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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Befristung - Existenzgründer
Befristung - Existenzgründer
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sieht für die Befristung von Arbeitsverhältnissen starre Regelungen vor:
§ 14 Abs. 1 TzBfG verlangt zunächst einen sachlichen Grund;
§ 14 Abs. 2 TzBfG erlaubt die Befristung ohne sachlichen Grund nur bei Neueinstellungen und das auch nur bis zur Dauer von zwei Jahren;
§ 14 Abs. 3 TzBfG erleichtert die kalendermäßige Befristung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr (mehr dazu im Stichwort Befristung - Ältere Arbeitnehmer).
Das alles reichte nicht wirklich, um gezielt von Seiten der Legislative Beschäftigungsförderung zu betreiben. Der Gesetzgeber hat sich daher entschlossen, einen neuen § 14 Abs. 2a ins TzBfG aufzunehmen, der einen erleichterten Abschluss befristeter Arbeitsverträge für Existenzgründer vorsieht. Damit soll der Jobmotor endlich zünden. Im Übrigen stellt die gesetzliche Neuregelung eine Harmonisierung zu § 112a Abs. 2 BetrVG dar, der neu gegründete Unternehmen in den ersten vier Jahren von der Sozialplanpflicht ausschließt.
2. Motivation des Gesetzgebers
Auch wenn die Gewerkschaften es nicht wahr haben wollen: Der Abschluss befristeter Arbeitsverträge ist ein bewährter Teil unserer Arbeitskultur. Es ist - leider - nicht für jeden Arbeitnehmer ein Dauerarbeitsplatz verfügbar. Unternehmen müssen flexibel auf veränderliche Beschäftigungsbedürfnisse des Marktes reagieren. Dabei besteht oft und gerade für Existenzgründer eine unsichere Auftragslage. Der wirtschaftliche Erfolg ihrer Unternehmung ist vom Start aus nicht verlässlich abzuschätzen.
Beispiele:
Programmierer Mirko Sophdt hat ein neues PC-Programm entwickelt. Dieses Programm soll Schülern helfen, via Internet eine gemeinsame Lernplattform zu schaffen. Mirko ist zwar von der Klasse seiner Software überzeugt. Er weiß aber nicht, ob er sich auf dem Markt behaupten kann. Er möchte trotzdem den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Für ihn ist es sinnvoll, Mitarbeiter zunächst nur befristet einzustellen.
Elli Samer-Ritter möchte ihren Job als Arzthelferin aufgeben und sich als Pflegerin in der häuslichen Krankenpflege selbstständig machen. Der Erfolg ihrer Unternehmung hängt sicherlich zum einen von der Konkurrenz ab, zum anderen aber auch von der Anzahl der pflegebedürftigen Personen in ihrem Einzugsgebiet. Elli weiß, dass sie den Job bereits in der Anfangsphase nicht ohne Mitarbeiter schafft. Auf der anderen Seite möchte sie ihr Risiko minimieren, sich mit unbefristeten Arbeitsverträgen zu binden. Auch Elli Samer-Ritter wird die gesetzliche Neuregelung helfen.
Genau an diesem Punkt hat der Gesetzgeber eingehakt. Gerade weil Existenzgründer in der Aufbauphase nicht verlässlich abschätzen können, wie sich Unternehmenserfolg und Personalbedarf entwickeln, brauchen sie eine Möglichkeit, außerhalb der strengen Anforderungen des § 14 Abs. 1, 2 u. 3 TzBfG Mitarbeiter befristet einzustellen. Deswegen wurden für sie die gesetzlichen Vorgaben gelockert. Ihnen soll damit die Möglichkeit gegeben werden, verstärkt befristete Arbeitsverhältnisse zu schließen. Davon profitieren insbesondere Existenzgründer, deren Betrieb sofort oder nach kurzer Zeit in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Gleichzeitig soll den befristet eingestellten Mitarbeitern die Weiche für eine Dauerbeschäftigung gestellt werden.
