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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Probezeit - Vertragsstrafe
Probezeit - Vertragsstrafe
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der eingestellte Bewerber seine Arbeit auch aufnimmt. Die Absicherung des Arbeitsantritts kann über die Vereinbarung einer Vertragsstrafe erfolgen. Das Arbeitsrecht lässt es darüber hinaus zu, zur Sicherstellung der Arbeitsaufnahme eine Kündigung vor Dienstantritt auszuschließen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen den geschlossenen Arbeitsvertrag erfüllen.
Praxistipp:
Arbeitgeber haben keine Möglichkeit, den tatsächlichen Arbeitsantritt ihres Probearbeitnehmers zu sichern. Die Arbeitsleistung ist, auch wenn sie zivilrechtlich vereinbart und geschuldet ist, rechtlich nicht vollstreckbar, § 888 Abs. 3 ZPO. Insoweit ist es nur legitim, für den Fall des Nichtantritts der zugesagten Arbeit eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Das bringt den Arbeitnehmer de facto zwar nicht den Betrieb, lehrt ihn aber, dass auch er arbeitsvertragliche Absprachen einhalten muss.
Was eine Vertragsstrafenvereinbarung nicht darf: zu einer Übersicherung des Arbeitgebers führen. Sie soll die Leistung der versprochenen Arbeit sichern und dem Arbeitgeber keine "Geldquelle" eröffnen. Vertragsklauseln, die eine zu hohe Vertragsstrafe vorsehen, sind unangemessen, und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGBunwirksam. Soweit es die Probezeit betrifft, ist sorgfältig zu unterscheiden: Bei einer kurzen Probezeitkündigungsfrist muss sich die Höhe der Vertragsstrafe an dem Zeitraum orientieren, der das Erfüllungsinteresse des Arbeitgebers widerspiegelt.
2. Kündigungsausschluss und Sicherungszweck
Arbeitgeber, die einen neuen Mitarbeiter einstellen, haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der Bewerber seine Stelle auch antritt. Die Stellenausschreibung und das Bewerbungsverfahren haben Zeit und Geld gekostet. Will man beides nicht nutzlos aufgewendet haben, muss der neue Mitarbeiter sein Arbeit vertragsgemäß aufnehmen. Diese Arbeitsaufnahme kann vertraglich zunächst mit einem Kündigungsausschluss gesichert werden:
Praxistipp:
Einfache und klare Formulierungen haben immer eine Chance, durch die AGB-Kontrolle des BGB zu kommen. Empfohlen wird die Klausel: "Das Arbeitsverhältnis beginnt am <Datum>. Eine Kündigung vor Arbeitsaufnahme ist ausgeschlossen."
Eine zusätzlich vereinbarte Vertragsstrafe sichert das berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine
arbeitsvertragswidrige und
schuldhafte
Nichtaufnahme der Arbeit zu vermeiden (BAG, 19.08.2010 - 8 AZR 645/09).
Vertragsstrafen sind als Sanktion für eine vorzeitige tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer, weil der
seine Arbeit erst gar nicht antritt,
die maßgebliche Kündigungsfrist oder
den maßgeblichen Beendigungs-/Kündigungstermin
nicht einhält und seine vertraglich geschuldete Arbeit bis zum ordentlichen Ende des Arbeitsverhältnisses nicht (mehr) leistet, weder ungewöhnlich noch überraschend (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07). Der Arbeitgeber will mit ihr die Aufnahme der Arbeit und die Durchführung des Arbeitsvertrags sicherstellen. Hinzu kommt: Verhält sich der Arbeitnehmer vertragswidrig, sind Darlegung und Beweis eines Schadens oft schwierig. Daher gilt:
"Die schadensersatzrechtlichen und zivilprozessualen Erleichterungen nach § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO erleichtern nur in geringfügigem Umfang die Darlegung und den Nachweis des Schadens; der Nachweis des Schadens und des Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist in der Praxis kaum zu führen (...). Deshalb ist ein Interesse des Arbeitgebers an einer Vertragsstrafenregelung anzuerkennen. Der Arbeitnehmer wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil es an ihm liegt, seine Hauptpflichten zu erbringen" (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07).
