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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arbeitsunfähigkeit - Nachweispflicht
Arbeitsunfähigkeit - Nachweispflicht
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Neben der Anzeige- und Meldepflicht gibt es für Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit die Verpflichtung, die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. D. h. der Arbeitnehmer muss seinem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorlegen (Nachweispflicht).
Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG verankerte Nachweispflicht ist für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer seit dem 01.01.2023 Geschichte. Seit Jahresbeginn 2023 gibt es die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Sie wird von den Krankenkassen erstellt und von ihnen zum Abruf durch den Arbeitgeber bereitgehalten. Mehr dazu in Gliederungspunkt 3.
2. Die gesetzliche Grundregel
Dauert eine Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG.
Seit Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eAU – ab dem 01.01.2023 gilt die Nachweispflicht nicht mehr "für Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse sind" (§ 5 Abs. 1a Satz 1 EFZG). Für privat Krankenversicherte, bei einer Auslandserkrankung oder für Personen, die eine geringfügige Beschäftigung im Privathaushalt ausüben (§ 8a SGB IV), bleibt es bei der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG.
In den Fällen, in denen § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG noch anzuwenden ist, gilt weiterhin: Die ärztliche Bescheinigung, das Attest, oder der "Gelbe Schein", wie er im Volksmund heißt, ist auf einem amtlichen Vordruck zu erstellen. Zu den notwendigen Angaben gehören die Personalien und die Angabe, wann die Erkrankung festgestellt wurde und wie lange sie voraussichtlich dauert. Zudem muss angekreuzt werden, ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt. Die Diagnose, d.h. die Art der Erkrankung, wird aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ersichtlich.
Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird, § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber über die Art der festgestellten Krankheit zu informieren, wird man nur in Ausnahmefällen für zulässig halten. Dann beispielsweise, wenn es sich um eine ansteckende, gefährliche Krankheit handelt, die zu einem Beschäftigungsverbot führen kann (z.B. eine Salmonellenvergiftung im Lebensmitteleinzelhandel).
3. Neue Regeln ab dem 01.01.2023
Seit Jahresbeginn 2023 ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eAU – Standard. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sind nach § 295 Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet,
die von ihnen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten (§ 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V) und
etliche weitere Daten (§ 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB V)
aufzuzeichnen und elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. Die Krankenkassen erstellen nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber, die u.a.
den Namen des Beschäftigten
den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit
das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
die Kennzeichung als Erst- oder Folgebescheinigung
enthält (s. dazu § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). § 5 Abs. 1a Satz 1 EFZG sagt: § 5 Abs. 1 Satz 2 (Vorlage einer AU bei einer länger als drei Kalendertage dauernden Arbeitsunfähigkeit), Satz 3 (früherer Vorlage einer AU nach Arbeitgeberverlangen), Satz 4 (Vorlage einer Folgebescheinigung) und Satz 5 (Hinweis auf Übersendung der AU mit Diagnose(n) an die Krankenkasse) EFZG "gilt nicht für Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse sind."
Praxistipp:
Bis zum 31.12.2022 sah § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer eine Vorlagepflicht, eine Bringschuld vor. Seit dem 01.01.2023 muss der Arbeitgeber die eAU abrufen, sodass aus der früheren Bring- nun eine Holschuld geworden ist. Das hat Konsequenzen für das in § 7 EFZG verankerte Leistungsverweigerungsrecht. Der Arbeitgeber kann die Entgeltfortzahlung nicht verweigern, wenn er die eAU nicht abruft.
Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer sind nach § 5 Abs. 1a Satz 2 EFZG verpflichtet,
zu den in § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 EFZG genannten Zeitpunkten das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und
sich eine ärztliche Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 oder 4 EFZG aushändigen zu lassen (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EFZG).
§ 5 Abs. 1a Satz 1 und Satz 2 EFZG gelten nicht
für Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben (§ 5 Abs.1a Satz 3 Nr. 1 EFZG), und
in Fällen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt (Privatarzt), der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (§ 5 Abs. 1a Satz 3 Nr. 2 EFZG).
Bei Auslandserkrankungen sowie bei Zeiten von Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen findet § 5 Abs. 1a Satz 1 EFZG ebenfalls keine Anwendung. Die Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG, also die unverzügliche Anzeige/Meldung eines krankheitsbedingten Arbeitsversäumnisses, besteht selbstverständlich weiter. Immerhin kann der Arbeitgeber die eAU ja erst dann abrufen, wenn er weiß, dass sein Mitarbeiter arbeitsunfähig krank ist.
4. Der Drei-Tages-Zeitraum
Die Vorlagepflicht des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer noch keinen Entgeltfortzahlungsanspruch hat (s. dazu § 3 Abs. 3 EFZG). Sie setzt lediglich voraus, dass die Erkrankung länger als drei Kalendertage dauert.
