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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Vertragsstrafe - Regelungszweck
Vertragsstrafe - Regelungszweck
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber ist Gläubiger der Leistung Arbeit, der Arbeitnehmer ihr Schuldner. Die Sicherung der Gläubigerposition kann über viele Wege erfolgen. Das bewährteste Mittel ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag. Auch wenn vorformulierte Vertragsstrafenabreden in den üblicherweise verwendeten Formularverträgen der AGB-Kontrolle des BGB unterlegen: Sie sind grundsätzlich nicht zu beanstanden. Selbstverständlich aber muss eine solche Klausel wirksam sein - und einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers dienen.
Praxistipp:
Eine Vertragsstrafenvereinbarung lässt sich nicht für jeden Zweck treffen. Sie muss ein rechtlich anzuerkennendes Arbeitgeberinteresse treffen. Vertragsstrafenklauseln, die diesen Regelungszweck nicht erfüllen, sind schon deswegen unwirksam. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber sich - losgelöst von einem berechtigten Interesse - auf Kosten seiner Mitarbeiter bereichern will.
Die beiden Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses sind das Leisten von Arbeit und das Zahlen von Arbeitsentgelt. Damit der Arbeitnehmer seine Leistung erfüllt, kann der Arbeitgeber mit ihm eine Vertragsstrafenabrede treffen. Darin kann beispielsweise die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall vorgesehen werden, dass der Arbeitnehmer die Arbeit gar nicht antritt, den Arbeitsvertrag ohne Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist kündigt oder via Vertragsbruch ausscheidet. Der Arbeitgeber hat in der Regel ein schützenswertes Sicherungsinteresse - während man dem Arbeitnehmer kein Recht zubilligen kann, gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen zu dürfen.
2. Grundsätzliches
Die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag sind Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt:
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeit zu leisten.
Der Arbeitgeber verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitnehmer, Arbeitsentgelt zu zahlen.
Verletzt der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten, kann der Arbeitgeber
mit den Mitteln des Arbeitsrechts - z. B. Abmahnung und Kündigung - reagieren
und/oder Schadensersatz fordern.
Um die Verpflichtungen des Schuldners Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag zu sichern, kann der Arbeitgeber mit ihm eine Vertragsstrafe vereinbaren. Sie hat folgende Regelungszwecke:
zum einen dient sie als Druckmittel des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, mit dem er ihn dazu anhalten kann, seine Arbeitspflicht ordentlich zu erfüllen,
zum anderen dient sie als Beweiserleichterung für Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, weil er nur die Verwirkung der Vertragsstrafe belegen und keine aufwändigen Einzelnachweise führen muss.
Der klassische Fall einer Vertragsstrafe ist das so genannte unselbstständige Strafversprechen. Es setzt eine wirksame Hauptverbindlichkeit voraus. Diese Hauptverbindlichkeit soll durch die Vertragsstrafe gestützt werden. Sie dient der Sicherung der schuldrechtlichen Ansprüche des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag. Daher ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Arbeitgeber die Hauptverbindlichkeit verletzt hat (mehr dazu im Stichwort Vertragsstrafe - Rechtsgrundlage).
3. Sicherungsinteresse
Eine Vertragsstrafenabrede ist nach § 307 Abs. 1 BGBunangemessen, wenn sie nicht durch ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse gedeckt ist. Berechtigte Arbeitgeberinteressen sind in der Regel die Sicherung der Fälle,
dass der Arbeitnehmer nach Vertragsschluss seine Arbeit überhaupt antritt und
nach Arbeitsantritt nicht vorzeitig ohne Einhalten der maßgeblichen Kündigungsfrist wieder ausscheidet.
Beispiele:
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Willy Window ist ein ausgezeichneter Softwarespezialist. Er wird gleich von mehreren Arbeitgebern umworben. Vor allem die Systemhäuser Meik Rosoff Ltd. und die Eppel GmbH machen ihm lukrative Angebote. Um Willys Start zu sichern, vereinbart die Meik Rosoff Ltd. mit ihm eine Vertragsstrafe. Wenn er die Stelle nicht zum 01.02. antritt, soll er an sie eine Vertragsstrafe zahlen, die seinem Brutto-Arbeitsverdienst in der Zeit vom 01.02. bis zum frühest möglichen Kündigungszeitpunkt entsprechen würde.
- (2)
Die Märtz & Edes AG betreibt mehrere große Autohäuser und möchte ihre Automobilverkäufer, in deren Fortbildung sie einiges investiert hat, nicht gerne kurzfristig aus dem Vertrag lassen. Sie vereinbart daher mit Ihnen für den Fall eine Vertragsstrafe, dass jemand unter Vertragsbruch vorzeitig ausscheidet oder beim Ausscheiden die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist nicht einhält.
