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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arbeitskampf - Arbeitslosengeld
Arbeitskampf - Arbeitslosengeld
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber braucht seinen Mitarbeitern bei einem Arbeitskampf kein Arbeitsentgelt zu zahlen. Die Arbeitnehmer tragen in diesem Fall das Lohnrisiko. Das "Streikgeld" der Gewerkschaften ist kein vollwertiger Ersatz - zumal es nur den organisierten Arbeitnehmern gezahlt wird. So kommt schnell die Frage auf, ob das Lohnrisiko nicht von Dritter Seite getragen werden kann. Die Gemeinschaft der gegen Arbeitslosigkeit Versicherten ist hier allerdings zurückhaltend.
Praxistipp:
Für am Arbeitskampf teilnehmende Arbeitgeber gibt es weder Streikgeld noch Leistungen der Bundesagentur. Einige Arbeitgeberverbände haben so genannte Streikfonds eingerichtet, aus denen bestreikte oder aussperrende Arbeitgeber zumindest einen Teil ihrer Einbußen ersetzt bekommen. Leistungen aus dem Streikfonds setzen natürlich voraus, dass der bestreikte oder aussperrende Arbeitgeber Verbandsmitglied ist.
§ 160 SGB III (früher: § 146 SGB III) schreibt die arbeitskampfpolitische Neutralität der Bundesagentur für Arbeit (BA) fest. Sie darf weder durch Zahlung von Arbeitslosengeld (§ 160 SGB III) noch durch Zahlung von Kurzarbeitergeld (§ 100 SGB III) in Arbeitskämpfe eingreifen. Die Bundesagentur muss die Tarifautonomie der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften achten. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen darf sie Arbeitslosen trotz Arbeitskampfs Arbeitslosengeld zahlen. Zudem muss unterschieden werden, ob sich ein Arbeitsloser am Arbeitskampf beteiligt (§ 160 Abs. 2 SGB III) oder nicht beteiligt (§ 160 Abs. 3 SGB III) hatte.
2. Grundsatz
Durch die Leistung von Arbeitslosengeld darf nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden, § 160 Abs. 1 Satz 1 SGB III (= § 146 SGB III a.F.). § 160 Abs. 1 Satz 1 SGB III schreibt den so genannten Neutralitätsgrundsatz fest. Die Bundesagentur für Arbeit hat sich aus Arbeitskämpfen herauszuhalten. Sie muss das Verhandlungsgleich- oder -ungleichgewicht der Tarifpartner respektieren.
Beispiel:
Die Gewerkschaft bestreikt einige Betriebe der Region, in anderen Betrieben werden Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern ausgesperrt. Der Arbeitskampf suspendiert die gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Die Arbeitnehmer brauchen nicht zu arbeiten, der Arbeitgeber braucht ihnen kein Entgelt zu zahlen. Hätten streikende oder ausgesperrte Arbeitnehmer nun einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, trügen die Arbeitnehmer kein Vergütungsrisiko - und der Arbeitskampf könnte bis zum Ablauf der jeweiligen Bezugsdauer auf Kosten der Versichertengemeinschaft durchgeführt werden.
Damit unbeteiligte Arbeitslose nicht in die Folgen des Arbeitskampfs einbezogen werden, sagt § 160 Abs. 1 Satz 2 SGB III: "Ein Eingriff in den Arbeitskampf liegt nicht vor, wenn Arbeitslosengeld Arbeitslosen geleistet wird, die zuletzt in einem Betrieb beschäftigt waren, der nicht dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen ist." Ansonsten darf die Bundesagentur nicht steuernd in Arbeitskämpfe eingreifen. § 160 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt natürlich auch für andere Leistungen der BA, zum Beispiel für das Kurzarbeitergeld (§ 100 SGB III, früher: § 174 SGB). Bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen besteht unter Umständen ein Anspruch auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II.
3. Arbeitslos durch Beteiligung am Arbeitskampf
Wird ein Arbeitnehmer durch seine Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos, ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfs (§ 160 Abs. 2 SGB III).
Beispiel:
Ludger Garbetsch arbeitet als Müllfahrer bei der WastEx GmbH. Sein Arbeitsvertrag ist gerade mal drei Wochen alt, da wird die Entsorgungsbranche von einem lang andauernden Arbeitskampf heimgesucht. Die WastEx GmbH entschließt sich, allen streikenden Mitarbeitern, die noch keinen Kündigungsschutz haben, zu kündigen. Auch das Arbeitsverhältnis von Ludger Garbetsch wird beendet. Er bekommt nun so lange kein Arbeitslosengeld, wie der Arbeitskampf in der Entsorgungswirtschaft anhält.