Beispiel:
Karl Gall verletzt sich am 03.07. beim abendlichen Squash-Spielen den linken Oberschenkel. Er ruft gleich morgens am 04.07. bei seinem Chef an und entschuldigt sich bis auf weiteres. Der Arzt schreibt ihn vom 04.07. für eine Woche arbeitsunfähig. Gleich nach dem Arztbesuch meldet sich Karl noch einmal bei seinem Boss und teilt ihm mit, dass er voraussichtlich bis einschließlich 11.07. noch arbeitsunfähig sein wird. Die Arbeitsunfähigkeit dauert länger als drei Kalendertage, Karl muss spätestens am 05.07. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.
Bei der Ermittlung der Frist sind die Regelungen in §§ 186 ff. BGB zu berücksichtigen. Tritt die Arbeitsunfähigkeit am Dienstagmorgen ein, muss die AU-Bescheinigung am Freitag vorgelegt werden. Der Abgabetermin für eine am Mittwoch begonnene Arbeitsunfähigkeit ist der Montag der Folgewoche, vorausgesetzt, Samstag und Sonntag sind arbeitsfrei. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG hat die Vorlage der AUB ja am "darauf folgenden Arbeitstag" nach Ablauf der 3 Kalendertage zu erfolgen.
Praxistipp:
Es reicht für den Arbeitnehmer nicht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur rechtzeitig abzuschicken. Er muss dafür sorgen, dass sie innerhalb der Frist des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG beim Arbeitgeber ankommt. Wegen verspäteter Attestvorlage kann abgemahnt und in letzter Konsequenz sogar gekündigt werden. Außerdem hat der Arbeitgeber Leistungsverweigerungsrechte nach § 7 EFZG.
Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge können die Vorlagepflicht zugunsten des Arbeitnehmers auf einen großzügigeren Zeitraum anlegen. Eine Regelung zu Ungunsten des Arbeitnehmers ist § 12 EFZG nicht vereinbar.
5. Besonderheiten für Kurz- und Folgeerkrankungen
Der Arbeitgeber ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch früher zu verlangen. Das bietet sich beispielsweise an, wenn der Arbeitnehmer nur für einen Freitag, einen "blauen Montag" oder einen Tag nach einem Feiertag "krank macht".
Beispiel:
Frank Elser ist Junggeselle. Mit seinen Kumpels macht er gerne "einen drauf". Das führt dazu, dass er an freien Tagen oft einen über den Durst trinkt und am nächsten Tag nicht zur Arbeit kommt. "Magen-Darm-Grippe", "Brechdurchfall", "Hexenschuss" etc. sind seine beliebten Ausreden. Nach dem "Schontag" ist Frank dann wieder im Dienst und tut, als ob nichts gewesen wäre. Das gefällt seinem Arbeitgeber natürlich gar nicht. Hier liegt ein Fall des § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG vor. Franks Arbeitgeber sollte sich in Zukunft für diese kurze Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung vorlegen lassen.
Verlangt ein Arbeitgeber die Attestvorlage früher, dann betrifft das sowohl die Dauer der Arbeitsunfähigkeit als auch die Vorlagefrist. So kann er beispielsweise anordnen, dass bereits für eintägige Arbeitsunfähigkeiten noch am selben Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen ist. Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, nach denen der Arbeitnehmer bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen hat, sind nach gefestigter BAG-Rechtsprechung zulässig (BAG, 01.10.1997 - 5 AZR 726/96). Das gleiche gilt für eine Vorlagepflicht ab dem ersten Krankheitstag aus einem Tarifvertrag (BAG, 26.02.2003 - 5 AZR 112/02 - mit dem Hinweis, dass die tarifliche Regelung nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein kann).
Trifft der Arbeitgeber eine generelle Entscheidung darüber, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stets vor dem dritten Tag vorzulegen ist, betrifft diese Anweisung eine Frage der betrieblichen Ordnung. Das wiederum hat zur Folge, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG hat (BAG 25.01.2000 - 1 ABR 3/99). Dieses Mitbestimmungsrecht wird nicht durch die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeschränkt. Eine Vorlagepflicht ab dem ersten Tag kann auch per Tarifvertrag geregelt werden (LAG Nürnberg, 22.01.2002 - 6 Sa 193/01).
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG.
Beispiel:
Karl Gall aus dem Beispiel in Ziffer 2. wurde bis zum 11.07. arbeitsunfähig geschrieben. Geht Karl jetzt am 11.07. wieder zum Arzt und stellt dieser Arzt fest, dass der Heilungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, dann wird er Karl noch länger krankschreiben. Dann muss Karl seinen Chef über den weiteren Arbeitsausfall informieren, § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG, und ihm eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG.