3. Die gesetzlichen Voraussetzungen
§ 14 Abs. 2a Satz 1 Halbs. 1 TzBfG sieht vor, dass in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens
die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags
ohne sachlichen Grund
bis zur Dauer von vier Jahren
zulässig ist.
Beispiel:
Juppi S. ist mit Leib und Seele Kraftfahrer. Er kommt auf die Idee, in seiner Stadt einen lokalen Bringe- und Abholdienst einzurichten. Neben Privatkunden setzt Juppi S. auch auf den gewerblichen Bereich. Das Problem ist nur: Er muss zu bestimmten Zeiten eine Vielzahl unterschiedlicher Kunden gleichzeitig bedienen. Das kann er nicht allein. Also muss Juppi S. Mitarbeiter einstellen. § 14 Abs. 2a TzBfG gibt ihm die Möglichkeit, in den ersten vier Jahren nach Gründung seines Abhol- und Bringedienstes Mitarbeiter für die Dauer von maximal vier Jahren befristet ohne Sachgrund einzustellen.
Bis zur Gesamtdauer dieser vier Jahre ist auch die mehrfache Befristung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses zulässig (§ 14 Abs. 2a Satz 1 Halbs. 2 TzBfG; s. auch Kettenarbeitsvertrag). Da die Neuregelung ausdrücklich auf kalendermäßig befristete Arbeitsverhältnisse abstellt, gilt sie nicht für zweckbefristete oder auflösend bedingte Arbeitsverträge.
Beispiele:
Juppi S. aus dem voraufgehenden Beispiel stellt den belgischen Fahrer Kees van de Vedeckx befristet für die Zeit vom 01.07.2013 bis einschließlich 30.06.2014 ein. Er darf Kees Arbeitsvertrag dann bis zur Höchstdauer von vier Jahren verlängern und so erlaubterweise Kettenarbeitsverträge schließen.
Mirko Sophdt aus dem Beispiel in Ziffer 1. muss kurz nach dem Start seines Unternehmens einen herben Rückschlag hinnehmen. Sein Chef-Programmierer Axel Wördt erkrankt an einer geheimnisvollen Virusinfektion. Axel wird für mehrere Monate ausfallen. Mirko stellt Linus Offys zweckbefristet als Krankheitsvertretung ein. Wenn Mirko Linus Arbeitsvertrag nach Zweckerreichung weiter befristen will, braucht er dafür einen sachlichen Grund. Hier kann er sich nicht auf die erleichterte Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2a TzBfG berufen.
Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 AO der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist (§ 14 Abs. 2a Satz 3 TzBfG). Es kommt damit also nicht auf die Mitteilung, sondern den Beginn der Tätigkeit an.
Auf die nach § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG zulässige Befristung finden im Übrigen die Einschränkungen aus § 14 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 TzBfG entsprechende Anwendung (§ 14 Abs. 2a Satz 4 TzBfG). Das heißt:
Die erleichterte Befristung ist unzulässig, wenn bereits zuvor mit demselben Arbeitnehmer ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).
Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend festgelegt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG).
Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren (§ 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG).
Unbedingt beachten: "Die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Sachgrund bis zu zwei Jahren zu befristen, steht ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen, wenn das vorausgegangene Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt" (BAG, 06.04.2011 - 7 AZR 716/09 - Leitsatz).
Die Erleichterungen nach § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG gelten nicht für Neugründungen, die mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen zusammenhängen (§ 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG).
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Befristung bei Existenzgründungen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
4.1 Neugründung im Konzern
"Wird innerhalb eines Konzerns eine Tochtergesellschaft ohne Änderung der rechtlichen Struktur schon bestehender Unternehmen neu gegründet, um bislang im Konzern nicht wahrgenommene wirtschaftliche Aktivitäten zu verfolgen, kann die neu gegründete Tochtergesellschaft von der erleichterten Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG Gebrauch machen. Die Tochtergesellschaft ist keine nach § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG von der erleichterten Befristungsmöglichkeit ausgenommene Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen" (BAG, 12.06.2019 - 7 AZR 317/17 - Leitsätze).