Arbeitnehmer, die sich an einem Arbeitskampf beteiligen, haben gegen ihren Arbeitgeber keine Vergütungsansprüche. Das rechtfertigt es, ihnen nach § 160 Abs. 2 SGB III auch das Arbeitslosengeld zu versagen. Hätten sie sich nämlich weiter an dem Arbeitskampf beteiligt, hätten sie auch keine Vergütungsansprüche gehabt. Zwischen der Beteiligung am Arbeitskampf und der Arbeitslosigkeit muss allerdings ein Kausalzusammenhang bestehen. Die Beteiligung am Arbeitskampf kann sowohl aktiv - z.B. durch Streikteilnahme - als auch passiv - z.B. durch Aussperrung - erfolgen.
4. Arbeitslos durch mittelbare Betroffenheit
Wurde ein Arbeitnehmer durch einen inländischen Arbeitskampf, an dem er nicht beteiligt ist, arbeitslos (Fernwirkung, s. auch Arbeitskampf - Arbeitskampfrisiko), ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes nur, wenn der Betrieb, in dem er zuletzt beschäftigt war,
dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags zuzuordnen ist (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III) oder
nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags zuzuordnen ist und im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags, dem der Betrieb zuzuordnen ist,
eine Forderung erhoben worden ist, die einer Hauptforderung des Arbeitskampfs nach Art und Umfang gleich ist, ohne mit ihr übereinstimmen zu müssen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a) SGB III), und
das Arbeitskampfergebnis aller Voraussicht nach in den räumlichen Geltungsbereich des nicht umkämpften Tarifvertrags im Wesentlichen übernommen wird (§ 160 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b) SGB III).
Eine Forderung ist i.S. des § 160 Abs. 3 Satz 1 SGB IIIerhoben, wenn sie von der zur Entscheidung berufenen Stelle beschlossen worden ist oder aufgrund des Verhaltens einer Tarifvertragspartei im Zusammenhang mit dem angestrebten Abschluss des Tarifvertrags als beschlossen anzusehen ist (§ 160 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 SGB III nur, wenn die umkämpften oder geforderten Arbeitsbedingungen nach Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags für den Arbeitnehmer gelten oder auf ihn angewendet werden (§ 160 Abs. 3 Satz 3 SGB III - Partizipationsprinzip).
5. BA-interne Maßnahmen
Der Verwaltungsrat der jeweils zuständigen Bundesagentur kann anordnen, dass einer bestimmten Gruppe von Arbeitslosen, bei denen das Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 160 Abs. 3 SGB IIIausnahmsweise nicht gerechtfertigt ist, dennoch Arbeitslosengeld zu zahlen ist (§ 160 Abs. 4 SGB III).
Die Feststellungen, ob die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit.) a und lit. b) SGB III erfüllt sind, trifft der Neutralitätsausschuss (§ 160 Abs. 5 Satz 1 SGB III; s. dazu auch § 380 SGB III). Bevor der Neutralitätsausschuss seine Entscheidung fällt, hat er den Fachspitzenverbänden der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 160 Abs. 5 Satz 2 SGB III).
Die Fachspitzenverbände der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien können durch Klage
die Aufhebung der Entscheidung des Neutralitätsausschusses nach §160 Abs. 5 SGB III und
eine andere Feststellung
verlangen (§ 160 Abs. 6 Satz 1 SGB III). Die Klage muss gegen die Bundesagentur gerichtet werden (§ 160 Abs. 6 Satz 2 SGB III). Wegen der Dringlichkeit findet kein Vorverfahren statt (§ 160 Abs. 6 Satz 3 SGB III). Das Bundessozialgericht entscheidet über die Klage im ersten und im letzten Rechtszug (§ 160 Abs. 6 Satz 4 SGB III). Es kann auf Antrag eines Fachspitzenverbands sogar eine einstweilige Anordnung erlassen (§ 160 Abs. 6 Satz 6 SGB III). Das Verfahren nach § 160 Abs. 6 SGB III ist vorrangig zu erledigen (§ 160 Abs. 6 Satz 5 SGB III).
Siehe auch
Arbeitskampf - AllgemeinesArbeitskampf - ArbeitsverhältnisArbeitskampf - AussperrungArbeitskampf - FriedenspflichtArbeitskampf - MitbestimmungArbeitskampf - RichtlinienArbeitskampf - SozialversicherungArbeitskampf - StreikArbeitskampf - UrabstimmungArbeitskampf - WarnstreikArbeitskampf - wilder StreikKurzarbeit