leitender Stellung iSd. § 14 Abs. 2 KSchG kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und ihre rechtliche Bewertung an. Die bloße Vereinbarung einer Tätigkeit als leitender Angestellter im Arbeitsvertrag ist bedeutungslos, wenn nicht gleichzeitig auch die rechtlichen Bedingungen erfüllt sind und er tatsächlich die Stellung eines "Leitenden" hat.
Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 KSchG und den privilegierten Auflösungsantrag. So muss er im Rechtsstreit auch darlegen und beweisen, dass sein leitender Angestellter berechtigt ist, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen (LAG Rheinland-Pfalz, 16.04.2010 - 9 Sa 739/09).
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Kündigungsschutz leitender Angestellter in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Auflösungsantrag
Der Arbeitgeber braucht seinen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 KSchG bei den leitenden Angstellten iSd. § 14 Abs. 2 KSchGnicht zu begründen, wenn sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Die Einstellungs- und Kündigungskompetenz muss sowohl im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber als auch im Außenverhältnis gegenüber den Mitarbeitern bestehen. "Die Personalbefugnisse dürfen dabei nicht nur untergeordnete Aufgabenbereiche betreffen, sie müssen vielmehr wesentlicher Teil der Tätigkeit des leitenden Angestellten sein" (LAG Hamm, 22.10.2009 - 16 Sa 1644/08 - mit Hinweis auf BAG, 18.11.1999 - 2 AZR 903/98).
4.2 Betriebsübergang
"Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, namentlich ihr Art. 2 Abs. 1 Buchst. d, ist dahin auszulegen, dass eine Person, die mit dem Veräußerer einen Vertrag zur Übernahme einer Vertrauensstellung im Sinne der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung geschlossen hat, als 'Arbeitnehmer' angesehen werden und daher den von dieser Richtlinie gewährten Schutz in Anspruch nehmen kann, vorausgesetzt jedoch, dass sie von dieser Regelung als Arbeitnehmer geschützt wird und zum Zeitpunkt des Übergangs über einen Arbeitsvertrag verfügt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist" (EuGH, 13.06.2019 - C-317/18 - 1. Leitsatz - Portugal).
4.3 Interessengegensatz
Ähnliche leitende Angestellte müssen eine Funktion ausüben, die mit der von den zuvor in § 14 Abs. 2 KSchG genannten "Betriebsleiter" und "Geschäftsführer" vergleichbar ist. Sie müssen Aufgaben wahrnehmen, die unternehmensbezogen sind, einen eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum besitzen und "in einem funktional bedingten Interessengegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern stehen." Soweit es ihre Personalverantwortung betrifft, brauchen sie nicht betriebs- oder unternehmensbezogen Einstellungen und Entlassungen vornehmen zu dürfen. Es reicht bereits, wenn sie "in zumindest einer Betriebsabteilung zur selbstständigen Enstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind" (LAG Rheinland-Pfalz, 28.10.2010 - 2 Sa 342/10).
4.4 Personalverantwortung - 1
Die gesetzliche Forderung in § 14 Abs. 2 KSchG, dass alle "ähnliche leitende Angestellte" eine Einstellungen und Kündigungen umfassende Kompetenz haben müssen, "ist hinsichtlich der Gewährung eines begründungsfreien Auflösungsrechtes ... ein sachgerechtes Differenzierungskriterium." Dieses zusätzliche Abgrenzungskriterium ist auch deswegen erforderlich, weil in vielen - vor allem kleineren - Betrieben als "Betriebsleiter" eingesetzte Mitarbeiter gerade keine Berechtigung haben, andere Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen. Insoweit gilt: "Der Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsleiters gegen Abfindung bedarf der Begründung, wenn dieser nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist oder wenn die Ausübung einer solchen Befugnis keinen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmacht und somit seine Stellung nicht prägt" (BAG, 18.10.2000 - 2 AZR 465/99 - Leitsatz).
4.5 Personalverantwortung - 2
Bei Prüfung der Frage, ob der Personalverantwortung tragende Arbeitnehmer ein ähnlich leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, kommt es nicht auf die "Quantität" der Maßnahmen an. "Maßgeblich ist vielmehr das Gewicht der zu tragenden personellen Verantwortung und ob dies die Tätigkeit qualitativ prägt." Leitender Angestellter iSd. des KSchG ist "einer, der kraft seiner Funktion für Bestand und Entwicklung des Betriebes Aufgaben mit besonderer Bedeutung und Verantwortung, mithin unternehmerische Teilaufgaben wahrnimmt. Er muss maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische, personelle oder wirtschaftliche Führung des Unternehmens oder eines Betriebs ausüben" (LAG Bremen, 03.02.2010 - 2 Sa 123/09).
4.6 Personalverantwortung - 3
§ 14 Abs. 2 KSchG verlangt, dass die dort genannten leitenden Angestellten zur selbstständigen Einstellung und Entlassung "berechtigt sind". Ihnen muss dazu vom Arbeitgeber eine rechtliche Befugnis eingeräumt worden sein. Ein bloß informeller Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Mitarbeiterteams genügt nicht - der "Leitende" muss "die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbstständig im Außenverhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu verpflichten." Daher verbietet sich ein über den Wortlaut des § 14 Abs. 2 KSchG hinausgehendes Verständnis dieser Norm. "Das Gesetz verlangt nicht die Zuweisung irgendwelcher Zuständigkeiten für Mitarbeiter, sondern die Rechtsmacht zur Begründung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen" (BAG, 14.04.2011 - 2 AZR 167/10).
4.7 Personalverantwortung - 4
§ 14 Abs. 2 KSchG macht den privilegierten Auflösungsantrag daran fest, dass der leitende Angestellte iSd. dieser Vorschrift "zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt" ist. Diese Berechtigung muss "entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen." Es kommt auf den Stellenwert der Tätigkeit der Mitarbeiter an, die der leitende Angestellte einstellt oder entlässt. Dabei kann es auch ausreichen, dass sich die "personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine geschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist" (BAG, 19.04.2012 - 2 AZR 186/11).
4.8 Unternehmerische Teilaufgaben
Allein die Befugnis, Arbeitnehmer einstellen und entlassen zu dürfen, reicht für die Charakterisierung von Arbeitnehmern als "ähnliche leitende Angestellte" iSd. § 14 Abs. 2 KSchG nicht aus. Erforderlich ist "vielmehr die Wahrnehmung unternehmerischer Teilaufgaben (...). Nur unter dieser Voraussetzung kann von einer dem Geschäftsführer oder Betriebsleiter 'ähnlichen' Aufgabenstellung ausgegangen werden" (LAG Hamm, 14.12.2000 - 8 Sa 1234/00).
Siehe auch
Abfindung - AllgemeinesKündigung - betriebsbedingt: AllgemeinesKündigung - personenbedingt: AllgemeinesKündigung - verhaltensbedingt: AllgemeinesKündigungsschutz - ArbeitnehmerKündigungsschutz - Kündigungseinspruch des ArbeitnehmersKündigungsschutz - KündigungsgründeKündigungsschutzprozess - Auflösungsantrag