Die schadensausgleichende Funktion ist nur einer der beiden Zwecke einer Vertragsstrafenvereinbarung. Die andere Funktion ist die Sicherung der Arbeitsaufnahme - wobei eine Vertragsstrafenvereinbarung nicht zwingend beide Zwecke verfolgen muss (BAG, 19.08.2010 - 8 AZR 645/09).
Eine Vertragsstrafenvereinbarung ist nach § 134 BGBunwirksam, wenn
der Arbeitgeber damit eine unwirksame Hauptverbindlichkeit sichern oder
den Arbeitnehmer dazu anhalten will, eine nicht wirksam vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07).
Was nicht ausgeschlossen werden kann: die ordentliche Kündigung. Mehr zum Thema Vertragsstrafe in den Stichwörtern Vertragsstrafe - Allgemeines ff.
3. Angemessenheit der Vertragsstrafe
Vertragsstrafenklauseln, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGBunwirksam.
Bei einem Arbeitsverhältnis mit Probezeit gelten in der Regel unterschiedlich lange Kündigungsfristen:
eine kurze, beispielsweise die 14-tägige aus § 622 Abs. 3 BGB, während der Probezeit, und
eine lange, beispielsweise die 4-wöchige aus § 622 BGB, in der Zeit danach.
Bei der Höhe der Vertragsstrafe muss nach der Geltung unterschiedlicher Kündigungsfristen differenziert werden (BAG, 23.09.2010 - 8 AZR 897/08). Die Vertragsstrafe
muss während der Probezeit auf die kürzere Kündigungsfrist und
kann nach der Probezeit auf die längere Kündigungsfrist
abgestimmt sein. Eine Vertragsstrafenregelung, die diese Systematik nicht berücksichtigt, ist unangemessen (BAG, 23.09.2010 - 8 AZR 897/08).
Beispiel:
In der Regel wird es allgemein als zulässig angesehen, zur Sicherung der Arbeitsleistung eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt zu vereinbaren. Lisa Meier schließt so einen Arbeitsvertrag. Die ersten sechs Monate sind Probezeit, während dieser Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Frist gekündigt werden. Ab dem siebten Monat soll dann eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gelten. Frau Meier bekommt während der Probezeit ein lukrativeres Jobangebot, bei dem sie ein besseres Gefühl hat. Von heute auf morgen kündigt sie. Die Vertragsstrafenvereinbarung ist unwirksam - sie sieht für den Fall Probezeit mit nur 14-tägiger Kündigungsfrist eine Übersicherung - nämlich ein ganzes Bruttomonatsgehalt - vor.
Bei der Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe im Zusammenhang mit einer vorfristigen, vertragswidrigen Lossagung vom Arbeitsverhältnis ist nach der BAG-Rechtsprechung die maßgebliche Kündigungsfrist von Bedeutung (BAG, 23.09.2010 - 8 AZR 897/08):
Die Länge der Kündigungsfrist zeigt, "in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat".
Bei einer Vertragsstrafenvereinbarung geht es auch um den Ausgleich nicht erbrachter Arbeitsleistung, womit die infolge des Vertragsbruchs nicht eingehaltene Kündigungsfrist"ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der Angemessenheit der Vertragsstrafenhöhe" ist.
Die Höhe der Vergütung, so das BAG (23.09.2010 - 8 AZR 897/08), ist grundsätzlich ein geeigneter Maßstab,
"um den Wert der Arbeitsleistung festzustellen. In dieser kommt zum Ausdruck, welche Mittel der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse einsetzen muss, um den Gegenwert der Arbeitsleistung zu erhalten, mit deren Hilfe er seine wirtschaftlichen Ziele verfolgt. Die Länge der jeweiligen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegeln damit regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider".
Zulässig ist beispielsweise folgende Klausel (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 896/07):
"Nimmt der Arbeitgeber die Arbeit nicht oder verspätet auf, verweigert er vorübergehend unberechtigt die Arbeit, löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist unberechtigt auf oder wird der Arbeitgeber durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zur außerordentlichen Kündigung veranlasst, so hat der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen. Als Vertragsstrafe wird für den Fall der verspäteten Aufnahme der Arbeit, der vorübergehenden Arbeitsverweigerung und der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ein sich aus der Bruttomonatsvergütung nach vorstehendem § 4 Abs. 1 zu errechnendes Bruttotagegeld für jeden Tag der Zuwiderhandlung vereinbart, insgesamt jedoch nicht mehr als das in der gesetzlichen Mindestkündigungsgfrist ansonsten zu zahlende Arbeitsentgelt. Im Übrigen beträgt die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsgehalt gemäß vorstehendem § 4 Abs. 1".
Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte hinter "vertragswidriges Verhalten" noch ein paar Beispiele für dieses vertragswidrige Verhalten einfügen:
Praxistipp:
Folgende Formulierung bietet sich an: "- zum Beispiel Straftaten zu Lasten von Arbeitgeber und/oder Arbeitskollegen, nachhaltige Störung des Betriebsfriedens, wiederholte Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten trotz Abmahnung (z B. nicht rechtzeitige Anzeige einer Arbeitsversäumnis, unentschuldigtes Fehlen) -".
Eine vereinbarte Vertragsstrafe muss nämlich nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösenden Pflichtverletzungen so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, "sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam" (BAG, 21.04.2005 - 8 AZR 425/04).
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Probezeit und Vertragsstrafe in alphabteischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Angemessenheit
Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft seines Mitarbeiters wird regelmäßig durch die Länge der jeweiligen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung widergespiegelt. Beide Umstände sind daher auch für den Umfang eines möglichen Schadens bei einer vertragswidrigen Lösung des Arbeitsverhälltnisses maßgeblich. "Dementsprechend ist eine Vertragsstrafe in Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Fall des Nichtantritts der Arbeit grundsätzlich angemessen" (BAG, 18.12.2008 - 8 AZR 81/08).
4.2 Berechtigtes Interesse
"Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer in der Regel weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den Arbeitsvertrag zu brechen. Dabei ist es zu eng, die Vertragsstrafe allein mit einem vermögensrechtlichen Interesse des Arbeitgebers zu begründen. Die schadensausgleichende Funktion ist nur eine der beiden Funktionen der Vertragsstrafe. Diese dient auch der Sicherung der Arbeitsaufnahme und muss nicht zwingend beide Zwecke verfolgen. Ist aber erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers" (BAG, 19.08.2010 - 8 AZR 645/09).
4.3 Nichtantritt
"Eine Vertragsstrafe kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch dann verwirkt sein, wenn der Arbeitnehmer zwar zum vereinbarten Termin am Arbeitsort erscheint, allerdings ohne den ernstgemeinten Leistungswillen hinsichtlich der Realisierung des Dienstverhältnisses. Ohne den ernstlichen Willen, die Leistung im geschuldeten Umfang zu erbringen, tritt der Arbeitnehmer das 'Dienstverhältnis' nicht an und kann dadurch die vereinbarte Vertragsstrafe verwirken" (LAG Düsseldorf, 15.07.2009 - 7 Sa 385/09 - Leitsatz).
4.4 Schlüssiger Kündigungsausschluss
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Fall, dass der Mitarbeiter seine Arbeit nicht aufnimmt, eine Vertragsstrafe, "liegt darin konkludent die Vereinbarung, dass das ordentiche Kündigungsrecht vor Dienstantritt ausgeschlossen ist und die Kündigungsfrist erst ab dem Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme beginnen soll". Der Arbeitnehmer soll ja gerade durch die Vertragsstrafenvereinbarung dazu angehalten werden, die Arbeit aufzunehmen und seine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen. Der Arbeitgeber will mit so einer Regelung "die Sicherung der rechtlich nicht erzwingbaren effektiven Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer" sichern (BAG, 17.07.1985 - 5 AZR 104/84).
4.5 Übersicherung
Die Klausel "Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- und sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimnmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet" in einem Formulararbeitsvertrag ist bei einer gleichfalls vereinbarten 2-wöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit unangemessen im Sinn des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist eine Übersicherung. Die Klausel differenziert nicht ausreichend zwischen den für die Probezeit und die Zeit danach geltenden Kündigungsfristen. Eine Vertragsstrafe, die höher als die für den gleichen Zeitraum zu zahlende Arbeitsvergütung ist, ist nur ausnahmsweise angemessen (BAG, 23.09.2010 - 8 AZR 897/08).