Weitere berechtigte Arbeitgeberinteressen können sein, dass
der Arbeitgeber wegen eines schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens seines Arbeitnehmers zu einer fristlosen Kündigung veranlasst wird,
der Arbeitnehmer gegen ein mit dem Arbeitgeber vereinbartes Wettbewerbs-, Verschwiegenheits- oder Nebentätigkeitsverbot verstößt oder
der Arbeitnehmer schlechte Leistungen zeigt - wobei hier die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsgrundsätze zu berücksichtigen sind.
Der Arbeitgeber muss in der Vertragsstrafenklausel schon genau sagen, was er unter Strafe stellen will. Soll nur ein Vertragsbruch eine Vertragsstrafe auslösen, führt das nicht dazu, dass auch bei einer Arbeitgeberkündigung wegen eines schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens eine Vertragsstrafe verwirkt ist.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Regelungszweck von Vertragsstrafen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Auslegung
Allgemeine Geschäftsbedingungen - und somit auch ein Vertragsstrafenversprechen in einem Formulararbeitsvertrag - sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die Auslegung ist zunächst der Wortlaut. Darüber hinaus ist der von den Parteien verfolgte Regelungszweck maßgeblich - ebenso die von der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Insoweit ist ein Vertragsstrafenversprechen unangemessen, wenn die Beeinträchtigung des Arbeitnehmers nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG, 27.07.2010 - 3 AZR 777/08).
4.2 Berechtigte Interessen - 1
"Das Fehlen eines Schadens führt noch nicht zur Unwirksamkeit, denn die Vertragsstrafe bezweckt zwar in erster Linie, einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner zur Einhaltung seiner Verpflichtung auszuüben (...). Bei der Beurteilung einer angemessenen Höhe ist aber zu berücksichtigen, ob typischerweise nur ein geringer Schaden zu erwarten ist. Außerdem können bei einer Inhaltskontrolle einer Formularabrede nach § 307 BGB in der Regel nur einer generalisierenden Betrachtungsweise zugängliche Maßstäbe herangezogen werden, wie zum Beispiel die Bruttomonatsvergütung (...). Das Bundesarbeitsgericht hat schon unter Geltung des früheren Rechts eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts generell als geeigneten Maßstab angesehen" (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 196/03).
4.3 Berechtigte Interessen - 2
Die Beeinträchtigung rechtlich anerkannter Interessen von Arbeitnehmern ist unangemessen, wenn sie nicht durch billigenswerte und begründete Arbeitgeberinteressen gerechtfertigt ist oder zumindest durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werden. Ob eine Benachteiligung unangemessen ist, kann nur auf Grund einer wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragspartner festgestellt werden. Dabei sind auch die grundrechtlich geschützte Rechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander abzuwägen. Schließlich muss auch der Grundsatz von Treu und Glauben beachtet werden (LAG München, 13.02.2007 - 6 Sa 527/06 - mit dem Hinweis, dass auch die Höhe einer Vertragsstrafe zu einer Unangemessenheit der Regelung führen kann).
4.4 Interessenslage
Während der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, dass sein Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich Hauptpflicht einhält, kann man dem Arbeitnehmer weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse zubilligen, den geschlossenen Arbeitsvertrag brechen zu dürfen. Dabei ist es zu eng, die Vertragsstrafe allein mit einem vermögensrechtlichen Interesse des Arbeitgebers zu begründen. Sie dient eben auch der Sicherung der Arbeitsaufnahme und muss nicht zwingend beide Interessen bedienen. Wenn allerdings erkennbar ist, dass die Vertragsstrafe in erster Linie - vom Sachinteresse des Verwenders losgelöst - nur der Schöpfung neuer Geldforderungen dienen soll, muss man ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers verneinen (BAG, 18.12.2008 - 8 AZR 81/08).
4.5 Unangemessene Höhe
Eine Vertragsstrafe ist unangemessen hoch, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und seiner Folgen für den Vertragspartner steht. Auch hier muss man zur Feststellung der Unangemessenheit beide Interessen abwägen. Die Vertragsstrafe wird vom Gesetzeszweck als Druckmittel dafür angesehen, den Schuldner zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung der versprochenen Leistung anzuhalten. Zudem soll der Gläubiger die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung bekommen, indem er mittels Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis einen pauschalierten Schaden geltend machen kann. "Schaden und Vertragsstrafe müssen demzufolge wegen des Gesichtspunktes der Abschreckung nicht übereinstimmen" (LAG Hamm, 03.11.2006 - 7 Sa 1232/06).
Siehe auch
Vertragsstrafe - AGB-Kontrolle
Vertragsstrafe - Mitbestimmmung
Vertragsstrafe - Rechtsgrundlagen
Vertragsstrafe - vermeidbare Fehler