Die Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG besteht auch dann, wenn der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum des § 3 Abs. 1 EFZGabgelaufen ist. In welcher Frist die Folgebescheinigung vorzulegen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Nimmt man die Wertung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG auf, ist es sinnvoll, die Abgabe der AU-Bescheinigung an dem Tag zu verlangen, der dem letzten bescheinigten Tag auf der Erstbescheinigung folgt. Dann werden die Arbeitsunfähigkeitszeiten lückenlos nachgewiesen und der Arbeitgeber kommt gar nicht erst in Versuchung, von einem Zurückbehaltungsrecht nach § 7 EFZG Gebrauch zu machen. Es wird auch die Auffassung vertreten, dass die erneute Attestvorlage vor Ablauf der Erstbescheinigung zu erfolgen hat. Auch hier ist es viel wichtiger, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber davon informiert, dass er weiter ausfallen wird. Weiß der Arbeitgeber das, kann ihm der "unverzügliche" Nachweis der Arbeitsunfähigkeit eigentlich egal sein. So ist es auch an dieser Stelle sinnvoll, sauber zwischen der Anzeige- und der Nachweispflicht zu unterscheiden.
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt.
6.1 Attestvorlage ab dem 1. Krankheitstag
§ 5 EFZG sagt: "Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen". Das Gesetz knüpft das Verlangen des Arbeitgebers weder an einen bestimmten Anlass noch an sonstige Voraussetzungen. Daher muss der Arbeitgeber sein Verlangen weder begründen noch muss seine Aufforderung, bereits ab dem ersten Krankheitstag ein Attest vorzulegen, billigem Ermessen entsprechen (LAG Köln, 14.09.2011 - 3 Sa 597/11).
6.2 Mitbestimmung - 1
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um Fragen der betrieblichen Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geht. Verlangt ein Arbeitgeber von bestimmten, mehr als sechs Wochen erkrankten Mitarbeitern mit einem gleich lautenden Formschreiben eine ärztliche Bescheinigung darüber, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt, dann hat der Betriebsrat bei dieser Vorgehensweise mitzubestimmen (LAG Hessen, 06.09.2001 - 5 TaBV 5/01).
6.3 Mitbestimmung - 2
Der Betriebsrat - in diesem Fall nicht der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn es um die Regelung der Nachweispflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit geht. Es handelt sich um eine Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. "Verlangt der Arbeitgeber von Arbeitnehmern unabhängig von einer Arbeitsleistung in einer bestimmten Form und innerhalb einer bestimmten Frist den Nachweis jeglicher Arbeitsunfähigkeit, betrifft dieses regelhafte Verlangen nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das betriebliche Ordnungsverhalten" (so schon: BAG, 25.01.2000 - 1 ABR 3/99). § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG - bei einer Arbeitsunfähigkeit, die "länger als drei Kalendertage" dauert, "früher" als "spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag" - eröffnet dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG gibt ihm die Möglichkeit, "die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EFZG vor dem vierten Krankheitstag zu verlangen." Und an "der Ausgestaltung des Regelungsspielraums zum 'Ob' und zum 'Wie' der Nachweispflicht des § 5 Abs. 1 EFZG hat der Betriebsrat mitzubestimmen" (BAG, 23.08.2016 - 1 ABR 43/14).
6.4 Quarantäneanordnung
Wird ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs arbeitsunfähig krank, werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet – sagt § 9 BUrlG. Wer Kontaktperson eines Corona-Infizierten, aber selbst nicht wegen einer SARS-CoV-2-Ansteckung arbeitsunfähig ist, ist i.S.d. § 9 BUrlG nicht krank, wenn er aufgrund behördlicher Anhörung abgesondert bzw. als Kontaktperson mehrere Tage in häuslicher Isolierung verbringen muss. Wurde diesem Arbeitnehmer für die gleiche Zeit oder einen Teil davon Erholungsurlaub gewährt, bekommt er die "ausgefallenen" Urlaubstage nicht nach. Eine behördliche Quarantäneanordnung kann einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gleichgesetzt werden. § 9 BUrlG greift in diesem Fall nicht (LAG Köln, 13.12.2021 – 2 Sa 488/21).
6.5 Telefondiagnose?
Das BSG hat seine Entscheidung in diesem Fall zwar zur Krankengeldzahlung getroffen, das Ergebnis müsste jedoch auch für die vom Arbeitgeber geschuldete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall maßgebend sein. Bei der Krankengeldzahlung setzen sowohl die Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch die nachfolgenden Feststellungen voraus, dass der Arzt den Versicherten persönlich untersucht hat. Eine telefonische Feststellung der Arbeitsunfähigkeit genügt nicht. Krankengeld soll nur auf der Basis einer fundierten und bestmöglichen ärztlichen Einschätzung gewährt werden. Die Krankenkasse hat nur die Möglichkeit, die Krankheit durch ihren Medizinischen Dienst prüfen zu lassen. Sie ist daher auf eine sorgfältige ärztliche Begutachtung angewiesen - und die erfordert eben eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch den Arzt (BSG, 16.12.2014 - B 1 KR 25/14).